Illegale Jagd: Empfehlungen

Themen, die den Wolf im Allgemeinen betreffen.
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Nina
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Beitrag von Nina »

1. Kontrolle und Überwachung
Wie bereits dargestellt, erweist sich eine effektive polizeiliche Kontrolle als schwierig, da die illegale Verfolgung von Wölfen zumeist in wenig frequentierten Gebieten erfolgt. Aber selbst wenn eine Verschärfung der Kontrollen in sich selbst nur einen marginalen Effekt besitzt, sendet sie der Öffentlichkeit das Signal, dass es sich um eine von der Gesellschaft ernst genommene Kriminalitätsform handelt. Dieses Signal würde sich gleichermaßen sowohl an jene richten, die vorhaben, illegal Wölfe zu töten als auch an die selbstberufenen Gruppen, die die Kontrolle und Nachverfolgung in die eigene Hand nehmen und damit zu einer weiteren Konflikteskalation beitragen. Eine verstärkte Priorisierung und Systematisierug der polizeilichen Überwachung illegaler Wolfsverfolgung führt vermutlich zu präventiven Effekten.

In vielen anderen Ländern ist nicht die gewöhnliche Polizei die wesentliche Kontrollinstanz, sondern besondere Naturschutzeinheiten, die oft aufgrund ihrer Kompetenzen Respekt erfahren und zwischen den Institutionen vermitteln (Larsson, 2020). In Dänemark existieren solche Einheiten nicht. Das dort eingesetzte Personal der Naturschutzbehörde verfügt nicht über die Befugnisse der Naturschutzaufsicht in anderen Ländern. Eine verschärfte Kontrolle könnte im Rahmen des sogenannten "Hotspot Policing" erfolgen, d. h. intensivierten polizeilichen Überwachungsmaßnahmen in Gebieten, in denen viele Wölfe spurlos verschwinden (Larsson, 2020). Als Teil des "Hotspot Policing" würden die Restriktionen für den Aufenthalt in Wolfsgebieten verschärft sowie die Überwachung und Durchsetzung bestehender Restriktionen intensiviert, wodurch vermutlich ein präventiver Effekt erzielbar wäre. Erfahrungen aus dem Ausland sprechen für einen vorbeugenden Effekt durch GPS-Sender oder sogenannte "Biologger" (Suutarinen & Kojola, 2018; O’Donoghue & Rutz, 2016).

Eine weitere, nicht minder wichtige Kontrolle ist die sogenannte soziale Kontrolle, d. h. die Festlegung und Regelung von Normen und Verhalten, welche Bürger, Meinungsbildner, Interessenorganisationen und Behörden in der Kommunikation miteinander pflegen (Horwitz, 1990). Die soziale Kontrolle erfolgt auf interpersonellem, auf Gruppen- und auf einem breiteren gesellschaftlichen Niveau. Um die interne Normenbildung und Verhaltungsregulierung zu aktivieren, bedarf es einer beteiligenden öffentlichen Debatte, insbesondere in den Gebieten mit Risiko des illegalen Nachstellens von Wölfen (siehe auch Kommunikation und Vermittlung sowie Stärkung von Mündigkeit und Verantwortung), wobei die Aktivierung mittlerweile auf einem breiteren gesellschaftlichen Niveau anzustreben ist. Hierbei kommt Meinungsbildnern und betroffenen Organsationen eine besondere Verantwortung zu, um einerseits eine wertige und faktenbasierte Debatte zu gewährleisten und sich andererseits von jeglicher Form von Selbstjustiz zu distanzieren (Sonne et al. 2019).

