Sachsen: Erneut zwei Wölfe besendert

Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Brandenburg, Berlin, Mecklenburg-Vorpommern
Widukind

Re: Sachsen: Erneut zwei Wölfe besendert

Beitrag von Widukind »

Auch getroffene "Wildhunde" bellen laut - etwas zu laut - auf ... :roll: :p

So und jetzt komm mal wieder ein wenig runter von Deiner Palme ... Bild

Du wirst es nun mal akzeptieren müssen, daß es Menschen gibt (von den Tieren ganz zu schweigen), die nix von diesem ganzen TechnoHype halten. Da sehe ich mich durchaus in guter Gesellschaft mit anerkannten Wolfskennern, wie z. B. Günther Bloch und Elli H. Radinger, um nur mal zwei bekannte deutschsprachige Beispiele zu nennen.

Was die Wölfe in Deutschland und anderswo in der Welt angeht, so kamen sie und werden auch in Zukunft sehr gut ohne Euch auskommen und ein freies und selbstbestimmtes Leben führen. Da bin ich mir ganz sicher. Ihr müßt nicht überall in der Gegend rumlaufen und diese wunderschönen Geschöpfe und ihre natürliche Umgebung als Euer persönliches Spielfeld betrachten. Diese Welt gehört nicht Euch. Und auch nicht die Tiere. Sie gehören sich selbst. Die machen das schon. Keine Angst ... :pleased:
holsteiner in nrw
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Re: Sachsen: Erneut zwei Wölfe besendert

Beitrag von holsteiner in nrw »

Warum denn so böse zueinander?
Ich sehe das durchaus etwas differenziert. Natürlich können die Wölfe auch ganz gut ohne die Wissenschaft leben. Aber wirklich immer alle, egal aus welchem Lager sie auch kommen, gleich zu verurteilen und schlechte Beweggründe zu unterstellen ist auch nicht fair, oder? Es hat noch niemandem geholfen, sich als den allein Seeligen unter den ganzen Schafen zu betrachten.
Ich bin der Meinung, dass durchaus interessante und somit dem Wolf helfende Erkenntnisse durch die Telemetrierung gewonnen wurden.
Aber der jetzige Zeitpunkt der Aktion stößt mir auch etwas auf. Ich denke eine säugende Fähe hat andere Sorgen als noch mit Halsschmuck ausgestattet zu werden.
Kontrovers zu diskutieren gehört zu einem Forum dazu, gerne auch mit spitzer Feder formuliert. Bitte aber nicht noch weitere Fronten eröffnen. Es sind Wölfe, die unser aller Interesse fördern und uns faszinieren. Da gibt es eben auch unterschiedlichste Formen der Faszination. Und damit meine ich nicht die Flinte....
jurawolf
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Re: Sachsen: Erneut zwei Wölfe besendert

Beitrag von jurawolf »

Widukind hat geschrieben:Du wirst es nun mal akzeptieren müssen, daß es Menschen gibt (von den Tieren ganz zu schweigen), die nix von diesem ganzen TechnoHype halten. Da sehe ich mich durchaus in guter Gesellschaft mit anerkannten Wolfskennern, wie z. B. Günther Bloch und Elli H. Radinger, um nur mal zwei bekannte deutschsprachige Beispiele zu nennen.
ja ja klar, der günther bloch hält nichts von diesem technohype, der hat ja seine wölfe im banff und in der slowakei auch nur per gedankenübertragung überwacht... :roll: :lol:

der wolf braucht um seines selbst willen bestimmt keinen sender. der punkt ist aber, dass der wolf in einer komplett vom menschen bestimmten umgebung lebt, wo der mensch entscheidet was geht und was nicht (ich finde das auch nicht gut, es ist aber nun mal so). deshalb kann der wolf zwar ohne uns, aber nicht ohne unsere zustimmung zu ihm existieren. und diese zustimmung kommt nicht aus dem nichts, sondern sie nimmt proportional mit dem wissen über den wolf zu. was der mensch nicht kennt, vor dem hat er angst. in diesem sinne ist die generierung von wissen aktiver wolfschutz. mit der besenderung lässt sich eine menge an daten generieren, die in dieser dichte und genauigkeit seines gleichen sucht. richtig ausgewertet und kommuniziert, kann man damit sehr viel wertvolle aufklärungsarbeit betreiben. man muss sich stets bewusst sein, dass sehr viel, was wir über dne wolf wissen, nur dank der besenderung bekannt ist. bestes beispiel sind die verschiedenen grossräumigen abwanderungen, die dadurch belegt werden konnten und die unser bestes argument sind gegen die ständig lodernden aussetzungsgerüchte.
Widukind

