Die Frage, ob der gewöhnliche Spaziergang im Wolfsgebiet eine Gefahr für den eigenen Wauzi darstellt, hat sich wohl schon so ziemlich jeder Hundebesitzer mal gestellt.
Um die Häufigkeit von Mensch-Hund-Wolf-Begegnungen realistisch einschätzen zu können, gibt die Antwort des Niedersächsischen Umweltministeriums vom 31.07.15 auf eine kleine Anfrage im Niedersächsichen Landtag hinsichtlich der Wolfssichtungen Aufschluss:
Diese 11 Fälle von bloßen Wolfsbegegnungen mit Hund verteilen sich auf ganz Niedersachsen (7,9 Mio Einwohner). Die vermeintlichen Beißvorfälle von Wardböhmen und Groß Hehlen fließen dort zwar noch nicht mit ein, aber deren Verletzungen - ungeachtet, ob sie tatsächlich durch einen Wolf verursacht wurden oder nicht, lagen den Medienberichten zufolge im Bagatellbereich.
Das norwegische Magazin "Jakt & Fiske" hat 2008 Ergebnisse einer Publikation veröffentlicht, an der auch Jens Karlsson vom schwedischen Viltskadecenter beteiligt war - jener Experte, der Kurti vergrämen sollte, nicht an ihn herankam und sein Verhalten als ungefährlich eingestuft hat.
Das Viltskadecenter hat 2006 eine Untersuchung vorgenommen, in dem die Schadensfälle durch Wölfe an Hunden in Skandinavien im Zeitraum von 1995-2005 beleuchtet wurden. Bei diesen 152 Fällen wurden 46 Hunde verletzt und 105 getötet.
Wie oft wurden Hunde von Wölfen als Nahrung genutzt?
In 13 Fällen wurden die Hunde von Wölfen verzehrt; bei vier weiteren wurden die Beutegreifer durch Störung daran gehindert. In übrigen Fällen hätten die Wölfe die Hunde fressen können, haben dies aber nicht getan. Die Wissenschaftler schlussfolgern daher, dass Wölfe Hunde nicht zwingend als Beute betrachten.
Wie oft ging der Angriff vom Hund oder vom Wolf aus?
In 14% der Fälle ging die Initiative von den Wölfen aus, in 11% von den Hunden. Bei den restlichen 75% ist der Ablauf unklar. Da aber deutlich ist, dass auch Hunde Wölfen nachstellen, kann man das Risiko einer Konfrontation verringern, in dem man den eigenen Hund am aktiven Aufsuchen von Wölfen hindert.
Schadensfälle durch Wölfe hauptsächlich bei der Jagdausübung
Bei 85% der von Wölfen getöteten Hunde handelte es sich Jagdhunde bei der Jagdausübung. Laufhunde, Dachsbracken, Dackel, schwedische und norwegische Elchhunde erweisen sich dabei als besonders gefährdet. Nun hatten diese Rassen aber auch die häufigsten Jagdeinsätze (Jagdtage). Die gleiche Korrelation gilt für Alter und Geschlecht. Dass häufiger Rüden mittleren Alters als Hündinnen oder junge/alte Hunde bei der Jagd zum Einsatz kommen, bildet sich auch bei der Verteilung der Schadensfälle ab.
Wie reagieren Wölfe auf Lautgebungen durch Hunde?
Die Forscher haben zudem untersucht, wie sich die Lautgebung der Hunde auf das Verhalten der Wölfe auswirkt. Hierzu hat man das Bewegungsverhalten besenderter Wölfe analysiert, die in 180-700 m Entfernung einem lautgebenden Hund ausgesetzt wurden. Hierzu wurde in 7 Fällen ein finnischer Spitz in einem Käfig verwendet und in weiteren 16 Fällen Bandaufnahmen eines lautgebenden Jagdhundes im Einsatz. Die in der Praxis berichteten Erfahrungen, dass Wölfe aktiv lautgebende Hunde aufsuchen, konnte in der Versuchsreihe nicht bestätigt werden - die Wölfe bewegten sich nicht auf die Laute zu, sondern in den meisten Fällen von ihnen weg.
Unterschiedliche Reaktionen des Wolfes auf unterschiedliche Hunde, Praxisbeispiel Ringvattnetwolf
Der Artikel beschreibt zudem praktische Erfahrungen mit dem sogenannten "Ringvattnetwolf" im nördlichen Jämtland aus 2003. Dort nahm ein junger Wolfsrüde, der aus Finnland eingewandert war, Kontakt zu den lokalen Hunden auf. Er interessierte sich für zwei läufige, aber unerreichbare Hündinnen und spielte mehrfach mit einem kastrierten Rüden, der körperlich etwas kleiner als er selbst war. Zwischen diesen beiden Tieren gab es keinerlei Anzeichen von Aggression. Dagegen wurden zwei weitere - unkastrierte - Rüden von dem Wolf angegriffen, wobei einer getötet wurde und der andere aufgrund des Zauns nicht für einen aktive Auseinandersetzung erreichbar war.
In diesem Fall sah der Wolf offensichtlich die Hündinnen als mögliche Partnerinnen, die unkastrierten Rüden als Konkurrenten und den kastrierten Rüden als ungefährlichen Artgenossen an.
Weitere Faktoren, die Einfluss auf den Ausgang der Wolf-Hund-Begegnung haben könnten
Bei der Rasseverteilung nach Art des Schadensfalls finden sich unter den meisten getöteten Hunden Dackel und Dachsbracken. Laufhunde dagegen haben eine höhere Überlebensrate. Die Elchhunde kommen in der Regel mit Verletzungen davon; von ihnen wurden nur wenige getötet. Die Größe des Hundes könnte also eine Rolle spielen, ebenso Sozialisierung und Verhalten. Dackel und Dachsbracken verhalten sich meist auch bei Begegnungen mit anderen Hunden anders als z. B. ein schwedischer Elchhund. Es fehlt bislang an konkreten Untersuchungen, welche Rolle das Verhalten des Hundes für den Ausgang einer Wolf-Hund-Begegnung spielt.
Welche Rolle spielt ein festes Wolfsrevier?
Ob der Wolf in einem Revier sesshaft ist, spielt hinsichtlich der Schadensstatistik keine besondere Rolle. 37% der Fälle wurden Wölfen außerhalb eines festes Reviers zugeordnet. Ebenso wird nicht jeder Hund in einem Revier angegriffen, in dem fest etablierte Tiere leben.
Die Gefahr, dass ein Jagdhund in einem Wolfsrevier (mit zwei Individuen) zu Schaden kommt oder getötet wird, beziffern die Forscher auf 1:9000 Jagdtage. Bei einer Wolfsfamilie im Revier beträgt das Risiko immer noch nur 1:5000 Jagdtage. Die Gefahr für einen Hund, durch einen Verkehrsunfall verletzt zu werden oder ums Leben zu kommen, liegt ungleich höher.
Vgl.
http://www.slu.se/Documents/externwebbe ... 20hund.pdf :
Karlsson J, og Brainerd S. 2008. Når ulv angriper hund. Jakt & Fiske 1-2: 34-38.