Wenn der Jäger und Wolfsbeauftragte Eckhard Wegwardt sagt: "
Die Jägerschaft im Land meint, bis 90 Wölfe trage sie mit" pauschalisiert er diese Gruppe selbst, und zwar in seinem eigenen Sinne. Zudem ist er davon überzeugt, dass da etwas von der Politik "absichtlich kleingehalten" werden soll - einen echten Nachweis für seine kühne Behauptung bleibt er aber zumindest in dem Artikel schuldig.
Wenn in Diskussionen also von "der Jägerschaft" die Rede ist, wird diese sowohl von Wolfsbefürwortern und -gegnern oftmals gleichermaßen pauschalisiert. Offene Konflikte innerhalb der Jägerschaft pro und contra Wolf sind - sofern diese ausgetragen werden - selten öffentlich nachzuvollziehen. Die offizielle Haltung der Jagdverbände läuft meiner Kenntnis nach immer wieder darauf hinaus, den Wolf langfristig bejagen, regulieren oder, auch interessant formuliert, "bewirtschaften" zu wollen. Aber vielleicht kennt jemand als Quelle einen Jagdverband, der hiervon abweichende Ziele verfolgt.
Die Jägerschaft stellt nur einen sehr kleinen Bevölkerungsanteil. In Deutschland sind das z. Zt. 0,4%. Gleichermaßen stellt sie aber den größten Gefährdungsfaktor für den Wolf dar:
Wichtigste direkte Beeinträchtigung für viele Wolfspopulationen ist die anthropogen bedingte Mortalität (FRITTS et al.2003, FULLER et al.2003). An vorderster Stelle sind hier legale und illegale Abschüsse zu nennen. [...] Auch heute noch, geben nicht wenige Jäger im persönlichen Gespräch an, dass sie einen Wolf schießen würden, wenn sie ihn sehen.
https://www.bfn.de/fileadmin/MDB/docume ... ipt201.pdf (Seite 50 und 51)
Die Einstellung gegenüber Wölfen ist bei dieser Interessensgruppe [den Jägern] negativ ausgeprägt, im Gegensatz zum Rest der Bevölkerung, die positiv eingestellt ist. [...] Der Wolf stellt das Selbstverständnis der Jäger in Frage. Jäger reklamieren für sich, dass sie in der Kulturlandschaft die verloren gegangenen Beutegreifer ersetzen müssen. Sie leiten daraus ab, dass die Jagd eine wichtige Funktion bei der Kontrolle des Schalenwildes erfülle. Die Rückkehr der Beutegreifer führt zu einer deutlichen Verunsicherung nicht nur bei der Basis.
https://www.bfn.de/fileadmin/MDB/docume ... ipt201.pdf (Seite 91 und 96)
Darauf basierte meine Frage, welche Konsequenz die Jägerschaft in Sachsen-Anhalt zu ziehen gedenkt, wenn die von ihr mitgetragene Zahl von 90 Wölfen überschritten wird? Im schlimmsten Fall klingt das für mich, als ob man dann den gesetzlichen Rahmen zu verlassen bereit sein könnte und über die Zahl der Wölfe selbst entscheidet und diese Entscheidung dann auch vollstreckt.
Die Gesellschaft muss darüber diskutieren und entscheiden, wie sie künftig damit umgehen will, wenn die fehlende Durchsetzung von Forderungen auf demokratischem Wege mit einer Art Parallelrecht, das sich eine Minderheit selbst erschafft, beantwortet wird - vor allem, wenn diese kleine Interessengruppe über die dafür notwendigen Waffen verfügt, die ihnen mit einem gesamtgesellschaftlichen Vertrauensvorschuss genehmigt worden sind.