Re: Sachsen: Erneut zwei Wölfe besendert

Beitrag von Widukind »

holsteiner in nrw hat geschrieben:... Aber der jetzige Zeitpunkt der Aktion stößt mir auch etwas auf. Ich denke eine säugende Fähe hat andere Sorgen als noch mit Halsschmuck ausgestattet zu werden....
Genau das bringt die Sache doch mal auf den Punkt.
Leute, die so etwas nicht in ihrer Planung berücksichtigen können - oder gar wollen - disqualifizieren sich selbst.

Und wenn ich solche Eingriffe in die Natur nicht mag, dann mag ich sie nicht. Das ist mein gutes Recht. Und das diskutiere ich nicht. Dazu habe ich in der Vegangenheit schon viel gesagt. Daran hat sich nix geändert. Und darum ist das Thema für mich hier beendet. Da kommen wir auf keinen grünen Zweig.
Grauer Wolf

Re: Sachsen: Erneut zwei Wölfe besendert

Beitrag von Grauer Wolf »

Also, was ist denn nun schlecht an einer weiteren Besenderungsaktion, wenn doch die vergangenen Aktivitäten uns so viele wertvolle und interessante Hinweise und Daten über die Migrationswege und Homeranges unserer Wölfe geliefert haben, die auch noch teilweise für jeden zugänglich im Netz nachzuschauen sind? Und wo sind die Bauern und Jäger heute, die dieses angebliche Wissen haben bzw. generieren und weitergeben? Na eben, das gleiche Wissen, nur ungleich detaillierter, generieren heute die paar feinen Bio-Akademiker, die ein Leben voller Unsicherheiten, 1-Jahresstellen, und mickeriger Bezahlung führen und sich dafür noch beschimpfen lassen müssen.
Mal vorweg, ich habe nichts gegen Forschung, wenn sie mit großem Verantwortungsgefühl verbunden ist. Der Punkt ist aus meiner Sicht, daß beim Einfangen und Besendern einer säugenden oder tragenden Wölfin eine Grenze überschritten wurde. Wie gesagt, das ist keine Frage der Wissenschaft, sondern der Ethik.
Ich vergesse nie die Worte eines meiner Professoren, als eine Vorlesung mal vom rein Fachlichen abdriftete und das Thema Ethik ins Spiel kam. Sinngemäß:
"Nicht alles, was erforscht werden kann, muß auch erforscht werden. Vor dem Drang nach Wissen steht die Verantwortung des Wissenschaftlers, der sich zu prüfen hat, ob das, was er tut, moralisch-ethisch noch vertretbar ist."
Für mich ist das Einfangen und Stressen eines hochintelligenten, sensiblen Säugetiers wie eines Wolfes gerade auch unter dem Aspekt Trächtigkeit resp. Säugephase moralisch-ethisch nicht mehr vertretbar. Punkt. Dieser Punkt ist für mich auch nicht diskussionsfähig.
Wolfs(verhaltens)forschung heißt für mich: Feldforschung. Draußen. Bei jedem Wind und Wetter, ob strömender Regen oder klirrende Kälte. Mit Fernglas, Notizbuch, Diktiergerät und Kamera. Am Wolf direkt! Wer den Wolf erforschen und ihn verstehen will, muß sich auf ihn einlassen, ihn lieben, die Grenze zu seinem Reich mit wenigstens einem Bein überschreiten, im Extremfall Teil eines Rudels werden. (Wie hat Dian Fossey ihre bahnbrechende Arbeit über die Berggorillas durchgeführt? Sie wurde Teil der Sippe! Sic!) Er ist kein Forschungobjekt, sondern ein intelligentes, beseeltes, fühlendes Lebewesen, das Respekt verdient. Auch in dieser Punkt ist für mich nicht zu diskussionsfähig. Ethologen, die die Distanz überwanden, neue Wege gingen und sich auf ihre "Schützlinge" einließen, brachten die Verhaltensforschung nach vorne, nicht Zahlenkolonnen oder, neudeutsch, Spread Sheets.
Widukind hat geschrieben:Du wirst es nun mal akzeptieren müssen, daß es Menschen gibt (von den Tieren ganz zu schweigen), die nix von diesem ganzen TechnoHype halten.
Richtig, und ich gehöre ebenfalls dazu.

