NDS: Rolle des Umweltministers

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Nina
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NDS: Rolle des Umweltministers

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Offenbar wieder Wolf illegal erschossen: Die Rolle von Umweltminister Olaf Lies

Wie die Altmark-Zeitung (Allgemeine Zeitung) heute berichtet, ist im niedersächsischen Eimke (wo gerissenen Schafen in einer als eine Art "Soldatenfriedhof" anmutenden "Gedenkstätte" in Form von 91 anonymen weißen Holzkreuzen gedacht wurde) schon wieder ein vermutlich illegal erschossener Wolf aufgefunden worden.
In der Gemeinde Eimke hat ein Jäger bereits am Mittag des Silvestertages einen offenbar illegal abgeschossenen Wolf auf einem Acker gefunden. Das hat die Polizeiinspektion Lüneburg/Lüchow-Dannenberg/Uelzen am Monat mitgeteilt. [...] Womöglich also war das Tier bereits Tage vorher geschossen worden. [...] Umweltminister Olaf Lies reagierte auf AZ-Anfrage auf die Nachricht vom Abschuss des Wolfes in Eimke: „Für den Bereich gibt es derzeit keine gültige Ausnahmegenehmigung, einen Wolf zu töten. Wir müssen zunächst die weiteren Untersuchungen des Kadavers abwarten und schauen, was die Polizei ermittelt. Klar ist für mich persönlich aber auch: Wurde der Wolf tatsächlich illegal erschossen, dürfen wir das nicht einfach hinnehmen. [...] Wer sich nicht an diese Regeln hält, muss entsprechend zur Verantwortung gezogen werden. Selbstjustiz gegenüber dem Wolf dürfen und werden wir in Niedersachsen nicht zulassen.“

az online, 03.01.2022: UPDATE: Wolf illegal in Eimke getötet – Minister Lies: „Selbstjustiz nicht zulassen“ https://www.az-online.de/uelzen/stadt-u ... 13653.html
Dazu fiel mir spontan die wissenschaftliche Ausarbeitung von dänischen Wissenschaftlern der Universität Aarhus und des Naturhistorischen Museums in Aarhus ein, die in einer Stellungnahme hinsichtlich der "kryptisch überhöhten Sterblichkeit" (insbesondere durch illegale Tötungen) von Wölfen in Dänemark auch der Politik eine klare Mitverantwortung zugeschrieben haben: So könnten negative Aussagen der Umweltminister, ob nun beabsichtigt oder nicht, in der Bevölkerung den Eindruck erwecken, dass Selbstjustiz zur Problemlösung mehr oder minder geduldet sein könnte.¹ So hätten drei Umweltminister, Lea Wermelin (Sozialdemokraten), Jakob Ellemann-Jensen (Venstre = Liberale) und Esben Lunde Larsen (Venstre = Liberale) in ihren Amtsreden geäussert, dass es ihnen am liebsten gewesen wäre, der Wolf wäre niemals nach Dänemark zurückgekehrt. Dies könne, so die Wissenschaftler, von Teilen der Lokalbevölkerung dazu missverstanden werden, das "Problem" in die eigene Hand zu nehmen.
Nicht nur die jeweiligen Haltungen, sondern auch undokumentierte Behauptungen wie z. B., dass der Wolf künstlich angesiedelt worden sei, erhalten immer wieder Unterstützung auch von Politikern, Ministern und anderen Meinungsbildnern (Sonne et al. 2019). Beispiele für eine negative Meinungsgestaltung, die unbeabsichtigt Zweifel an der Ernsthaftigkeit staatlicher Artenschutzbemühungen nährt, sind die Äußerungen der letzten drei Umweltminister in ihren Amtsreden, dass man es am liebsten gesehen hätte, wäre der Wolf nicht nach Dänemark zurückgekehrt. Diese Aussagen spiegeln eine vermutlich verbreitete politische Haltung wider, die - ob nun beabsichtigt oder unbeabsichtigt - zu der Wahrnehmung beitragen kann, dass die illegale Tötung von Wölfen selbst von den höchsten verantwortlichen politischen Instanzen nicht ernsthaft verurteilt werde.

