Kormorane

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Lutra
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Re: Kormorane

Beitrag von Lutra »

Das ist beim Kormoran wie beim Wolf, eins fast ausgerottet in unseren Breiten, jetzt wieder zurück. Nun kommen aber die Unterschiede. Der Wolf findet Schalenwild in einer Menge und Dichte vor wie nie vorher.
Der Kormoran trifft größtenteils auf ausgebaute, kanalisierte, verschmutzte Flüsse, vom Menschen in Besitz genommene Seen usw., aber auch auf voll besetzte Fischteiche, die sich nicht durch Zaun oder Herdenschutzhunde vor ihm schützen lassen. Dann findet er auch noch ein paar wenige Flußabschnitte, die einigermaßen naturnah geblieben sind und ihm Nahrung bieten. Dort kann er sein Schicksal mit dem Fuchs teilen, der in der intensiv genutzten Landschaft auch ab und zu noch einigermaßen naturnah gebliebene Grünlandflächen findet mit abwechslungsreicher Nahrung für ihn, Mäuse, Wiesenbrüter und ihre Eier. Beide, Kormoran wie Fuchs, wissen nicht, dass sie sich damit beim Menschen sehr unbeliebt machen, der in seiner unendlichen Güte und Fürsorge den armen Äschen und Kiebitzen so hilfreich unter die Arme (Flossen,Flügel) greifen möchten. Feuer frei!
zaino
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Re: Kormorane

Beitrag von zaino »

So ist es, Lutra. Und die durchaus komplexen, vernetzten Probleme lassen sich durchaus nicht flächendeckend aus der Welt schaffen, wenn man "einfach mal kurz" per Dekret die nächste Spezies wieder plattmacht.
... aber wie mir mal ein wutschäumender, nicht diskussionsbereiter Landwirt entgegenschleuderte: "Die Natur hat sich dem MENSCHEN anzupassen".

Immer wenn ich an die Ansage denke, möchte ich am liebsten das große weiße Telefon bemühen... :(
Erklärbär
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Re: Kormorane

Beitrag von Erklärbär »

Lutra hat geschrieben: 9. Nov 2019, 12:45 Das ist beim Kormoran wie beim Wolf, eins fast ausgerottet in unseren Breiten, jetzt wieder zurück. Nun kommen aber die Unterschiede. Der Wolf findet Schalenwild in einer Menge und Dichte vor wie nie vorher.
Der Kormoran trifft größtenteils auf ausgebaute, kanalisierte, verschmutzte Flüsse, vom Menschen in Besitz genommene Seen usw., aber auch auf voll besetzte Fischteiche, die sich nicht durch Zaun oder Herdenschutzhunde vor ihm schützen lassen. Dann findet er auch noch ein paar wenige Flußabschnitte, die einigermaßen naturnah geblieben sind und ihm Nahrung bieten. Dort kann er sein Schicksal mit dem Fuchs teilen, der in der intensiv genutzten Landschaft auch ab und zu noch einigermaßen naturnah gebliebene Grünlandflächen findet mit abwechslungsreicher Nahrung für ihn, Mäuse, Wiesenbrüter und ihre Eier. Beide, Kormoran wie Fuchs, wissen nicht, dass sie sich damit beim Menschen sehr unbeliebt machen, der in seiner unendlichen Güte und Fürsorge den armen Äschen und Kiebitzen so hilfreich unter die Arme (Flossen,Flügel) greifen möchten. Feuer frei!
Und was wäre Dein Vorschlag?
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Redux

Re: Kormorane

Beitrag von Redux »

Einfach die Natur machen lassen.
Lutra
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Re: Kormorane

Beitrag von Lutra »

Redux hat geschrieben: 10. Nov 2019, 01:11 Einfach die Natur machen lassen.
Das wäre mein Vorschlag auch. Tiere, die ohne Hilfe des Menschen nicht mehr in unserer heutigen Kulturlandschaft überleben können, passen nicht mehr in diese. Die können ja in Sibirien oder anderen ziemlich menschenleeren Gebieten leben.
Gut, das war etwas hart und übertrieben. Aber Fakt ist es schon, dass es der Mensch schafft, durch sein Wirtschaften ehemals heimische Tier- und Pflanzenarten zu verdrängen oder gar auszurotten, unbeabsichtigt, nicht aktiv etwa durch Bejagung. Das interessiert auch bei vielen, vielen Arten kaum jemanden, außer eben bei z.B. Fischen, die er gern in der Pfanne hätte. Bei kleinen, unscheinbaren, z.B. Insekten ist das erst mal wurst.
Erklärbär
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Re: Kormorane

