Wolfzoff auch in Norwegen

Norwegen, Schweden, Finnland
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Nina
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Wolfzoff auch in Norwegen

Beitrag von Nina »

Gericht in Oslo stoppt Wolfsjagd im Wolfsschutzgebiet (Ulvesonen)

Norwegen pflegt einen, sagen wir mal, sehr gewöhnungsbedürftigen Umgang mit seinen Wildtieren. Der schon fast ausgestorben geglaubte Walfang erlebte während der Corona-Krise und auf Druck der Fischereilobby ein Comeback.¹ Und der ohnehin schon kleine Wolfsbestand des Landes sollte nach dem Willen der Regierung selbst in der eigentlichen Wolfsschutzzone nochmal kräftig reduziert werden: 25 Wölfe wurden dort zum Abschuss freigegeben. Dagegen sind die Artenschutzvereinigungen NOAH, WWF und der Verein Våre Rovdyr gerichtlich vorgegangen und haben vor dem Tingrett in Oslo einen Erfolg erzielt.
Die Begründung ist eine Ohrfeige für die norwegische Regierung: Die habe es versäumt, vor ihrer Genehmigung auch nur die „grundlegend erforderlichen Bewertungen vorzunehmen“, urteilte nun das Osloer Amtsgericht. Damit ist der Beschluss des Osloer Umweltministeriums von kurz vor Weihnachten, 25 Wölfe in geschützten Zonen zum Abschuss freizugeben, endgültig für rechtswidrig erklärt. Schon Anfang Januar hatte das Gericht die Genehmigung in einer vorläufigen Anordnung gestoppt.

taz, 01.02.22: Jagdverbot in Norwegen: Wölfe gegen Regierung 2:0 https://taz.de/Jagdverbot-in-Norwegen/!5832745/
Die Vereine zeigen sich sichtlich erleichtert, damit zumindest vier Wolfsfamilien vorerst das Leben gerettet zu haben.²
Schon diese Zweiteilung ist angesichts des Schutzstatus, den der Wolf als auf der Roten Liste stehende Art nach dem auch in Norwegen geltenden EU-Recht genießt, heftig umstritten. Die Genehmigung der Regierung, die Beutegreifer sogar in den „Ulvesonen“ zu schießen, verletzte nach Ansicht der Richter die Artenschutzvorschriften nun erst recht.

taz, 01.02.22: Jagdverbot in Norwegen: Wölfe gegen Regierung 2:0 https://taz.de/Jagdverbot-in-Norwegen/!5832745/
Aber die üblichen Akteure - Regierung und die mächtige Agrarlobby - lassen natürlich nicht locker.
Der sozialdemokratische Umweltminister Espen Barth Eide kündigte Berufung an. Der Bauernverband Norges Bondelag fürchtet, dass ein Prozess, der sich nun bis zum Obersten Gerichtshof hinziehen könnte, nicht nur die diesjährige Wolfsjagd in den „Ulvesonen“, sondern auch die des kommenden Jahres ausbremsen könnte.

