S-A:Jagdverband will Wölfe schießen

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Nina
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S-A:Jagdverband will Wölfe schießen

Beitrag von Nina »

Der Jagdverband in Sachsen-Anhalt will Wölfe schießen, um ihnen "wieder Scheu" beizubringen. Achtung, kein Witz: Begegnungen mit Menschen würden dadurch angeblich "vermieden":
«Mit Besorgnis beobachten wir bei unseren Aufenthalten in der Natur, dass die natürliche Scheu des Wolfes vor uns Menschen schwindet», teilte der Verband am Montag mit. Teilweise sei es schon zu Angriffen von Wölfen auf Jagdhunde gekommen. Hinzu kämen Angriffe auf Nutzvieh wie etwa Schafe. [...] «Die Erfahrung aus anderen Ländern hat gezeigt, dass dort, wo der Wolf bejagt wird, der Respekt des Wolfs vor dem Menschen wieder steigt», heißt es in der Mitteilung. Der Kontakt zu Menschen werde dadurch vermieden. [...] Der Jagdverband fordert daher, Wolfe schießen zu dürfen, die sie oder ihre Hunde bedrohen. Auch Tiere, die für eine Vielzahl von Rissen verantwortlich sind, sollen zum Abschuss freigegeben werden. Außerdem fordern die Jäger eine «ordnungsgemäße Bestandskontrolle und Bejagung».

WELT, 29.03.2021: Sachsen Anhalt: Jagdverband will Wölfen mehr Respekt vor Menschen einflößen https://www.welt.de/regionales/sachsen- ... essen.html
Mit einem Blick nach Schweden kann man anlässlich der Pressemitteilung des Jagdverbands Sachsen-Anhalts von Desinformation sprechen: Denn dort sind närgångna vargar oder nära vargar, also Wölfe, die in Siedlungen oder Siedlungsnähe gesehen werden, trotz Jagd ein häufiges Phänomen. "Der Kontakt zu Menschen werde dadurch vermieden" ist 'ne steile These, die in der Realität keine Entsprechung findet.

Und wie war das mit den Jagdhunden? Warum möchte der Jagdverband Jägarnas Riksförbund die Wölfe langfristig wieder ganz ausrotten?

Die Reduktion von 365 auf die zunächst gewünschte Zahl von 170 Wölfen solle laut Jägarnas Riksförbund langfristig nur ein erster Schritt zur erneuten Ausrottung der Wölfe in Schweden sein, "um die Lebensqualität für Mensch und Tier wiederherzustellen". Der Jagdverband sagt "Nein zu wildlebenden Wölfen in Schweden". Die schwedische Landbevölkerung sei durch die Anwesenheit der Wölfe bei der Jagd und in der Tierhaltung beeinträchtigt, in ihrer Freiheit nach dem "Allemannsrätt" eingeschränkt und würde sich u.a. nicht mehr trauen, zu wandern oder Pilze und Beeren sammeln zu gehen. In den letzten 15 Jahren seien 260 Jagdhunde getötet und 170 verletzt worden.¹

Warum nur erzählen Jäger immer wieder solche Geschichten - und warum zeigen Beispiele wie Schweden, dass durch Bejagung die Wölfe eben nicht "scheu" und Begegnungen mit Menschen dadurch auch nicht vermieden würden?
Es ist weiterhin bisher nicht wissenschaftlich belegt, dass eine Bejagung die Scheu der Wölfe dem Menschen gegenüber erhöhen würde. Seitens der zumeist jagenden Befürworter wird dabei häufig ein Vergleich zwischen dem Verhalten ihnen bekannter jagdbarer Tiere (Reh-Rot-Schwarzwild) gezogen, die sich auf intensivierte Jagdaktivitäten (z. B. im Winter nach Bewegungsjagden) mit erhöhter Vorsicht (Scheu) einstellen. Dieser Vergleich ist in meinen Augen fachlich kritisch zu hinterfragen. Beutetieren liegen von Natur aus etwas andere Handlungsprioritäten zu Grunde als großen Beutegreifern. [...] So beruht die sogenannte „Scheu“ des Wolfes m. E. nicht prioritär in der „Angst vor dem Menschen aufgrund von Bejagung“, sondern es liegt ihr vielmehr eine natürliche Vorsicht zu Grunde, die dieses Tier besitzen muss, wenn es sich nicht durch eine unvorsichtige Annäherung an unbekannte Objekte in Gefahr begeben will. [...] Eine Verknüpfung schlechter Erfahrungen (hier Bejagung) kann nur dann zum Menschen geschehen, wenn sich dieser bei den einwirkenden aversiven Reizen nahe genug am Wolf befindet. Der so bejagte Wolf muss zudem noch überleben, um seine Erfahrungen weitergeben zu können. [...] Bei der Ansitzjagd ist eine Verknüpfung des aversiven Reizes zum Menschen jedoch schwer herzustellen. Viel wahrscheinlicher könnte es hingegen eine Verknüpfung zum Ort des Geschehens geben, da menschlicher Geruch in unserer dicht besiedelten Gesellschaft allgegenwärtig ist. Überspitzt ausgedrückt könnte ein bejagter Wolf heute vielmehr lernen, den jagdintensiven Ort „Wald/Feld“ zu meiden und stattdessen die jagdberuhigte Nähe von Siedlungen zu suchen.

Birgit Mennerich-Bunge: Eine amtstierärztliche Sicht auf die Rückkehr des Wolfes nach Deutschland, 2016, Amtstierärztlicher Dienst und Lebensmittelkontrolle 23. Jahrgang – 4/2016, Seite 225-227 https://www.vetimpulse.de/fileadmin/use ... Wolfes.pdf
Die nunmehr 60 nachgewiesenen illegalen Tötungen und 444 wölfische Todesopfer im Straßenverkehr² haben den Wölfen weder "Scheu" vor den Menschen noch Scheu vor Bundesstrassen, Autobahnen und Schienenverkehr beibringen können. Schwer nachvollziehbar, warum der Landesjagdverband solche Fakten ausblendet.


¹ Altinget, 23.01.2020: Jägarnas riksförbund: "Nej till frilevande varg i Sverige" https://www.altinget.se/artikel/jagarna ... -i-sverige

² Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf, DBBW: Totfunde von Wölfen - Zusammenfassung nach Bundesländern, Abfrage der DBBW-Datenbank am 29.03.2021 https://www.dbb-wolf.de/totfunde/totfun ... eslaendern
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