Kormorane

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Lutra
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Re: Kormorane

Beitrag von Lutra »

maxa67 hat geschrieben: 13. Nov 2019, 05:27
Zurück zum Thema: Eigentlich sind die an der Ostsee ja ganz gut aufgehoben
Genau so gut wie z.B. die Wölfe und Bären (außer Erklär-) in Sibirien.
maxa67

Re: Kormorane

Beitrag von maxa67 »

Und da es sich bei uns in der Oberlausitz, in Brandenburg und in Niedersachsen so anfühlt wie Sibirien, passt das schon wieder :lol:
Erklärbär
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Re: Kormorane

Beitrag von Erklärbär »

In einer Studie von 2015 wurde postuliert, dass die Kormorane das gesamte Ökosystem von Fliessgewässern beeinträchtigen können. Ich habe keinen Zweifel an der Qualität der Studie.

Es zeigt sich wieder mal, welche katastrophalen Auswirkungen die Kormoranplage mittlerweile angenommen hat. Das geht weit über die Reduktion von Fischbeständen hinaus.

Schuld daran sind nicht die Kormorane, die ja nur ihr biologisches Programm abspielen, sondern die untätigen und unwilligen angeblich naturschützenden Politiker, die sich einer Problemlösung verschliessen. Die gewissermassen der Natur ihren Lauf lassen. Das wird sich noch schwer rächen.

Zitat:
In einem eutrophierten Fließgewässer kann das hyporheische Interstitial seine Funktion als Habitat für kieslaichende Fische (Eier, Larven), junge Großmuscheln und Makrozoobenthosorganismen nicht mehr erfüllen und die Funktion der Selbstreinigung ist stark eingeschränkt. Dies führt zu einem Ausfall empfindlicher Arten und damit zu einer schlechten Bewertung nach fiBS.

Eine diesbezüglich exemplarische Situation besteht momentan in der rheinland-pfälzischen Nister (Referenztyp 9), wo trotz guter Gewässerstruktur der gute ökologische Zustand nicht erreicht werden konnte. Einbrüche im ursprünglich artenreichen Fischbestand (besonders herbivore und großwüchsige Arten) wurden seit Auftreten des Kormorans 1998 dokumentiert [15, 21, 22].


Seit rund zwölf Jahren wird eine deutliche Verstärkung der Eutrophierungserscheinungen beobachtet, was maßgeblich das Überleben der dortigen Flussperlmuschelbestände und der kieslaichenden Fischarten (Lachs, Forelle, Äsche, Nase, Barbe) gefährdet. Es ist davon auszugehen, dass das hyporheische Interstitial in der Nister aufgrund der massenhaften Algenentwicklung seine ökologische Funktionsfähigkeit bereits weitgehend verloren hat. Die Eutrophierung ist jedoch nach gegenwärtigem Kenntnisstand nicht auf eine Erhöhung der Nährstofffracht (Phosphor, Stickstoff; Auskunft LUWG Rheinland Pfalz), sondern möglicherweise auf eine durch den Kormoranfraßdruck eingeleitete trophische Veränderung zurückzuführen. So korreliert der Anstieg der Algenbiomasse zeitlich mit dem Rückgang direkter Algenkonsumenten (u. a. Nase, Döbel, Rotauge, Hasel) sowie kiesumlagernder Fischarten (Barbe). Zeitgleich wurde eine massive Expansion der Kleinfischbestände (Groppe, Schmerle, Elritze) festgestellt [15, 23], was gegebenenfalls negative Auswirkungen auf die Bestandssituation der Weidegänger unter den Makrozoobenthosorganismen hat [24]. Damit könnte der Kormoranfraßdruck nicht nur für eine Reduktion der Fischbestände, sondern über die Reduktion der Selbstreinigungskraft und den Niedergang der Konsumentenbestände auch für eine schwere Beeinträchtigung des gesamten Ökosystems (inklusive Gewässergüte) ursächlich sein. Die Implikationen für die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie wären entsprechend erheblich.
http://www.ruhrfg.de/images/pdf/fb_fras ... z_2015.pdf
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Nina
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Re: Kormorane

