Jäger und Landwirte in Angst

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Nina
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Jäger und Landwirte in Angst

Beitrag von Nina »

Studie aus Schweden: Jäger und Landwirte in Angst - vor Wolf, Luchs und Bär ... und natürlich vor den bösen Tierrechtsaktivisten

Im Land, das von den deutschen Wolfsjagdbefürwortern doch so gern als Idealfall und Vorbild in Sachen Wolfs(abschuss)politik bemüht wird, sind die Jäger und Landwirte gar nicht glücklich. Trotz ausgedehnter Lizenz- und Schutzjagden auf Wölfe und andere große Beutegreifer leben sie weiter in ständiger Angst vor den großen Carnivoren. Und vor deren Befürwortern.

Finanziert vom schwedischen Jagdverband Svenska Jägareförbundet, dem Landwirtschaftsverband Landbrukarnas Riksförbund und der Naturschutzbehörde Naturvårdsverket, befasst sich eine aktuelle Studie der Universität Göteborg mit den persönlichen Befindlichkeiten von Jägern und Landwirten in Regionen mit Vorkommen großer Beutegreifer.
Sorge und Stress unter Landwirten und Jägern in Regionen mit hohen Beutegreiferdichten

Sorge, Stress und wirtschaftliche Unsicherheit. Forscher an der Universität Göteborg haben den Einfluss der Anwesenheit großer Beutegreifer, insbesondere Wölfe, auf das Leben und die Arbeit von Landwirten und Jägern untersucht. Das Resultat belegt, dass sich viele mit großen Veränderungen konfrontiert sehen und das Vertrauen in die Wildverwaltung bei einer Mehrheit am Schwinden ist.

"Das ist ein Thema, das die Landwirte und Jäger wirklich beeinträchtigt. Sie müssen sich konstant mit diesen Fragen befassen und mit der Situation umgehen, wenn etwa ein Angriff enorme Folgen nach sich zieht", sagt die Wissenschaftlerin und Leiterin des Projekts, Annelie Sjölander-Lindqvist.

Die Frage um den Umgang mit den großen Beutegreifern in der schwedischen Natur wird seit langem diskutiert. Für Menschen, die in unmittelbarer Nähe großer Beutegreifer leben, kann dies Konsequenzen nach sich ziehen. Das belegt ein Report, der nun von der Naturschutzbehörde vorgestellt wurde, die diesen zusammen mit dem Landwirtschaftsverband Landbrukarnas Riksförbund und dem schwedischen Jagdverband Svenska Jägareförbundet finanziert hat.

Dazu haben die Wissenschaftler in Interviews Landwirte, Jäger und Verwaltungsbeamte der Bezirksverwaltungen Örebro, Värmland och Dalarna befragt, ob und inwieweit die Anwesenheit von Wölfen, Luchsen und Bären das Befinden, das Stressniveau und die Sorgen der Menschen beeinträchtigen.

"In unserer Arbeit bei der Erstellung von Verwaltungsplänen für große Beutegreifer kommt der Koexistenz zwischen Menschen und Raubtieren eine Schlüsselfrage zu. Diese Studie dient uns als wertvolle Grundlage und zeigt uns, dass wir unsere Anstrengungen für ein nachhaltiges Beutegreifermanagement fortlaufend optimieren müssen", sagt Carl-Johan Lindström, Leiter der Naturvårdsverkets Wildverwaltungsabteilung.

Vorherrschende Sorge um Haustiere und Angehörige

Die Studie zeigt, dass sich die Menschen vornehmlich um Gesundheit und Wohlergehen der Angehörigen und der Haus- und Weidetiere sowie der ökonomischen Folgen von Angriffen durch Beutegreifer sorgen. Sieben von zehn der am Telefon Befragten äußerten Angst um ihre Tiere.

