Warum greifen Wölfe Hunde an?

Themen, die den Wolf im Allgemeinen betreffen.
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Wolfsblut
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Re: Warum greifen Wölfe Hunde an?

Beitrag von Wolfsblut »

SammysHP hat geschrieben:Aber ein Hund ist kein Wolf und ich sehe hier immer noch keinen Nachweis, dass ein Wolf einen Hund als Verwandten und als Konkurrenten sieht.
Ein Hund ist aber wolfsähnlich. Da könnte auch ein Fuchs, ein Schakal oder Dingo stehen. Das ist ja nun offenkundig bekannt.
Lutra hat geschrieben:Es gibt Wölfe, die sich auf Hunde als Nahrung spezialisiert haben. Peter Sürth berichtete von solch einem Rudel in der Nähe von Brasov. Auch die Fotos von schwedischen Jagdhunden, die gern mal auf diversen Seiten präsentiert werden; sprechen davon. Den halben Hund wird der Wolf nicht als Trophäe mitgenommen haben. Vielleicht ist es auch so, dass, wenn der totgebissene Eindringling dann daliegt, er für den Wolf zu einer Portion Nahrung wird.
Das ist aber auch nun nix was besonders erwähnenswert wäre. Bei Nahrungsmittelknappheit ist sicherlich auch Kannibalismus eine Option.
Grauer Wolf

Re: Warum greifen Wölfe Hunde an?

Beitrag von Grauer Wolf »

SammysHP hat geschrieben:Aber ein Hund ist kein Wolf und ich sehe hier immer noch keinen Nachweis, dass ein Wolf einen Hund als Verwandten und als Konkurrenten sieht.
Meine Altdeutschen (eine sehr archaische "Rasse") zeigen das Ethogramm eines Wolfes rauf und wieder runter (wenn auch teilweise abgeschwächt), zumal sie im Rudel aufwuchsen. Außerdem kommt es immer mal wieder (wenn auch selten) zu Rückkreuzungen von Wölfen mit Haushunden, besonders bei urtümlichen und sehr wolfsähnlichen Rassen (Nordlandhunde z.B.). Das geht aber nur dann, wenn der Wolf im Hund einen Artgenossen erkennt und tatsächlich ist der Hund ja biologisch betrachtet auch eine Unterart des Wolfes, eben Canis lupus familiaris. Wie die Interaktion dann im einzelnen aussieht, scheint mir eine sehr individuelle Angelegenheit zu sein, keine artspezifische. Manche Wölfe sehen das locker, pflegen sogar freundschaftlichen Kontakte mit Hunden, andere wiederum haben sie zum Fressen gerne, wieder andere gehen Hunden aus dem Weg, mit allen Schattierungen dazwischen. Du wirst also m.M.n. keine allgemeingültige Antwort finden.

Gruß
Wolf
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Nina
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Re: Warum greifen Wölfe Hunde an?

Beitrag von Nina »

Die Frage, ob der gewöhnliche Spaziergang im Wolfsgebiet eine Gefahr für den eigenen Wauzi darstellt, hat sich wohl schon so ziemlich jeder Hundebesitzer mal gestellt.

Um die Häufigkeit von Mensch-Hund-Wolf-Begegnungen realistisch einschätzen zu können, gibt die Antwort des Niedersächsischen Umweltministeriums vom 31.07.15 auf eine kleine Anfrage im Niedersächsichen Landtag hinsichtlich der Wolfssichtungen Aufschluss:
[...] 47-mal in der Nähe von Menschen, die sich außerhalb eines Hauses oder Fahrzeuges befanden, wobei in 11 Fällen von diesen Personen ein oder mehrere Hunde mitgeführt wurden.

http://www.umwelt.niedersachsen.de/star ... 35919.html
Diese 11 Fälle von bloßen Wolfsbegegnungen mit Hund verteilen sich auf ganz Niedersachsen (7,9 Mio Einwohner). Die vermeintlichen Beißvorfälle von Wardböhmen und Groß Hehlen fließen dort zwar noch nicht mit ein, aber deren Verletzungen - ungeachtet, ob sie tatsächlich durch einen Wolf verursacht wurden oder nicht, lagen den Medienberichten zufolge im Bagatellbereich.

