Herdenschutz: Viel Luft nach oben

Niedersachsen, Bremen, Hamburg, Schleswig-Holstein
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Nina
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Herdenschutz: Viel Luft nach oben

Beitrag von Nina »

In Niedersachsen ist beim Herdenschutz offenbar noch viel Luft nach oben.

Während sich Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies und Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner mit ihren Wolfsbejagungsphantasien förmlich überschlagen, weisen zumindest einige Medien inzwischen auf ein Problem hin, das bei den Verbalschlachten der Minister gegen den Wolf oftmals untergegangen ist: Obwohl der Wolf seit fast 10 Jahren in Niedersachsen wieder ansässig ist, gibt's beim Herdenschutz noch reichlich Luft nach oben, wie auch der aktuellste Bericht der DBBW zu Prävention und Nutztierschäden für das vergangene Jahr offenbart.

Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies:
"Ich bin nicht bereit, die Weidetierhaltung für den Wolf zu opfern. Und ich bin auch nicht bereit, das ganze Land einzuzäunen.“

BILD, 09.06.2021: 350 Wölfe und ganz viel Hass https://www.bild.de/regional/hannover/h ... .bild.html
Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) will wieder vermehrt die Jagd auf Wölfe zulassen. Es gehe nicht darum, den Wolf auszurotten, sagte sie der Neuen Osnabrücker Zeitung. "Aber wenn wir die Weidetierhaltung in einigen Regionen nicht aufgeben wollen, müssen wir handeln." [...] Schon vorige Woche hatte der Deutsche Bauernverband davor gewarnt, die Haltung von Schafen, Ziegen, Pferden und Rindern auf der Weide drohe "zum Auslaufmodell" zu werden. "Der Wolfsbestand muss endlich reguliert werden", sagte Eberhard Hartelt, der Umweltbeauftragte des Verbandes. Ähnlich argumentiert nun auch Klöckner. Dort, wo viele Wölfe lebten und der Bestand nicht gefährdet sei, "müssen wir jetzt dringend zu einem regionalen Bestandsmanagement kommen", sagt sie.

Süddeutsche, 15.08.2021: Klöckner bangt um Weidetiere https://www.sueddeutsche.de/politik/woe ... -1.5382986
Ein Lichtblick: Der Autor der Süddeutschen Zeitung hat den aktuellen Bericht der DBBW auch gelesen - und plappert nicht lediglich unwidersprochen und ungeprüft nach, was die Bundeslandwirtschaftsministerin da so von sich gibt:
Allerdings weist der Bericht der Dokumentationsstelle auch einen direkten Zusammenhang zwischen gerissenen Tieren und fehlenden Schutzmaßnahmen aus. "Übergriffe auf Nutztiere kommen vor allem dort vor, wo Schaf-und Ziegenhalter sich noch nicht auf die Anwesenheit von Wölfen eingestellt und Schutzmaßnahmen getroffen haben", heißt es. Dies geschehe selbst in Gegenden, wo Wölfe schon seit Jahren präsent seien. Der ausreichende Schutz von Herden in Wolfsgebieten sei offenbar "noch immer keine Selbstverständlichkeit".

Süddeutsche, 15.08.2021: Klöckner bangt um Weidetiere https://www.sueddeutsche.de/politik/woe ... -1.5382986
Konkret heißt es im Bericht der DBBW zu Prävention und Nutztierschäden 2019:
In Niedersachsen zum Beispiel, war 2019 in 67 % der Übergriffe auf Schafe kein und in weiteren 21 % nur ein eingeschränkter Schutz (gemäß Niedersächsischer Richtlinie Wolf) vorhanden (NLWKN 2020). In Schleswig-Holstein war 2019 nur in 15 % der Fälle, in denen Schafe von Wölfen angegriffen wurden, ein nach dortigen Standards ausreichender Mindestschutz vorhanden (MELUND 2020). In diesen beiden Bundesländern waren demnach in über 80% der Schadensfälle die Schafe nicht oder nicht ausreichend geschützt.