Gerade weil Jäger zu der Personengruppe gehören, welche sowohl über die Motive als auch über das Material verfügt, um Wölfen illegal nachstellen zu können, kommt der internen Selbstregulierung dieses Personenkreises eine wichtige Rolle zu. Wie Untersuchungen aus Schweden und Norwegen zeigen, gibt es auch unter Jägern verbreiteten Widerstand gegen das illegale Verfolgen von Wölfen (Skogen & Krange, 2019; Peterson et al. 2018), zugleich aber auch den Widerwillen, Gesetzesverstösse anderer Jäger anzuzeigen (von Essen & Hansen,2018; Peterson et al. 2018) Ein breiteres Wissen über die Einstellung und das Vorgehen der dänischen Jäger in Bezug auf verschiedene Formen der Faunakriminalität und über die Funktionsmechanismen der sozialen Kontrolle untereinander, könnte ein wichtiges Werkzeug zur Entwicklung von Maßnahmen gegen illegale Wildtiertötungen darstellen.

Als Gegenreaktion auf die Macht- und Tatenlosigkeit der behördlichen Kontrollinstanzen in Bezug auf das illegale Nachstellen von Wildtieren, wie z. B. Wölfen, haben sich in vielen Ländern selbstermächtigte und halbmilitärische Gruppen gebildet, die Naturgebiete überwachen und kontrollieren, in denen illegales Nachstellen von Wildtieren angenommen wird. Eine der bekanntesten Organisationen ist die internationale sogenannte APU (Anti-Poaching Unit), die sich in Schweden etabliert hat [...]. In Dänemark gibt es derzeit keine ähnlichen größeren Überwachungsgruppen, jedoch Beispiele für einzelne Akteure, die sich selbsternannt als Beschützer der Wölfe verstehen.

H. P. Hansen, C. Munch Schrøder, P. Sunde, K. Olsen, 18.01.2021: Tiltag mod ulovlig efterstræbelse af ulv, Fagligt notat fra DCE – Nationalt Center for Miljø og Energi, Seite 11 https://dce.au.dk/fileadmin/dce.au.dk/U ... 021_05.pdf
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Nina
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2. Kommunikation und Vermittlung
Kommunikation und Vermittlung sind wichtige Werkzeuge im Umgang mit dem Konflikt. Um den im Zusammenhang mit Wölfen kursierenden Falschinformationen, Mythen und Konspirationstheorien entgegen zu wirken, ist die Vermittlung von Wissen und Informationen elementar. Kommunikation und Vermittlung sind auch wichtiger Bestandteil einer transparenten Verwaltung und Überwachung sowie die Wissensvermittlung für Einwohner und Touristen über Verhaltensregeln beim Aufenthalt in Wolfsgebieten.

Der große Zulauf zu den örtlichen Informationsveranstaltungen mit zumeist Hunderten von Teilnehmern zeigt, dass der Bedarf an Informationen über Wölfe und das Wolfsmanagement in Dänemark, auch über die Wolfs- und Wolfserwartungsgebiete hinaus, groß ist. Oft werden dort die gleichen Fragen gestellt, obwohl diese Informationen auf den Internetseiten der Behörden, in behördlichen Stellungnahmen, in Berichten und in wissenschaftlichen Artikeln frei zugänglich sind. Dies zeigt, dass das bestehende Wissen die Bürger auf diesem Wege nicht genügend erreicht und die direkte Kommunikation mit Behörden und Wissenschaftlern notwendig ist.

Das experimentelle Projekt der Universität Aarhus, "Projekt Ulvedialog"
[Projekt Wolfsdialog], in Westjütland hat gezeigt, dass die Nachfrage zum Thema Wolfsverhalten und -biologie, Wolfsmonitoring, Wolfsmanagement und die existierende Forschung zu Wölfen groß ist. Ebenso hat das Projekt verdeutlicht, dass die direkte Kommunikation das Vertrauen sowohl in die Information an sich als auch in die Informierenden als Personen fördert. Zudem zeigten viele Teilnehmer Interesse daran, mit Zeit und Ressourcen zu konkrete Forschungsprojekte beizutragen (Maarbjerg et al. 2018; Frøjk et al. 2020).

