Bautzener Landrat fordert "Regulierung"

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Lutra
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Re: Bautzener Landrat fordert "Regulierung"

Beitrag von Lutra »

jurawolf hat geschrieben: aber man muss sich stets über den sehr stark begrenzten und bloss kurzfristigen nutzen solcher entfernungen im klaren sein und sich keinen illusionen hingeben.
Was beim Wolf bei seiner wesentlich größeren Mobilität der Tiere sicher noch mehr zutrifft als beim Biber. Aber diese Illusionen werden gerne gesät.
LarsD

Re: Bautzener Landrat fordert "Regulierung"

Beitrag von LarsD »

jurawolf hat geschrieben:so richtig der erste teil deiner aussage ist, so falsch ist der letzte. die entfernung von bibern an solchen suboptimalen standorten löst das problem bei den grossen beständen, die wir in mitteleuropa inzwischen vielerorts haben (in teilen der schweiz ebenso wie in brandenburg), nur kurzfristig - die entsprechenden "problemreviere" sind innert kürze wieder besetzt, oft innert jahresfrist. [...] hinzu kommt das problem, dass die entfernung von bibern je nach jahreszeit
problematisch ist (säugende weibchen etc.) - ein problem, dass sich bei alternativen lösungen nicht stellt.


Mich fasziniert inzwischen dieses stets reflexartig gebrachte Argument mit den nachwandernden Tieren. ;-) Demnach macht die Jagd auf Sauen hier im Revier auch keinen Sinn - wandern ja wieder welche ein. :mrgreen: Ich habe mit diesem Umstand so gar kein Problem - ganz im Gegenteil. Die Schäden bleiben im Rahmen, es gibt lecker Biofleisch auf den Tisch und den Spaß an der Jagd gibt es dazu. Das Ganze ist doch eine Frage der Intensität, mit der ich mich daran mache, den natürlichen "Überhang" einer Population abzuschöpfen. Warum den Biber in konfliktträchtigen Bereichen nicht unter Berücksichtigung seiner Biologie (säugende Weibchen ... ) stramm bejagen und so gleichzeitig nutzen? Das, in Kombination mit Präventionsmaßnahmen an besonders gefährlichen Ecken, wäre doch der wohl nachhaltigste Weg, ein vernünftiges Miteinander zu organisieren.
mittels baulichen massnahmen, die zwar in der investition teuer sind, aber sich über jahrzehnte dennoch amortisieren, lassen sich diese konflikte meist lösen (renaturierungen, breitere pufferstreifen, aber auch einbau von netzgittern, usw.). tut man dies nicht, wird der nächste zugewanderte biber dann bis zu seiner entfernung doch wieder ein schäden anrichten, die ihrerseits erneut kosten verursachen.


Hast Du eine ungefähre Vorstellung davon, was es kosten würde, all die neuralgischen Bereiche mit baulichen Maßnahmen zu sichern, in denen Biber jetzt oder in Zukunft Schäden machen und wahrscheinlich machen werden? Ich bin gespannt, was allein das Einzäunen der im Filmbeitrag gezeigten Teichanlage kosten wird. Kosten, die sich aus der Bewirtschaftung der Teiche heraus nicht refinanzieren lassen werden. Dazu sind die Erträge zu mager. Bleibt die Option, die Maßnahme über Förderprogramme zu finanzieren - ist das gleiche Programm, aus dem auch die wolfssicheren Zäunungen für Nutzvieh gefördert werden. Mal sehen, welche Summen in den Topf zur Verfügung stehen.
an sich bin ich beim biber ebenso wenig dagegen, dass man im notfall einzeltiere entfernt (tötet) und langfristig den bestand jagdlich nutzt, wie ich das beim wolf auch nicht bin. hierbei unterscheide ich mich wohl von den meisten foristen hier. aber man muss sich stets über den sehr stark begrenzten und bloss kurzfristigen nutzen solcher entfernungen im klaren sein und sich keinen illusionen hingeben.
Glaubt man den Rezepten in alten Fischkochbüchern, muss der Biber ein sehr delikates Fleisch haben. Auch wenn das beim Wolf sicher nicht so ist, einen schönen Balg liefern Biber und Wolf in jedem Fall. So gesehen ist der Nutzen der Entnahme einzelner Tiere so kurzfristig nun auch wieder nicht.

