Biber als Wolfsnahrung

Themen, die den Wolf im Allgemeinen betreffen.
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Lutra
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Biber als Wolfsnahrung

Beitrag von Lutra »

Da es in einem anderen Tread so klang, als ob eine Diskussion über dieses Thema unerwünscht sei, möchte ich das gleich mal eröffnen.
Ja, Wölfe fressen Biber, scheinbar sogar gern. Zeitweise wurden in den Wolfslosungen in der Königsbrücker Heide 8% Biber gefunden.
Ist das nun gut, schlecht, nützlich, schädlich oder was?
Ich meine, nichts von allen. Das ist Natur.
Erklärbär
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Re: Biber als Wolfsnahrung

Beitrag von Erklärbär »

Wohin es führen kann, wenn der Mensch nicht regulierend eingreift, lässt sich am Kormoran vorbildlich studieren. Er ist maßgeblich am Aussterben von bestimmten Fischarten beteiligt. Doch das ist ja ein anderes Thema.

Der Wolf schert sich nicht um Ökologie oder Artenschutz. Er frisst, was er bekommen kann. Er denkt ja nicht "oh ein Biber? Also der ist zu wichtig für die Renaturierung von Gewässersystemen und Flusslandschaften, den lass ich mal lieber am Leben".

Leider gibt es nicht viel Literatur darüber. Doch was man dazu findet, zeigt durchaus eine gewisse Problematik.

Z.B. in Lettland von 1999. 30 % Biberanteil im Sommer. Das ist extrem.
link.springer.com Biber: eine neue Beute der Wölfe in Lettland? Žanete Andersone Biberschutz, -management und -nutzung in Europa und Nordamerika, 103-108, 1999

Die Zahl der Wölfe in Lettland stieg von 230 im Jahr 1985 auf 997 im Jahr 1997. Gleichzeitig ging die Population der wilden Huftiere deutlich zurück. Das Ziel dieser Studie war es, die Nahrungsgewohnheiten der Wölfe in verschiedenen Jahreszeiten zu untersuchen und den Anteil der wilden Huftiere in der Nahrung zu bestimmen. Sie ist von besonderem Interesse, da eine solche Studie in Lettland noch nie durchgeführt wurde. Einundvierzig Scats und 13 Mägen von gejagten Wölfen wurden im Winter und Sommer 1997 gesammelt. Die Kotanalyse erfolgte nach Standardverfahren. Die mikroskopische Analyse der Haare wurde zur Identifizierung von Säugetierarten verwendet. Hirschartige (Elch, Rotwild, Rehwild) wurden nicht gesondert spezifiziert. Das Vorkommen bestimmter Nahrungsmittel (F%) und die Biomasse der verzehrten Beute (B%) wurden berechnet. Im Winter bestand die Nahrung des Wolfes hauptsächlich aus Hirschartigen (ca. 60%), Wildschweinen und Tieren, die als Aas verzehrt wurden. Im Sommer war der Anteil an Hirschartigen in der Fütterung niedriger (48,5 F% und 31,4 B%) als im Winter, was auf einen variableren Nahrungsanteil zurückzuführen ist. Basierend auf der Biomasse war Biber das wichtigste Futter im Sommer (30,3 F% und 36,1 B%), gefolgt von Hirschartigen und Wildschweinen (18,2 F% und 30,1 B%). Andere Nahrungsmittel (Kleinsäuger, Vögel, Beeren etc.) waren von geringer Bedeutung. So sind die wilden Huftiere in beiden Jahreszeiten die Grundnahrung für die lettische Wolfspopulation. Der plötzliche Anstieg der Biber in der Sommernahrung legt jedoch nahe, dass die Wölfe während der Depression der Huftierpopulationen auf eine verfügbarere Beute umgestellt haben.
Will you walk out of the air, my lord?
Lutra
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Re: Biber als Wolfsnahrung

Beitrag von Lutra »

Na ja, Du fährst eben auf recht schmaler Spur...
zaino
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Re: Biber als Wolfsnahrung

Beitrag von zaino »

Lutra, viele Bauern hier toben auch zwegs der Biber, die ja auch geschützt sind. Nur, den natürlichen Regulator fröhlicher Biberkolonien will auch keiner haben... die Quadratur des Kreises mal wieder.