taz, 01.02.22: Jagdverbot in Norwegen: Wölfe gegen Regierung 2:0 https://taz.de/Jagdverbot-in-Norwegen/!5832745/
Der Bauernverband bezeichnet das Urteil als unglaublich. "Wir reden hier von einer wachsenden Wolfspopulation, die ihre Scheu vor den Menschen verliert", empört sich die Vorsitzende des Hegmark Bauernverbands. "Der Wolfsbestand muss ganz klar begrenzt werden, und dann verhängen die einfach ein Abschussverbot."³ Erst im Juni wird sich die nächsthöhere Instanz, das Lagmannsrett mit der Berufung befassen.³ Der Verband der Naturnutzer, Naturbruksalliansen, fürchtet langfristige Konsequenzen für Einwohner, Jäger und Landwirte, und prophezeit, dass diese sich nicht nur auf die Wolfsschutzzone beschränken würden, sondern auch auf große Teile des südlichen Teil Norwegens, Sør-Norge.³
Und als hätte man eine Art Déjà-Vu, zaubern auch die norwegischen Wolfsabschussbefürworter einen emeritierten Jagdprofessor im Bonusbereich seines Lebens hervor, der den Menschen erklärt, dass die norwegischen Wolfsjagdquoten weder den skandinavischen noch den weltweiten Wolfsbestand bedrohen würden. Zwar würden die wenigen Wölfe in Norwegen dann noch ein paar weniger, aber für die skandinavische Wolfspopulation wäre das nicht von Bedeutung. Würde man Schweden und Norwegen als ein Land betrachten, wären die Wölfe weder auf der Roten Liste noch würden sie als gefährdete Art eingestuft.⁴ Der emeritierte Professor Torstein Storaas ist - kaum überraschend - leidenschaftlicher Jäger und Jagdbuchautor, der sich scheinbar auch mal gern mit weit aufgerissenem Mund mit seiner Jagdtrophäe präsentiert.⁵ Eine seiner wissenschaftlichen Arbeiten befasst sich mit dem indirekten negativen Einfluss der Wölfe auf die Jagdeinnahmen in der Kleinwildjagd. Dazu wurden Revierinhaber befragt und Annoncen ausgewertet, wo entweder mögliche Wolfsanwesenheit als Warnung oder (im Fall nicht vorhandener Wolfsanwesenheit) als Werbung kommuniziert wurde - mit der Schlussfolgerung, dass Wölfe als wirtschaftliche Bedrohung verstanden werden.⁶
Nicht alle Wissenschaftler sehen den Einfluss der geplanten Wolfsjagd auf den skandinavischen Wolfsbestand als geringfügig an:
Laut John Linnell, der am Norwegischen Naturforschungsinstitut NINA zu Prädatoren forscht, wird der Bestand damit in Norwegen so massiv bejagt wie in keinem der rund ein Dutzend europäischen Länder, in denen Wolfsjagd betrieben wird. Während es im flächenmäßig kleineren Deutschland rund 150 Wolfsrudel gebe, wolle die norwegische Politik nur 4 bis 6 zulassen. Das sei vor allem auf den ungleich größeren Einfluss des „ländlichen Norwegens“ auf die Regierungspolitik zurückzuführen, so Linnell. Der Streit zwischen der Landbevölkerung und NaturschützerInnen sei festgefahren. [...] „Was, wenn alle Wölfe weg sind?“, fragt Linnell. Dann werde der künftige Bestand des Dorfladens, der örtlichen Schule, der lokalen Polizeistation auch nicht weniger bedroht sein: „Vielleicht wäre es am besten, wir würden alle mal 5 Jahre lang gar nicht mehr über Wölfe reden.“

taz, 01.02.22: Jagdverbot in Norwegen: Wölfe gegen Regierung 2:0 https://taz.de/Jagdverbot-in-Norwegen/!5832745/


¹ taz, 29.03.2021: Walfang in Norwegen: Begehrtes Fleisch https://taz.de/Walfang-in-Norwegen/!5758130/
² NOAH, for dyrs rettigheter, 30.01.2022: Fire ulvefamilier reddet: NOAH, WWF og FVR vant frem i tingretten https://www.dyrsrettigheter.no/rovdyr/f ... ingretten/
³ NRK, 30.01.2022: Regjeringen anker ulvedommen fra tingretten https://www.nrk.no/osloogviken/oslo-tin ... 1.15831583
Jaktjournalen, 31.01.2022: Professor tonar ned risken med norsk vargjakt https://www.jaktjournalen.se/professor- ... -vargjakt/
Jeger - Norges største og mest leste jaktblad, 28.02.2021: Svart patronbelte i storfugl - Torstein Storaas har i lenge vært lidenskapelig opptatt av skogsfugl. Men professoren jakter ikke bare på data til forskning: Han bruker også mye tid på storfugljakt i skogen https://www.jeger.no/skogsfugljakt/svar ... i-storfugl
Inland Norway University of Applied Sciences, S. Pedersen, P. Angelstam, M. Ferguson, P. Wabakken, T. Storaas: Ulv og utmarksressurser: Økonomiske konsekvenser av ulv på inntekter fra småviltjakt (April 2018), Report number: 3-2018 https://www.researchgate.net/publicatio ... maviltjakt
S. Pedersen, P. Angelstam, M. Ferguson, P. Wabakken, T. Storaas: Impacts of wolves on rural economies from recreational small game hunting, European Journal of Wildlife Research 65(6):87 DOI:10.1007/s10344-019-1319-x https://www.researchgate.net/publicatio ... me_hunting
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Nina
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Re: Wolfzoff auch in Norwegen

Beitrag von Nina »

Gerichtlich untersagte Lizenzjagd in Wolfsschutzzone: Norwegens Umweltminister geht in Berufung und denkt über Verlängerung der Jagdperiode nach