DBBW, Bericht zu Prävention und Nutztierschäden 2019, Seite 4 https://www.dbb-wolf.de/mehr/literatur- ... erschaeden
Und als ob daraus nichts gelernt wurde, zeigt sich dasselbe Bild auch ein Jahr später:
In einigen Bundesländern war 2020 demnach in über 80 % der Übergriffe auf Schafe und Ziegen kein bzw. nur ein eingeschränkter Mindestschutz vorhanden (Niedersachsen, NLWKN 2021; Schleswig-Holstein, MELUND 2021). [...] Daten aus Niedersachsen zeigen, dass selbst in ausgesprochenen Schaden-Hotspots der Großteil der Übergriffe auf nicht/ nicht ausreichend geschützte Tiere stattfindet (NLWKN 2021). Die Wölfe in diesen Gebieten haben daher einen hohen Anreiz, ihr Verhalten beizubehalten und zu versuchen, einfache oder unzureichende Schutzmaßnahmen zu überwinden.

DBBW, Bericht zu Prävention und Nutztierschäden 2020, Seite 4 und 11 https://www.dbb-wolf.de/mehr/literatur- ... erschaeden
Ist ja auch praktisch, wenn sich so das Verhalten der Wölfe festigt - umso lauter kann man dann nach der Wolfsjagd schreien... Schön, dass den Medien diese Taktik langsam auch auffällt.
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Nina
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Re: Herdenschutz: Viel Luft nach oben

Beitrag von Nina »

Ein wolfsabweisender Schutz minimiert auch das Risiko für solche Fälle, bei denen das Leben der Lämmer nur durch tierliebe Feuerwehrleute gerettet werden konnte, wenn auch nicht immer mit Erfolg.

Niedersachsen:
Feuerwehr rettet Lamm vorm Ertrinken

Tierischer Einsatz für die Feuerwehr. Die Retter wurden am Montagabend nach Ochsenwerder gerufen. Dort hatte ein Lamm die Deichumzäunung überwunden und war in die Elbe gefallen. Feuerwehrmänner retteten es im letzten Moment.
Ein Spaziergänger war gegen 20.30 Uhr auf das Drama aufmerksam geworden. Er hatte von der niedersächsischen Elbseite aus beobachtet, wie ein Lamm sich aus der Umzäunung am Gauerter Hauptdeich befreit hatte und Richtung Elbe tapste. Dann das Unglück: Der junge Bock fiel die Böschung hinunter und plumpste in den Fluss.


MOPO, 29.06.2021: Feuerwehr rettet Lamm vorm Ertrinken https://www.mopo.de/hamburg/polizei/sch ... rueckt-an/
Hessen:
Die Feuerwehr in Lorsch (Bergstraße) hat am Samstag ein Lamm aus der Weschnitz gerettet.

Wie ein Feuerwehrsprecher sagte, hatte sich das Tier von der in der Nähe weidenden Herde gelöst und war in den Fluss geraten. Dort drohte es zu ertrinken. Zwei gesicherte Feuerwehrmänner konnten das Lamm aus dem Wasser bergen und wohlbehalten zu seiner Herde zurückbringen.


hessenschau, 14.08.2021: Feuerwehr in Lorsch rettet Lamm aus Fluss https://www.hessenschau.de/panorama/feu ... s-100.html
Hessen:
Feuerwehr rettet fünf Schafe aus Fluss – Lamm ertrinkt

Die Freiwillige Feuerwehr aus dem hessischen Lorsch hat am Freitag fünf Schafe aus der Weschnitz gerettet. Für ein Lamm kam jede Hilfe zu spät, es ertrank in dem Nebenfluss des Rheins, wie ein Feuerwehrsprecher berichtete. Die Tiere gehörten einem Schäfer aus dem Odenwald, der nicht vor Ort war. Sie seien wohl mangels Ortskenntnis zu weit an die Kante gelaufen, um zu grasen, und hätten den Abgrund nicht gesehen.


t-online, 15.06.2018: Feuerwehr rettet fünf Schafe aus Fluss – Lamm ertrinkt https://www.t-online.de/nachrichten/pan ... rinkt.html
Niedersachsen:
Feuerwehr rettet Lamm aus dem Moor

Ungewöhnliche Rettungsaktion der Feuerwehr: Ein Lamm hatte sich im Moor verirrt und war auf einer Insel gestrandet. Die Feuerwehrkameraden holten das verängstigte Tier mit einem Schlauchboot an sichere Ufer. [...] Gegen 13.30 Uhr war der Einsatz für die insgesamt zwölf Feuerwehrkräfte beendet, der Schäfer konnte das Lamm wieder zur Herde zurückbringen.