Sowohl die Landwirte als auch die Jäger haben gemäß der Studie Tierproduktion und Jagd auf verschiedene Weise der Anwesenheit der Großraubtiere anpassen müssen. Darüber hinaus kommt es zu wirtschaftlichen Beeinträchtigungen infolge der Durchführung von Schutzmaßnahmen sowie nach erfolgten Angriffen. Ein Folgeproblem sei der längerfristige posttraumatische Stress bei angegriffenen Tieren, der z. B. Milchleistung und Fruchtbarkeit negativ beeinflussen könne.

Dabei würden die finanziellen Hilfen nicht sämtliche Ausgaben hinsichtlich Prävention und Schadenserstattung decken, was mit weiteren Sorgen und Stress verbunden wäre.

"Für unseren Landwirtschaftsverband ist mit den deutlichen Ergebnissen der Studie wissenschaftlch bewiesen, worüber unsere Mitglieder seit langem berichtet und worunter sie gelitten haben - ein wichtiges Signal Richtung Regierung und Behörden. Dazu kommt noch die Angst vor Handlungen der Tierrechtsaktivisten in Form von anonymen Telefonanrufen oder Protestaktionen auf den Höfen, die sich sowohl gegen Landwirte als auch gegen Jäger richten", sagt Palle Borgström, Sprecher des Landwirtschaftsverbands Lantbrukarnas Riksförbund.

Schwindendes Vertrauen in das Beutegreifermanagement der Verwaltungen

Aufgabe des schwedischen Raubtiermanagements sind das Erreichen und der Erhalt eines günstigen Erhaltungszustands der großen Beutegreifer, die Förderung der Koexistenz zwischen Mensch und Raubtier sowie Vorbeugung und Begrenzung von Angriffen. Der Studie zufolge schwindet jedoch das Vertrauen in die damit betrauten Behörden. Sechs von zehn der Befragten vergaben diesbezüglich die zwei niedrigsten Bewertungen auf einer Skala von fünf möglichen Punkten.

Als mögliche Lösungen schlagen die Wissenschaftler vor, die von den Landwirten und Jäger erlebten Sorgen und ökonomischen Unsicherheiten stärker in den Fokus zu rücken. Dabei könnten Maßnahmen eruiert werden, mit denen in anderen Verwaltungsbereichen Unsicherheit, Konflikten und Misstrauen begegnet werden. Die Anonymisierung von Schutzjagdersuchen und Teilnahmeanträgen könnten zur Lösung hinsichtlich der Problematik mit den Tierrechtsaktivsten beitragen.


Universität Göteborg, Pressemitteilung, 01.09.2021: Oro och stress bland lantbrukare och jägare i rovdjurstäta områden https://news.cision.com/se/goteborgs-un ... n,c3407028
Wes Brot ich ess', des Lied ich sing...

Endlich hat mal jemand wissenschaftlich aufbereitet, was sonst nur in den einschlägigen Jagd- und Agrarmagazinen zu lesen ist: Jäger und Landwirte tun sich im Gegensatz zum Rest der Bevölkerung schwer, sich mit der Natur zu arrangieren.

In der Studie wurden ausschließlich - ausschließlich! - Jäger und Landwirte (plus ein paar Verwaltungsbedienstete) dazu befragt, was sie hinsichtlich der Anwesenheit großer Beutegreifer fühlen.
Das hauptsächlich verwendete Datenmaterial besteht aus 47 Leitfadeninterviews sowie einer Telefonumfrage mit einer Antwortfrequenz von 38% aus 300 auserwählten Teilnehmern. Ferner wurde Material aus früheren Befragungen von 2006-2010 sowie Analysen von Schutzjagdanträgen einbezogen.

Universität Göteborg, Pressemitteilung, 01.09.2021: Oro och stress bland lantbrukare och jägare i rovdjurstäta områden https://news.cision.com/se/goteborgs-un ... n,c3407028
Und schwupps bekommt eine gefühlte Bedrohung den Anstrich wissenschaftlicher Evidenz.
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Nina
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Re: Jäger und Landwirte in Angst

Beitrag von Nina »

Das komplette 160-Seiten-Pamphlet steht zum Download zur Verfügung:

