Wolf will Welpen begraben

Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Brandenburg, Berlin, Mecklenburg-Vorpommern
Lutra
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Wolf will Welpen begraben

Beitrag von Lutra »

Gestern früh wurde zwischen Boxberg und Weißwasser auf der berühmt-berüchtigten B156 ein Wolfswelpe überfahren. Das ist nun leider so ungewöhnlich nicht. Aber was danach geschah, war doch etwas außergewöhnlich. Während die Polizei den Unfall aufnahm, kam ein weiterer Wolf aus dem Wald, ging zu dem toten Welpen, packte ihn und schleppte ihn zum Waldrand und begann das tote Tier zu vergraben. Gegenüber Polizeibeamten, die sich ihm näherten, fletschte er mit den Zähnen. Die Polizisten informierten das Wolfsbüro. Als Ilka Reinhrdt am Unfallort ankam, zog sich der Wolf in den Wald zurück.
So war es heute in der "Sächsischen Zeitung" zu lesen.
Grauer Wolf

Re: Wolf will Welpen begraben

Beitrag von Grauer Wolf »

Ein interessantes Phänomen, gleichwohl ein trauriges. :(
Das deckt sich mit dem Bericht von M. Bekoff, der eine Fuchsfähe dabei beobachtete, die ihren toten Gefährten mit allen körpersprachlichen Anzeichen großer Trauer begrub. Offensichtlich begraben auch Wölfe manchmal ihre Toten, wie auch in den USA schon beobachtet wurde. Die Szene geht einem irgendwie nahe und rückt diese Tiere in ihren sozioemotionellen Fähigkeiten in unsere Nähe.
Gegenüber Polizeibeamten, die sich ihm näherten, fletschte er mit den Zähnen.
Vielleicht hätte man ihn in Ruhe lassen sollen. Der Wolf hat ein Familienmitglied verloren und dürfte, wenn ich Rückschlüsse aus dem Verhalten meiner Hunde (sind ja auch Canis lupus) übertrage, zu dem Zeitpunkt verstört und traurig gewesen sein. Das hat man auch als Mensch zu respektieren. Caniden sind nun einmal emotionale Lebewesen, die sehr aneinander hängen. Ich hätte mir so eine Störung auch verbeten.

Gruß
Wolf
Widukind

Re: Wolf will Welpen begraben

Beitrag von Widukind »

Lutra hat geschrieben:... Als Ilka Reinhrdt am Unfallort ankam, zog sich der Wolf in den Wald zurück ...
... wahrscheinlich dachte er in diesem Moment: " Nicht die schon wieder mit ihren Tellereisen und Senderhalsbändern ... " :p
Lutra
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Re: Wolf will Welpen begraben

Beitrag von Lutra »

Hier noch ein Artikel aus der "Sächsischen Zeitung" (Danke, Trockenmaurer! ;) ):

http://www.sz-online.de/sachsen/die-tra ... 04819.html
Grauer Wolf

Re: Wolf will Welpen begraben

Beitrag von Grauer Wolf »

Lutra hat geschrieben:Hier noch ein Artikel aus der "Sächsischen Zeitung" (Danke, Trockenmaurer! ;)
Soviel zur Menschenscheu der Wölfe.
Soviel zum nicht vorhandenen Wissen dieses Menschen über Trauerrituale bei Caniden im Besonderen und zum Thema Selbstüberhöhung gegenüber den Emotionen von hochentwickelten, sozialen Tieren allgemein. Lesen bildet und so wäre er z.B. auf einschlägige Berichte aus dem Yellowstone und von Marc Bekoff gestoßen, der gleiches von Füchsen berichtet.

Gruß
Wolf
balin
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Re: Wolf will Welpen begraben

Beitrag von balin »

@Grauer Wolf
Unbestritten, du bist Vorbild für deine Hunde und du hast eine Vorstellung von ihnen. Hatte ich auch mal von Kühen, aber seitdem ich sie in die Freiheit entlassen habe, muß ich ständig dazulernen. Heilige Kühe...vielleicht in meinem Kopf, aber da ist Mobbing, Opportunismus und vieler andere Scheiss, den wir bei uns auch kennen.
Trauer habe ich bei denen noch nicht registriert und bei den Hunden eigentlich auch nicht. Da war vielleicht ein Gewohnheitsbruch, das Maximum war fünf Tage auf das Kalb am letzten Treffpunkt warten, aber genauer betrachtet hängt das auch mit der Last eines vollen Euters zusammen. Wenn da ein Nachfolger da ist, wie zb ich, löst sich die Trauer sehr schnell auf. Ich glaube, auch bei den Wölfen muß man da sehr genau hinschauen. Beim Menschen reduziert sich ja Trauer auch oft nur auf Selbstmitleid und hat mit dem anderen Wesen eigentlich nicht viel zu tun.
Muß man mal so aussprechen!
Grauer Wolf

