Baeren sind gefaehrliche Tiere, da gibt es kein 'weniger' oder 'mehr'. Baeren haben individuelle Charaktere, Baeren sind unheimlich intelligente und emotionale Tiere, koerperlich sind sie uns in allem Ueberlegen.Grauer Wolf hat geschrieben:Danke für Deinen guten Beitrag! Deckt sich ziemlich genau mit dem, was ich (mangels eigener Beobachtungsmöglichkeiten) theoretisch angelesen über Bären weiß. Die sind nicht annähernd so gefährlich, wie immer wieder behauptet wird, sofern man sich angemessen verhält... Ich glaube, über kaum ein anderes Tier, den Wolf ausgenommen, gibt es so viele "Legenden", wie über Bären, insbesondere Grizzlies...
Man kann einfach nicht vorhersagen wie ein Tier reagiert, das ist immer situationsbedingt. Ich habe einige Baeren mehrmals beobachtet und fotografiert, so dass ich ihren Charakter einschaetzen konnte und an Hand ihres Verhaltens einigermassen 'vorhersehen' konnte, wie sie sich verhalten. Eine Mutter mit drei Kleinen habe ich 2010 von einem Angelboot aus in Britisch-Kolumbien fotografiert, einen Moment lang waren war ich nur 4m von dem Muttertier entfernt. Sie wusste, dass wir da war, behielt uns immer im Auge, zeigte aber keinerlei Stimmungsschwankungen, Aggressionen, sie zeigte nicht, dass man jetzt nah genug ist.
Im Jahr darauf hab ich die Familie wiedergesehen, bei der ersten Sichtung aus 500m Entfernung sind alle vier Tiere im Vollsprint abgehauen. Drei Stunden spaeter dann haben sie mir mein unvergesslichstes Erlebnis ueberhaupt geliefert, alle drei kamen von sich aus bis auf 20m ans Boot, jagten direkt vor mir Lachse im Wasser und liessen sich durch meine Anwesenheit von nichts abbringen oder anders verhalten.
Man kann nie vorhersagen, wie Baeren im Allgemeinen oder ein einzelner Baer sich verhaelt. Ebenso ist es nicht wahr, dass Grizzlymuetter im Allgemeinen nonstop aufmerksam und nervoes sind, wenn sie Kleine haben.
Ich hab letztes Jahr im August nach langer Suche endlich meine ersten young of year cubs (Kleine die im Winter zuvor geboren waren, noch kein Jahr alt) gesehen, gefilmt und fotografiert. Morgens am Highway langgefahren, da sah ich sie links am Huegel entgegenkommen. Man sollte sich nicht in den Weg oder die Richtung von Baeren stellen, sich ihnen nicht naehern und je nach Baer wird man teilweise komplett ignoriert. Hier ein Video von der Begegnung, ich habe sie also links gesehen, bin rechts rangefahren und hab sie beobachtet. Nachdem sie nicht einen Moment angehalten haben um zu schauen wo das Auto herkommt und warum es anhaelt, musste ich nur noch warten bis sie naeher kommen. Dann nur noch draufhalten. Ich sitze auf dem Vordersitz und fotografier, meine Freundin hinten und filmt. Unser Hund (Englische Bulldogge) liegt neben ihr und macht ihre typischen Schnarch-, Schnauf- und Pupsgeraeusche, im zweiten Teil auch zu hoeren Ausserdem hoert man am Ende des Videos wie ein befreundeter Fotograf in seinem Auto angerollt kommt und hinter meinem zum Stehen kommt. Man sieht, wie die Baeren darauf reagieren bzw nicht reagieren. Es wird weiter gefressen, gelaufen, ohne mit der Wimper zu zucken.
http://youtu.be/JUTeGRo5kBo
Andere Muetter an der gleichen Strecke haben an manchen Tagen ebenso reagiert, an anderen Tagen waren sie super nervoes und haben sich sofort zwischen Nachwuchs und Strasse gebracht oder sind sofort weggelaufen. Je mehr Zeit ich fuer Beobachtungen hatte, um so besser konnte ich einigermassen verstehen warum. Einige Autofahrer sehen einen Baeren, fahren direkt drauf zu, halten daneben an, fotografieren aus dem Fenster oder steigen aus. Das gerne auch mal mit vollem Tempo und Vollbremsung vor dem Tier, koennte ja weglaufen und man bekommt sein Bild nicht mehr Danach konnte man eine Mutter vergessen, sie haute beim naechsten Auto ab und kam auch nicht mehr wieder. War ein anderer Baer in der Gegend, gesehen oder nicht, waren die Muetter super nervoes und reagierten auch auf Geraeusche von mir, so dass ich gleich wieder weg bin, um den Stress nicht noch zu vergroessern.