Naturvårdsverket: Att leva nära stora rovdjur- Perspektiv på psykosociala och socioekonomiska konsekvenser.
ISBN 978-91-620-7005-2.
Verfasser: Annelie Sjölander-Lindqvist, Simon Larsson och Juliana Bennett

https://www.naturvardsverket.se/978-91-620-7005-2
https://www.naturvardsverket.se/Documen ... ?pid=28786

Hier fehlt noch ein Aufkleber mit dem Foto eines abgefressenen Beines oder den Überresten eines verspeisten Schulkindes. Dazu in dicken Lettern: Die Anwesenheit von großen Beutegreifern gefährdet Ihre Gesundheit. Wenn auch nicht physisch, dann aber zumindest psychisch. Und das kann ja wirklich niemand wollen. Was sagt die WHO dazu?

Aus der englischsprachigen Zusammenfassung: Wölfe beeinträchtigen das wellbeing von Jägern und Landwirten und gefährden ihr meaningful way of life:
The central aim is to study, from a social anthropological perspective, how hunters and livestock owners in the county of Dalarna, Värmland, and Örebro experience stress, concern, and socioeconomic consequences in their everyday lives due to the presence of large carnivores. The analytical framework used in this study is inspired by a social anthropological perspective on health, which emphasizes that people’s experiences around wellbeing and a meaningful way of life are best understood by exploring cultural and social factors, where even political aspects can influence an individual’s health.
The empirical data analyzed in this report comes from in-person and phone interviews with farmers and hunters, and with officials at the country administrative boards. In addition to interviews, a randomized sample of 300 farmers and hunters were contacted to complete a telephone survey.


A. Sjölander-Lindqvist, S. Larsson, J. Bennett: Att leva nära stora rovdjur- Perspektiv på psykosociala och socioekonomiska konsekvenser.Naturvårdverket, Forskning om vilt, Rapport 7005, August 2021, Seite 11
https://www.naturvardsverket.se/Documen ... ?pid=28786
Andere Personengruppen als Jäger und Landwirte sind schlicht bedeutungslos. Jäger finden, dass die Machtverhältnisse in unserer Gesellschaft schlicht unfair verteilt sind. Haben Menschen kein Problem mit großen Beutegreifern, können es sowieso nur Städter sein:
The results of this study additionally show that trust in large carnivore management is low among the farm owners and hunters we interviewed and surveyed. Indications of what this mistrust builds upon is evidenced in the interview data. A central factor is that they experience a lack of control and an unfair division of power in society, in that people who make decisions affecting the countryside often do not live in areas with large carnivores, nor understand the conditions for living in the country-side.

A. Sjölander-Lindqvist, S. Larsson, J. Bennett: Att leva nära stora rovdjur- Perspektiv på psykosociala och socioekonomiska konsekvenser.Naturvårdverket, Forskning om vilt, Rapport 7005, August 2021, Seite 12
https://www.naturvardsverket.se/Documen ... ?pid=28786
Und wieder müssen die Wölfe für die miese Agrarpolitik hinhalten. Dass Schäden vom Steuerzahler kompensiert werden, wird erstaunlicherweise gerne vergessen. Und natürlich wird das Wellbeing der Jäger beeinträchtigt - allein von dem Gedanken daran, dass auch Wölfe als Beutekonkurrenten anwesend sein könnten. So entstehen Zukunftsängste, die der Gesundheit schaden.
Farmers stated that many within the industry live within small economic margins and are under high financial pressure, where a large carnivore attack could result in stark consequences for the farm’s operation. Hunters in the study related how they are impacted financially due to the use of protective measures for dogs and a reduction in the amount of game available for hunting. Oftentimes, a large carnivore attack or the risk of one, insights feelings of stress, concern, and uncertainty for the future. This is expressed in regard to the farmers’ financial situation, and in regard to the prerequisites of living and working in the rural countryside.