Re: Wolf will Welpen begraben

Beitrag von Grauer Wolf »

balin hat geschrieben:Beim Menschen reduziert sich ja Trauer auch oft nur auf Selbstmitleid und hat mit dem anderen Wesen eigentlich nicht viel zu tun.
Muß man mal so aussprechen!
Jein. Ein Gefühl des Verlustes ist natürlich zwangsweise ich-bezogen, weil eine sehr enge Bindung zerrissen wurde, was unter Extremumständen sogar tödlich enden kann (als "Broken Heart Syndrom" auch bei Wölfen bekannt). Tatsache bleibt aber, daß ich die Trauer bei meinen Tieren defintiv beobachtet habe, allerdings unterschiedlich lang. Unser Jungrüde steckte den Verlust der Leithündin, unbekümmert, wie die Jugend nun mal ist, vergleichsweise schnell weg (zumal auch keine Mutter-Sohn-Beziehung bestand. Gleichwohl kümmerte er sich rührend um unsere Leithündin!), brauchte aber auch etliche Tage. Bei "meiner" Hündin dauerte es sehr viel länger, vielleicht weil wir (also meine Leithündin, ihre jüngste Tochter und ich) in den letzten Jahren immer zusammensteckten und jeden Tag viele Stunden zusammen unterwegs waren. Bei der etwas (6 Stunden :pleased: ) älteren Tochter, die an meine Frau gebunden ist, kommt noch ein zweiter Aspekt hinzu. Sie war schon immer Rudelzweite resp. designierte Nachfolgerin und muß sich jetzt zusätzlich zum Verlust der Rudelführung in die Rolle der Leithündin reindenken, was allmählich auch geschieht (ihr Gesamtverhalten ändert sich, sie ist selbstbewußter und führungsstärker geworden). Ein natürliches Verhalten, das dem Erhalt des Familienverbandes dient, wobei meine Frau und ich natürlich als Konstante erhalten blieben.
Noch auffälliger war die Trauer dieser Hündin beim Verlust ihres Bruders vor en paar Jahren. Obwohl natürlich sexuelle Kontakte unterbunden wurden ("Zuchtanleihe" muß ich nicht haben), verstanden sie sich emotionell als festes Paar (das ging soweit, daß fremde Rüden resp. Hündinnen selbst während der Hitze ignoriert wurden) und als der Rüde starb, litt die Hündin so stark, daß sie schwer krank wurde und sich erst nach vielen Wochen erholte.
Worauf ich hinaus will ist, daß wir Menschen unseren Hunden und damit "über Eck" auch den Wölfen das reiche Gefühlsleben zugestehen sollten, daß sie tatsächlich haben. Selbst die moderne Verhaltensforschung tut sich da teilweise immer noch schwer (Coppinger empfinde ich z.B. in seiner diesbezüglichen Ignoranz schon fast als gruselig) und erst allmählich beginnt mit einigen Protagonisten dieser Disziplin ein längst fälliges Umdenken.

Gruß
Wolf
balin
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Re: Wolf will Welpen begraben

Beitrag von balin »

Na gut, wir werden am Thema dranbleiben und wir haben jetzt einen Anlaß dazu. Offen bleibt das Ergebnis in jedem Fall, weil Wölfe auch unterschiedlich sind. ;-)
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Ash
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Re: Wolf will Welpen begraben

Beitrag von Ash »

Lt. offiziellem Bericht des Wolfsbüros hat Brüderchen das Schwesterchen auch angefressen, bevor er versuchte, sie zu begraben. Deuten kann ich das aber auch nicht.
Grauer Wolf

Re: Wolf will Welpen begraben

Beitrag von Grauer Wolf »

Ash hat geschrieben:Lt. offiziellem Bericht des Wolfsbüros hat Brüderchen das Schwesterchen auch angefressen, bevor er versuchte, sie zu begraben. Deuten kann ich das aber auch nicht.
Wirklich angefressen (inkl. entsprechender, forensischer Spuren) oder wurden da die Wunden geleckt (Pflege von Verletzungen bei Familienmitgliedern!), was aus der Distanz bei schlechtem Licht so aussehen kann? Ein Handyvideo ist kein Auflösungswunder, schon gar nicht im Dämmerlicht.
Außer in Zeiten höchster Not frißt kein Wolf ein eigenes Familienmitglied an (das tun dann sogar Menschen). Das wäre völlig untypisch!

Gruß
Wolf
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