Man wird offenbar nicht müde, die steile These zu verbreiten, dass Wölfe ohne Bejagung ihre (gar nicht vorhandene) "Scheu" verlören und durch eine Bejagung Menschen und ihre Nutztiere meiden würden. Aber der NDR hinterfragt das wie immer nicht.Die Deutsche Wildtier Stiftung fordert einzelne Wölfe zu erlegen, um deren Akzeptanz zu steigern. [...] "Wir möchten dazu beitragen, dass es hier eine Akzeptanz gibt. Und dafür muss auch die Gesellschaft und die Politik bereit sein, einzelne Wölfe einfach zu entnehmen", so der Vorsitzende der Deutschen Wildtier Stiftung, Klaus Hackländer. [...] Hinter der Forderung steckt der Gedanke, dass die Wolfsrudel lernen müssten, dass vom Menschen Gefahr ausgeht. Nur dann würden sie sich fern halten. Länder wie Frankreich machen es vor. Über eine nationale Ausnahme vom europaweiten Schutztstatus, ist die Zahl der Wölfe dort auf 500 Tiere gedeckelt.
NDR, 06.03.2021: Wolfsabschüsse sollen Akzeptanz erhöhen https://www.ndr.de/nachrichten/mecklenb ... f4468.html
Sobald ein Wolf z. B. wiederholt viele Schafe reißt oder gar an einem Waldkindergarten entlang läuft, werden massive Sorgen und Ängste geweckt. In der Presse werden Forderungen nach Maßnahmen gegen „auffällige Wölfe“ gestellt, obwohl der Begriff bisher nicht fachlich definiert wurde. [...] Zumeist wird – auch auf Ebene der EU – eine Bejagung gefordert. Die Befürworter erhoffen sich dadurch: „Problemwölfe“ unbürokratischer fangen/töten zu können sowie die „Scheu“ der Wölfe zu erhalten. Außerdem wird argumentiert, dass durch eine Bestandsregulation die Akzeptanz für Wölfe in der Bevölkerung erhöht würde. [...] Es ist allgemeiner aktueller Wissenstand, dass sich die Wolfsdichte einer Region ganz eng dem Nahrungsangebot anpasst. Eine Regulierung der Wolfsbestände seitens des Menschen ist somit aktuell nicht erforderlich, der vernünftige Grund zum Töten m. E. nicht gegeben. [...] Reine wirtschaftliche Interessen von Jägern stellen vor dem Hintergrund des strengen Schutzstatus des Wolfs und des Tierschutzgesetzes m. E. keinen vernünftigen Grund dar, Wölfe zu bejagen. Zudem könnte eine Bejagung – sofern von unerfahrenen Personen ausgeführt – zur Zerstörung von Rudelstrukturen und damit eher zur Destabilisierung der örtlichen Verhältnisse beitragen. [...] Eine Akzeptanzerhöhung durch eine Bejagung ist ebenso wenig bewiesen. Erfahrungen aus den USA zeigen eher das Gegenteil. So berichtet Treves: „Die schrittweise Erlaubnis der Jagd auf den Wolf hat den Wert des Wolfs nach und nach reduziert. Einige Menschen akzeptieren nun zwar die Behörde, welche die Wolfsjagd erlaubt, die Akzeptanz gegenüber Wölfen ist mit einer Legalisierung der Jagd allerdings nicht gestiegen“. Mit Zulassung der Jagd auf den Wolf erhöhten sich nach Treves zudem die Wildereidelikte auf den Wolf. Es ist weiterhin bisher nicht wissenschaftlich belegt, dass eine Bejagung die Scheu der Wölfe dem Menschen gegenüber erhöhen würde. Seitens der zumeist jagenden Befürworter wird dabei häufig ein Vergleich zwischen dem Verhalten ihnen bekannter jagdbarer Tiere (Reh-Rot-Schwarzwild) gezogen, die sich auf intensivierte Jagdaktivitäten (z. B. im Winter nach Bewegungsjagden) mit erhöhter Vorsicht (Scheu) einstellen. Dieser Vergleich ist in meinen Augen fachlich kritisch zu hinterfragen. Beutetieren liegen von Natur aus etwas andere Handlungsprioritäten zu Grunde als großen Beutegreifern. [...] So beruht die sogenannte „Scheu“ des Wolfes m. E. nicht prioritär in der „Angst vor dem Menschen aufgrund von Bejagung“, sondern es liegt ihr vielmehr eine natürliche Vorsicht zu Grunde, die dieses Tier besitzen muss, wenn es sich nicht durch eine unvorsichtige Annäherung an unbekannte Objekte in Gefahr begeben will. [...] Eine Verknüpfung schlechter Erfahrungen (hier Bejagung) kann nur dann zum Menschen geschehen, wenn sich dieser bei den einwirkenden aversiven Reizen nahe genug am Wolf befindet. Der so bejagte Wolf muss zudem noch überleben, um seine Erfahrungen weitergeben zu können. [...] Bei der Ansitzjagd ist eine Verknüpfung des aversiven Reizes zum Menschen jedoch schwer herzustellen. Viel wahrscheinlicher könnte es hingegen eine Verknüpfung zum Ort des Geschehens geben, da menschlicher Geruch in unserer dicht besiedelten Gesellschaft allgegenwärtig ist. Überspitzt ausgedrückt könnte ein bejagter Wolf heute vielmehr lernen, den jagdintensiven Ort „Wald/Feld“ zu meiden und stattdessen die jagdberuhigte Nähe von Siedlungen zu suchen.