A. Sjölander-Lindqvist, S. Larsson, J. Bennett: Att leva nära stora rovdjur- Perspektiv på psykosociala och socioekonomiska konsekvenser.Naturvårdverket, Forskning om vilt, Rapport 7005, August 2021, Seite 12
https://www.naturvardsverket.se/Documen ... ?pid=28786
Jäger und Landwirte erleiden gesunheitlichen Schaden, wenn sie die Situation bzw. hier die Natur nicht zu 100% kontrollieren können. Wer fragt eigentlich die Opfer von Jagdunfällen, wie es ihnen mit der fehlenden Kontrolle schießwütiger Jäger geht? Was ist mit deren Stress, der sich vielleicht genau deshalb in Protest entlädt?
Both hunters and livestock owners also experience a lack of control over creating a safe environment for their livestock and/or dogs. This feeling of having little or no control may result in negative consequences for an individual’s health and quality of life, which can be exacerbated by having close relationships to their animals and a sense of responsibility to protect them. Our results also demonstrate that actions by animal rights activists directed towards hunters and farmers increase people’s concern. This is often done in the form of anonymous calls, or by people showing up at one’s farm to protest. This reality should be understood as an important component that can add to stress and concern over large carnivore presence.

A. Sjölander-Lindqvist, S. Larsson, J. Bennett: Att leva nära stora rovdjur- Perspektiv på psykosociala och socioekonomiska konsekvenser.Naturvårdverket, Forskning om vilt, Rapport 7005, August 2021, Seite 12
https://www.naturvardsverket.se/Documen ... ?pid=28786
Und die Empfehlungen klingen auch wie direkt dirigiert aus - dem Wunschkonzert der Jäger. Nicht nur die finanziellen Schäden sollen allein ausschlaggebend für die Entscheidung zur Jagd auf "Problemwölfe" sein, sondern auch die (gefühlten) möglichen Kratzer an den zarten Gemütern. Und damit Jäger, Landwirte und Behördenvertreter auch immer schön im Hinterzimmer unter sich bleiben - bitte alles anonym.
Report recommendations [...]

• That people’s concern is evaluated as a potential variable that can be, to a greater extent, considered in applications for the lethal removal of problem animals.

• An investigation into whether applications for the lethal removal of problem animals and applications for aid and compensation can legally be anonymised.

A. Sjölander-Lindqvist, S. Larsson, J. Bennett: Att leva nära stora rovdjur- Perspektiv på psykosociala och socioekonomiska konsekvenser.Naturvårdverket, Forskning om vilt, Rapport 7005, August 2021, Seite 14
https://www.naturvardsverket.se/Documen ... ?pid=28786
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Dr_R.Goatcabin
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Re: Jäger und Landwirte in Angst

Beitrag von Dr_R.Goatcabin »

So viel laut und gern selbst zelebrierte Naturverbundenheit und Understanding. ... Und so viel Angst vor'm Leben. :dead: Achja, all die Landwirte, deren Existenz von der der einen Kuh abhängt, die schutzlos auf der Weide steht. Dann kommt der Wolf, und vernascht auch die noch.
- Zwick mich; gelebtes Mittelalter?
"Though this be madness, yet there is method in 't ..."
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Nina
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Re: Jäger und Landwirte in Angst

Beitrag von Nina »

Die Antworten der befragten Bediensteten in den Verwaltungen mildern den einseitigen Eindruck der Studie dann aber doch noch.

In Deutschland wird uns von den Wolfsjagdbefürwortern ja gern erzählt, dass die Wolfsjagd die Probleme der Tierhalter lösen, aufwendigen Herdenschutz überflüssig machen, den Wölfen wieder Scheu beibringen und somit sämtliche Risiken minimieren würde.

Die Aussagen der schwedischen Verwaltungsmitarbeiter entzaubern dieses kühne Heilsversprechen jedoch.
Sie gaben an, dass der Wolf der am wenigsten beliebteste Beutegreifer sei, obwohl Luchse zeitweilig mehr Haus- und Weidetiere reißen würden als Wölfe. Einem der Erklärungsansätze zufolge liegt das möglicherweise daran, dass der Wolf bei einem Angriff mehrere Tier töten würde, während Luchse sich eher auf die Tötung der Menge Beute beschränkten, die sie unmittelbar benötigen würden.