H. P. Hansen, C. Munch Schrøder, P. Sunde, K. Olsen, 18.01.2021: Tiltag mod ulovlig efterstræbelse af ulv, Fagligt notat fra DCE – Nationalt Center for Miljø og Energi, Seite 11-12 https://dce.au.dk/fileadmin/dce.au.dk/U ... 021_05.pdf
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Nina
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Beitrag von Nina »

3. Stärkung von Mündigkeit und Verantwortung
Kommunikation und Vermittlung ohne Möglichkeit für die Bürger, selbst Gehör zu finden, kann zum gegenteiligen Effekt der eigentlichen Absicht führen und die Polarisierung verschärfen (von Essen 2017; von Essen et al. 2014; 2009; Skogen, Mauz & Krange,2009; Arts et al., 2012). Da für die illegale Verfolgung von Wölfen oftmals die tatsächliche oder gefühlte Rückendeckung der Lokalbevölkerung entscheidend ist, bedarf es zur Vorbeugung illegaler Nachstellungen eines systematischen Dialogs mit den und die Einbeziehung der Bürger in den Wolfsgebieten. Zwar kann diese Maßnahme für sich selbst keine illegalen Abschüsse von Wölfen durch Einzeltäter verhindern, jedoch schwächt sie eines der zentralen Argumente für das Begehen von Selbstjustiz.

Die Einbeziehung der Bürger soll nicht als Umkehrung eines "Top-Down"-Regierens zu einem "Bottom-Up"-Modell verstanden werden, jedoch gilt es, die Herausforderungen zu würdigen, die im Zusammenleben mit Wölfen im nahen Umfeld auftreten, und die Bürger zu beteiligen, um ihnen die Möglichkeit zur Übernahme von Verantwortung zu geben.
Auf diesem Wege ließe sich der lokale Dialog allgemeiner gestalten, d. h. mit der Durchführung der Wolfsverwaltung als eine gemeinsam zu bewältigende Aufgabenstellung könnte das Monopol der strategischen Sonderinteressen aufgebrochen und die Form des Dialogs beeinflusst werden (Hansen et al. 2016; Essen & Hansen, 2015).

In dem Versuch, die Akzeptanz des Raubtiermanagements zu stärken, hat man u. a. in Finnland und Schweden die Verwaltung dezentralisiert, indem regionale beratende Einheiten, sogenannte "Wildverwaltungsdelegationen" oder "Regional Large Carnivore Comittees" (RLCCs), aufgestellt wurden, die man aus verschiedenen Interessenorganisationen rekrutiert hat (Pellikka & Sandström, 2011). Das Modell der Dezentralisierung wird jedoch dahingehend kritisiert, dass es auch nur lediglich die strategischen Perspektiven der Sonderinteressen reproduzieren würde und eine Einbeziehung der Allgemeinheit ausbliebe (Hansen et al. 2016; von Essen & Hansen, 2015; Hallgren og Westberg, 2015).

Es gibt nur wenige dokumentierte Erfahrungen mit alternativen Naturverwaltungsmodellen als Gegenentwurf zum Repräsentationsmodell, und noch weniger im speziellen Fall des Wolfsmanagements (Wellsmith, 2011). Aufgrund des hohen Ausmaßes illegaler Tötungen von Wölfen und das daraus abzuleitende Versagen der gängigen Verwaltungspraxis, haben die Behörden in Finnland den Versuch unternommen, die betroffenen Bürger in das Management einzubeziehen (Bisi, 2007). Während des Versuchs gab es einen markanten Rückgang der Zahl verschwundener Wölfe. Seitdem wird diskutiert, ob zwischen dem Versuchsmodell und dem Rückgang registrierter Wolfstötungen ein kausaler Zusammenhang besteht (Liberg et al. 2020).