Im übrigen habe ich niemanden beschimpft. Ich war jahrelang selber wissenschaftlicher Mitarbeiter und weiß wie das ist, wenn die Finanzierung unsicher ist. Was einen der moralisch-ethischen Verantwortung nicht enthebt!

Gruß
Wolf
jurawolf
Beiträge: 967
Registriert: 5. Okt 2010, 23:32

Re: Sachsen: Erneut zwei Wölfe besendert

Beitrag von jurawolf »

herrlich, wenn beide besenderungsgegner ihre argumente lang und breit darlegen und dann zum schluss noch sagen, ihre position sei ohnehin nicht diskussionsfähig... das entbehrt nicht einer gewissen ironie :twisted:

Grauer Wolf hat geschrieben:Wolfs(verhaltens)forschung heißt für mich: Feldforschung. Draußen. Bei jedem Wind und Wetter, ob strömender Regen oder klirrende Kälte. Mit Fernglas, Notizbuch, Diktiergerät und Kamera. Am Wolf direkt! Wer den Wolf erforschen und ihn verstehen will, muß sich auf ihn einlassen, ihn lieben, die Grenze zu seinem Reich mit wenigstens einem Bein überschreiten, im Extremfall Teil eines Rudels werden. (Wie hat Dian Fossey ihre bahnbrechende Arbeit über die Berggorillas durchgeführt? Sie wurde Teil der Sippe! Sic!) Er ist kein Forschungobjekt, sondern ein intelligentes, beseeltes, fühlendes Lebewesen, das Respekt verdient. Auch in dieser Punkt ist für mich nicht zu diskussionsfähig. Ethologen, die die Distanz überwanden, neue Wege gingen und sich auf ihre "Schützlinge" einließen, brachten die Verhaltensforschung nach vorne, nicht Zahlenkolonnen oder, neudeutsch, Spread Sheets.


na dann viel spass beim begleiten eines abwandernden jungtieres, das innert weniger wochen tausende km zurücklegt :lol:

bei allem respekt für diejenigen, die echte feldforschung betreiben, aber genau sowas können selbst die nicht erforschen. das ist schlicht und einfach unrealistisch. alles hat seine grenzen, die besenderung (klassische telemetrie und moderne gps-sender) ebenso wie die feldforschung.

und ganz nebenbei: verhaltensforschung (ethologie) ist nebensächlich, bös gesagt "nice to have". was die mehrheit wohl weit mehr interessiert, ist die ökologie. dass diese mitunter auch mal einen zusammenhang mit der ethologie hat, steht ausser frage, aber trotzdem ist sie für die öffentliche diskussion weitaus wichtiger. was interessiert (wolfsfreunde wie gegner) sind vereinfacht gesagt fragen zum nahrungsbedarf, zur nahrungszusammensetzung, zu seiner rolle in der natur, usw. und nicht die klassisch ethologischen fragen wie die sozialstruktur im rudel. aber genau diese ökologischen fragen lassen sich mit der feldforschung weit weniger gut beantworten als die ethologischen.
Grauer Wolf

Re: Sachsen: Erneut zwei Wölfe besendert

Beitrag von Grauer Wolf »

