Bundesumweltministerin Hendricks ist sicherlich nicht die beste Rhetorikerin in unserer politischen Landschaft. Aber sie stellt sich den Obergrenzenforderungen von Bundeslandwirtschaftsminister Schmidt (CSU) und ihrem eigenen Parteikollegen aus Meck-Pomm, Till Backhaus, deutlich entgegen.
Wenn man sie aus der "Hart, aber fair"-Sendung vollständig zitiert, wird auch deutlich, was sie mit der unglücklichen Formulierung "aufgezogen" gemeint hat:
Und ja, der Wolf ist natürlich im Prinzip ein Raubtier. Aber diejenigen Wölfe, die bisher auffällig geworden sind in Deutschland, da hat man jeweils nachweisen können, dass die - ich sag mal - in ihrer frühen Kindheit vom Menschen aufgezogen wurden. Der auffällige Wolf in Niedersachsen, der voriges Jahr abgeschossen wurde, der ist auf dem Truppenübungsplatz Munster-Lager von Soldaten angefüttert worden. Dann hat er sich anschließend Menschen genähert. Er würde sich sonst Menschen nicht genähert haben, wenn er da nicht schon in seiner Welpenzeit von Menschen sozusagen gut behandelt worden wäre.
Bundesumweltministerin Barbara Hendricks in der ARD-Sendung "Hart, aber fair" vom 23.01.2017
Dass die CDU zur Bedienung ihrer Jagd- und Agrarklientel diese Formulierung aufgreift, um sich zu profilieren, liegt doch auf der Hand.
Auf welche "Studien" beruft sich denn Ingrid Pahlmann (CDU), die behauptet, Pferde würden schon durch den Geruch des Wolfes in Panik geraten und von der Koppel ausbrechen? Dann müssten hier in der Lüneburger Heide ja ständig Pferde und Ponys auf den Straßen unterwegs sein, mal abgesehen von den paar Ausbrechern aus miserabel umzäunten Pferdekoppeln, durch Heißluftballons Verängstigte und den Opfern von Witzbolden, die "zum Spaß" Koppeltore öffnen - die hat es schon immer gegeben, auch ohne Wolfsvorkommen. Den Sensibelchen unter den Einhufern reicht schon eine in der Nähe durchmarschierende Schützenkapelle - zur Not tut es aber auch eine umherfliegende Plastiktüte.
Es gibt ein Video aus Schweden, wo sich ein Pferd auf einer Weide einem Wolf neugierig nähert. Solange der Wolf an der Koppel entlang läuft und keinen direkten Angriff startet, ist ein Wolf für ein Pferd auch nur ein weiterer vorbeilaufender "Hund" von vielen.
Albert Weiler (CDU) weist auch gleich noch einmal auf die "Schreie" hin, die entstehen, wenn ein Fuchs oder ein Wolf "ein Schaf oder ein kleines Kitz" reißt. Die Landwirte schreddern jedes Jahr rund eine halbe Million davon bei der Mahd, ohne dass ich erlebt hätte, dass ein CDU-Politiker darüber eine Träne vergossen hat. Gut, dass die 50 Mio. jährlich geschredderten Eintagsküken nicht schreien können. Und wenn die 750 Mio. jährlich geschlachteten Nutztiere schreien würden, würde man das jenseits der gut verschlossenen Türen ja auch nicht hören - also auch hier kein Handlungsbedarf seitens der CDU. Und die 5 Mio. Wildtiere, die jährlich der Hobby-Jagd zum Opfer fallen, lösen in der CDU auch kein allzu großes Mitgefühl aus, als dass man eine Reform anstossen müsste. Im Gegenteil.
Immerhin geht Frau Hendricks mit ihrer Initiative, den Gästen des Ministeriums zukünftig vegetarische, ökologische, regionale und saisonale oder fair gehandelte Lebensmittel zu servieren, mit gutem Beispiel voran. Was es daran zu kritisieren gibt, verstehe ich nicht. Erstens werden die wenigstenvon uns jemals Gäste des Bundesumweltministeriums sein, und zweitens bestimmt doch auch jeder von uns selbst, was er seinen Gästen serviert. Wer unbedingt Fleisch will, muss dann halt vor oder nach der Veranstaltung noch mal 'nen Zwischenstopp in einer Fressbude einlegen. Es kann doch jeder futtern, was er will. Was hat das mit einem "Veggie-Day durch die Hintertür" zu tun? Oder anders gefragt: Wenn man gegen Frau Hendricks ins selbe Horn wie der CSU-Bundeslandwirtschaftsminister stößt, stärkt man ihn dann nicht auch
indirekt in anderern politischen Fragen, wie z.B. bei der von ihm lautstark geforderten Bestandsobergrenze für Wölfe?