In Schweden schlug die Naturschutzbehörde 2010 ein Modell alternativer Bürgerbeteiligung im Wolfsmanagement vor, welches, basierend auf im voraus definierten Bedingungen, Rechten und Ressourcen, den Bürgern vor Ort die Möglichkeit geben sollte, miteinander für eine gemeinsame Aufgabenstellung einen Lösungsprozess zu erarbeiten (Naturvårdsverket, 2010). Dieser Vorschlag wurde aufgrund des Widerstands der Interessenorganisationen nie umgesetzt, jedoch beruht das dänische Projekt Ulvedialog auf diesem Modell und ist zusammen mit dem finnischen Versuch eines der wenigen Beispiele für Alternativen zum Repräsentationsmodell. Im dänischen Projekt wurde systematisch untersucht, wie weit der Dialog im Rahmen der gemeinsamen Lösung einer Aufgabenstellung in der Wolfsverwaltung trotz unterschiedlicher Auffassungen gelangen kann, wobei einserseits eine Alternative zur Polarisierung in der öffentlichen Debatte geschaffen werden und den Teilnehmern die Mündigkeit und Verantwortung übertragen werden sollte, gemeinsam Handlungsmöglichkeiten hinsichtlich der Fragen und Sorgen einzelner Teilnehmer zu erarbeiten (Schrøder, 2018; Steinvig et al. 2019).


H. P. Hansen, C. Munch Schrøder, P. Sunde, K. Olsen, 18.01.2021: Tiltag mod ulovlig efterstræbelse af ulv, Fagligt notat fra DCE – Nationalt Center for Miljø og Energi, Seite 12 https://dce.au.dk/fileadmin/dce.au.dk/U ... 021_05.pdf
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Nina
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Beitrag von Nina »

4. Vorhersehbarkeit und Kompensation
Wie bereits unter der Überschrift Das Phänomen des illegalen Nachstellens von Wölfen erwähnt, basiert der Widerstand gegen die Wolfsverwaltung nicht zuletzt auf den Zweifeln der Bürger an der Umsetzung einer gerechten und sicheren Wolfsverwaltung durch die Behörden. So sorgen sich Bürger in Wolfgsgebieten um die Entwicklung der Wolfsbestände in ihrer Region, u. a. dass die zahlenmässige Zunahme außer Kontrolle geraten könnte und die Wölfe sich den Menschen zu dicht näherten (Maarbjerg et al. 2018; Frøjk et al. 2020). Das spiegelt vermutlich eine Furcht in Wolfsgebieten um die eigene und anderer Leute Sicherheit und den Bedarf nach Vorhersehbarkeit wider.

Der Wunsch nach Vorhersehbarkeit betrifft auch die Ressourcenkonflikte, die überall dort eine andauernde Problemstellung bedeuten, wo Wölfe im Nahfeld menschlicher Jagdgebiete, Siedlungen und Haustierbestände leben. In der öffentlichen Debatte über das dänische Wolfsmanagement lag der Hauptfokus bislang auf den Nutztierverlusten durch Wölfe, in erster Linie von Schafen. Mit dem Wolfsmanagementplan von 2014 wurde ein Kompensationssystem etabliert, welches im Fall von Wolfsangriffen finanziell und beratend zur Verfügung steht sowie ökonomische Unterstützung für die Anschaffung wolfsabweisender Zäune leistet (Miljøstyrelsen og Naturstyrelsn, 2014). Das Kompensationssystem wurde fortlaufend weiterentwickelt, deckt aber nicht alle Kosten der Halter kleinerer Nutztiere in Wolfsgebieten. In Deutschland hat man mit der Organisation WikiWolves (http://www.wikiwolves.org/) eine Verbindung betroffener Landwirte mit einem Netzwerk von Freiwilligen geschaffen, die den Tierhaltern Beratung und praktische Hilfestellung beim Zaunbau anbieten. Aufgrund der hohen Anzahl der Wolfsinteressierten wäre eine entsprechende Initiative auch in Dänemark denkbar, die betroffene Landwirten bei Bedarf und auf verschiedene Weise unterstützen könnte.

Ein Ressourcenkonflikt, der bislang weniger im Mittelpunkt stand, betrifft den Einfluss der Wölfe auf die Jagd, da sie als Konkurrenz hinsichtlich derselben Beutetiere gesehen werden und die Höhe der Einnahmen aus der Jagdpacht schmälern sollen (Højberg et al. 2016; Maarbjerg et al. 2018; Dagbladet Holstebro-Struer, 2017). Gerade die Minderung der Jagdpachteinnahmen wurden 2017 von dem Schützen als Begründung angeführt, der 2018 als bislang einziger für den illegalen Abschuss eines Wolfes in Dänemark verurteilt wurde. Auch in seinem ersten Interview nach dem Abschuss führte der Landwirt und Jäger als Begründung an, dass die Anwesenheit der Wölfe in seinem Gebiet die Jagdpachteinnahmen verringern würden.