jurawolf hat geschrieben:herrlich, wenn beide besenderungsgegner ihre argumente lang und breit darlegen und dann zum schluss noch sagen, ihre position sei ohnehin nicht diskussionsfähig... das entbehrt nicht einer gewissen ironie :twisted:
Du hast mich offensichtlich nicht ganz verstanden. Es geht nicht um persönliche Positionen, und ich habe auch nicht aus Prinzipienreiterei etwas gegen Besenderung, denn bei manchen unempfindlichen Tierarten macht die durchaus Sinn. Aber es gibt für mich moralisch-ethische Grenzen, die ich niemals überschreiten würde, um keinen Preis. Und dazu gehört das Stressen einer trächtigen oder führenden Wölfin.
Als Photograph kommt für mich so ein weiterer Punkt dazu, der allerdings "nur" ästhetischer Natur ist. Ich komme da drauf, weil ich vor ein paar Wochen einen Film sah, der sich um Schneeloeoparden drehte, eine der seltensten Raubkatzen der Welt. Nach wochenlangen Mühen samt entsprechenden Kosten kam der Kameramann endlich zum "Schuß"...
...und die Katze trug einen dieser verdammten Kragen! Ich stelle mir gerade vor, ich wäre seit Wochen hinter einem Wolfsrudel her, hätte die Bilder in der Cam... inkl. Sender. Ich würde ausrasten, wenn die ganze Arbeit für die Katz' wäre. Das ist jetzt wirklich nur ein optisches Problem und kein moralisches oder wissenschaftliches, aber in Aufnahmen einer Jagdsequenz eines Wolfsrudels konnte z.B. ich sehen, wie der Sender, der nun wirklich nicht winzig zu nennen war, bei den Attacken auf die Beute herumschlackerte. Es kann mir keiner erzählen, daß das den betreffenden Wolf nicht nervt, auch wenn vordergründig nichts davon zu sehen ist, weil er resigniert hat. Es kann mir keiner erzählen, daß ein sensibles Tier über einen Fremdkörper am Leib sonderlich glücklich ist! Über die Gefahr des "Einfädelns", die einen Wolf bei der Jagd auf wehrhafte Beute behindern und damit gefährden kann, habe ich mich hier im Forum schon geäußert, das muß ich nicht wiederholen.
jurawolf hat geschrieben:...was interessiert (wolfsfreunde wie gegner) sind vereinfacht gesagt fragen zum nahrungsbedarf, zur nahrungszusammensetzung, zu seiner rolle in der natur, usw. und nicht die klassisch ethologischen fragen wie die sozialstruktur im rudel. aber genau diese ökologischen fragen lassen sich mit der feldforschung weit weniger gut beantworten als die ethologischen.
Dafür braucht's keine Sender! Das ist eher eine Frage der systematischen Auswertung von Kotproben.
Wie auch immer, ich bleibe dabei, die Besenderung sehr kritisch zu sehen. Das Wohl des Tieres muß immer und ohne Ausnahme Vorrang vor wissenschaftlichen Erkenntnissen haben! In dem Augenblick, in dem die Suche nach Erkenntnissen über das Wohl eines intelligenten, sensiblen Tieres gestellt wird, wird m.E. eine ungeschriebene Grenze überschritten, und der Mensch sollte sich selbst gründlich prüfen, ob er morgens noch in den Spiegel schauen kann.

Gruß
Wolf
wildhund
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Re: Sachsen: Erneut zwei Wölfe besendert

Beitrag von wildhund »