Birgit Mennerich-Bunge: Eine amtstierärztliche Sicht auf die Rückkehr des Wolfes nach Deutschland, 2016, Amtstierärztlicher Dienst und Lebensmittelkontrolle 23. Jahrgang – 4/2016, Seite 225-227 https://www.vetimpulse.de/fileadmin/use ... Wolfes.pdf
Noch eine unbelegte Behauptung:Problematisch wird es hingegen, wenn Wölfe durch Futter oder andere Attraktionen aktiv die Nähe des Menschen suchen (Futterkonditionierung). [...] Auch ungeschützte Nutztiere fallen in diesen Kontext. Ein effektiver Herdenschutz ist daher unabdingbar. Wölfe dürfen Nutztiere gar nicht erst als leichte Beute kennen lernen. Negativerfahrungen (z. B. Zaun-Stromschlag) werden ebenso wie Erfolge von den Elterntieren an die Jungwölfe weitergegeben. Aus diesem Grund sind Wolfselterntiere, die bereits negative Erfahrungen mit Elektrozäunen um Schafe und Gatterwild gemacht haben, der beste Schutz vor weiteren Übergriffen. Sie meiden diese Futterquellen, geben die Erfahrung an ihre Jungen weiter und verhindern darüber hinaus die Ansiedlung fremder Wölfe. Die Situation stabilisiert sich.
Birgit Mennerich-Bunge: Eine amtstierärztliche Sicht auf die Rückkehr des Wolfes nach Deutschland, 2016, Amtstierärztlicher Dienst und Lebensmittelkontrolle 23. Jahrgang – 4/2016, Seite 227 https://www.vetimpulse.de/fileadmin/use ... Wolfes.pdf
Nun lässt sich der hier geforderte "hundertprozentige Schutz" durch Bejagung aber erst recht nicht erreichen.Mehr Wölfe, mehr Übergriffe auf Nutztiere
Auch die Zahl der Wolfsübergriffe auf Schafherden steigt nach wie vor. Von zwei einzelnen Wölfen vor 15 Jahren, haben sich Wölfe im Land mittlerweile auf mehr als ein Dutzend Rudel vermehrt. Außerdem verdopple sich ihre Zahl alle drei Jahre, so Hackländer. [...] Schutzmaßnahmen der Nutztierhalter verlieren zunehmend an Wirkung - ob Zäune oder Herdenschutzhunde. In der Gruppe lernt der Wolf dazu, entwickle neue Strategien so Klaus Seebürger, Schäfer aus dem Mecklenburgischen Elbtal. Vor 15 Jahren ist bei ihm das erste Schaf von einem Wolf gerissen worden. Seitdem rüsten beide Seiten stetig auf. Ein hundertprozentiger Schutz sei illusorisch, so Seebürger.