Einige der Verwaltungsbediensteten gaben an, die Lizenzjagd aus Verwaltungsperspektive für ein geeignetes Instrument zu halten, um die Akzeptanz für die Beutegreifer zu erhöhen und insbesondere Wölfen Scheu beizubringen. Andere behaupteten genau das Gegenteil und sahen keinen einzigen Anhaltspunkt für eine Akzeptanzerhöhung durch Bejagung. Die unterschiedliche Zuteilung der Lizenzjagdquoten berge immer das Risiko, dass sich Jäger ungerecht behandelt fühlten, wenn einigen Bezirken Quoten zugeteilt würden und anderen nicht.

Einige waren der Ansicht, dass es keinerlei Anhaltspunkte dafür gäbe, dass Wölfe durch Lizenzjagden gegenüber Menschen scheuer würden.
Vielmehr könne die Lizenzjagd die Situation bezüglich der Angriffe auf Hunde und Weidetiere noch verschlimmern, da die Rudelstrukturen zerstört würden. Nach Angabe der Verwaltungsbediensteten könne sich dadurch das Jagdverhalten der Wölfe ändern und zu mehr Übergriffen auf Haus- und Weidetiere führen.


A. Sjölander-Lindqvist, S. Larsson, J. Bennett: Att leva nära stora rovdjur- Perspektiv på psykosociala och socioekonomiska konsekvenser.Naturvårdverket, Forskning om vilt, Rapport 7005, August 2021, Seite 102 https://www.naturvardsverket.se/Documen ... ?pid=28786
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Nina
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Re: Jäger und Landwirte in Angst

Beitrag von Nina »

Worum es auch in Schweden wohl wirklich geht:
Die Bediensteten der Bezirksverwaltungen gaben an, dass große Beutegreifer die Voraussetzungen für das Wohnen und Leben auf dem Land beeinflussen würden. Einige von ihnen sehen den Wolf eher als ein Symbol für den Konflikt zwischen Land und Stadt. Dieser Eindruck wird durch Ergebnisse norwegischer Studien gestützt (Skogen & Haaland, 2001; Skogen & Krange, 2003; 2020), nach denen Beutegreifer, insbesondere der Wolf, zu einer Symbolfrage für die Marginalisierung der Landbewohner und der Arbeiterklasse geworden sind (siehe auch Dalerum, 2021). Die Kritik an den Raubtieren stehe als Symbol für das "wirkliche Problem" der Landbevölkerung. Einem Verwaltungsmitarbeiter zufolge sei "der Kampf um das Raubtier zu einem Symbol für den Umgang des Staates mit den dünn besiedelten Regionen" geworden.
Ein anderer sieht in den großen Forstmaschinen "den eigentlichen Wolf" und verweist auf die Entwicklung, Menschen durch Maschinen zu ersetzen, was zu einer Erhöhung der Arbeitslosenzahlen auf dem Lande geführt habe. Selbiger Verwaltungsmitarbeiter sieht als das wirkliche Problem die Urbansisierung, die Mechanisierung der Forstwirtschaft, die zu zunehmend zu Arbeitsplatzverlusten führte und die Stilllegung von Industrien in den Regionen, die mit Schließungen von Schulen, Einzelhandel und Apotheken einhergingen. Ein weiterer Verwaltungsbeamter gab an, dass er eine Menge Probleme der Landbevölkerung sehen würde, die jedoch nicht durch den Wolf verursacht würden. "Das hat alles nichts mit dem Raubtier zu tun."

Verwaltungsbedienstete der Bezirksverwaltungen verweisen zudem auf die positiven Effekte der großen Beutegreifer. Einer gab an, dass Menschen aufgrund der Faszination hinsichtlich der Wölfe sogar extra aufs Land ziehen würden. Mehrere Verwaltungsmitarbeiter sind der Auffassung, dass eine große Anzahl von Menschen von den großen Beutegreifern begeistert seien, sich jedoch nicht organisieren würden, um ihre Interessen zu bündeln, weshalb diese Stimmen weitestgehend ungehört blieben. Einige betonten zudem die positiven wirtschaftlichen Effekte durch den Tourismus, da sich das Suchen nach Wolfsfährten und das Lauschen von Wolfsheulen großer Beliebtheit erfreue. Die Jagd auf Luchse und Bären würde den Jägern einen Mehrwert bieten. Auch die Wolfslizenzjagden seien von den Jägern geschätzt.


