Jagdverband sorgt sich um Haustiere

Über freilebende Wölfe in Deutschland.
Antworten
Benutzeravatar
Nina
Beiträge: 1779
Registriert: 10. Feb 2016, 13:25

Jagdverband sorgt sich um Haustiere

Beitrag von Nina »

Rührend: Der Jagdverband warnt jetzt davor, dass Wölfe nun regelmäßig in die Großstädte vordringen und dort Haustiere gefährden könnten
Es könne niemand garantieren, dass entsprechende Begegnungen mit Wölfen immer friedlich verliefen. Es sei möglich, dass Hunde als Konkurrenten erkannt und angegriffen würden. Mit dieser Sorge müssten nun auch die Menschen in den Städten leben, sagte Dammann-Tamke. In ländlichen Regionen sei dies schon länger so. [...] Er gehe davon aus, dass die weitere Ausbreitung der Raubtiere die politische Diskussion alsbald verändern werde, sagte Dammann-Tamke. »Wir kommen in Bundesländern mit großen Wolfsbeständen nicht um eine gezielte Bestandsregulierung herum. Nur so lässt sich der Konflikt entschärfen.«

SPIEGEL, 14.10.2021: Immer größere Population Jagdverband warnt vor mehr Wolfsbegegnungen in Großstädten https://www.spiegel.de/panorama/jagdver ... 003fcc56f7
Was nicht alles versucht wird, um der Gesellschaft die angebliche Notwendigkeit der Jagd auf Wölfe schmackhaft zu machen. Gern wird dabei verschwiegen, dass es vor allem die Jagd ist, die unsere Haustiere gefährdet. Neben den unzähligen mit Wildschweinen verwechselten erschossenen Ponys und Pferden sei auf zwei aktuell in der Presse thematisierte Fälle verwiesen.
Im Dezember 2020 soll die Jägerin in einem Wald bei Zusmarshausen eine in einer Lebendfalle gefangene Hauskatze mit Kopfschüssen getötet haben. Eine Tierschutzorganisation hatte Videoaufnahmen davon veröffentlicht, woraufhin Ermittlungen wegen des Verdachts der Tierquälerei eingeleitet wurden. In einer Videoaufnahme des Vorfalls schien das Tier zu leiden, nachdem die ersten Schüsse möglicherweise nicht tödlich gewesen waren.

Merkur, 20.09.2021: Ermittlungen wegen erschossener Katze dauern an https://www.merkur.de/bayern/ermittlung ... 90150.html
"Scheint das Tier zu leiden"... niedlich formuliert, wenn sich das angeschossene und verängstigte Kätzchen windet und verzweifelt zu entkommen versucht.

Darum ging es:
Es ist ein Video einer Jägerin, dass die Tierschützer gerade sprachlos macht. Die Frau wird gefilmt, während sie eine Katze tötet, die in eine ihrer Fallen tappte. Zuerst schießt sie der Katze in den Kopf, als das nicht reicht und die Katze noch lebt, schießt sie gleich noch einmal – als sie etwas später zu der Falle zurückkehrt, feuert sie sogar noch ein drittes Mal. [...] Doch trotzdem steht sie zu ihrem Handeln. Die Katze hätte Fasane bedroht, die sie zur Jagd freigelassen hätte. „Eine Katze ist eines der schlimmsten Raubtiere“, sagt sie.