Beitrag von Erklärbär »

Das habe ich mir auch schon überlegt, hat aber sehr weitreichende Konsequenzen. Da muss man länger drüber nachdenken...
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Nina
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Re: Kormorane

Beitrag von Nina »

Erklärbär hat geschrieben:
Lutra hat geschrieben:Wie hat es die Äsche geschafft, Jahrtausende lang mit all den Fischräubern einschließlich Kormoran zu überleben?
Warum gelingt ihr das heute nicht mehr?
Die Frage ist sehr komplex und ich kann nur vermuten. Im wesentlichen fehlen wohl die natürlichen Feinde. Seeadler z.B.
Hat aber sicherlich auch mit anderen Faktoren zu tun wie Rückstände im Wasser, insbes. Hormone und Pestizide. Bei Hormonen reichen Spuren. Und dann kommt alles zusammen.
Und dagegen soll jetzt der Kormoran-Abschuss helfen? Finde den Fehler. Und Vermutungen, insbesondere, wenn sie so einseitig interessengefärbt sind, sind eine denkbar schlechte Grundlage für verantwortliches Handeln.
Die Fischbestände der Fliessgewässer sind durch eine Vielzahl von Faktoren beeinträchtigt. Naturferne Gewässerstrukturen, Nährstoffsituation sowie die toxische Belastung durch Mikroverunreinigungen der Gewässer stehen im Vordergrund. Auch die Gewässererwärmung spielt eine Rolle. So verendeten zum Beispiel allein im Hochrhein 50.000 Äschen im Hitzesommer 2003. Aber auch nur ein geringer Temperaturanstieg bedeutet schlechtere Bedingungen für Laich und Jungfische von z.B. Äsche und Bachforelle.
In einer Übersicht über die Äschenpopulationen in der Schweiz ist Kormoranprädation in nur wenigen Beständen ein Einflussfaktor.


Komitee gegen den Vogelmord e. V. (CABS): Kormorane und Fischbestände http://www.komitee.de/content/aktionen- ... hbestaende
Der Naturschutzbund Deutschland (NABU), der Landesbund für Vogelschutz (LVB) und der Deutsche Rat für Vogelschutz (DRV) [...] stellen fest, dass in wissenschaftlichen Untersuchungen, namentlich in Bayern, Schleswig-Holstein, Brandenburg und in der Schweiz, nachgewiesen wurde, dass in natürlichen Gewässern (große Binnenseen, Flüsse, Küstengewässer), wo sich die weitaus meisten Kormorane aufhalten und Nahrung suchen, keine nennenswerten, geschweige denn erhebliche Schäden auftreten. Abgesehen von punktuellen Ausnahmesituationen an kleinen Fließgewässern gibt es auch keine wissenschaftlich belegten Nachweise darüber, wie und in welchem Umfang Kormorane das Vorkommen von Fischarten oder gar seltenen Fischarten beeinflussen. Im Gegensatz dazu wurde bei vielen der zitierten Untersuchungen ein paralleles Anwachsen von Kormoran- und Weißfischbeständen festgestellt. Rückgänge von Fischbeständen und Gefährdung einzelner Fischarten waren und sind dagegen primär auf Gewässerverschmutzung und -verbauung zurückzuführen. Diese Gefährdungsursachen sind zu beseitigen;

NABU: Schutz des Kormorans - Gemeinsame Position von NABU, LBV und DRV https://www.nabu.de/tiere-und-pflanzen/ ... 01077.html
Der Naturschutzbund Deutschland (NABU), der Landesbund für Vogelschutz (LVB) und der Deutsche Rat für Vogelschutz (DRV) [....] sind besorgt über publizistische Kampagnen von Fischwirten und insbesondere Sportanglern, die den Kormoran als „Fischräuber“, „Unterwasserterrorist“ und Ähnliches verunglimpfen, sich einer sachlichen Diskussion des angeblichen „Kormoran-Problems“ verschließen, wissenschaftliche Erkenntnisse völlig ignorieren und die angeblichen Schäden nicht durch detaillierte Fangstatistiken belegen;