Beitrag von Nina »

Lutra hat geschrieben:Mir sind die Schmalspurartenschützer immer etwas suspekt. Wie wäre es z.B., wenn die Entomologen kämen und die Reduzierung von Singvögeln fordern würden, weil sie die Raupen seltener Schmetterlinge fressen?
So ist es, Lutra.
Selbst der engstirnigste Amphibienschützer käme wohl nicht auf die Idee, zum Schutz von Frosch und Molch die Bejagung ihrer Freßfeinde, wie etwa des Weißstorchs oder der Ringelnatter, zu fordern.

Wilhelm Bode/Elisabeth Emmert: Jagdwende - - Vom Edelhobby zum ökologischen Handwerk, C. H. Beck Bremen, 2000, S. 252


Und dann verhält es sich ja auch noch so, dass nicht nur die Kormorane selbst betroffen wären, sondern jeder jagdliche Eingriff weitreichende Folgen auf das ganze Öko-System nachsichziehen kann.
Klassisches Beispiel für den Nachweis jagdlicher Störeffekte sind die Stauseen am unteren Inn, die sich mittlerweile zu europaweit bedeutenden Brut- und Rastbiotopen für Wasservögel entwickelt haben. Auffallend war eine unterschiedlich intensive Nutzung von Wasserpflanzenbeständen in verschiedenen Bereichen, und es zeigte sich, dass diese Unterschiede von der Bejagungsintensität abhängen. In Zonen, in denen die Jagd ruhte, wurden bis zu 90% der Pflanzen und Pflanzenreste genutzt; in denen durch Jagd beunruhigten nur etwa 15%, was Faulschlammbildung zur Folge hat - der Gewässerreinigungseffekt durch die Pflanzenverwerter entfällt.

Wilhelm Bode/Elisabeth Emmert: Jagdwende - Vom Edelhobby zum ökologischen Handwerk, C. H. Beck Bremen, 2000, S. 258
Die positiven Effekte des Kormorans auf die Gewässerökologie wurden dagegen ja bereits beschrieben:
Durch die Entnahme von Kleinkrebse vertilgenden Weißfischen tragen Kormorane nachgewiesenermaßen zu einer Verbesserung der Wasserqualität bei, da so die wichtigen, das Gewässer filtrierenden Kleinkrebsbestände (Wasserflöhe, Hüpferlinge) sich wieder erholen können.

Komitee gegen den Vogelmord e.V. (CABS): Kormorane und Fischbestände http://www.komitee.de/content/aktionen- ... hbestaende
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Dr_R.Goatcabin
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Re: Kormorane

Beitrag von Dr_R.Goatcabin »

An meinem ehemaligen Institut wurde und wird sowas beständig erforscht. Trage Dich gerne mal im Newsletter ein, Nina. Die Leute (bis auf wenige zickige Doktorandinnen zu meiner Zeit) sind alle dufte. ;)
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Nina
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Re: Kormorane

Beitrag von Nina »

Dr_R.Goatcabin: Gute Idee, Danke dafür! :)

Ist ja ein absolut spannendes Thema - habe gerade noch eine weitere Parallele zum Wolf entdeckt:
Der Kormoran ist nicht auf bestimmte Fischarten spezialisiert. Er erbeutet die Fische, die im jeweiligen Gewässer häufig sind. [...] So besteht der weit überwiegende Teil des Beutespektrums in den meisten Gewässern aus fischereiwirtschaftlich uninteressanten Arten.