Ihr müßt nicht überall in der Gegend rumlaufen und diese wunderschönen Geschöpfe und ihre natürliche Umgebung als Euer persönliches Spielfeld betrachten. Diese Welt gehört nicht Euch. Und auch nicht die Tiere.
Hallo,
ich verfolge dieses Forum nicht regelmäßig und kenne daher die Teilnehmer nicht wirklich. Hier weht es also aus der Radinger-der-Wolf-ist-frei-Ecke. Das ist immerhin viel sympathischer als die "andere" Seite. Nein, der Wolf gehört niemandem, und wer behauptete das denn auch? Das Kind gehört nicht dem Arzt, der es heilt; das (noch lebendig umherspringende) Wild nicht dem Jäger, der das Revier gepachtet hat, und der Eli und der Gesa gehören nicht die Wölfe, die sie untersuchen.
Wär zu schön, wenn der Wolf uns nicht bräuchte. Oberflächlich betrachtet tut er das auch nicht, er wandert von selbst ein, ernährt sich und zieht seine Jungen erfolgreich auf und wir müssen ihm kein Fläschchen reichen und ihn nachts nicht zudecken. Und jetzt kommen diejenigen ins Spiel, die etwas dafür tun, dass das auch in Zukunft so bleibt. Ohne den strengen gesetzlichen Schutz der letzten Jahrzehnte in D und den Wolfs-Donor-Ländern gäbe es hier keine Wölfe, und dieser Schutz resultiert in dem Umdenken, welches im Laufe des 20ten Jahrhunderts bei uns eingesetzt hat. Dieses wiederum fusst auf unterschiedlichen gesellschaftlichen Phänomenen, nicht zuletzt aber auf die Forschritte auf dem Gebiet der Ökologie und der Anerkennung dieser Disziplin als "harte" Wissenschaft. Warum wird in den Schulbüchern die Natur nicht mehr in Nützlinge und Schädlinge unterteilt, warum lernt man dort mittlerweile etwas über Ökosystemstabilität und den Wert der Biodiversität? Wenn man sich wirklich damit beschäftigt und ideologische Schranken mal durchbricht, erkennt man, welche Leistung hier im Laufe der vergangenen 50 Jahre erbracht wurde und welchen großen Einfluss das auf das gesellschaftliche Verständnis der "Natur" hatte.
Jetzt zur Bedeutung der Wolfs-Besenderer: Diese haben bislang fast alle vorhandenen Erkenntnisse zum Wolf in D erbracht (im krassen Gegesatz zu Eli und co., die tolle Geschichten erzählen können, was auch gut und wertvoll ist). Ohne dieses Wissen um die natürliche Einwanderung, die langen von Wölfen zurückgelegten Distanzen, die "Natürlichkeit" der Nähe von Wolfsrevieren zu Siedlungen, die ungefähre Anzahl der Rudel, wären den wolfsfeindlichen Lobbys Türen und Tore geöffnet. Schon die momentane Hetze ist absurd, was wäre aber, wenn man nichts Belastbares über "unsere" Wölfe wüsste? Hunderte von mordgierigen Bestien hätten wir im Lande, in vielen Regionen gäbe es kaum Wild mehr, und das verbleibende lebte in ständiger Furcht. Zum Beweis unzählige Fotos zerfleischter Lämmer. Daraus resultierte hoher politischer Druck, und das würde sich, abgesehen von sicherlich höheren illegalen Abschussraten, dauerhaft ungünstig auf den Wolf auswirken. Ich kenne das Preoblem aus anderen Ländern gut: Wenn niemand nachsieht, wie viele Individuen der Art X es in Y gibt, nennt man einfach eine absurd hohe Zahl, und dementsprechend fallen die Abschussquoten aus. Schlecht für die Art X, gut für einige einflussreiche, korrupte Menschen in Y. Nennt man eine Bestandszahl, die nach guten wiss. Standards erhoben wurde (inkl. der Unsicherheit, die solche Erhebungen immer haben), ist das Lügen für diese Personen und Lobbys nicht mehr ganz so leicht. Und das dient dann der Art X. Und um eine gute Populationsgrößenabschätzung zu erhalten, reicht es aber nicht, zu beobachten und und mit der Natur eins zu sein.
Ob man es ideologisch akzeptieren kann, oder nicht: der Wolf ist abhänging von unserer Gunst. Wir müssen ihm keine Frühstücksbrote schmieren, aber doch dafür sorgen, dass er zumindest eine minimale Akzeptanz bei denen bekommt, die von seiner Anwesenheit direkt betroffen sind. Ausrotten kann man Wölfe bei uns leicht, das hat man schon mit primitiveren Methoden effektiv hinbekommen. Wie effektiv und rasch das tatsächlich ging, als geeignete Waffen ins Spiel kamen, sieht man erst, wenn man weiß, dass die meisten Wölfe, die noch im 19 Jahrhundert hier erlegt wurden, selbst Einwanderer waren, so wie es heute wieder geschieht. Als große Art, die neiemals in hoher Populationsdichte vorkommt, sind Wölfe prädestiniert zum Aussterben, ganz im gegensatz zu Füchsen, die als Population auch die massivsten Nachstellungen überstehen. Die unkontrollierte Bejagung unserer edlen wilden, der Natur so nahen Vorfahren, die zum Aussterben zahlreicher Großwildarten führte (schade, dass es damals noch keine wissenschaftlichen Begleituntersuchungen gab, dann wäre das wohl nicht passiert) zeigt das sehr aindrucksvoll, kleine, häufige Arten sind in Europa nicht ausgerottet worden.
Aus diesem Grund braucht man Wolfsforschung. Leider, muss man sagen. Aber der Mensch ist nicht sehr weise, und manchmal hilft das Generieren von "harten" Fakten als Argumentationsgrundlage und gegen populistische Hetze gegen den Naturschutz sehr. Daher machen wir unsere Arbeit.
Grauer Wolf