NABU: Schutz des Kormorans - Gemeinsame Position von NABU, LBV und DRV https://www.nabu.de/tiere-und-pflanzen/ ... 01077.html
Der Naturschutzbund Deutschland (NABU), der Landesbund für Vogelschutz (LVB) und der Deutsche Rat für Vogelschutz (DRV) [....]sind besorgt über die populistische Annäherung der Politik an diesbezügliche Forderungen, den Kormoranbestand zu dezimieren, insbesondere über bereits in Kraft gesetzten oder geplanten landesweiten Verordnungen in den Ländern Bayern, Baden-Württemberg, Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein und Brandenburg, mit denen in erheblichem Umfang Kormorane getötet werden und teilweise sogar in Brutkolonien eingegriffen werden soll;

NABU: Schutz des Kormorans - Gemeinsame Position von NABU, LBV und DRV https://www.nabu.de/tiere-und-pflanzen/ ... 01077.html
Der Naturschutzbund Deutschland (NABU), der Landesbund für Vogelschutz (LVB) und der Deutsche Rat für Vogelschutz (DRV) [....]fordern die Sportangler auf, die weitverbreitete Praxis der massenhaften künstlichen Besatzungsmaßnahmen mit Fischen, die die Tier- und Pflanzenwelt der jeweiligen Ökosysteme nachhaltig verändern, einzustellen. Es ist paradox, einerseits ein künstliches Überangebot an Nahrung zu schaffen, andererseits den Abschuss von Vögeln, die dadurch angezogen werden, zu fordern.

NABU: Schutz des Kormorans - Gemeinsame Position von NABU, LBV und DRV https://www.nabu.de/tiere-und-pflanzen/ ... 01077.html
Erstaunlich ist [...], dass die mit dem Erlass der Verordnung sprunghaft angestiegenen Abschusszahlen keinen klaren Einfluss auf die Bestände des Kormorans erkennen lassen. [...] Dem beim Erlass der Ausnahmeverordnung im Hintergrund stehenden Ziel, die Durchzugs- oder Rastbestände deutlich zu reduzieren und so den unterstellten fischereiwirtschaftlichen Schaden zu minimieren, konnte die Bejagung bisher also nicht gerecht werden. Die durch die Bejagung entstehenden Lücken werden offensichtlich sehr rasch durch Zuzug aus anderen Regionen bis zur Kapazitätsgrenze der Nahrungsgewässer wieder aufgefüllt.

Landesbund für Vogelschutz: Der Kormoran - Konflikt um den Fisch fressenden Vogel https://www.lbv.de/naturschutz/standpunkte/kormoran/
Das kennen wir doch bereits vom Wolf! Und auch der Kormoran hat positive ökologische Effekte, z. B. für die Gewässerökologie:
Wenig bekannt ist, dass Kormorane den Nährstoffgehalt von Seen positiv beeinflussen. Diese sind oftmals mit Stickstoff und Phosphor überdüngt. Dann bildet sich viel Plankton. Dieses Plankton belastet zwar das Gewässer, von ihm leben jedoch viele Kleinfische, die sich stark vermehren. Kormorane lockt dies an. Fressen sie einen Teil der Fische, werden Nährstoffe im Gewässer wieder reduziert. Das Wasser wird wieder besser, die übrigen Fische haben bessere Entwicklungschancen.

Landesbund für Vogelschutz: Der Kormoran - Konflikt um den Fisch fressenden Vogel https://www.lbv.de/naturschutz/standpunkte/kormoran/
Die Verordnungen sind vor allem durch massive Lobbyarbeit der Angler- und Fischereiverbände zustande gekommen:
Trotz des enormen Einsatzes in der Öffentlichkeit, mehrerer fachlicher Gutachten und Stellungnahmen sowie diverser Fachdiskussionen bei der Staatsregierung, politische Entscheidungen wurde eindeutig durch den öffentlichen Druck seitens der Fischereiorganisationen beeinflusst. [...] Umso wichtiger ist es für die Naturschutzverbände, weiterhin am Ball zu bleiben und künftig gemeinsam gegen fachlich unbegründete Verordnungen vorzugehen.

Landesbund für Vogelschutz: Der Kormoran - Konflikt um den Fisch fressenden Vogel https://www.lbv.de/naturschutz/standpunkte/kormoran/
Oder anders formuliert:
Wir stehen inmitten einer Entscheidungsschlacht um die Anerkennung der Ergebnisse der modernen wissenschaftlichen Ökologie. Im Mittelpunkt steht die Frage, ob es uns gelingt, unser stetiges Wissen um ökologische Zusammenhänge in der Gesellschaft zu verankern oder ob sich dort ein dumpfes Räuber-Beute-Schmalspur-Ökologieverständnis verfestigt.[...] Weder der Mensch noch alle Seeadler, Uhus und Waschbären dieser Welt werden den Kormoran in ein wie auch immer geartetes natürliches Gleichgewicht einregulieren, weil es ein solches Gleichgewicht nicht gibt. Der Kormoran wird sich nicht „übervermehren“. Er wird weder die Äsche noch einen anderen Fisch ausrotten.

