Wolfsbestand halbieren

Norwegen, Schweden, Finnland
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Nina
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Wolfsbestand halbieren

Beitrag von Nina »

Im "Vorbild"-Land Schweden, wo es ja so toll läuft mit der Wolfspolitik durch gezieltes Bejagen - zumindest wenn man den Jägern hierzulande und den ihnen zudienenden Politikern glaubt - kam es gerade zu einem neuen politischen Affront der Jagdlobby gegen Natur- und Artenschützer sowie gegen die 69% der Schweden, die den Wölfen gegenüber positiv eingestellt¹ sind: Am 18. Mai hat das Parlament per Beschluss die Regierung aufgefordert, den Referenzwert für den günstigen Erhaltungszustand der Wölfe in Schweden von 300 auf 170 zu senken.² 158 Abgeordnete stimmten dafür, 140 dagegen, eine/r enthielt sich und 50 waren abwesend. Die Verfechter der Halbierung des Wolfsbestandes kommen aus den Parteien Christdemokraten (KD), Moderata Samlingspartiet (M), Sverigedemokraterna (SD) und Centerpartiet (C). Gegenstimmen kamen von Schwedens sozialdemokratischer Arbeiterpartei (S), der Linkspartei Vänsterpartiet (V), den "Grünen" Miljöpartiet de gröna (MP) und Liberalerna (L)⁴. Die Jagdverbände jubeln und feiern den "historischen Wolfsbeschluss".⁵ Der Artenschutzverein Svenska Rovdjursföreningen beklagt, dass es sich um einen tragischen Versuch des Stimmenfangs für die Wahl im September handelt. Der günstige Erhaltungszustand der Wolfspopulation könne ebenso wenig per Beschluss festgelegt werden wie die Feststellung, dass die Erde eine Scheibe sei. Maßgeblich seien allein die wissenschaftlichen Fakten. Außerdem habe die EU-Kommission bestätigt, dass bereits der Referenzwert von 300 Individuen für eher zu niedrig angesehen werde. Die Raubtierpolitik in Schweden sei dominiert von den Jägern, die gerade einmal 2,6% der Bevölkerung ausmachten, während eine große Mehrheit der Schweden gemäß einer aktuellen Studie der Landtbruksuniversitet aus dem Jahr 2021 das Vorkommen der Beutegreifer begrüßten. Populistische Beschlüsse, die sich an Minderheitsinteressen und nicht an wissenschaftlichen Fakten orientierten, verschärften die Polarisierung und die Unversöhnlichkeit zwischen Stadt und Land sowie der Menschen auf dem Land untereinander, die verschiedene Positionen in der Raubtierpolitik verträten. Die wirklichen Probleme auf dem Land blieben dabei ungelöst.²

¹ Svenska Rovdjursförenigen, 16.11.2021: Svenska folket är överväldigande positivt till rovdjuren https://rovdjur.se/svenska-folket-ar-ov ... rovdjuren/
² Svenska Rovdjursförenigen, 19.05.2022: Från 300 till 170 vargar ett tragiskt, populistiskt beslut som kan få konsekvenser i EU https://rovdjur.se/fran-300-till-170-va ... kt-beslut/
³ Jaktjournalen, 18.05.2022: Ja till sänkt miniminivå för vargarna - så röstade politikerna i riksdagen https://www.jaktjournalen.se/ja-till-sa ... riksdagen/
Jaktjournalen, 06.05.2022: Så blir det nu med vargstammen - statsvetare förklarar beslutsprocessen https://www.jaktjournalen.se/sa-blir-nu ... processen/
Jaktjournalen, 05.05.2022: Här är kommentarerna om det historiska vargbeslutet https://www.jaktjournalen.se/har-ar-kom ... argbeslut/
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Nina
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Re: Wolfsbestand halbieren

Beitrag von Nina »

Schweden: Lobbyarbeit der Jäger wirkt - Landwirtschaftsministerin Anna-Caren Sätherberg startet Angriff auf EU-Schutzstatus

Wie das Jagdmagazin Svensk Jakt berichtet, will Landwirtschaftsministerin Anna-Caren Sätherberg (Schwedens sozialdemokratische Arbeiterpartei S) nun bei der EU auf die Absenkung des Schutzstatus der Wölfe von Anhang IV in den Anhang V drängen. Ziel: Den günstigen Erhaltungszustand auszurufen und damit das Wolfsmanagement durch Bejagung zu erleichtern.