Re: Sachsen: Erneut zwei Wölfe besendert

Beitrag von Grauer Wolf »

wildhund hat geschrieben:Daher machen wir unsere Arbeit.
Dagegen sagt auch keiner was, ich am wenigsten. Aber es gibt, wie ich schrieb, eben moralisch-ethische Grenzen, die ich als Wissenschaftler niemals überschreiten würde, nicht überschreiten könnte. Wenn man manche Erkenntnisse nur durch die Erzeugung von Streß unter billigender Inkaufnahme von Verletzungen oder gar Tod (die Narkotisierung von Wildtieren ist bekanntlich immer risikobehaftet) erreichen kann, dann sollte man m.E. auf diese Erkenntnisse verzichten oder versuchen, sie anderweitig zu erlangen.

Wie auch immer... Hier in der Gegend gibt es (leider noch) keine Wölfe, sondern "nur" Füchse. Ich habe diesen Tieren schon auf wenige Meter gegenüber gestanden (teilweise unter 7 Meter) oder im Gras gessen, während die Familie spielte. Ein Blick in diese wissenden :!: , warmen Augen und deren prüfender Blick zurück, der einen bis in die Seele seziert, macht es mir unmöglich, irgend etwas zu tun, was diese wunderbaren Mitgeschöpfe in irgendeiner Form auch nur ansatzweise quält. Beim Wolf wäre es bei mir nicht anders. Das ist eine Barriere, die ich nicht überschreiten könnte, denn alles, was ich einem Tier (an)tue, fällt auf mich zurück, in der einen oder anderen Weise...

Gruß
Wolf
wildhund
Beiträge: 11
Registriert: 16. Mai 2013, 19:11

Re: Sachsen: Erneut zwei Wölfe besendert

Beitrag von wildhund »