A. Sjölander-Lindqvist, S. Larsson, J. Bennett: Att leva nära stora rovdjur- Perspektiv på psykosociala och socioekonomiska konsekvenser.Naturvårdverket, Forskning om vilt, Rapport 7005, August 2021, Seite 101 https://www.naturvardsverket.se/Documen ... ?pid=28786
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Nina
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Re: Jäger und Landwirte in Angst

Beitrag von Nina »

Uppsalas Bezirksverwaltung gibt unverständlicherweise einen genetisch wertvollen Wolf zum Abschuss frei - Weidetierhalter hatten ihre Tiere nicht geschützt
Leider hat sich unter manchen Weidetierhaltern eine Art Kultur etabliert, nach der die Errichtung wolfsabweisender Zäune als Anerkennung der Zugehörigkeit des Wolfes zur heimischen Fauna eingestanden wird.

Per Axell, Svenska Rovdjursföreningen, 01.09.2021: Die von den Wolfsattacken im Siggafora-Revier betroffenen Weidetiere waren alle unzureichend geschützt (Rovdjursavvisande stängsel saknades vid attackerna i Siggeforareviret) https://www.rovdjur.se/objfiles/1/Rovdj ... 088548.pdf
Uppsalas Bezirksverwaltung hat nach mehreren Wolfsattacken auf Weidetiere einen erwachsenen Wolf zum Abschuss freigegeben. Innerhalb der letzten zwei Wochen sei es zu fünf Angriffen gekommen. Weil die zuletzt erhöhte Frequenz der Attacken auf zukünftige weitere Vorfälle schließen lässt, wird jetzt quasi als "Kompromiss" ein Elternwolf des genetisch wertvollen Rudels der Schutzjagd geopfert. Auch, weil die Tierhalter in der Region nun nicht mehr genügend Zeit hätten, vor der Einstallung im Herbst noch wolfsabweisende Zäune zu errichten. Allerdings: Das Wolfspaar im Siggafora-Revier ist bereits seit eineinhalb Jahren existent, bekannt und diskutiert. Die Angriffe auf unzureichend geschützte Weidetiere kommen also so überraschend wie Weihnachten.

Den "Naturschützern" mit der Waffe ist es indes vollkommen wumpe, ob die junge Wolfsfamilie für den von Inzucht geplagten schwedischen Wolfsbestand genetisch wertvoll ist - der Jagdverband Uppsala forderte zuvor, die Schutzjagd auf sämtliche Wölfe im Revier auszudehnen.
Am liebsten wäre es uns, wenn das komplette Revier weggeschossen wird.

Torsten Nilsson, Jägareförbundet Uppsala, Svensk Jakt, 03.09.2021: Skyddsjakt i Uppsala län – en varg får fällas https://svenskjakt.se/start/nyhet/skydd ... ar-fallas/
Die Bezirksverwaltung dagegen sieht grundsätzlich die Weidetierhalter in der Pflicht, aber da das Kind aufgrund des seit mehr als einem Jahr versäumten Herdenschutzes nun in den Brunnen gefallen ist, helfe in der aktuellen Situation nur noch der Abschuss:
Die Bezirksverwaltung setzt weiterhin auf die Anwendung wolfsabweisender Herdenschutzmaßnahmen im Wolfsrevier. "Weidetierhalter in Wolfsrevieren sind dazu angehalten, Maßnahmen zur Verringerung des Risikos von Angriffen zu ergreifen. Wie sich die Situation nun aber entwickelt hat, ist es zeitlich nicht mehr möglich, die notwendigen Zäune vor Ende der Weidesaison zu errichten, so dass mit weiteren erheblichen Angriffen zu rechnen ist, wenn jetzt nicht gegengesteuert wird", heißt es von Lennart Nordvarg in einer Pressemitteilung der Bezirksverwaltung.