MK Kreiszeitung, 13.04.2014: Feuerwehr rettet Lamm aus dem Moor https://www.kreiszeitung.de/lokales/die ... 79335.html
Rheinland-Pfalz:
Dellfeld: Feuerwehr rettet Lamm aus Schwarzbach

Die Feuerwehr hat am Freitagmorgen ein Lamm gerettet, das in Dellfeld in den Schwarzbach gerutscht war.
[...] Das Tier war an der nassen Uferböschung in der Bahnhofstraße in Falkenbusch abgerutscht und in den Bach geraten. Die Feuerwehr, die gegen 7.30 Uhr alarmiert worden war, rettete das geschwächte Tier mit einem Boot und brachte es zu seiner Mutter.

Die Rheinpfalz, 15.04.2018: Dellfeld: Feuerwehr rettet Lamm aus Schwarzbach https://www.rheinpfalz.de/lokal/zweibru ... 46970.html
Bayern:
Feuerwehr rettet Lamm aus dem Kanal

[...] Zwar hatte Schäfer Peter Band seine 200 Tiere am Ende des Kanals beim Kraftwerk mit eingehegt. Das zwölf Wochen junge Tierchen aber rutschte unter der Stoffumzäunung durch. So sehr sich das verschreckte Lamm abmühte – es kämpfte vergeblich darum, wieder ans rettende Land zu kommen. Zu steil und glatt erwies sich das Betonufer. [...] In Windeseile war der Elektromotor aufgebracht, und die Einsatzkräfte konnten innerhalb einer Viertelstunde das triefend nasse Lämmchen aus dem Wasser fischen.

Merkur, 23.08.2009: Feuerwehr rettet Lamm aus dem Kanal https://www.merkur.de/lokales/freising/ ... 51666.html
Niedersachsen:
Feuerwehr rettet Lamm aus Hunte

Vor dem Tod durch Ertrinken hat die Freiwillige Feuerwehr Wardenburg am Mittwochabend ein Lamm gerettet. [...] Passanten hatten nahe der Huntebrücke ein in der Hunte schwimmendes Lamm entdeckt, das sich aus eigener Kraft nicht mehr befreien konnte. Beim Eintreffen der Feuerwehr harrte das Lamm bereits entkräftet nahe am Ufer aus, so dass ein Feuerwehrmann das Tier greifen und aus der Hunte retten konnte.


NWZ, 08.06.2012: Feuerwehr rettet Lamm aus Hunte https://www.nwzonline.de/oldenburg-krei ... 29356.html
Brandenburg:
Feuerwehr rettet in Eiche entlaufene Lämmer

[...] Der Grund der Alarmierung war ein freilaufendes Lamm an der Straße. Schon bevor die ersten Retter umgezogen auf dem Auto saßen, konnte ein weiteres Lamm nahe der Feuerwache eingefangen werden. Die beiden kleinen Ausreißer werden nun einem Bauern übergeben, wo sie in Sicherheit sind.

MOZ, 14.04.2021: Feuerwehr rettet in Eiche entlaufene Lämmer https://www.moz.de/lokales/bernau/tiere ... 72553.html
Wenn flächendeckend wolfsabweisend gezäunt wird, sind die Lämmer auch vor dem Ausbüxen geschützt - und die Feuerwehr hat vielleicht mal früher Feierabend...
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Nina
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Re: Herdenschutz: Viel Luft nach oben

Beitrag von Nina »

Das Problem-Bundesland Niedersachsen ist der NOZ jetzt auch aufgefallen:
Bericht: Mehr Wölfe, weniger Wolfsschäden – außer in Niedersachsen

Berlin. Gut 1500 Wölfe sollen zurzeit in Deutschland leben. Die Population wächst, die Ausgleichzahlungen für Wolfsschäden sind einem Bericht zufolge gesunken. Nur Niedersachsen stört das Bild.


NOZ, 20.08.2021: Bilanz - Bericht: Mehr Wölfe, weniger Wolfsschäden – außer in Niedersachsen https://www.noz.de/deutschland-welt/nie ... nnt-zahlen
Die einseitige Problem-Politik von Problem-Politikern für eine Problem-Klientel in einem Problem-Bundesland lässt Niedersachsen im Bundesvergleich alt aussehen. Sollte das nicht Anlass sein, mal darüber nachzudenken, die Schuldigen dafür vielleicht woanders als bei den Wölfen zu suchen?
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