Eine schwedische Untersuchung hat gezeigt, dass die Anwesenheit großer Beutegreifer, darunter Wölfe, einen negativen Effekt auf die Jagdpachteinnahmen im Bereich der "mittleren Preisklasse" haben können (Lozano et al. 2020). Eine Minderung der Jagdpachteinnahmen beeinflusst vermutlich, zumindest auf kurze Sicht, auch die Grund- und Immobilienpreise, da die Höhe der Jagdpachteinnahmen deren Wert beeinflussen. Für Dänemark liegen hierzu keine Untersuchungen vor, auch nicht darüber, ob und inwieweit das Vorkommen von Wölfen das übrige Wild beeinflusst.
Es muss jedoch angenommen werden, dass viele Jäger in Wolfsgebieten, wie der zuvor genannte Landwirt, den Wolf hauptsächlich als Konkurrenten hinsichtlich des Rotwilds erleben.

Es wurde auch diskutiert, ob und wenn ja, warum, eine legalisierte Jagd auf Wölfe einen reduzierenden Effekt auf illegale Tötungen haben kann (Peterson et. al., 2010). Die neuesten Studien aus Skandinavien legen nahe, dass mit der Jagdlegalisierung ein Rückgang illegaler Tötungen einhergeht (Liberg et al. 2020). Ob der Effekt etwas damit zu tun hat, dass die Jäger die legale Wolfsjagd als Kompensation für die erlebten Nachteile empfinden oder das Empfinden, zur Reduktion der Wölfe aktiv beizutragen, weiß man nicht.

Zusätzlich zu den erwähnten Ressourcenkonflikten findet in den Wolfsgebieten auch eine erhöhte ökonomische Aktivität statt. In einigen Ländern werden mit dem Wolfstourismus hohe Umsätze erzielt. Auch in Dänemark erhöht sich die Zahl der Touristen in den Wolfsgebieten. Für Teile der Lokalbevölkerung stellt der zunehmende Tourismus eine Belastung dar, da er eher unkoordiniert und mitunter ohne Rücksicht auf die Natur, Privateigentum und Lokalbevölkerung einhergeht, ohne dass diese persönlich einen Gewinn darin erkennen kann.

H. P. Hansen, C. Munch Schrøder, P. Sunde, K. Olsen, 18.01.2021: Tiltag mod ulovlig efterstræbelse af ulv, Fagligt notat fra DCE – Nationalt Center for Miljø og Energi, Seite 13-14 https://dce.au.dk/fileadmin/dce.au.dk/U ... 021_05.pdf
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Nina
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Beitrag von Nina »

Ermittlungen und Strafe
Ermittlungen

Wie in anderen Ländern der Welt wird in Skandinavien nur ein kleiner Teil illegaler Wolfstötungen aufgeklärt; wenige davon führen zu einem richterlichen Unterteilsspruch (BRÅ 2007). Für den geringen Grad an Aufklärung nennt der norwegische Kriminologe Paul Larsson (2020) sechs sich teilweise überschneidende Gründe:

1. Die Taten werden nicht angezeigt
2. Es mangelt an Zeugen
3. Beweismaterial fehlt oder ist nicht ausreichend
4. Die Taten werden weitab anderer Menschen verübt
5. Die normative Grundlage ist umstritten
6. Die Grenzen zwischen Rechtmäßigkeit und Rechtswidrigkeit sind undeutlich