Der Jagdverband Svenska Jägareförbundet zeigt sich zufrieden mit dem Einfluss der Jäger auf die Politik.
Konkret beinhaltet eine Herabsetzung des Schutzstatus von Anhang IV in den Anhang V eine deutlich erleichterte Verwaltung der Wölfe mittels Bejagung. Ist der Wolf wie heute noch im Anhang IV (streng geschützt) gelistet, müssen die Behörden Jagdgenehmigungen sehr ausführlich begründen. Ist der Wolf erst einmal in Anhang V überführt, reicht als Begründung die Feststellung, dass die genehmigte Jagd den Bestand nicht gefährdet.

Svensk Jakt, 07.07.2022: Regeringen vill göra det enklare att förvalta vargen genom jakt, Gunnar Glöersen, Svenska Jägareförbundet https://svenskjakt.se/start/nyhet/reger ... enom-jakt/
Svenska Jägareförbundet, wo man seit vielen Jahren auf eine Herabsetzung des Schutzstatus von Anhang IV in den Anhang V drängt, begrüßt die heutige Regierungsmitteilung. "Wir sind sehr erfreut darüber, dass Politiker vieler Parteien mittlerweile unsere Sicht auf die heutige ungünstige Situation teilen und zunehmend zu weiterführenden Maßnahmen bereit sind", sagt Svenska Jägareförbundets Pressesprecher Peter Eriksson, der gleichzeitig auf die besonderen intensivierten Bemühungen seines Jagdverbandes hinsichtlich der Wolfsfrage im vergangenen Jahr hinweist. "Wir haben im vergangenen Jahr immer wieder unsere Forderung betont, dass der Wolfsbestand verringert, der Schutzstatus von streng geschützt auf verwaltbar herabgestuft, die Schutzjagd bereits nach dem ersten Übergriff auf Weidetiere erlaubt und die Statusmeldung an die EU geändert werden müsse."

Svensk Jakt, 07.07.2022: Regeringen vill göra det enklare att förvalta vargen genom jakt, Peter Eriksson, Svenska Jägareförbundet https://svenskjakt.se/start/nyhet/reger ... enom-jakt/
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Nina
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Re: Wolfsbestand halbieren

Beitrag von Nina »

Regierungspläne zur Halbierung des Wolfsbestandes: Wissenschaftler schlagen Alarm

17 Wissenschaftler aus Schweden und dem Ausland haben in einem in Science veröffentlichtem offenen Brief³ ihre große Besorgnis angesichts der Pläne der schwedischen Regierung zur drastischen Absenkung der Wolfszahlen ausgedrückt. Für eine gesunde Population bedürfe es nicht weniger, sondern mehr Wölfe in Schweden. Die Population werde durch die aktuellen Pläne langfristig gefährdet. Statt der nun geplanten Zielgröße von 170 Individuen sei eine Population von mindestens 2.000 Individuen plus einem regelmäßigen genetischen Austausch mit der finnisch-russischen Population von Nöten. Die bisherige Annahme der schwedischen Wolfspolitik, dass es zur Entschärfung der Inzuchtproblematik pro Generation eines zugewanderten, reproduzierenden Wolfes aus der finnisch-russischen Population bedürfe, habe sich als nicht ausreichend erwiesen.¹

Auf der Website der Universität in Stockholm erläutert die dort praktizierende Professorin für Populationsgenetik, Linda Laikre, die Inzuchtproblematik der schwedischen Wolfspopulation. Ziel des in Science erschienenen Artikels sei die Vermittlung der Information, dass der jetzige Popuationszustand nicht dem günstigen Erhaltungszustand entspreche und keinen Freiraum für Jagd und Reduzierung des Bestandes zulasse. In Spanien, wo der Bestand auf 300 Rudel mit rund 2000 Individuen geschätzt wird, wurde der Wolf nun komplett geschützt, während Schweden den entgegengesetzten Weg wähle. Italien beheimate ca. 3000 Individuen und diskutiere nicht über eine Reduktion der Bestände. Auch Frankreich, Polen, Deutschland, Rumänien und andere Länder hätten einen größeren Wolfsbestand als Schweden.²

¹ Jaktjournalen, 08.07.2022: Beslut om minskad vargstam kritiseras av forskare - Varnar för de svenska planerna i tidskriften Science https://www.jaktjournalen.se/beslut-om- ... -forskare/

² Stockholms Universitet, 07.07.2022: Forskare varnar i Science för att minska svenska vargstammen https://www.su.se/nyheter/forskare-varn ... n-1.620442

³ Science, 08.07.2022: Letter: Planned cull endangers Swedish wolf population Science, Vol 377, Issue 6602, p. 162 DOI: 10.1126/science.add5299 https://www.science.org/doi/10.1126/science.add5299
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