Fagligt notat fra DCE – Nationalt Center for Miljø og Energi , H. P. Hansen, C. Munch Schrøder, P. Sunde, K. Olsen, 18.01.2021: Tiltag mod ulovlig efterstræbelse af ulv, Fagligt notat fra DCE – Nationalt Center for Miljø og Energi, Seite 9 https://dce.au.dk/fileadmin/dce.au.dk/U ... 021_05.pdf
Darauf angesprochen, wies Lea Wermelin entschieden zurück, jemals zur Selbstjustiz aufgerufen zu haben und es in Zukunft zu tun. Sie bleibe aber dabei, dass es ihr lieber gewesen wäre, der Wolf wäre nicht nach Dänemark zurückgekehrt, "weil wir doch nur so ein kleines Land sind".¹

In Deutschland sind inzwischen 71 illegale Wolfs-Tötungen dokumentiert, darunter 10 in Niedersachsen sowie 5 zusätzliche Abschüsse in Form von "Management-Maßnahmen", von denen vier auf die geheimen "Ausnahmegenehmigungen" des derzeitigen niedersächsischen Umweltministers Olaf Lies zurückzuführen sind, deren Rechtmäßigkeit nicht abschließend juristisch geklärt ist.

Aber welche Äußerungen hat der niedersächsische Umweltminister Olaf Lies getätigt, die entsprechende einschlägige Kreise der Bevölkerung als Ermunterung oder zumindest als Signal der Duldung illegaler Wolfstötungen gedeutet haben könnten? Eine kleine Auswahl zur diesbezüglichen individuellen Entscheidungsfindung:
Umweltminister Lies: Die Wolfs-Untergrenze ist längst überschritten

Rundblick - Politikjournal für Niedersachsen, 23.11.2021: Umweltminister Lies: Die Wolfs-Untergrenze ist längst überschritten https://www.rundblick-niedersachsen.de/ ... schritten/
Umweltminister Lies fordert erneut Obergrenze für Wölfe

Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies (SPD) hat noch einmal gefordert, die Menge der Wölfe zu begrenzen. Nach der Sommerpause will er ein Gutachten vorlegen.
Lies will damit die Frage klären, wie viele Wölfe Deutschland braucht, um die Population nicht zu gefährden. Eigentlich sei dafür der Bund zuständig - doch der mache es nicht, deshalb werde Niedersachsen selbst aktiv. Der Umweltminister blickt unter anderem auf Frankreich, wo Wölfe geschossen werden dürfen.


NDR, 20.08.2021: Umweltminister Lies fordert erneut Obergrenze für Wölfe https://www.ndr.de/nachrichten/niedersa ... f4568.html
Umweltminister Olaf Lies sieht Handlungsbedarf

[...] Im Jahr 2012 siedelte sich das erste Wolfspaar in Niedersachsen an, mittlerweile sind es dem Minister zufolge 36 Rudel mit mindestens 350 Tieren. „Diese Veränderung beunruhigt“, sagte Lies. Die Zahl der Nahbegegnungen und der Risse von Nutztieren werde weiter zunehmen. [...] Das Umweltministerium lässt zudem derzeit in einem Gutachten klären, wie viele Tiere für den Erhalt der Art erforderlich sind. Dann könnte eine Obergrenze für Wölfe definiert werden.

MK Kreiszeitung, 14.10.2021: Umweltminister Olaf Lies sieht Handlungsbedarf - Wolf ganz nah: Menschen in Niedersachsen berichten von 64 direkten Begegnungen https://www.kreiszeitung.de/lokales/nie ... 49786.html
Minister Olaf Lies: "Wir riskieren die Weidetierhaltung für den Wolf"

Deutschland hat ein Wolfsproblem. Immer mehr Weidetiere werden gerissen und immer öfter tauchen Wölfe in direkter Menschennähe auf. Wie soll es weitergehen? Ein Interview mit dem niedersächsischen Umweltminister Olaf Lies. [...]

Herr Lies, gehen Sie noch unbeschwert im Wald spazieren?
Ich persönlich tue das. Aber ich glaube, das liegt eher daran, dass ich nicht weiter darüber nachdenke.

Und wenn jemand anderes Sie um Rat fragt?
Das finde ich schon schwieriger. Wir alle kennen inzwischen die Bilder von Wölfen, die sich Menschen bedenklich nähern. Auf jeden Fall muss man sich also überlegen: Wie reagiere ich im Fall der Fälle?