focus online, 04.01.2021: Drei Schüsse in den KopfJägerin fängt Katze und erschießt sie qualvoll - was sie dazu sagt, macht sprachlos https://www.focus.de/panorama/drei-schu ... 33093.html
Ein weiterer Fall:
Im Jahr 2018 wurde der Tierrechtsorganisation PETA Deutschland e.V. nach eigenen Angaben das Video zugespielt. Darin ist zu sehen, wie der heute 32-jährige Jäger offenbar absichtlich seine Jagdhunde auf eine Katze hetzt. Auf dem Video ist zu hören, wie der Mann seine Hunde dabei anfeuert. Die Hunde töteten die Katze. Deshalb hatte die Organisation den Jäger angezeigt, der bislang nach ihren Angaben in Rheinland-Pfalz auch Jagdhunde gezüchtet hat. Demnach hatte er außerdem ein Gewerbe mit 26 Meutehunden, mit denen er professionell auf Drückjagden ging, laut PETA sogar ins Ausland. [...] Sowohl PETA als auch der Landesjagdverband berichten, dass sich der Mann vor Gericht uneinsichtig gezeigt habe. Er habe zwar gestanden, dass seine Hunde auf dem Video zu sehen seien. Er glaube aber weiterhin, nicht gegen das Tierschutzrecht verstoße zu haben.

SWR, 15.09.2021: Im Hunsrück Hunde auf Katze gehetzt: Jäger muss Geldbuße zahlen https://www.swr.de/swraktuell/rheinland ... t-100.html
Der SWR hat auch die Peta-Seite zum Video verlinkt, in dem die weiße Perserkatze von den Jagdhunden förmlich zerrissen wird. Völlig verstörend ist dabei die offensichtliche lautstark kommunizierte Wonne des Jägers, während die Katze im Todeskampf von seinen Hunden zerfetzt wird:
Ein Jäger hetzt seine Jagdhunde auf eine offenbar verletzte und bewegungsunfähige Katze.
Während einer der sechs Jagdhunde unentwegt vor der offensichtlich verletzten und bewegungsunfähigen Katze bellt und aufgeregt mit dem Schwanz wedelt, feuert der Jäger den Hund mit hörbar erregter Stimme an mit folgenden Parolen: „So ist brav!“, „Jawohl, Yanuck!“

Mit Freude hetzt der Jäger seine Hunde immer wieder auf die Katze

Im Moment als der erste Jagdhund zubeißt schreit der Jäger triumphierend: „Jawoooohl!“, „Jawooooohl, so recht, Maja, Yanuck!“ und weiter „Jawohl Yanuck, hol se, schüttel se, schüttel se, schüttel se, du feines Mädchen!“. Zeitweilig zerren drei, vier Hunde an der Katze bis sie letztlich stirbt.


Peta, August 2018: Video: Jagdhunde zerfetzen Katze auf Kommando https://www.peta.de/neuigkeiten/video-j ... -kommando/
Was erwartet einen Jäger juristisch, dem es offenbar physische und psychische Wonne bereitet, wenn seine Hunde eine Katze zerreißen, er diese anfeuert und das ganze auch nach im Stil eines Snuff-Videos filmt?
Nach Angaben des Landesjagdverbands Rheinland-Pfalz, der auch die einzelnen Verhandlungstage vor Gericht verfolgte, hat der Beschuldigte vor dem Amtsgericht Simmern die Vorwürfe am dritten Verhandlungstag gestanden. Das Gericht stellte den Angaben zufolge daraufhin das Verfahren gegen eine Geldstrafe von 5.000 Euro ein. [...] So darf er die nächsten fünf Jahre keine Tiere jeglicher Art mehr halten, in den kommenden fünf Jahren keinen neuen Jagdschein beantragen und zudem keine Jagdhunde mehr halten oder berufsmäßig führen. [...] Gestattet seien ihm lediglich seine beiden privaten Hunde.

Peta, August 2018: Video: Jagdhunde zerfetzen Katze auf Kommando https://www.peta.de/neuigkeiten/video-j ... -kommando/
Eine MPU für auffällige Jäger, die so offensichtlich Spaß an solchen Aktionen haben und sich uneinsichtig zeigen, wäre vielleicht angebrachter.