Bei den Gründen 1, 2 und 5 geht es u. a. darum, dass die kriminelle Tat in Milieus verübt wird, in denen es verpönt ist, sich untereinander anzuzeigen und eine gänzlich oder teilweise moralische Sanktionierung durch Teile der Lokalbevölkerung droht etc (Larsson, 2020; von Essen et al. 2014; Gangaas et al. 2013). Punkt 3 handelt von der Schwierigkeit, die kriminelle Tat einem konkreten Täter zuzuordnen. Punkt 6 betreffend weist Paul Larsson darauf hin, dass Beschuldigte sich anlässlich ihrer Tat häufig der Begründung Notwehr bedienen. Notwehr war auch in Dänemark ein großes Thema, wenn es um den Begriff "Problemwölfe" geht, die Weidetiere angreifen oder sich menschlichen Siedlungsbereichen zu dicht nähern. Wie der Kriminologe ausführt, sei der Begriff Notwehr aber schwierig zu handhaben, da dieser an bestimmte Voraussetzungen geknüpft ist; wie vorausgehende Abwehrmaßnahmen, wiederholte Angriffe durch denselben Wolf oder die unmittelbare zeitliche Verknüpfung zum Angriff, also nicht im Voraus oder im Nachhinein.

Meist werden illegal getötete Wölfe nur durch Zufälle entdeckt (Larsson, 2020). Dabei kann es sich um Hinweise aus der Bevölkerung handeln, z. B. von Wanderern, oder wie im dänischen Fall von Naturfotografen, die zufällig Zeugen auf dem betreffenden Areal wurden.

Die relativ hohe Anzahl verschwundener Wölfe in Skandinavien weist darauf hin, dass auch organisierte Kriminalität eine Rolle spielt. Sowohl in Norwegen als auch in Schweden konnten Fälle organisierter Kriminalität ermittelt werden und führten zu Gerichtsurteilen. Vorausgegangen waren zielgerichtete Ermittlungen und u. a. telefonische Überwachung und das Abhören von Mobiltelefonen (Larsson, 2020).

Auch interne Faktoren führen zu einem niedrigen Aufklärungsgrad. Einer der in der Literatur beschriebenen Faktoren ist der relativ geringe Stellenwert, den polizeilich Bedienstete der illegale Tötung von Wölfen ebenso wie der Faunakriminalität allgemein im Vergleich zu anderen Formen der Kriminalität beimessen (Larsson, 2020; Nurse, 2014; Wellsmith, 2011). Ein anderer beschriebener Faktor dreht sich um die Loyalität der lokalen Polizei gegenüber der Lokalbevölkerung sowie die persönliche Haltung der Polizeibeamten gegenüber Wölfen und der Wolfsverwaltung, welche die Ermittlungen nachteilig beeinflussen kann (Larsson, 2020; BRÅ, 2007). Verglichen mit den Erfahrungen aus anderen Ländern mangelt es in Dänemark noch an Daten hinsichtlich des Umgangs der Polizei mit dem Bereich Faunakriminalität.

Für eine Aufklärung der Taten bedarf es aufgrund der verschiedenen Schwierigkeiten bei der Aufklärung von Faunakriminalität hoher Anforderungen an ermittlungstechnische Kompetenzen. Das gilt auch für das ilegale Nachstellen wildlebender Wölfe. In vielen Ländern existieren Spezialkompetenzen; in Norwegen werden diese unter der nationalen Ermittlungseinheit "Økokrim" gebündelt, welche sich mit Umweltkriminalität beschäftigt, unter die auch das illegale Töten von Wölfen fällt. In Italien beispielsweise befasst sich ein gerichtstechnisches Laboratorium mit Faunakriminalität. In Dänemark sind drei Spezialeinheiten mit Ermittlungen im Bereich von Tierschutzverstößen über das Land verteilt, jedoch gibt es keine Spezialeinheit zur Bekämpfung von Faunakriminalität. In besonderen Fällen können die Tierschutzeinheiten auch in Fällen von Faunakriminalität zum Einsatz kommen, normalerweise werden diese Fälle jedoch von den jeweiligen Polizeibehörden in ihren sogenannten Særlovscentern bearbeitet.