Wir haben halt nicht genug unregulierte Gewässer, wo sich die Nageviecher wohl fühlen. Die setzen ganze Landstriche oder Wiesengründe unter Wasser. LOL. Oder unterminieren den Acker. Die Landwirte pflügen ja echt gern millimetergenau ihr Grundstück um, man darf ja niemals nie nix verschenken. Nah am Ufer plumpst dann schon mal das schwere Gerät eine Etage tiefer, weil der Biberbau unter dem Gewicht einbricht. Ist natürlich nicht lustig. Eine natürliche Biberkontrolle wäre perfekt - aber wie gesagt, weder Raubvogel noch Wolf werden geschätzt.
Man vergiftet lieber die Mäuse, und schießt sogar den mühsam wieder eingebürgerten Uhu tot, auf den Biber haut man schon mal mit der Keule... alles besser als der Natur ihren Lauf zu lassen, wo kämen wir denn da hin, richtig?
Lutra
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Re: Biber als Wolfsnahrung

Beitrag von Lutra »

Unsere Biber hier vor Ort sind über die Königsbrücker Heide zu uns gekommen. Seit die Wölfe dort heimisch sind ist der Biberdruck auf für sie eigentlich suboptimale Lebensräume deutlich weniger geworden. Der Wolf erzieht sie quasi.

Was die vermehrte Erbeutung von Bibern im Sommer betrifft, da muss ich mich eigentlich wundern, dass das jemand wundert. Das ergibt sich doch einfach aus der Ernährungsweise der Biber.
Wolfs-Theoretiker
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Re: Biber als Wolfsnahrung

Beitrag von Wolfs-Theoretiker »

Hallo zusammen,
auch in unserem Nachbarland Polen ist der Biber als Nahrung bei den Wölfen beliebt.

https://www.freundeskreiswoelfe.de/bibe ... pennahrung

Ich denke mal, in bestimmten Gegenden, wo der Biber sich weiter weg vom Wasser bewegt um junge Bäume zu fällen,
da kann ihn der Wolf schnell mal den Rückweg zum Wasser versperren. Und schon war es mal eine Biber,
denn nun ist es ein gut zu transportierendes Futterpacket, welches man den heranwachsenden Welpen zum Zerreißen vor
die Füsse fallen lassen kannn. Das Packet braucht nicht erst runter und wieder hoch gewürgt werden,
also viel praktischer als ein Schalenwildtier, welches sich nur schwer transportieren läßt,
wenn dann nur bis ins nächstgelegene, deckunggebende Gebüsch und dann zerreissen und im Magen transportieren,
wobei auch nur eine begrenzte Menge möglich ist. Da ist es schon besser einen Teil vom Biber zu fressen,
damit der Hunger gestillt ist und den Biberrest für die Kleinen mitzunehmen,
die sind dann beschäftigt und der Wolf/Wölfin können in Ruhe ein Verdaungsschläfchen halten.
Danach wenn möglich wieder Biber oder auch mal etwas Schalenwild, aber eigentlich solange wie die Kids nervig sind
am besten Biber. :lol:

Grüsse, WT
"Die Natur betrügt uns nie. Wir sind es immer, die wir uns selbst betrügen." Jean-Jacques Rousseau
Lutra
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Re: Biber als Wolfsnahrung

Beitrag von Lutra »

Ein ausgewachsener Biber bringt auch viel mehr auf die Waage als ein Reh. Die unaufmerksamen und unvorsichtigen Biber werden eben ausgelesen. Das ist ein Thema für die Experten der Vererbungslehre. ;-)
Wolfs-Theoretiker
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Re: Biber als Wolfsnahrung

Beitrag von Wolfs-Theoretiker »

Hallo Lutra,

ja, so ein ausgewachsener Biber bringt sicher mehr Biomasse, als ein Reh.
Das Reh, obwohl leichter, läßt sich für den Wolf auch schlechter im Vorwärtsgang durchs Unterholz transportieren.
(der Wolf sollte dem Reh die abstehenden Beine abtrennen, dann ginge es besser, weil nur noch der Kopf runterhängt)
Nein der Biber ist kompakter und für den Wolf besser zu transportieren, weil nur der Schwanz runterhängt.
A pro po Schwanz, da fällt mir was zu ein.