Baeren, egal ob Schwarz oder Braun, sind gefaehrliche Tiere. Aber nicht derart gefaehrlich, dass man sie besser sofort umsiedelt oder zerstoert um Konflikte zu vermeiden. Das macht man in Nationalparks auch nicht. Mit dem Verhalten gebe ich dir Recht, aber das faengt schon lange an, bevor es zu einer Sichtung oder Begegnung kommt. Dazu gehoert, dass man informiert wird, wenn ein Baer in der Gegend sein koennte. Nicht erst, wenn es so weit ist. So dass man sich so verhaelt, dass es gar nicht erst zu einer Sichtung kommt. Wenn ich alleine durch die Berge wander, singe ich Stadionlieder vom Fussball so laut ich kann. Hoert sich bekloppt an, sind aber die einfachsten Lieder und sich in der Naehe befindende Baere wissen, da ist jemand in der Naehe. In der Regel vermeiden sie Konfrontationen und Begegnungen, sie wollen in Ruhe fressen und fertig. Wenn ich mich aufmerksam mache, gebe ich ihnen die Wahl, wie es weitergeht. Zeig dich oder lass mich in Ruhe. Wenn ich irgendwo zu Fuss frische Spuren finde, verlasse ich die Gegend wieder. Ich befinde mich nun mal in 'bear country', wie es hier so schoen heisst.
Ein Baer in Deutschland ist nun mal was Neues mit dem man sich arrangieren kann (und wie ich finde sollte), auch wenn Deutschland momentan nicht zum Lebensraum von Baeren gehoert, bin ich der Meinung, dass man ueberlegen sollte, ob es nicht moeglich ist sich damit zu arrangieren und dem Tier die Entscheidung geben, ob es einen Teil Deutschlands zu seinem Lebensraum machen will oder nicht. Bei ernsten Konflikten gibt es immer noch einen Versuch der Konditionierung, Relokalisierung oder im aeussersten Fall dann einen Abschuss.
Das ist eben der Knackpunkt, Respekt. So versuche ich auch immer wieder Menschen die keine Erfahrung im Umgang mit Baeren haben zu sensibilisieren. Baeren sind pragmatisch gesagt wie Menschen. Sie wollen ihre Ruhe haben, ihrem Leben nachgehen und ihr Ding machen. Wenn ich Touristen da draussen sehe die munter auf einen Grizzly zulaufen um ihn mit dem Handy zu knippsen, frage ich sie, was sie wohl sagen wuerden, wenn sie im Restaurant sitzen, ich mit meiner Kamera aufgeregt schnatternd mit Freunden auf sie zukomme und fotografiere, immer naehr kommend, bis ich so nah bin, dass allein meine koerperliche Praesenz ihnen unbehagen bereiten wuerde, Kamera oder nicht. Da macht es oft click, gerade wenn man dann wieder bedenkt, was fuer Faehigkeiten das Tier eigentlich hat.Grauer Wolf hat geschrieben:Ich empfinde so ein Verhalten als grob respektlos... Ich hoffe, daß die Parkranger hart durchgreifen, wenn sich einer so verantwortungslos verhält...
Was Parkranger angeht, mach dir da keine Illusionen, je nach Park wird gar nichts gemacht, kein Bussgeld, nichts. Oft nicht mal eine Belehrung oder Informationen. Es ist zum kotzen. Letztes Jahr wurde ein Grizzly getoetet, der zwei Maenner 25m hoch in einen Baum gejagt hat. Den habe ich im Juni fotografiert, waehrend der Paarungszeit, beim Fressen wurde er von 20+ Touristen bedraengt, die sich mit schreinenden Kindern bis auf 5m naeherten. Parks angerufen, Fall geschildert, keiner kam, nichts passierte. Im Herbst gibt Parks dann das statement raus, es wuerde ihnen leid tun, unerklaerlicherweise waere das Tier in den letzten Monaten nervoeser und verhaltensauffaelliger geworden, so dass ihnen keine andere Wahl blieb, als ein geschlechtsreifes Tier das bereits fuer Nachwuchs gesorgt hat und bis dahin keine Probleme machte, zu toeten. Das ist die traurige Realitaet hier.