Bitte nur, wenn es rein und natürlich ist! - Weder Fakten noch Meinungen bestimmen mehr den Streit um die Impfpflicht. Impfen oder nicht impfen ist zur moralischen Pflicht mutiert. Wer stellt sich so noch infrage?
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Auch hier wird vieles über seltsame Moralvorstellungen gesteuert, die einen nüchternen Blick auf die Realität verstellen. Umso mehr, wenn diesen Menschen wissenschaftlicher Hintergrund fehlt, mindestens aber die Fähigkeit, eine Sache objektiv zu bewerten.
Unter Impfgegnern oder -skeptikern ist es die vermeintliche Reinheit oder Natürlichkeit des Körpers, die zum moralischen Prinzip wird. Gut ist diesem Reflex nach, was besonders natürlich ist. Das zeigt auch die Forschung der Soziologin Jennifer Reich, die Eltern befragt hat, die ihre Kinder nicht oder nicht vollständig haben impfen lassen. ZEIT ONLINE erklärte sie in einem Interview: "Das Baby ist für die meisten der Inbegriff eines perfekten und natürlichen Körpers. Und die Eltern haben Sorge, dass ein Eingriff wie eine Impfung diesen natürlichen Zustand verdirbt." Viele Eltern glaubten, die natürliche Immunität, also eine Krankheit durchzumachen, sei besser als die Immunität, die Impfungen versprechen. Eine Annahme, die nicht nur falsch, sondern auch gefährlich ist. Denn anders als an Impfungen können Kinder an Masern, Diphtherie oder Tetanus sterben.
Viele, die Impfungen ablehnen, argumentieren also moralisch, auch wenn ihnen das nicht bewusst sein mag.
Die Empfehlung, im Gespräch zu den Wurzeln der Ablehnung mit den Gegnern und Skeptikern vorzugehen, empfinde ich meiner Meinung nach aber auch nicht allzu zweckdienlich, denn je verbohrter und bildungsferner jemand ist, desto eher zieht sich der Betreffende in sein Bollwerk aus Ignoranz zurück und wiederholt gleich einem trotzigen Kind just seine Ausflüchte, warum er keine Impfung will. Kann man in einem beliebigen Forum zur Sache nachschlagen. Ein Kommentar trifft den Nagel.Moralische Intuitionen sind keine guten Prinzipien
Eine elegante Möglichkeit, mit Impfskeptikern umzugehen, könnte aber auch sein, sie mit dem Ursprung ihrer moralischen Eingebungen zu konfrontieren. Denn die intuitiven Reinheitsurteile eignen sich – anders als Jonathan Haidt manchmal zu suggerieren scheint – nicht besonders gut als moralische Prinzipien. Der Grund: Sie sind oft emotional und selten mit Vernunft begründbar. Häufig fällen Menschen in Fragen der Alltagsmoral binnen Sekunden ein Urteil. Sie folgen dabei ihrem Bauchgefühl. Werden sie dann nach einer rationalen Begründung dafür gefragt, basteln sie sich diese nachträglich zurecht, und zwar so, dass sie wiederum ihr Bauchgefühl bestätigt.
Haidts Experimente zeigen das eindrücklich. So konfrontierte er Versuchspersonen mit kurzen Fallgeschichten, fragte sie dann nach ihrem moralischen Urteil und in einem dritten Schritt nach der Begründung für das Urteil (Journal of Social and Personal Psychology: Haidt et al., 1993). Zwei Beispiele:
Ein Mann geht einmal die Woche in den Supermarkt und kauft ein totes Huhn. Aber bevor er es kocht, hat er Geschlechtsverkehr mit dem Huhn. Dann kocht und isst er es.
Ein Familienhund wurde vor dem Haus der Familie von einem Auto getötet. Die Familie hatte gehört, dass Hundefleisch lecker ist, also schneiden sie den Hundekörper auf, kochen ihn und essen ihn zum Abendbrot. Niemand hat sie dabei beobachtet.
Werden Menschen nun gefragt, ob sie das Handeln des Mannes und der Familie nicht nur für widerlich, sondern auch für unmoralisch halten, antwortet ein ordentlicher Anteil mit Ja (in Ländern wie Brasilien und den Philippinen sind es übrigens weit mehr als in den USA). Wenn sie begründen sollen, warum, welchem moralischen Prinzip ihr Urteil also folgt, tun sie sich jedoch sehr schwer. Tatsächlich haben die meisten – obwohl sie ein starkes moralisches Bauchgefühl haben – keine guten Argumente, um ihr moralisches Urteil zu begründen (Psychological Review: Haidt, 2001).
Meine Theorie ist, dass Menschen die sich vor Spritzen ekeln oder fürchten oder aber nicht ertragen können, dass ihr Kind bei einer Impfung schreit, aktiv nach Gründen suchen sich nicht impfen lassen zu müssen. Da werden dann Fakten fingiert und es wird Leuten geglaubt die einem alternativ Sonnenenergie aus der Flasche andrehen wollen, um vor Krankheiten zu schützen. Personen die sich für Impfungen aussprechen sind dann Lakeien der Pharmaindustrie oder Schlafschafe, es ist eine extreme Form kognitiver Dissonanz gegen die man argumentativ nicht ankommen kann, da kein Diskurs gesucht wird, sondern nur ein Grund sich nicht impfen lassen zu müssen.
(@Freiheitsstatue von Underfrangen)