Torsten Nilsson, Jägareförbundet Uppsala, Svensk Jakt, 03.09.2021: Skyddsjakt i Uppsala län – en varg får fällas https://svenskjakt.se/start/nyhet/skydd ... ar-fallas/
Und was sagen die Wolfsschützer von Svenska Rovdjursföreningen?
Die von den Wolfsattacken betroffenen Weidetiere im Siggafora-Revier waren alle unzureichend geschützt

Seit eineinhalb Jahren ist die Revierbildung eines Wolfspaares nördlich von Uppsala, in dem dem sogenannten Siggafora-Revier, bekannt. Trotzdem haben viele Weideterhalter ihren Tieren die gebotene wolfsabweisende Herdenschutzzäunung verweigert.
Bei sämtlichen Attacken von Wölfen auf Weidetiere im Siggafora-Revier gab es keinen wolfsabweisenden Herdenschutz. Die Zäune waren lediglich ausreichend, um die Schafe am Fortlaufen zu hindern, boten jedoch keinerlei Schutz gegen eindringende Wölfe, Hunde oder Füchse.
Demgegenüber ist die Zahl der Angriffe auf Weidetiere von verantwortungsbewussten Tierhaltern, die einen wolfsabweisenden Schutz installiert haben, gleich null.
Gemäß der schwedischen Gesetzgebung darf die Schutzjagd nur das allerletzte Mittel sein, wenn andere Lösungsversuche erfolglos geblieben sind. Wird auf einen wolfsabweisenden Herdenschutz verzichtet, läuft die Maßnahme der Schutzjagd vollkommen ins Leere, da weitere Wölfe die Gelegenheit wahrnehmen werden, egal ob aus dem Siggafora-Rudel oder revierfremde durchziehende Wölfe. [...] Mit dem eigenen wolfsabweisenden Zaun minimiert man auch das Risiko für die Weidetiere anderer Tierhalter. Deshalb sind wir froh darüber, dass inzwischen mehr Tierhalter im Siggafora-Revier wolfsabweisende Zäune errichten oder planen, dies zu tun. Das ist immer auch ein Akt der Solidarität gegenüber anderen Tierhaltern.
Unser Verein wünscht sich eine Änderung der Verweigerungshaltung von Tierhaltern, indem von ihrer Seite mehr Verantwortung übernommen und die staatlichen Angebote zur Errichtung wolfsabweisender Herdenschutzmaßnahmen genutzt werden. Denn egal, ob Weidetiere nun durch Hunde, Füchse oder Wölfe zu Schaden kommen - derartige - für die Halter stets tragische - Vorfälle ließen sich in den meisten Fällen verhindern. Die Bezirksverwaltung übernimmt einen Teil der Kosten, während unser Verein bei der Errichtung der wolfsabweisenden Zäune behilflich sein kann. Nach Abschluss der Errichtung folgt die Abnahme durch Bedienstete der Bezirksverwaltungen. Sind unsere Weidetiere erst einmal durch wolfsabweisende Zäune gesichert, helfen wir den Wölfen, sich wieder auf die Jagd ihrer natürliche Beute wie Elche, Rehe, Wildschweine, Rotwild, Damwild, Biber und Dachse, zu fokussieren.


Per Axell, Svenska Rovdjursföreningen, 01.09.2021: Die von den Wolfsattacken im Siggafora-Revier betroffenen Weidetiere waren alle unzureichend geschützt (Rovdjursavvisande stängsel saknades vid attackerna i Siggeforareviret) https://www.rovdjur.se/objfiles/1/Rovdj ... 088548.pdf
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Nina
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Re: Jäger und Landwirte in Angst

Beitrag von Nina »

Schweden beweist damit, dass es mit einer Wolfsabschussquote auch in Deutschland nicht getan sein wird, sollten sich die Jäger ebenfalls hier mit derartigen Forderungen durchsetzen.