[...] Warum setzen Sie sich so sehr für ein verändertes Wolfsmanagement ein?
Die jetzige Entwicklung kann so nicht weitergehen. Wir riskieren den Fortbestand der Weidetierhaltung. Das können wir uns nicht leisten. Durch sie haben wir ein unglaubliches Mehr an Artenvielfalt. Und Weidetiere sind unverzichtbar, damit unsere Kulturlandschaft überhaupt gepflegt bleibt.


agrarheute, 18.05.2021: Minister Olaf Lies: "Wir riskieren die Weidetierhaltung für den Wolf" https://www.agrarheute.com/politik/mini ... olf-581285
Angriff im Kreis Osterholz: Umweltminister verspricht Wolfsabschüsse

[...] Für den Abschuss wird es eine Ausnahmegenehmigung geben, sagte Lies. [...] In der betroffenen Küstenregion gibt es laut Lies zwei Rudel. Je Rudel könne ein Tier getötet werden. Dadurch sollen die Wölfe lernen, dass der Mensch eine Gefahr ist und so zurückgedrängt werden.

NDR, buten un binnen, 11.12.2021: Angriff im Kreis Osterholz: Umweltminister verspricht Wolfsabschüsse https://www.butenunbinnen.de/nachrichte ... t-100.html
Auch Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies (SPD) ist für eine Obergrenze. Benötigt werde ein Grenzwert, bis zu welcher Zahl der Wolf in der Kulturlandschaft akzeptiert werde. Liege die Zahl über der Akzeptanzgrenze, müsse der Bestand reguliert werden.

MK Kreiszeitung, 31.08.2021: Wölfe in Niedersachsen: Schafhalter schlagen Alarm – „Schutz unmöglich“ https://www.kreiszeitung.de/lokales/nie ... 52513.html
Gibt es schon zu viele Wölfe? - Politik streitet über Management

[...] Minister Lies setzt jetzt auf die Unterstützung niedersächsischer Jäger. Wie viele Wölfe wegen ihres problematischen Jagdverhaltens derzeit zum Abschuss freigegeben sind, verrät das Ministerium nicht.

HAZ, 01.01.2021: Gibt es schon zu viele Wölfe? - Politik streitet über Management https://www.haz.de/Nachrichten/Der-Nord ... Management
Landtag: Abschuss von Wölfen soll einfacher werden

Einzelne Entnahmen von Tieren, die Probleme verursachen, würden in Zukunft nicht mehr reichen, sagte SPD-Umweltminister Olaf Lies.

NDR, 18.02.2021: Landtag: Abschuss von Wölfen soll einfacher werden https://www.ndr.de/nachrichten/niedersa ... f4454.html
Wolfs-Untergrenze längst überschritten, der Bund handele nicht, Niedersachsen müsse "selbst aktiv werden, die angeblich hohe Zahl der Wölfe würde "beunruhigen", Frankreich dürfe auch schiessen, unbeschwerte Waldspaziergänge seien nur möglich, wenn man "nicht nachdenke", Wölfe gefährdeten die Weidetierhaltung und den Artenschutz und das gepflegte Erscheinungsbild unserer Kulturlandschaft, es bestehe "Handlungsbedarf", je Rudel könne ein Tier getötet werden, verspricht Wolfsabschüsse, es brauche eine "Akzeptanzgrenze", es gebe zu viele Wölfe, man setze auf "die Unterstützung der niedersächsischen Jäger" und einzelne Entnahmen würden zukünftig sowieso nicht mehr ausreichen...

Wie wolfsablehnende einfache Gemüter aus den Reihen der Hobbyjäger wohl auf dieses Framing des Umweltministers reagieren mögen?


¹ DR, 10.02.2021: Danske ulve ramt af 'kryptisk høj' dødelighed: Ministre beskyldes for medansvar - Forskere kritiserer ministre for indirekte accept af selvtægt https://www.dr.dk/nyheder/regionale/mid ... skyldes#!/
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Nina
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Re: NDS: Rolle des Umweltministers

Beitrag von Nina »

Die Schussverletzungen des toten Wolfes in Eimke erwiesen sich nach ausführlicher Untersuchung im Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung in Berlin nach ersten Erkenntnissen offenbar als Bissverletzungen. Und das bringt ein weiteres Problem zu Tage: Wieviele Expertise kann man von einem gewöhnlichen Jagdausübungsberechtigten erwarten, wenn es um Art der Verletzung, mögliche Ursache einer Verletzung und einer Prognose der Genesung geht? Schließlich stellt die Niedersächsische Wolfsverordnung von Umweltminister Olaf Lies den diesbezüglichen Wissenshorizont eines einfachen Hobbyjägers mit dem eines mehrjährig an einer Hochschule ausgebildeten Veterinärs gleich, wenn es um eine tiermedizinische Beurteilung bei Verkehrsunfällen geht.
§ 9 Entnahme schwer verletzter oder erkrankter Wölfe