Viele Grüße

Lars
jurawolf
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Re: Bautzener Landrat fordert "Regulierung"

Beitrag von jurawolf »

LarsD hat geschrieben:Mich fasziniert inzwischen dieses stets reflexartig gebrachte Argument mit den nachwandernden Tieren. ;-) Demnach macht die Jagd auf Sauen hier im Revier auch keinen Sinn - wandern ja wieder welche ein. :mrgreen:
absolut, das ist bei den sauen nicht anders. denn auch hier gilt, was ich bei biber und wolf sage: man muss anerkennen, dass auch hier die bejagung nur bis zu einem gewissen grad abhilfe gegen schäden schaffen kann. gerade jüngst publizierte studien und metastudien haben wieder mal gezeigt, wie gerade die sauen auf erhöten jagddruck reagieren - mit einer erhöten reproduktion (frühere und asaisonale frischungen, höherer anteil beschlagener frischlingsbachen, grössere wurfgrössen, etc.). quellen sind etwa gamelon et al. 2011 und servanty et al. 2011.

natürlich ist jede tierart verschieden und diese ergebnisse der sauenforschung können nicht direkt auf den biber oder den wolf übertragen werden. aber bei allen arten zeigt sich aus diesem oder jenen grund die begrenztheit des mittels jagd zur schadenabwehr.

an sich haben wir beide wohl gar keine grossen differenzen bei der frage, was dies nun konkret heisst. denn ich bin ja weiss gott nicht gegen die sauenbejagung und auch folgende aussage ist im prinzip kongruent mit meiner:
LarsD hat geschrieben:Warum den Biber in konfliktträchtigen Bereichen nicht unter Berücksichtigung seiner Biologie (säugende Weibchen ... ) stramm bejagen und so gleichzeitig nutzen? Das, in Kombination mit Präventionsmaßnahmen an besonders gefährlichen Ecken, wäre doch der wohl nachhaltigste Weg, ein vernünftiges Miteinander zu organisieren.
kernpunkt dabei ist aber eineseits der zusatz "in konfliktträchtigen bereichen", denn so mühsam der biber an fischteichen oder entwässerungskanälen ist, so unglaublich wertvoll ist er in den normalen gewässern (schirmart biber). dort lücken in den bestand zu reissen, kann nicht das ziel sein. der andere kernpunkt sind die präventionsmassnahmen, die ohnehin ergriffen werden müssen. die totale entfernung des bibers kann nur eine kurzfristige übergangslösung sein, bis diese greifen. denn wie du richtig sagst, kosten diese zwar nicht wenig geld. aber eben, die alternative bejagung ohne präventionsmassnahmen verursacht ebenso kosten, die langfristig sogar höher ausfallen werden (es gibt dazu berechnungsmodelle, aber ich glaube nicht online).

bei der berücksichtigung der biologie muss zudem das sozialverhalten bzw. die sozialstruktur des bibers beachtet werden, analog der wolfsjagd. säugende weibchen leben ja nicht alleine, sondern im familienverband mit festem partner, die ihrerseits eigentlich auch geschont werden müssen. also im prinzip muss man bei einer entfernung gleich nach dem motto verfahren "ganz oder gar nicht".
balin
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Re: Bautzener Landrat fordert "Regulierung"

Beitrag von balin »

Cool! :-D
Ich bin auch für Herdenschutzmaßnahmen und für begleitende Jagd auf Problemwölfe. Wölfe an sich sind nützlich, in Problembereichen muß man dann intelligent eingreifen. Jagd an sich ist kein Allheilmittel. Am Beispiel des Bibers eigentlich gut beschrieben.
Danke!
Was die Sauen anbetrifft.... man wird hier im Forum beobachten, daß die Vermaisung der Landschaft mindestens so in der Kritik steht wie die sofahockenden Jäger.
Wölfe sind da zwar auch keine Erlöser, aber sie bringen Bewegung ins Geschehen. Biber und Wolf verteilen sich, Mensch und Schwein kann man in Massengehegen halten. Das sollte man auch berücksichtigen. ;-)
piscator
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Re: Bautzener Landrat fordert "Regulierung"

Beitrag von piscator »

@ Jurawolf

(Meine Antwort ist etwas verspätet … Abschicken hatte nicht geklappt)

>> gesehen werden sie kaum. aber was hat das mit dem wolf zu tun?
>> im prinzip wirds bei diesem gleich sein.