Wenn der Jagdverband plötzlich also ausgerechnet die Haustierhalter als Zielgruppe für seine Wolfspanik-Verbreitungen anvisiert, sollten sich Haustierhalter vergegenwärtigen, wer hier quantitativ wohl der wahre Böse ist:
Geschätzte 200.000 Katzen und tausende Hunde werden jedes Jahr im Rahmen des sog. Jagdschutzes von Jägern erschossen, ohne dass es hierfür einen vernünftigen Grund gibt. [...] Der Deutsche Jagdverband veröffentlicht regelmäßig detaillierte Jagdstrecken, in denen das erlegte Wild erfasst wird. [...] Angaben zu getöteten Hunden und Katzen finden sich darin aktuell aber nur für Hamburg (2019/2020: 15 getötete Katzen), Hessen (2019/2020: 143 getötete Katzen, 1 getöteter Hund), NRW (2019/2020: 10 getötete Hunde) und Schleswig-Holstein (2019/2020: 3.194 getötete Katzen und 5 getötete Hunde; 2018/2019 waren es 2.985 Katzen und 2 Hunde). Einzig das Landesjagdgesetz in Mecklenburg-Vorpommern verlangt nach § 21 Abs. 8 LJagdG Mecklenburg-Vorpommern ausdrücklich Angaben zu getöteten Hunden und Katzen [...]. Der Bund gegen Missbrauch von Tieren (BMT) untersuchte im Jahr 2014 anlässlich einer Expertenanhörung in NRW die Zahlen der getöteten Hunde und Katzen in den Jahren 2007 bis 2012/2013. In fünf Bundesländern (Hamburg, Hessen, NRW, Saarland, Schleswig-Holstein) wurden in diesen Jahren insgesamt 114.938 Katzen und 769 Hunde erschossen.

Deutsche Juristische Gesellschaft für Tierschutzrecht e. V. , 13.04.2021: Tötung von Haustieren im Rahmen des Jagdschutzes https://djgt.de/wp-content/uploads/2021 ... hutzes.pdf
Ich kauf dem Jagdverband von seinem plötzlichen rührenden Mitgefühl für die Haustierhalter kein Stück ab.

Noch eine allgemeine Leseempfehlung:
Dieser radikalisierte Konservatismus hat dabei einen absoluten Machtanspruch, den er nicht mehr bereit ist, im Ausgleich, im Konsens zu teilen. [...] Um ihre Politik und ihren Machtanspruch durchzusetzen, verwenden radikalisierte Konservative verschiedene Strategien. [...] Radikalisierte konservative Parteien befinden sich im permanenten Wahlkampf. Es geht immer darum, die nächsten 24 Stunden medial zu gewinnen. So werden Aufreger und Schlagzeilen am Fließband produziert, ganz gleich, ob sie Substanz haben oder nicht. [...] Die inszenierte und behauptete Realität hat immer weniger mit einer faktischen Realität gemeinsam.

SPIEGEL, Natascha Strobl, 16.10.2021: Krise des Konservatismus - Die Verrückung der Normalität https://www.spiegel.de/kultur/natascha- ... cb878ee24b
Benutzeravatar
Nina
Beiträge: 1779
Registriert: 10. Feb 2016, 13:25

Re: Jagdverband sorgt sich um Haustiere

Beitrag von Nina »

Geht es um den Wolf, sorgt sich der Jagdverband also rührend um die Haustiere der Bevölkerung. Geht es aber um die Bedrohung unserer Haustiere durch die Jagd, dann...
FAST VERBLUTET - Kleiner Hund Aaron beim Spaziergang angeschossen