Wolfs(verhaltens)forschung heißt für mich: Feldforschung. Draußen. Bei jedem Wind und Wetter, ob strömender Regen oder klirrende Kälte. Mit Fernglas, Notizbuch, Diktiergerät und Kamera. Am Wolf direkt! Wer den Wolf erforschen und ihn verstehen will, muß sich auf ihn einlassen, ihn lieben, die Grenze zu seinem Reich mit wenigstens einem Bein überschreiten, im Extremfall Teil eines Rudels werden. (Wie hat Dian Fossey ihre bahnbrechende Arbeit über die Berggorillas durchgeführt? Sie wurde Teil der Sippe! Sic!) Er ist kein Forschungobjekt, sondern ein intelligentes, beseeltes, fühlendes Lebewesen, das Respekt verdient. Auch in dieser Punkt ist für mich nicht zu diskussionsfähig. Ethologen, die die Distanz überwanden, neue Wege gingen und sich auf ihre "Schützlinge" einließen, brachten die Verhaltensforschung nach vorne, nicht Zahlenkolonnen oder, neudeutsch, Spread Sheets.
Diese Ansicht ist ehrenwert, aber eigentlich beschreibst Du hier genau das, was ein Wissenschaftler gerade NICHT tun bzw. sein sollte. Warum muss man Regen und Kälte spüren, um Wölfe zu erforschen? Das ist pure Forschungsromantik, aber doch nicht Dein voller Ernst? Warum denn überhaupt, wie begründest Du das? Niemand hat je gefühlt wie ein Wolf, das ist doch irrre! Ein Wolf spürt den Regen und die Kälte nicht wie Du oder der "echte" Wolfsforscher, wir als Affen denken und empfinden komplett anders als Wölfe es tun. Warum sollen wir Teil eines Rudels werden, wenn es darum geht, populationsbiologische und ökologische Erkentnisse über unserer heimischen Wölfe zu erhalten? Um Gottes willen, in Ruhe lassen soll man die Tiere und nur dann stören, wenn es unbedingt sein muss, zum Beispiel bei einer Besenderung, die Mutter Wolf gut überstehen wird. Ob man führende Mütter besendern muss, weiß ich nicht, aber ich weiß, dass die Personen, die das tun, einiges über Wölfe wissen und den Tieren niemals bewusst schaden würden. Sie lieben die Wölfe, aber gleiten nicht in wildromanische Betrachtungsweisen ab und rennen mit Heulenden-Wolf-Batik-shirts durch die gegend sondern bleiben nüchtern und pragmatisch. Das interpretieren einige als Lieblosigkeit, hat damit aber rein gar nichts zu tun.
Meine Studenten, die bei mir Wildtiere erforschen wollen, kommen stets mit der gleichen Idee: "Wir wollen aber neben der Laborarbeit unbedingt auch Feldforschung machen. Das ist nachvollziehbar und spricht für sie. Es ist aber der völlig falsche Ansatzpunkt. Wissenschaft funktioniert so, dass man sich eine Problemstellung, eine unbeantwortete Frage heraussucht, die hier lauten könnte: "Woher kommen die deutschen Wölfe eigentlich und wie breiten sie sich in bislang unbesiedelte Gebiete aus?" Mei, was will ich denn da in der Kälte hocken und Notizen in mein Feldbuch krickeln? In der Verhaltensforschung sieht das anders aus, da muss ich raus zu den Tieren, genau. Aber Teil eines Rudels zu werden und die Distanz aufzugeben ist nicht unbedingt immer die beste Wahl, aber das steht hier nicht zur Debatte.
Du schreibst "er ist kein Forschungsobjekt" und damit disqualifizierst Du Dich leider als Forscher. Genau das ist er für jeden Forscher, ein Forschungsobjekt. Für den Arzt ist der zu Behandelnde im Idealfall zwar ein fühlender Mensch, aber er muss auch immer nüchtern den "Patienten" sehen, um seine Arbeit gut machen zu können. Er braucht Distanz. Beim Arzt kann man durchaus anders sehen, gebe ich zu. Für den Forscher ist das aber noch viel wesentlicher; wenn er Dinge wirklich begreifen möchte, muss er die eigene Subjektivität möglichst ausschalten. Das heißt aber nicht, dass man seine Studienobjekte nicht liebt und respektiert. Für den Soziologen sind Menschen und Gesellschaften Studienobjekte, deshalb ist er nicht kalt und herzlos, und zur Liebe zu Mitmenschen unfähig, oder?
Noch ein Beispiel: Charles Darwin, unbestritten einer der größten Naturforscher, hat unzählige Vögel und andere Lebenwesen geschossen und konserviert und mit nach England gebracht. Anhand seiner Feldforschung bei Wind und Wetter, aber (und das war tatsächlich der entscheidende Punkt) vor allem auch anhand der Untersuchung seiner durch ihm getöteten Studienobjekte (die Legende sagt, die Galapagosfinken, was aber Käse ist) reifte ihm, dank der Hinweise geschulter Kollegen, die Erkenntnis, wie Evolution funktioniert. Immer noch die wohl größte Leistung naturgeschichtlicher Erkenntnis, ohne die man einfach rein gar nicht da draussen wirklich verstehen kann. Hätte er die nötige Distanz nicht gehabt (um die Tiere etwas kaltblütig einfach abzuknallen), wäre das nicht möglich gewesen. Und wir wären dumm geblieben und stünden vor dem Wunder natürlicher Vielfalt immer noch wie der Ochs vorm Berg. Darwin mangelnde Liebe zur Natur vorzuwerfen, weil er Spottdrosseln schoss und Meerechsen gequält hat, ist doch absurd. Liebt der Wolfsforscher nun den Wolf nicht, nur weil er meist in seinem Büro sitzt und über GIS-Daten und Genotyplisten im Spreadsheetformat brütet? Was treibt ihn denn sonst an, etwas das viele Geld? Schade, dass hier so viele in Schranken denken, dabei ist das Verlassen dieser so wunderschön. Früher dachte ich, man könne die Natur "intuitiv" und durch reine Beobachtung begreifen, was für ein Fehler. Das tun viele Jäger und Naturromantiker, mit all ihren kuriosen Fehleistungen bei der Interpretation von Naturphänomenen. Das wäre ja gar nicht schlimm, wenn es nicht um den Erhalt der Naturvielfalt ginge und man dafür nicht gesicherte Erkentnisse über dieses Phänomen und seine Ursachen bräuchte.
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