Weil der Dachs „Nachtaktiv“ ist?
Wie das beim Wolf ist - Google brachte für Wölfe + Nachtaktiv 300.000 Treffer.
Einer hier im Forum:
„Sind Wölfe eigentlich nachtaktiv oder tagaktiv? Ist es ungewöhnlich Wölfe am Tag zu sehen? Derzeit werden sie jedenfalls oft am Tag gesehen, wie zuletzt bei Mattendorf (Revier der Zschornoer Wölfe?)“

.. heißt dann wohl tagaktiv und nicht mehr menschenscheu?


>> gehts wirklich nur um den menschen?

Wenn sich Nutztiere + Hunde in der Nähe des Menschen aufhalten überschneidet sich das etwa nicht?

>> regulierung .. in DE ohnehin nicht möglich,
>> wenn du das so siehst, ist hier eh "end of discussion".

Ist mein Eindruck das dies so ist. Wieso siehst Du das anders?
Beim Biber sagen unsere Naturbeschützer sei das nicht nötig – die regulieren sich selbst.
Nur an Bahndämmen sollten Biber nicht bauen, an Feldwegen solle man sie lassen und an Hochwasserschutzdämmen die Baue nur bei akut drohenden Hochwasserereignissen entfernen.
Das ist erklärtes Programm des NABU in BBG.
Einen Ökobauern haben die Biber 50ha überschwemmt – kein Grund die umzusiedeln.

Übrigens wurde dem Teichwirt aus obigen Film empfohlen keine Stahlmatten einzubauen sondern seine Teiche einzuzäunen.

„Als vorbeugende Maßnahme gegen das bauwütige Nagetier hält die Umweltbehörde die Einlagerung von Stahlmatten in die Dämme für nicht wirtschaftlich. Sie empfiehlt hingegen den Bau von Zäunen rund um das Grundstück, die tief in die Erde eingelassen werden. So würde der Biber quasi ausgesperrt. Das sei vorerst die sinnvollste Variante und im Sinnes des Naturschutzes.“

Zum Thema Untergrabschutz für Biber kann der wohl auch den lokalen Wolfsbeauftragten fragen....


>> ein detail am rande ist, dass bei kormi und biber das geschrei und gejammer
>> ebenso wie beim wolf masslos übertrieben ist. im gegensatz zum wolf hab
>> ich mit diesen beiden arten auch beruflich zu tun und weiss dort ganz gut
>> was sache ist.

(Fast das gleiche Zitat kenne ich von einen Brandenburger Experten.... )

DU weißt also was Sache ist? Endlich mal jemand mit Ahnung den ich fragen kann.
In der Schweiz gibt es aktuell doch aktuell so ca. 350 Brutpaare. In Sachsen Anhalt gibt es diese Zahl allein an einen Tagebausee der etwa 100 bis 200x kleiner ist als der Neuchatel. Wintergäste gibt’s hier auch zwischen 3000 und 6000.

Meinst Du die Situation ist vergleichbar? - Unsere Vogelnarren meinen eben dies. Die Kormoranbestände in Sachsen-Anhalt sind
„ Fast gar nichts“ und Untersuchungen in Ch hätten ergeben das keine Schäden auftreten, auch nicht bei der Äsche. Und der K. würde an den Äschengewässern nur beobachtet.

Übrigens auch der Kormoran vermehrt sich bei Bejagung stärker. Dies hat eine Untersuchung der Rheinlandpfälzischen grünen Umweltministerin ergeben (...) . Diese Studie habe ich leider noch nicht in die Finger bekommen.