Wenn wir für den Kormoran streiten, dann geht es darum, die unsinnige Tötung von Tieren zu verhindern. Die Tötung von Kormoranen ist genauso unsinnig wie der Abschuss von Rabenvögeln um Singvögel zu schützen. Wer nicht mit allen Mitteln gegen den Abschuss des Kormorans zu
Felde zieht, mit welchem Argument will der den Abschuss der Kohlmeise durch Schmetterlingsschützer verhindern?


Der Falke: Oliver Conz, Vorsitzender der Hessischen Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz: „Der Kormoran in Hessen“ http://www.lbv-landshut.de/Kormoran.pdf
Herr Conz beschreibt noch ein Phänomen, dass sich auch in der Diskussion in diesem Forum stetig wiederfindet:
Dabei lohnt sich durchaus auch ein Blick auf die Erfolge der Sportfischer. Er lehrt uns, die Verzagtheit unserer eigenen Öffentlichkeitsarbeit zu überdenken. Angler, die tonnenweise Fische lebend an einem Angelhaken aufgespießt aus dem Wasser ziehen und erschlagen, scheuen nicht
davor zurück, Verletzungen der Fische durch den Kormoran und gar die Ausrottung der Fische durch den schwarzen Vogel an die Wand zu malen. Auf der anderen Seite stehen wir, gefangen in dem Bemühen noch das allerletzte Gegenargument aufzugreifen, mit immer neuen Untersuchungen schon Bewiesenes abermals zu beweisen und die Verständigung zu suchen. Wir haben die besseren Argumente. Wir sind die einzigen, die in dieser Auseinandersetzung keinen persönlichen Vorteil suchen. Es wird Zeit, dass wir Politiker und Öffentlichkeit bedrängen.


Der Falke: Oliver Conz, Vorsitzender der Hessischen Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz: „Der Kormoran in Hessen“ http://www.lbv-landshut.de/Kormoran.pdf
Im Grunde lässt sich das dort Beschriebene prinzipiell 1:1 auf den Wolf übertragen.
zaino
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Re: Kormorane

Beitrag von zaino »

... und 1:1 auf die ewige Schwarz-Weiß-Diskussion: Wald vor Wild, Mensch vor Wolf, Fische vor Kormoran u.s.w. u.s.w.
Lutra
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Re: Kormorane

Beitrag von Lutra »

Erklärbär hat geschrieben: 10. Nov 2019, 13:50 Das habe ich mir auch schon überlegt, hat aber sehr weitreichende Konsequenzen. Da muss man länger drüber nachdenken...
Da sind wir uns mal einig. Klar hat die unkontrollierte Ausbreitung von Homo Sapiens Konsequenzen, schon seit langem und immer stärker. Ich meine da nicht vorrangig die flächenhafte und zahlenmäßige Ausbreitung. Viel gravierender ist unsere unersättliche Vernutzung jeglicher Ressourcen. Ich bin der Meinung, dass dieses Verhalten unweigerlich eher früher als später auf uns zurückschlägt. Was wir bis dahin nicht total ausgerottet haben, wird dann unsere Ruinen wieder besiedeln.
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Nina
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Re: Kormorane

Beitrag von Nina »

Ja, Lutra ganz genauso sehe ich das auch. Was der Erklärbär jetzt noch nicht wirklich überzeugend darstellen konnte, ist die Antwort auf die Frage, was man sich von einer Kormoran- oder wahlweise Wolfsbejagung erhofft, wenn doch dadurch nicht ein einziges der grundlegenden Probleme gelöst wird, über die wir uns hier ja nun offenbar alle einig sind?

Was würde es im Endeffekt bringen, wenn man von heute auf morgen die Jagd auf Kormorane und Wölfe freigeben würde, die Lebensbedingungen für Fische aber trotzdem gleichbleibend lebensfeindlich blieben und die Schäfer auch nicht besser bezahlt würden?

Diese Frage konnte mir noch niemand beantworten.
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