Ja, so ist es. Der Biber steht/stand nicht nur auf die Speisekarte der Wölfe, sondern auch auf die von hohen Herrschaften.

Zu früheren katholischen Fastenzeiten,
haben sich Aristokraten, Kirchenfürste und Mönche auch den Bauch mit Biber und anderen Warmblütlern vollgeschlagen,
ohne die Regeln zu umgehen, denn der Biber wurde wegen seinem schuppenartigem Schwanz zum Fisch erklärt. ;-)

https://www.katholisch.de/artikel/12474 ... fastenzeit

https://www.n-tv.de/archiv/Als-die-Bibe ... 71969.html

Viel Spaß beim lesen.

Grüsse, WT
"Die Natur betrügt uns nie. Wir sind es immer, die wir uns selbst betrügen." Jean-Jacques Rousseau
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Dr_R.Goatcabin
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Re: Biber als Wolfsnahrung

Beitrag von Dr_R.Goatcabin »

Gerade per Zufall gestöbert -

Gable et al. (2016): Where and How Wolves (Canis lupus) Kill Beavers (Castor canadensis). DOI: 10.1371/journal.pone.0165537. Volltext

Abstract
Biber (Castor canadensis) können aufgrund ihres Überflusses und ihrer Verwundbarkeit an Land eine bedeutende Beute für Wölfe (Canis lupus) in borealen Ökosystemen sein. Wie Wölfe in diesen Systemen Biber jagen, ist jedoch weitgehend unbekannt, da die Beobachtung von Raubtieren eine Herausforderung darstellt. Wir folgerten, wie Wölfe Biber jagen, indem wir Tötungsstellen anhand von Ortsgruppen von Wölfen mit GPS-Halsband im Voyageurs National Park, Minnesota, identifizierten. Wir haben 22 Orte identifiziert, an denen Wölfe aus 4 verschiedenen Rudeln Biber töteten. Wir haben diese Tötungsstellen in 8 Kategorien eingeteilt, basierend auf dem Biber-Lebensraumtyp, in dessen Nähe jede Tötung stattfand. Saisonale Unterschiede bestanden bei den Arten von Tötungsstellen, da 7 von 12 (58%) Tötungen im Frühjahr an Stellen unterhalb von Dämmen und an Küsten und 8 von 10 (80%) Tötungen im Herbst in der Nähe von Futterwegen [feeding trails] und Kanälen auftraten. Aus diesen Tötungsstellen haben wir abgeleitet, dass die typische Jagdstrategie drei Komponenten umfasst: 1) Warten in der Nähe von Gebieten mit hohem Biberaufkommen (z. B. Futterwegen), bis sich ein Biber der Küste oder an Land nähert, 2) Verwenden von Vegetation, Damm oder anderem Lebensraum Funktionen zum Verbergen und 3) sofortiges Angreifen des Bibers oder Überfallen des Bibers durch Abschneiden des Zugangs zu Wasser. Indem wir Tötungsstellen identifizieren und auf das Jagdverhalten schließen, haben wir die umfassendste Beschreibung geliefert, wie und wo Wölfe Biber jagen und töten.

Gable et al. (2018): Kill rates and predation rates of wolves on beavers: Kill and Predation Rates of Wolves on Beavers. DOI: 10.1002/jwmg.21387.