[...] Der Vorfall ereignete sich in der Nähe des Bargischower Teufelsstein gegen 14.30 Uhr auf einem Feldweg. Dort nutzte die 39-Jährige das schöne Herbstwetter für einen ausgedehnten Spaziergang mit ihren beiden Hunden. Von Weitem sah sie die letzten Arbeiten auf einem Maisschlag, dann entdeckte sie mehrere Fahrzeuge, die sie Jägern zuordnete. Sina Lissowski trat den Rückweg nach Gnevezin an. „Meine zweite Hündin Enya reagiert sehr empfindlich auf Knallgeräusche. Ich habe mir schon gedacht, dass die Jäger auf die Schweine im Mais ansetzen werden und wollte deshalb zurück. Zwischen uns lag zwar noch ein ganzes Wegende und eine Wiese, doch die Windrichtung passte”, beschreibt sie die Situation.
Dann folgte schon der erste Knall. Beim zweiten Schuss heulte der kleine Aaron direkt neben ihr auf.
„Er hat sich immer wieder auf dem Boden gedreht, ich habe die Situation erst gar nicht erfasst. Dann war da überall Blut”, berichtet sie. [...] Nach anschließenden bangen Stunden in der Greifswalder Tierklinik und einem nerven-zerrenden Wochenende ist der Hund nun auf dem Weg der Besserung. Ein Projektil oder Ähnliches wurde nicht gefunden. Aaron wurde wohl von einem Streifschuss am Vorderbein getroffen, der über den Brustkorb wieder ausgetreten ist, so sein Frauchen.
[...] Den Vorfall hat sie bei der Polizei angezeigt.

Nordkurier, 06.10.2021: FAST VERBLUTET - Kleiner Hund Aaron beim Spaziergang angeschossen https://www.nordkurier.de/anklam/kleine ... 99910.html
Inzwischen hat die Polizei bestätigt, dass zum Zeitpunkt des Vorfalls vor Ort eine Jagd stattfand.
Eine Gassirunde kostete den kleine Aaron fast das Leben. Er wurde nur anderthalb Meter neben seinem Frauchen schwer verletzt. Die Polizei hat dazu nun erste Erkenntnisse. [...] Fest steht bereits, dass zum gegebenen Zeitpunkt eine Feldjagd an dem angrenzenden Maisfeld stattfand.

Nordkurier, 21.10.2021: POLIZEI BEFRAGT ZEUGEN - Hündchen Aaron geht es nach seiner schweren Verletzung besser https://www.nordkurier.de/anklam/hund-a ... 75110.html
Benutzeravatar
Nina
Beiträge: 1779
Registriert: 10. Feb 2016, 13:25

Re: Jagdverband sorgt sich um Haustiere

Beitrag von Nina »

Die unrühmliche Rolle der Landesjägerschaft und ihres Präsidenten, der auch Vizepräsident des Deutschen Jagdverbands ist, ist inzwischen auch der taz aufgefallen:
Ein CDU-Landtagsabgeordneter warnt bei jeder Gelegenheit vor der Bedrohung durch Wölfe. Als Chef der Landesjägerschaft müsste er aber neutral bleiben. [...] Anlass für die Äußerungen waren Berichte über eine Wolfssichtung in einem Stadtpark von Hannover, die mittlerweile aber als äußerst unwahrscheinlich angesehen wird. [...] In der Logik des Landes müsste sich eigentlich auch die Landesjägerschaft neutral verhalten. Eine Anfrage der taz, ob die Vorgabe einer neutralen Positionierung zum Thema „Wolf“ auch für diesen Verband gelte, ließ das Umweltministerium bis jetzt unbeantwortet. Auf die Frage, wie das Ministerium die wolfskritischen Äußerungen Dammann-Tamkes in seiner Funktion als Chef der Landesjägerschaft bewertet, gab es ebenfalls keine Antwort.
Der Grünen-Landtagsabgeordnete und frühere Landwirtschaftsminister Christian Meyer kritisiert Dammann-Tamke scharf.
[...] Die Landesjägerschaft solle einerseits neutral das Wolfsmonitoring betreiben. „Andererseits stellt deren Präsident ständig populistische Forderungen nach Bejagung der Wölfe auf.“ [...] „Wir kommen in Bundesländern mit großen Wolfsbeständen nicht um eine gezielte Bestandsregulierung herum“, nannte Dammann-Tamke sein eigentliches Anliegen. Meyer findet solche Forderungen „demagogisch“: „Er sorgt so nicht für mehr Sicherheit, sondern betreibt Hetze gegen Wölfe.“

taz, 21.10.2021: Diskussion übers Abschießen: Niedersachsen und der böse Wolf https://taz.de/Diskussion-uebers-Abschiessen/!5810062/
Antworten