NDR, 06.03.2021: Wolfsabschüsse sollen Akzeptanz erhöhen https://www.ndr.de/nachrichten/mecklenb ... f4468.html
Vergleiche der Nutztierschäden in verschiedenen europäischen Ländern zeigen, dass das Ausmaß der Schäden an Nutztieren weder von der Größe des Wolfsbestandes in einem Land noch von der Anzahl der Nutztiere abhängen. Entscheidend ist, wie gut oder schlecht vor allem Schafe und Ziegen vor Wolfsübergriffen geschützt werden (Kaczensky 1996, Linnell & Cretois 2018). Dies wird durch Erfahrungen der letzten 20 Jahre in Deutschland bestätigt. [...] In Niedersachsen zum Beispiel, war 2019 in 67% der Übergriffe auf Schafe kein und in weiteren 21% nur ein eingeschränkter Schutz (gemäß Niedersächsischer Richtlinie Wolf) vorhanden (NLWKN 2020). In Schleswig-Holstein war 2019 nur in 15% der Fälle, in denen Schafe von Wölfen angegriffen wurden, ein nach dortigen Standards ausreichender Mindestschutz vorhanden (MELUND 2020). In diesen beiden Bundesländern waren demnach in über 80% der Schadensfälle die Schafe nicht oder nicht ausreichend geschützt. [...] Allerdings gibt es auch in Gebieten, die schon länger vom Wolf besiedelt sind, trotz der in den letzten Jahren deutlich ausgebauten Förderangebote, noch immer Schafe und Ziegen, die nicht oder nur ungenügend vor Wolfsübergriffen geschützt sind. Hinzukommt, dass die reine Förderung von Schutzmaßnahmen nicht garantiert, dass diese auch korrekt angewandt werden. Eine Untersuchung in Schweden brachte zu Tage, dass bei einer stichpunktartigen Überprüfung von geförderten Elektrozäunen, nur 14 % voll funktionstüchtig waren. Der überwiegende Teil wies hingegen Aufbaumängel und damit eine eingeschränkte Wirksamkeit auf (Frank & Eklund 2017). Dies ist ein Hinweis darauf, dass neben der finanziellen Unterstützung der Tierhalter auch eine über eine einmalige Beratung hinausgehende fachliche Begleitung notwendig sein kann, um die Schäden dauerhaft zu senken.
Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf: Bericht zu Prävention und Nutztierschäden 2019: Wolfsverursachte Schäden, Präventions-und Ausgleichszahlungen in Deutschland 2019, Seite 2, 4 und 10 https://www.dbb-wolf.de/mehr/literatur- ... erschaeden
Kein Mensch käme auf die Idee, dem eigenen Hund den Diebstahl der verlockenden Wurstsemmel vom Wohnzimmertisch abzugewöhnen, in dem man ihm zeitversetzt zwei Wochen später mit einem überfallartigen Handkantenschlag im Nackenbereich und den Worten "So, und das ist für die Semmel! - Tu das nie wieder" irritiert. Lerneffekt = 0.Ein Vergleich der Anzahl regionaler Nutztierübergriffe in Niedersachsen vor dem Hintergrund dort regional vorhandener Wolfsrudel zeigt, dass die Anzahl Übergriffe nicht zwingend von der Anzahl Rudel abhängig ist (...). Vielmehr spielt eine Rolle, welche Erfahrungen das Rudel mit Nutztieren gemacht hat. Der wolfsabweisende Schutz von nicht wehrhaften Nutztieren ist somit Grundvoraussetzung für ein konfliktarmes Miteinander zwischen Wolf und Mensch. Wird dieses missachtet, und Wölfe lernen, dass Nutztiere leichter zu erbeuten sind als das heimische Wild, werden sie die Erfahrung im Rudel weitergeben. Ein konfliktarmes Miteinander von Nutztierhaltern und Wolf ist dann nicht mehr möglich, der einfache Grundschutz wird nicht mehr reichen. Klüger ist es daher, das weitere Verhalten von Wölfen durch negative Erfahrungen beim Übergriffsversuch auf Nutztiere zu beeinflussen. Wölfe, die möglichst gleich beim ersten Versuch und dann wiederholt schmerzhafte Bekanntschaft mit einem Elektrozaun gemacht haben, werden Nutztiere meiden. So konditionierte Rudel sind dann der beste Schutz gegen weitere Übergriffe, denn sie lassen keine fremden Wölfe in ihrem Revier zu. Geeignete Herdenschutzmaßnahmen müssen also in Wolfsregionen – besser bereits in Wolfserwartungsregionen – ständig und jederzeit an nicht wehrhaften Weidetierherden etabliert sein (passive Vergrämung). Einzelne aktive Vergrämungsmaßnahmen oder die Bejagung können (...) keinen Beutegreifer dauerhaft von seinen Beutetieren fernhalten. Zudem ist sogar mehrfach der gegenteilige Effekt bei einer Intensivierung der Bejagung beschrieben worden: eine erhöhte Anzahl Nutztierrisse durch Zerstörung der Rudelstruktur.