Das norwegische Magazin "Jakt & Fiske" hat 2008 Ergebnisse einer Publikation veröffentlicht, an der auch Jens Karlsson vom schwedischen Viltskadecenter beteiligt war - jener Experte, der Kurti vergrämen sollte, nicht an ihn herankam und sein Verhalten als ungefährlich eingestuft hat.

Das Viltskadecenter hat 2006 eine Untersuchung vorgenommen, in dem die Schadensfälle durch Wölfe an Hunden in Skandinavien im Zeitraum von 1995-2005 beleuchtet wurden. Bei diesen 152 Fällen wurden 46 Hunde verletzt und 105 getötet.

Wie oft wurden Hunde von Wölfen als Nahrung genutzt?

In 13 Fällen wurden die Hunde von Wölfen verzehrt; bei vier weiteren wurden die Beutegreifer durch Störung daran gehindert. In übrigen Fällen hätten die Wölfe die Hunde fressen können, haben dies aber nicht getan. Die Wissenschaftler schlussfolgern daher, dass Wölfe Hunde nicht zwingend als Beute betrachten.

Wie oft ging der Angriff vom Hund oder vom Wolf aus?

In 14% der Fälle ging die Initiative von den Wölfen aus, in 11% von den Hunden. Bei den restlichen 75% ist der Ablauf unklar. Da aber deutlich ist, dass auch Hunde Wölfen nachstellen, kann man das Risiko einer Konfrontation verringern, in dem man den eigenen Hund am aktiven Aufsuchen von Wölfen hindert.

Schadensfälle durch Wölfe hauptsächlich bei der Jagdausübung

Bei 85% der von Wölfen getöteten Hunde handelte es sich Jagdhunde bei der Jagdausübung. Laufhunde, Dachsbracken, Dackel, schwedische und norwegische Elchhunde erweisen sich dabei als besonders gefährdet. Nun hatten diese Rassen aber auch die häufigsten Jagdeinsätze (Jagdtage). Die gleiche Korrelation gilt für Alter und Geschlecht. Dass häufiger Rüden mittleren Alters als Hündinnen oder junge/alte Hunde bei der Jagd zum Einsatz kommen, bildet sich auch bei der Verteilung der Schadensfälle ab.

Wie reagieren Wölfe auf Lautgebungen durch Hunde?

Die Forscher haben zudem untersucht, wie sich die Lautgebung der Hunde auf das Verhalten der Wölfe auswirkt. Hierzu hat man das Bewegungsverhalten besenderter Wölfe analysiert, die in 180-700 m Entfernung einem lautgebenden Hund ausgesetzt wurden. Hierzu wurde in 7 Fällen ein finnischer Spitz in einem Käfig verwendet und in weiteren 16 Fällen Bandaufnahmen eines lautgebenden Jagdhundes im Einsatz. Die in der Praxis berichteten Erfahrungen, dass Wölfe aktiv lautgebende Hunde aufsuchen, konnte in der Versuchsreihe nicht bestätigt werden - die Wölfe bewegten sich nicht auf die Laute zu, sondern in den meisten Fällen von ihnen weg.

Unterschiedliche Reaktionen des Wolfes auf unterschiedliche Hunde, Praxisbeispiel Ringvattnetwolf

Der Artikel beschreibt zudem praktische Erfahrungen mit dem sogenannten "Ringvattnetwolf" im nördlichen Jämtland aus 2003. Dort nahm ein junger Wolfsrüde, der aus Finnland eingewandert war, Kontakt zu den lokalen Hunden auf. Er interessierte sich für zwei läufige, aber unerreichbare Hündinnen und spielte mehrfach mit einem kastrierten Rüden, der körperlich etwas kleiner als er selbst war. Zwischen diesen beiden Tieren gab es keinerlei Anzeichen von Aggression. Dagegen wurden zwei weitere - unkastrierte - Rüden von dem Wolf angegriffen, wobei einer getötet wurde und der andere aufgrund des Zauns nicht für einen aktive Auseinandersetzung erreichbar war.

In diesem Fall sah der Wolf offensichtlich die Hündinnen als mögliche Partnerinnen, die unkastrierten Rüden als Konkurrenten und den kastrierten Rüden als ungefährlichen Artgenossen an.