Komitee gegen den Vogelmord e. V. (CABS): Kormoranproblematik: Nahrung http://www.komitee.de/content/aktionen- ... ik/nahrung
Ähnlich wie der Wolf an Land ist der Kormoran auch so eine Art "Gesundheitspolizei" in den Gewässern:
Mit Parasiten infizierte Fische werden von Kormoranen bevorzugt erbeutet. So wurden z.B. in einer Untersuchung bei 29,4 % der durch Kormorane gefischten Rotaugen der Bandwurm Ligula intestinalis nachgewiesen, während der Rotaugenbestand im befischten Gewässer nur eine Befallsrate von 6,5 % aufwies.
Weitere Untersuchungen mit ähnlichen Ergebnissen
[...] legen nahe, dass Kormorane durch gezielte Bejagung der kranken, langsameren und schwächeren Fische einen Beitrag zu einem gesunden Fischbestand leisten.

Komitee gegen den Vogelmord e. V. (CABS): Kormoranproblematik: Nahrung http://www.komitee.de/content/aktionen- ... ik/nahrung
Als Quellenangabe für die jeweiligen Ausführungen hat das Komitee eine ausführliche Literaturliste mit 31 Veröffentlichungen online gestellt:
http://www.komitee.de/content/aktionen- ... -literatur
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Dr_R.Goatcabin
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Re: Kormorane

Beitrag von Dr_R.Goatcabin »

In Yellowstone wurde beobachtet, dass es die Wölfe deutlich schwerer hatten, sobald die Fitness ihrer (Elch-)Beutetiere durch die wiedereingesetzte Selektion durch (die Junction Butte-)Wölfe zunahm. Wird wohl aber eher im Falle der Kormorane weniger der Fall sein, hm.

Stichwort Selektionsdruck: Kritiker sollten es so sehen, dass sich da vielleicht auch mal was bei den Fischen tut. Fänd ich spannend! :p (Ist tatsächlich auch eine These, dass Evolution nicht schleichend passiert, sondern in Sprüngen statfinden kann.)

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Nina
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Re: Kormorane

Beitrag von Nina »

Auch der Kormoran reguliert sich über die Beute:
Aus Sicht des Vogelforschers sei es falsch, den Kormoran zum Abschuss wieder frei zu geben, nachdem sich die Population nach der Ausrottung durch den Menschen und fehlender Nahrungsgründe erholt habe. [...] Doch, dass die als Schmutzfischfresser bekannte Vogelart für die Ausrottung von Edelfischen verantwortlich sein soll, bezweifle er sehr. "Die Beute reguliert den Räuber, nicht umgekehrt."

Volksstimme, 22.02.2010: Beute reguliert den Räuber, nicht umgekehrt https://www.volksstimme.de/nachrichten/ ... kehrt.html
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Re: Kormorane

Beitrag von Redux »

@goat...Du hast ja auch keinen Fischteich. Was nützt uns die Evolution wenn wir sowas nicht vermarkten können. Dann bräuchten wir ja auch nichts gegen die Komorane zu unternehmen.
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Re: Kormorane

Beitrag von Dr_R.Goatcabin »

Nina hat geschrieben: 13. Nov 2019, 20:48 Auch der Kormoran reguliert sich über die Beute:
Aus Sicht des Vogelforschers sei es falsch, den Kormoran zum Abschuss wieder frei zu geben, nachdem sich die Population nach der Ausrottung durch den Menschen und fehlender Nahrungsgründe erholt habe. [...] Doch, dass die als Schmutzfischfresser bekannte Vogelart für die Ausrottung von Edelfischen verantwortlich sein soll, bezweifle er sehr. "Die Beute reguliert den Räuber, nicht umgekehrt."

Volksstimme, 22.02.2010: Beute reguliert den Räuber, nicht umgekehrt https://www.volksstimme.de/nachrichten/ ... kehrt.html
Bottom-up oder Top-Down ist ja auch weiterhin so ein umstrittenes Thema in der Wissenschaft um trophische Beziehungen; siehe meine Literaturliste (z.B. Ripple 2012b) dazu. Finde ich ein bisschen wie eine Frage, ob Wasser nun entweder nass oder flüssig sein soll, zumindest bis zu einem bestimmten Level. Die Räuber brauchen die Beutetiere, um zu überleben; andersherum aber ja halt nicht. (Solange, bis Habitat leergefressen ist und Population einbricht.)
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