Neueste Forderungen von schwedischen Jagdverband Svenska Jägareförbundet: Der schwedische Wolfssbestand muss drastisch reduziert werden.
Der schwedische Jagdverband Svenska Jägareförbundet fordert eine deutliche Reduzierung der Wölfe, bevor es, wie man es dort ausdrückt, "zu spät" ist. Der Verband ist enttäuscht über das Vorgehen von Behörden, Regierung und Parlament bezüglich des Wolfsmanagements.
"Seit mehr als 20 Jahren kämpfen wir für ein Wolfsmanagement, das diesen Namen auch verdient. Wir haben versucht, den Verantwortlichen klar zu machen, wie wichtig es für die Menschen ist, die zum Leben mit den Wölfen gezwungen werden, dass man ihre Probleme, Sorgen und Ängste ernst nimmt. Leider ist diesbezüglich äußerst wenig passiert. Sehr viele Menschen fühlen sich allein gelassen. Will man die Zustimmung der Bevölkerung und Vertrauen in das Wolfsmanagement, bedarf es deutlicher Maßnahmen", sagt Peter Eriksson auf der Website des Jagdverbandes.


Svensk Jakt, 03.09.2021: ”Vargstammen måste minskas rejält” https://svenskjakt.se/start/nyhet/vargs ... as-rejalt/
Will man selbst eigentlich auch einen Teil zur Koexistenz beisteuern, oder bleibt es bei Abschuss-Forderungen?

Ein gern genutztes Argument der Jäger in Schweden für die rigorose Wolfsbejagung ist die breit verankerte Sorge um das Leben des Jagdhundes, der bei der dortigen Jagdweise meist unangeleint weit von seinem Hundeführer entfernt agiert. Und auch, wenn 9 Angriffen auf Hunde durch Wölfe 665 andere Ursachen von Tod und Verletzungen gegenüberstehen (Verkehr: 240, Zugverkehr: 28, Schusswaffen: 7, Ertrunken: 22, Bären: 5, Luchse: 3, Schwarzwild: 211, Wild: 141, Verschollen bei der Jagd: 8)¹, so gibt es Hundeschutzwesten, die Angriffe anderer Wildtiere wie Wölfe abmildern und das Leben des Hundes retten können. Die Hundeschutzwesten für Jagdhunde werden in Schweden sogar staatlich bezuschusst.

Da sollte man doch meinen, dass viele Jäger ihren Hunden den Schutz nicht verwehren, wenn sie ihre Lieblinge schon solchen Gefahren für ihr eigenes
Hobby aussetzen. Die Antworten waren dann doch überraschend:
Die meisten der in den Leitfadeninterviews befragten Jäger gaben an, keine Schutzwesten bei ihren Hunden einzusetzen, obgleich einige von ihnen angaben, den Einsatz von Schutzwesten mal ausprobiert zu haben. [...] Die häufigste Erklärung für den Verzicht von Hundeschutzwesten bei der Jagd war die Begründung, dass die Weste für den Hund unbequem sei und er sich nicht so gut darin bewegen könne wie ohne Weste. [...] Ein Befragter äußerte, der staatliche Zuschuss zur Schutzweste für den Hund sei ein wichtiges Zeichen für die Unterstützung und Anerkennung der Situation der Jäger. Es gehe darum, dass man sich "als Jäger wahrgenommen fühle - und das Wichtigste, den Jägern das Gefühl zu geben, ja, es wird ja alles versucht - das ist wichtiger als die Schutzmaßnahme selbst."

A. Sjölander-Lindqvist, S. Larsson, J. Bennett: Att leva nära stora rovdjur- Perspektiv på psykosociala och socioekonomiska konsekvenser.Naturvårdverket, Forskning om vilt, Rapport 7005, August 2021, Seite 80 https://www.naturvardsverket.se/Documen ... ?pid=28786


¹ SVT Nyheter, 21.02.2020: Långt fler jakthundar dödas av vildsvin än av varg https://www.svt.se/nyheter/lokalt/varml ... an-av-varg
¹ Agria Djurförsäkring, 29.05.2019: Skadestatistik vid jakt för hund https://www.agria.se/pressrum/statistik ... -vid-jakt/
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