Norwegens "Olaf Lies", Espen Barthe Eide, will sich mit der gerichtlichen Entscheidung nicht abfinden und geht in Berufung. Jetzt denkt er schon mal laut darüber nach, die Lizenzjagtperiode, die normalerweise vom 01. Januar bis 15. Februar dauert, noch darüber hinaus zu verlängern. Zwar richte sich der Jagdzeitraum nach den Schonzeitvorschriften für Beutegreifer und sei aus Tierschutzgründen begrenzt, jedoch würde man die Situation neu beurteilen, sobald dies akut würde. Entgegen der Rechtsprechung des Osloer Amtsgerichts ist Espen Barthe Eide immer noch von der Rechtmäßigkeit des Regierungsbeschlusses überzeugt, 25 Wölfe in der Schutzzone abschiessen zu lassen. Auf die Frage des Reporters, warum die Regierung so auf den Abschuss fixiert sei, argumentiert der Umweltminister mit der Einhaltung der festgelegten Bestandsgrenze. Dabei ginge es um die Reduzierung des Konfliktniveaus und die Sicherung des Vertrauens in die Wildtierverwaltung. Das vom Parlament vorgegebene Rahmenwerk sei einzuhalten. Auf die Frage, welche Konsequenzen sich ergeben würden, wenn der Wolfsjagd innerhalb der Schutzzone auch im Berufsverfahren vor dem Lagmansretten nicht stattgegeben würde, antwortet Espen Barthe Eide, dass sich die Belastung für die Einwohner in den betreffenden Wolfsrevieren noch weiter erhöhen würde. Man riskiere einen größeren Wolfsbestand in Norwegen als den vom Parlament politisch beschlossenen.

Vgl. NRK, 02.02.2022: Regjeringen holder åpent for utvidelse av lisensjakt på ulv https://www.nrk.no/norge/oslo-tingrett- ... W0lpFLhDls
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Nina
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Re: Wolfzoff auch in Norwegen

Beitrag von Nina »

So wird ein Schuh draus: Der einmal vom Parlament zahlenmäßig festgelegte Wolfsbestand mutiert zum reinen Selbstzweck, auf den sich dann auch Gerichte berufen:

Lizenzjagd auf Wölfe in Wolfsschutzzone in zweiter Instanz wieder freigegeben

Das Bogarting Lagmannsrett hat das vom Oslo Tingrett verhängte Verbot der Wolfsjagd in der Wolfsschutzzone wieder aufgehoben.¹ Die Narurschutzorganisationen WWF und NOAH zeigten sich zutiefst enttäuscht über das Urteil. Die Intention, die betreffenden Wölfe leben zu lassen, bis eine ausführliche gerichtliche Überprüfung in der eigentlichen Rechtssache erfolgt, wurde damit zunichte gemacht. Nun würden die Tiere einfach abgeschossen - ohne die vorherige Möglichkeit der Tierschützer, ihre Argumentation für beispielsweise mildere Mittel zur Erreichung der angstrebten Ziele vor Gericht vorzutragen. Das sei nicht nur eine Niederlage für die Wölfe, sondern auch für die Artenvielfalt und für die Rechtssicherheit für die Natur an sich.²
"Nun werden 28 Wölfe abgeschossen, die weder Nutztiere gerissen haben noch eine Bedrohung darstellen. Sie werden getötet, einfach nur weil sie in der norwegischen Natur zuhause sind - und obwohl sich dieses in der Wolfsschutzzone befindet, in welcher der Staat den Wölfen einen besonderen Schutz zugedacht hat", sagt WWF-Generalsekretärin Karoline Andaur.

WWF, 11.02.2022: Staten fikk medhold i lagmannsretten https://www.wwf.no/nyheter/staten-fikk- ... annsretten
Der Klima- und Umweltminister Espen Barth Eide sieht in dem Urteil einen Sieg für ein "ausbalanciertes Wolfsmanagement", dessen Ziel die Koextienz von Weidehaltung und Wölfen "auf eine gute Weise" sei. Mit dem Urteil sichere man sich eine große Akzeptanz für die Wolfsverwaltung auch innerhalb der Wolfsschutzzone.²

Die ersten 10 Wölfe der inzwischen 28 (!) in der Wolfsschutzzone zum Abschuss freigegenen Tiere wurden bereits am ersten Wochenende nach dem am vergangenen Freitag gesprochenen Urteil getötet.³ Aktivisten versuchen, mit u.a. Straßenblockaden, die Wolfsabschüsse zu vereiteln. Sie bezeichnen die Wolfsjagd als Tragödie für einen derart bedrohten Bestand wie in Norwegen. Es befänden sich mehr Jagdgegner als Jäger vor Ort; die Polizei erteilte bereits Platzverweise.³ In einer Petition gegen die Wolfsjagd haben inzwischen mehr als 34.000 Menschen in Norwegen unterschrieben.⁴
Die Artenschützer vor Ort bemängeln es als "abgekartetes Spiel", dass das Urteil an einem Freitag Nachmittag gesprochen wurde und somit keine Möglichkeit eines Widerspruchs vor dem darauffolgenden Montag bestand.³ Auch perfide: Obwohl die Wolfsjagd aus Schonzeitgründen bis 15.02. beschränkt ist, stellt die Regierung eine Verlängerung in Aussicht. Norwegens Jagd- und Fischereiverband fordert eine Ausweitung der Jagdzeit bis 31.03.2022.² Da wird wieder deutlich, wie wenig Jagd mit Naturschutz im engeren Sinne zu tun hat.