Generell scheint es in Dänmark teils an einer systematischen Spezialisierung zur Ermittlung von Faunakriminalität zu fehlen, teils an einer ressortübergreifenden Zusammenarbeit, z. B. bei der Entgegennahme von Hinweisen aus der Bevölkerung an die Polizeidienststellen oder andere Behörden.

H. P. Hansen, C. Munch Schrøder, P. Sunde, K. Olsen, 18.01.2021: Tiltag mod ulovlig efterstræbelse af ulv, Fagligt notat fra DCE – Nationalt Center for Miljø og Energi, Seite 15-16 https://dce.au.dk/fileadmin/dce.au.dk/U ... 021_05.pdf
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Beitrag von Nina »

Strafe

Das Strafmaß für das illegale Töten von Wölfen variiert von Land zu Land zum Teil erheblich, beinhaltet oftmals jedoch Bußgelder und Gefängnisstrafen (Justitsministeriet, 2019). Faunakrimonalität fällt in Dänemark für gewöhnlich unter das Jagd- und Wildverwaltungs- sowie unter das Naturschutzgesetz.
In beiden Gesetzesbereichen ist eine Höchststrafe von maximal zwei Jahren Gefängnis angebeben. Der zuvor erwähnte Jäger und Landwirt, der dabei gefilmt wurde, als er einen Wolf erschoss, wurde zu 40 Tagen Gefängnis auf Bewährung verurteilt.

Inwieweit höhere Strafmaße, darunter das Ausnutzen der bereits existierenden Strafrahmen, einen vorbeugenden Effekt haben können, wird diskutiert. Dabei gehen manche davon aus, dass eine Erhöhung des Strafmaßes keinen Effekt hätte, sondern dass es vor allem besserer Kontrolle, verstärkter Ermittlungen sowie optimierter Rechtsverfolgung bedarf (Nurse, 2011). In einer Reihe von Ländern ist man dagegen mittlerweile den Weg gegangen, das Strafmaß zu erhöhen, wie etwa in Finnland im Jahr 2010. Von einem Bußgeld von einigen Hundert Euro werden jetzt, je nachdem ob es sich bei dem illegal getöteten Tier um einen Welpen oder einen adulten Wolf handelt, bis zu 9.100 Euro fällig. Der Strafrahmen für eine Gefängnisstrafe ist auf vier Jahre ausgweitet worden. In Norwegen wurde dieser 2016 erhöht und beträgt aktuell sogar bis zu sechs Jahre Gefängnis.

Gerade hinsichtlich der illegalen Tötung von Wölfen kommt dem präventiven Effekt ein bestimmtes Element der Strafgestaltung besondere Bedeutung zu.
Der bislang einzige in Dänemark dokumentierte illegal geschossene Wolf wurde durch die Jagdwaffe eines Landwirts erlegt, der gleichzeitig aktiver Jäger war. In Dänemark ist es nur einer kleine Gruppe von Menschen vorbehalten, tödliche Schusswaffen besitzen und aufzubewahren. Da Jäger zu dieser Gruppe gehören, ist anzunehmen, dass ein Teil der Täter, die illegal Wölfe erschiessen, auch aus diesem Kreis stammt. Sowohl in Jäger- als auch in Nichtjägerkreisen stieß auf Kritik, dass dem verurteilten Wolfsschützen in erster Instanz nicht der Jagdschein entzogen und in zweiter Instanz der Entzug auf kurze Zeit begrenzt wurde. Die fehlende Konsequenz aus diesem Urteil war u. a. ursächlich dafür, dass 2020 mehrere Organisationen verstärkte Aktivitäten zur Bekämpfung von Faunakriminalität forderten (Christensen et al 2020). Erfahrungen u. a. aus Norwegen zeigen, dass insbesondere der Entzug der Jagderlaubnis, und damit ein Verbot der Ausübung der Jagd, gefürchteter sind als Bußgelder und Gefängnisstrafen (Larsson, 2020).