Weitere Faktoren, die Einfluss auf den Ausgang der Wolf-Hund-Begegnung haben könnten

Bei der Rasseverteilung nach Art des Schadensfalls finden sich unter den meisten getöteten Hunden Dackel und Dachsbracken. Laufhunde dagegen haben eine höhere Überlebensrate. Die Elchhunde kommen in der Regel mit Verletzungen davon; von ihnen wurden nur wenige getötet. Die Größe des Hundes könnte also eine Rolle spielen, ebenso Sozialisierung und Verhalten. Dackel und Dachsbracken verhalten sich meist auch bei Begegnungen mit anderen Hunden anders als z. B. ein schwedischer Elchhund. Es fehlt bislang an konkreten Untersuchungen, welche Rolle das Verhalten des Hundes für den Ausgang einer Wolf-Hund-Begegnung spielt.

Welche Rolle spielt ein festes Wolfsrevier?

Ob der Wolf in einem Revier sesshaft ist, spielt hinsichtlich der Schadensstatistik keine besondere Rolle. 37% der Fälle wurden Wölfen außerhalb eines festes Reviers zugeordnet. Ebenso wird nicht jeder Hund in einem Revier angegriffen, in dem fest etablierte Tiere leben.

Die Gefahr, dass ein Jagdhund in einem Wolfsrevier (mit zwei Individuen) zu Schaden kommt oder getötet wird, beziffern die Forscher auf 1:9000 Jagdtage. Bei einer Wolfsfamilie im Revier beträgt das Risiko immer noch nur 1:5000 Jagdtage. Die Gefahr für einen Hund, durch einen Verkehrsunfall verletzt zu werden oder ums Leben zu kommen, liegt ungleich höher.

Vgl. http://www.slu.se/Documents/externwebbe ... 20hund.pdf : Karlsson J, og Brainerd S. 2008. Når ulv angriper hund. Jakt & Fiske 1-2: 34-38.
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Nina
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Re: Warum greifen Wölfe Hunde an?

Beitrag von Nina »

Um das Risiko eines Wolfsangriffs auf einen Hund noch genauer einschätzen zu können, sollte nicht unerwähnt bleiben, dass die Gefährdung für Jagdhunde in Schweden aufgrund der unterschiedlichen Jagdmethoden nicht mit der Situation in Deutschland zu vergleichen ist.

Dies wurde im Bericht des Bundesumweltministeriums vom 28.10.2015 (Seite 62) wie folgt begründet:
Der Einsatz von Jagdhunden im schwedischen Wolfsgebiet ist mit der Jagdausübung, wie sie in Deutschland stattfindet, nicht vergleichbar. Dort jagen Hasenbracken und Elchhunde weiträumig und oft weit entfernt vom Jäger.

http://www.bundestag.de/blob/393542/5e2 ... b-data.pdf
Interessant ist in dem Zusammenhang auch die Schadensstatistik der Agria-Versicherung, die rund 40% der Hunde in Schweden versichert.

Dort wurden Schadensfälle (verletzte/getötete Hunde) 2013 zum Beispiel nach folgenden Ursachen aufgeschlüsselt:

Straßenverker: 521
Wildschwein: 152
Wildtier: 102
Ertrunken: 39
Schienenverkehr: 26
Schussverletzungen/-tötung: 24
Auf der Jagd verschollen: 12
Wolf: 5
Bär: 1

Vgl. http://www.amaroktv.de/news/schweden-hu ... uation-dar
Schattenwolf

Re: Warum greifen Wölfe Hunde an?

Beitrag von Schattenwolf »

Danke für die Info Nina,die Frage ist auch ob die Jagdhunde durch Schutzkleidung geschützt waren.
Terrier jagen in Deutschland aber teilweise auch weit entfernt vom Jäger,es wird doch extra drauf hingewiesen das man z.b. Jagd und Heideterrier nicht ohne GPS Halsband loszuschicken sollte.
kangal2
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Re: Warum greifen Wölfe Hunde an?