Zurück zum Wolf - Du bist also wie der Landrat für Regulierung?
jurawolf
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Re: Bautzener Landrat fordert "Regulierung"

Beitrag von jurawolf »

beim kormi sind wir inzwischen bei 1000 brutpaaren, der vermehrt sich rasch.

ob ich beim wolf für regulierung bin? wenns nur nach mir ginge, müsste das nicht sein, da ich nur beschränkt einen nutzen in der wolfsjagd sehe (felle kann man verwerten, aber sonst?) und die regulierung - analog biber übrigens - aus ökologischer sicht völlig unnötig ist. grundsätzlich möchte ich aber keine hierarchien innerhalb der wildtiere vornehmen und stehe daher auch einer jagdlichen nutzung (≠regulation!) dieser arten nicht ablehnend gegenüber. ich bin aber widerum strikte dagegen, tiere zu töten, die man nicht breit verwerten kann und halte vom pauschalargument "regulation" zur begründung der jagd herzlich wenig (ich jage doch nicht um zu regulieren!).

in diesem sinne:

regulation: nein (und erst recht nicht zum jetzigen zeitpunkt)
abschüsse von stark schadenstiftenden einzeltieren & jagdliche nutzung: ja (ersteres als ultima ratio, letzteres nur sanft und gezielt)
porcellus
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Re: Bautzener Landrat fordert "Regulierung"

Beitrag von porcellus »

Das mit dem Kormi sehe ich eher kritisch. Unsere Nachbarländer, besonders in Skandinavien, unterscheiden schon lange zwischen dem Europäischen oder Küstenkormoran Phalacrocorax carbo und dem sog. Binnenkormoran, P. c. sinensis, der im 18. Jahrhundert zur Belustigung des Adels als „Angelkormoran“ den Herrschaften Fische bringen durfte. Als es aus der Mode kam, wurden sie freigelassen und haben es jetzt geschafft, sich landeinwärts auszubreiten.
Ist mehr offtopic, das hier weiter zu behandeln, aber es verdeutlicht, dass kein Artenschutzprojekt isoliert betrachtet werden darf. Wir haben nicht das Recht, eine Art (oder BÖSES Wort Rasse) an die von uns gewollte Spitze zu stellen. Wer sagt, Waschbär, Marderhund und Mink müssen weg, sollte mal den Gedanken an den Kormi im Binnenland und seien Appetit an ebenfalls geschützten Fischarten verschenken. Folgten wir den Definitionen des Artenschutzes, wäre P.C. sinensis eine invasive Art.
wolfcorata
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Re: Bautzener Landrat fordert "Regulierung"

Beitrag von wolfcorata »

Hallo porcellus,

diese These mit P.c. sinensis konnte ich nur in Angler -oder Jagdforen bestätigt bekommen.
Uni etc. sagen, die Kormis sind bereits steinzeitlich im Binnenland und somit ja wohl eher c.sinensis nachgewiesen.
Wäre toll wenn ich etwas über deine These in einem unabhängigen, wissenschaftlichen Beitrag irgendwo lesen könnte.


Gruß

Wolfgang
LarsD

Re: Bautzener Landrat fordert "Regulierung"

Beitrag von LarsD »

wolfcorata hat geschrieben: Wäre toll wenn ich etwas über deine These in einem unabhängigen, wissenschaftlichen Beitrag irgendwo lesen könnte.


http://www.researchgate.net/publication ... Subspecies

Jagd- und Angelforen sind da in der Tat nicht die objektivsten Quellen. Es gibt eine Reihe von Untersuchungen, die sich den Ursprüngen der schwarzen Flattermänner auf der genetischen Ebene widmen. Die oben verlinkte Arbeit ist einer der aktuelleren Studien und gibt einen ganz guten Einblick, wer da wo mit wem ... ;)

Viele Grüße

Lars
wolfcorata
Beiträge: 15
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Re: Bautzener Landrat fordert "Regulierung"

Beitrag von wolfcorata »

Danke
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