H. P. Hansen, C. Munch Schrøder, P. Sunde, K. Olsen, 18.01.2021: Tiltag mod ulovlig efterstræbelse af ulv, Fagligt notat fra DCE – Nationalt Center for Miljø og Energi, Seite 16-17 https://dce.au.dk/fileadmin/dce.au.dk/U ... 021_05.pdf
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Zusammenfassung
Das illegale Nachstellen von Wölfen ist ein verbreitetes und komplexes Phänomen in vielen Ländern, in denen Wölfe leben. Das Wissen über die Effektivität verschiedener Maßnahmen ist gering, weshalb eine eindeutige evidenzbasierte Antwort auf die Frage erschwert ist, welche Intervention den besten Schutz gegen gesetzeswidrige Tötungen bietet. Die hier vorgeschlagenen Maßnahmen basieren daher hauptsächlich auf dem Wissen über die Hintergründe und Zugkräfte der illegalen Verfolgungen. Gerade weil die Ursachen komplex und schwer voneinander abzugrenzen sind, ist davon auszugehen, dass die Effektivität von Maßnhamen von ihrer zeitlichen und räumlichen Kombination sowie der eingesetzten Ressourcen zu ihrer Durchführung bestimmt wird.

Und obwohl die hier vorgeschlagenen Maßnahmen keinesfalls erschöpfend sind, und eine direkte Gegenüberstellung der einzelnen oder kombinierten Maßnahmen hinsichtlich ihrer Effekte nicht darstellbar ist, erfordern die für diese Kriminalitätsform charakteristischen sozialen, politischen und ermittlungstechnischen Faktoren eine Kombination verschiedener Interventionen. Diese sollten aus Sanktionen und Anreizen bestehen. Die Kontrollen und damit das Risiko der Aufdeckung müssen verstärkt und die Konsequenzen infolge einer Verurteilung verschärft werden. Auch wenn Kontrolle und Stramaß für sich selbst gesehen vermutlich nur einen begrenzten Effekt haben, geht von beiden das wichtige gesellschaftliche Signal sowohl an mögliche Täter als auch an die betroffene Lokalbevölkerung aus, dass diese Formen von Gesetzesbrüchen inakzeptabel sind.

Der Hauptfokus sollte sich auf Maßnahmen richten, die die Einstellung der Bevölkerung zu illegalen Tötungen verändern. Damit das gelingen kann, müssen die staatliche Politik und Verwaltung als bessere Alternative zur Selbstjustiz begriffen werden. Die reellen Handlungsmöglichkeiten für Bürger in Wolfsgebieten müssen verbessert werden, um einen greifbaren Anreiz zu bieten, eine Mitverantwortung für die Entwicklung von Lösungen zu konkreten Problemstellungen zu übernehmen und durch eine breitere gesellschaftliche Aufstellung die soziale Kontrolle zu verstärken.

Alle vorgeschlagenen Maßnahmen bedürfen einer gründlichen inhaltlichen, juristischen und polizeilichen Bewertung und Bearbeitung. Ihre Kombination sollte auf einer formulierten und langfristigen Strategie basieren, eventuell eingefasst in einen Wolfsmanagementplan. Der Vorteil der formulierten Strategie liegt in der Überprüfbarkeit von Zielsetzungen, Maßnahmen und deren Auswirkungen, die nach Bedarf justierbar sind. Aufgrund der fehlenden Evidenz sind die Maßnahmen zunächst als Versuche zu etablieren.

Die Mehrzahl der vorgeschlagenen Maßnahmen erfordert den Einsatz ökonomischer Ressourcen. Für die Bemessung ihrer Verhältnismäßigkeit empfiehlt sich der Vergleich der heutigen verwaltungstechnischen und politischen mit zukünftigen Kosten, die entstehen, wenn nicht gehandelt wird.

H. P. Hansen, C. Munch Schrøder, P. Sunde, K. Olsen, 18.01.2021: Tiltag mod ulovlig efterstræbelse af ulv, Fagligt notat fra DCE – Nationalt Center for Miljø og Energi, Seite 18 https://dce.au.dk/fileadmin/dce.au.dk/U ... 021_05.pdf
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