Beitrag von kangal2 »

Grauer Wolf hat geschrieben:
SammysHP hat geschrieben:Aber ein Hund ist kein Wolf und ich sehe hier immer noch keinen Nachweis, dass ein Wolf einen Hund als Verwandten und als Konkurrenten sieht.
Meine Altdeutschen (eine sehr archaische "Rasse") zeigen das Ethogramm eines Wolfes rauf und wieder runter (wenn auch teilweise abgeschwächt), zumal sie im Rudel aufwuchsen. Außerdem kommt es immer mal wieder (wenn auch selten) zu Rückkreuzungen von Wölfen mit Haushunden, besonders bei urtümlichen und sehr wolfsähnlichen Rassen (Nordlandhunde z.B.). Das geht aber nur dann, wenn der Wolf im Hund einen Artgenossen erkennt und tatsächlich ist der Hund ja biologisch betrachtet auch eine Unterart des Wolfes, eben Canis lupus familiaris. Wie die Interaktion dann im einzelnen aussieht, scheint mir eine sehr individuelle Angelegenheit zu sein, keine artspezifische. Manche Wölfe sehen das locker, pflegen sogar freundschaftlichen Kontakte mit Hunden, andere wiederum haben sie zum Fressen gerne, wieder andere gehen Hunden aus dem Weg, mit allen Schattierungen dazwischen. Du wirst also m.M.n. keine allgemeingültige Antwort finden.

Gruß
Wolf
Rückkreuzungen sind offenbar gar nicht so selten. In Georgien kreuzen sie sich mit Hirtenhunden, aus Italien ist das auch bekannt. Und Hirtenhunde gehören sicher zu den am längsten domestizierten Rassen überhaupt. Also eher nicht "urtümlich".
FrauFuchs
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Re: Warum greifen Wölfe Hunde an?

Beitrag von FrauFuchs »

@Nina: danke für die informativen Texte.

Da ich auch mit drei Hunden lebe habe auch ich mir schon Gedanken gemacht. Logi. Vor allem da meine beiden Althunde echte "Rudel- Eigenbrötler" sind :-( zu meinem "Leidwesen" habe ich den Eindruck, dass vor allem der (zwar) kastrierte Rüde am liebsten alles platt machen würde, was nach hundeartigem Geschöpf aussieht und sein bereits aus einer echt enormen Entfernung einsetzendes drohen missachtet.
Neulich erst habe ich den Swiffer (Nordic Mix) mit einem fremden rüden spielen lassen... Der Rüde wäre am liebsten auf diesen Fremdrüden los...
Meine Vermutung weshalb Wölfe Hunde abgreifen ist sehr simpel:
Es gibt Hunde, die Hunde angreifen. Es gibt Hunde die erstmal friedlich sind. Es gibt Hunde, die alles jagen und umbringen, was dazu taugt.
Warum sollte Stammvater Wolf weniger individuell sein?
Sicher ist es auch eine frage des: wie lange leben Wölfe die Hunde angreifen zusammen. Haben sie Welpen? Oder sind sie allein unterwegs.
Ich seh das ganz simpel an meinen Hunden...
In "Kernrevier" oder Revier erster Ordnung haben der Ansicht der althunde nach andere Hunde nichts verloren. Dem Nordic Mix ist das Wurst...
Die souveräne althündin duldet fremde rüden die nicht kastriert sind außerhalb des kernreviers. Kastraten werden wie Hündinnen behandelt.. Also eher abgelehnt...
Der alte Rüde kann sein wo er will: er würde am liebsten alles was irgendwie nach hundeartigem Tier aussieht sofort aus seinem Dunstkreis verbannen. Akzeptiert das ein anderer Canidenund signalisiert, dass er nicht näher kommt, ist das für den Alten völlig ok. Übertritt derjenige aber seine imaginär gezogene Grenze wird derjenige gnadenlos vermöbelt, sofern ich nicht eingreife...
Seit ich kinder habe ist es noch "schlimmer" geworden. Die alten beäugen jeden sehr kritisch der sich den kleinen nähert.
Auch hier wieder: dem Nordic Mix ist das Jacke wie Hose.

Begegne ich also irgendwann mal einem Wolf so kommt's drauf an, ob ich die Kinder dabei habe oder nicht, wie nah die Tiere aufeinander treffen etc.
Was der irre waldschleicher machen würde, ist meine Befürchtung... Dass er auch auf einen Wolf losgehen würde, käme ihm dieser zu nah ..
Von selbst geht er nicht hin, wenn die Distanz stimmt und der canide nicht "doof starrt".
Generell war ja die frage andersherum gestellt.... Warum Wölfe Hunde angreifen..
Denke die Schalter sind ähnlich gestellt..
Wie andersherum betrachtet...
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