Abstract
Wölfe (Canis lupus) können primäre Räuber von Bibern (Castor canadensis) sein, über die Wolf-Biber-Dynamik ist jedoch wenig bekannt. Wir haben vom 1. April bis 5. November 2015 Tötungen von 1 Wolf (V009) des Ash River Pack im Voyageurs National Park identifiziert, um direkte Schätzungen der Tötung von Wolfsrudeln und der Raubrate von Bibern zu erhalten. Wir haben 12 Biber-Kills von V009 während der eisfreien Saison 2015 dokumentiert und geschätzt, dass V009 in diesem Zeitraum 22 Biber getötet hat. Basierend auf der Anzahl der von V009 getöteten Biber haben wir geschätzt, dass das Ash River Pack 80–88 Biber entfernt hat (Tötungsrate von 0,085–0,095 Bibern / Wolf / Tag), was 38–42% der Biberpopulation in ihrem Heimatgebiet während des Jahres entspricht die eisfreie Jahreszeit. Trotz dieses erheblichen Ausmaßes an Raubtieren im Jahr 2015 stieg die Biberpopulation im Heimatgebiet des Ash River Pack im Jahr 2016 um schätzungsweise 43%, was darauf hindeutete, dass die Ausbreitung aus dichter besiedelten angrenzenden Gebieten die Auswirkungen der Raubtiere von Wölfen wahrscheinlich kompensierte. Wir haben die erste direkte Schätzung der Wolfstötungs- und Raubraten bei Bibern vorgelegt, aber es sind weitere Untersuchungen erforderlich, um zu verstehen, wie sich die Wolfsprädation unter verschiedenen Bedingungen auf die Biberpopulationen auswirkt.

Gable et al. (2018): The forgotten prey of an iconic predator: a review of interactions between grey wolves Canis lupus and beavers Castor spp. DOI: 10.1111/mam.12118.

Abstract
1. Raubtier-Beute-Beziehungen können weitreichende ökologische und landschaftliche Auswirkungen haben. Die Kenntnis dieser Beziehungen ist daher entscheidend, um zu verstehen, wie diese Systeme funktionieren und wie sich Veränderungen in Raubtier-Beute-Gemeinschaften auf diese Systeme auswirken. Grauwölfe Canis lupus können ein bedeutendes Raubtier der Biber Castor spp. sein, und umgekehrt können Biber eine wichtige Beute für Wölfe sein, aber die Dynamik der Wolfsbiber in Nordamerika, Europa und Asien ist kaum bekannt.
2. Unser Ziel war es, aktuelles Wissen über Wolfsbiber-Interaktionen zu synthetisieren und Wissenslücken zu identifizieren, die untersucht werden sollten, um unser Verständnis der Wolf-Biber-Dynamik zu verbessern.
3. Während der eisfreien Jahreszeit sind Biber anfällig für Raubtiere und können die primäre oder sekundäre Beute von Wölfen sein. Die Faktoren, die den Biberkonsum von Wölfen beeinflussen, sind jedoch komplex und hängen wahrscheinlich von biologischen und Umweltfaktoren ab.
4. Eine hohe Biberhäufigkeit kann das Überleben der Wolfswelpen erhöhen, und Biber können Wölfe in Zeiten geringerer Huftierhäufigkeit ernähren. Daher haben viele Forscher vorgeschlagen, dass die Biberdichte die Huftierpopulationen durch offensichtliche Konkurrenz nachteilig beeinflusst, obwohl dies weitgehend ungetestet bleibt.
5. Die Auswirkungen der Wolfsjagd auf die Dynamik der Biberpopulation sind kaum bekannt, da die meisten Bewertungen keine quantitative Genauigkeit aufweisen und stattdessen auf indirekten Methoden (z. B. Kot-Analyse), anekdotischen Beweisen oder Spekulationen beruhen. Um die Auswirkung der Raubtiere auf die Biberpopulationen vollständig zu verstehen, sind bessere Schätzungen (z. B. aus dokumentierten Rissereignissen) der Wolfsjagd auf Biber erforderlich.
6. Angesichts der Komplexität von Wolf-Huftier-Biber-Systemen wird das vollständige Verständnis der Wolf-Biber-Dynamik eine Herausforderung darstellen und wahrscheinlich eine langfristige, intensive Erforschung der Parameter der Wolfs-, Huftier- und Biberpopulation erfordern. Das Verständnis dieser Dynamik hat Auswirkungen nicht nur auf die Erhaltung und Bewirtschaftung von Wölfen und Bibern, sondern auch auf Huftierpopulationen, die von den numerischen und funktionellen Reaktionen der Wölfe in denselben Systemen betroffen sind.
"Though this be madness, yet there is method in 't ..."
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