(1) Die Entnahme eines Wolfes mit dem Ziel, diesen vonseinen Leiden zu erlösen, ist als Ausnahme nach § 45 Abs. 7 Satz 1 Nr. 5 BNatSchG zugelassen, wenn dieser so schwer verletzt oder erkrankt aufgefunden wird, dass er nach Hinzuziehung und Urteil einer Tierärztin oder eines Tierarztes
erhebliche Schmerzen erleidet und aus eigener Kraft nicht mehr gesunden wird. Bei Verkehrsunfällen mit Wölfen ist auch die Einschätzung der jagdausübungsberechtigten Person ausreichend.


Nds. GVBl. Nr. 41/2020, ausgegeben am 26. 11. 2020: Niedersächsische Wolfsverordnung (NWolfVO) vom 20. November 2020 https://www.umwelt.niedersachsen.de/sta ... 95016.html
Und weil sich der grüne Abiturient so gut auskennt, darf er als als "geeignete Person" auch noch zum Vollzug schreiten. "Die für einen Jagdbezirk
jagdausübungsberechtigte Person ist in der Regel geeignet"
(§ 8 Abs. 1).

In dem oben genannten Fall war die Einschätzung des Jagdpächters allerdings Schuss- und nicht Bissverletzung:
Warum mutmaßte die Polizei anlässlich des Fundes des verendeten Wolfes, dass es sich um Schussverletzungen handeln könnte? Und warum haben der Jagdpächter und der Wolfsberater diese Einschätzung geteilt oder nicht widersprochen? [...] „Als ich gerufen wurde, hat man mir gesagt, dass ein Wolf mit zwei Einschüssen gefunden worden sei. Für einen Laien sah es auch tatsächlich nach Schussverletzungen aus, das kann man der Polizei nicht vorwerfen. Der Jagdpächter vor Ort ging auch davon aus“, so Arjes, [...] Forstbeamter der Bundesforste [...].

az online, 07.01.2022: Wolfsberater: „Für einen Laien sah es nach Schussverletzungen aus“ https://www.az-online.de/uelzen/eimke-l ... 21376.html
Nach Aussage des Wolfsberaters habe es rückblickend u. a. Hinweise auf einen Rudelkampf gegeben. Dass die Polizei in einem solchen (zunächst unklaren) Fall erst einmal Ermittlungen aufnimmt, ist sehr zu begrüßen.

Denn unabhängig von diesem Fall gehen die illegalen Wildtiertötungen munter weiter:
An einer Bahnstrecke bei Buttstädt wurde jetzt ein toter Luchs entdeckt - nachweislich erschossen.

MDR, 05.01.2022: Kreis Sömmerda Luchs an Bahnstrecke bei Buttstädt erschossen - scharfe Reaktionen https://www.mdr.de/nachrichten/thuering ... n-100.html
Immer mehr Wölfe in Deutschland werden illegal getötet

[...] Der Wolf ist zurück in Deutschland – und das gefällt nicht allen Menschen. Immer wieder kommt es zu illegalen Wolfstötungen. Mit dem Fund von drei erschossenen Tieren in Mecklenburg-Vorpommern sei 2021 ein Höchststand erreicht, erklärt der Naturschutzbund Deutschland (Nabu). Insgesamt elf Wölfe seien in Deutschland allein in diesem Jahr gewildert worden. 2020 habe es acht illegale Tötungen gegeben, 2019 und 2018 jeweils neun. Dazu komme eine vermutlich hohe Dunkelziffer. [...] Schulte sieht dabei auch die Politik in der Verantwortung: „Die Politik muss den Fokus auf Unterstützung im Herdenschutz zu legen, anstatt immer wieder Bejagung von Wölfen in Aussicht zu stellen – die derzeit rechtlich ausgeschlossen und praktisch nicht sinnvoll ist.“

National Geographic, 11.10.2021: Immer mehr Wölfe in Deutschland werden illegal getötet
Seit Rückkehr der Wölfe im Jahr 2000 wurden 64 der streng geschützten Tiere ohne rechtliche Genehmigung getötet. Kaum ein Fall konnte aufgeklärt werden
https://www.nationalgeographic.de/tiere ... l-getoetet
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