Birgit Mennerich-Bunge: Muss der Wolf Respekt lernen? Erfahrungen aus Niedersachsen, 2018, Amtstierärztlicher Dienst und Lebensmittelkontrolle, 25. Jahrgang – 2/2018, Seite 4-5 https://blog.bad-wildbad.de/wp-content/ ... T_2018.pdf
Deutsche Wildtierstiftung - nicht zu verwechseln mit Wildtierschutz Deutschland. Hier ein paar Hintergründe:
Die Deutsche Wildtier Stiftung ist eine gemeinnützige Stiftung des privaten Rechts mit Sitz in Hamburg. [...] Die Deutsche Wildtier Stiftung wurde 1992 vom Unternehmer Haymo Rethwisch ins Leben gerufen. [...] 2010 wurde Fritz Vahrenholt auf Bitten von Rethwisch in das Kuratorium der Deutschen Wildtier Stiftung berufen. Zu diesem Zeitpunkt war Vahrenholt Vorsitzender des Vorstands von RWE Innogy. Nach seinem Wechsel in den Aufsichtsrat von RWE Innogy übernahm Vahrenholt als alleiniger Vorstand die Leitung der Deutschen Wildtier Stiftung. [...] Die Zeitung Kontext: Wochenzeitung veröffentlichte zwei Artikel, in denen sie die Arbeit der Deutschen Wildtier Stiftung kritisierte. Die Zeitung bemängelte die Anstrengungen der Stiftung, den Bau von Windrädern in Wäldern zu verhindern, während sie gleichzeitig die Abholzung des Hambacher Forsts ignoriere. Dies wurde unter anderem darauf zurückgeführt, dass Fritz Vahrenholt ehemaliger RWE-Vorstand war, es gemeinsame Projekte zwischen der Deutschen Wildtier Stiftung und RWE gab und RWE der Stiftung im Jahr 2017 Geld überwies. Die Stiftung beantwortete eine Anfrage der Zeitung über die Höhe der Spende nicht, veröffentlichte jedoch später ein Pressestatement, in welchem sie diese auf 1000 € bezifferte. [...] Kritisiert wurde auch die Nutzung der Stiftung zu Zwecken des Kampfes gegen den Ausbau der Windenergie in der Vorstandszeit Vahrenholts vor dem Hintergrund seiner umstrittenen Positionen im Zusammenhang der Leugnung der menschengemachten globalen Erwärmung und den Verflechtungen mit RWE. [...] Seit Januar 2021 ist der Wildtierbiologe Klaus Hackländer Vorstandsvorsitzender.
Wikipedia: Deutsche Wildtierstiftung, abgerufen am 06.03.2021 https://de.wikipedia.org/wiki/Deutsche_ ... r_Stiftung
Hier noch ein etwas schriller Artikel, über den sich jeder selbst seine Gedanken machen möge:Mit dem Tod von Haymo G. Rethwisch verliert Deutschland nicht nur einen herausragenden Stifter im Naturschutz, sondern auch einen Visionär in Sachen Jagd. [...] Getrieben von der Sorge um den gesellschaftspolitischen Bedeutungsverlust der Jagd wurde schonungslos formuliert: „Ein zukunftsorientiertes Jagdwesen setzt eine stärkere ökologische Orientierung und eine Harmonisierung mit Natur- und Tierschutz voraus.“
Deutsche Jagdzeitung, 27.06.2014: Haymo G. Rethwisch: Stifter – Visionär – Jäger https://djz.de/haymo-g-rethwisch-2868/
Mitwelt am Oberrhein, Kategorie Greenwash, 21.02.2020: "Wildtier" Stiftung: Klimawandelleugner & Kritik - Tarnorganisation der Klimawandelleugner & Windradgegnerlobby, oder "industrienaher - neoliberaler" Naturschutzverband? " https://www.mitwelt.org/deutsche-wildti ... lobby.html