¹ BORGARTING LAGMANNSRETT, Az: 22-019312ASK-BORG/04, 11.02.2022 https://media.wwf.no/assets/attachments ... 022022.pdf
² Dagsavisen, 12.02.2022: Alle ulver på kvoten skutt i Hornmoen-reviret https://www.dagsavisen.no/nyheter/innen ... -hornmoen/
³ NRK, 13.02.2022: Aksjonister forsøker å stanse ulvejakta https://www.nrk.no/osloogviken/aksjonis ... Nv1LdI3jWU
NOAH, For dyrs rettigheter: Underskriftskampanje: Stopp ulvejakten https://www.dyrsrettigheter.no/rovdyr/u ... lvejakten/
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Nina
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Re: Wolfzoff auch in Norwegen

Beitrag von Nina »

Norwegens "Olaf Lies": Gerichtliche Klatsche auch im Berufungsverfahren - Lizenzjagd im Letjenna-Revier in Schutzzone war rechtswidrig

Im Hauptsache-Verfahren um die Lizenzjagdgenehmigung im Letjenna-Revier 2019 im Bereich der Wolfsschutzzone hat der norwegische Umweltminister Espen Barth Eide auch in zweiter Instanz eine gerichtliche Schlappe hinnehmen müssen. Dem Hauptargument, der Abschuss des gesamten Wolfsbestandes im Letjenna-Revier vermindere den Wolfsdruck auf die Menschen in dem betreffenden Gebiet und erhöhe das Vertrauen in die Raubtierpolitik, konnte das Bogarting Lagmansrätt nicht folgen. Bei der Lizenzjagdgenehmigung wurde nämlich zum ersten Mal die Tötung des gesamten Wolfsbestandes in einem Revier in der Wolfsschutzzone erlaubt - einer Zone an der Grenze zu Schweden, die gerade einmal fünf Prozent der Landesfläche beträgt.¹

Tierrechtler wie die NGO NOAH³ klagten dagegen und bekamen in erster Instanz vor dem Oslo Tingsrätt Recht. Das Umweltministerium ging darauf in Berufung - und verlor nun auch in zweiter Instanz. Dem Gericht zufolge konnte nicht ersichtlich dargelegt worden, warum und inwieweit durch das Auslöschen der Letjenna-Wölfe eine konfliktdämpfende und vertrauenssteigernde Wirkung erzielt worden sein sollte.¹ Der Staat habe rechtswidrig gehandelt, indem er den Abschuss von sechs Wölfen in der Schutzzone erlaubt habe, in der sie besonderen Schutzbestimmungen unterliegen. Die Abschussgenehmigung aus "öffentlichem Interesse von wesentlicher Bedeutung" habe allgemein auf die höhere Belastung der Menschen gezielt, die in einer Wolfsschutzzone lebten. Von den Wölfen in dem betreffenden Revier seien jedoch nach 2011-2012 keine Angriffe auf Weidetiere mehr registriert worden. Von ihnen gingen auch keine höheren Belastungen im Hinblick auf Jagdinteressen oder psychosozialen Faktoren aus als von anderen Wolfsrudeln.² Staatssekretär Aleksander Øren Heen sagt, dass man die Urteilsbegründung prüfen und dann festlegen werde, ob man gegen das Urteil in dritter Instanz vorgehen will.²

Die NGO NOAH wirft dem Umweltminister Doppelmoral vor - so habe sich Norwegen international verpflichtet, sich für den Schutz bedrohter Arten einzusetzen und tue national gleichzeitig "alles dafür", diese bedrohten Arten abzuschiessen.³

¹ Jaktjournalen, 06.07.2022: Nytt bakslag i norsk vargförvaltning - vargjakt var olaglig https://www.jaktjournalen.se/nytt-baksl ... r-olaglig/
² Nationen, 06.07.2022: Staten tapte ulvesak for andre gang: Fellingen av Letjenna-ulvene kjent ulovlig https://www.nationen.no/nyhet/noah-vant ... r-ulovlig/
³ NOAH -for dyrs rettigheter, 06.07.2022: NOAH vant i retten mot staten - igjen! https://www.dyrsrettigheter.no/rovdyr/n ... ten-igjen/
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