Im Landkreis Uelzen erreicht dieser Konflikt eine neue Eskalationsstufe: Brennende Ansitze in den Wäldern und ein Hausbesuch bei der Wolfsberaterin, der an Mafia-Methoden erinnert.
Hallo Niedersachsen, 17.03.2021, Anmoderation des Filmbeitrags durch Jan Starkebaum https://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/ ... 64714.html
Der Unterschied zwischen den brennenden Hochsitzen und dem mafiaähnlichen Besuch: Im ersten Fall sind Täter und Motiv völlig unbekannt; im zweiten Fall dagegen bestreitet der Verursacher das Geschehen nicht, hat sein Motiv sogar gegenüber der Presse dargelegt - und es wird konkret gegen ihn ermittelt.
Die brennenden Hochsitze stehen allein in zeitlichem Zusammenhang zu dem angeordneten (Fehl-)abschuss einer Wölfin; die Hintergründe sind aber völlig unklar.
Im Landkreis Uelzen ermittelt der Staatsschutz, nachdem in der Feldmark bei Brockhöfe drei Hochsitze gebrannt haben. Ein Polizeisprecher sagte, es sei nicht auszuschließen, dass Tierschützer die Brände gelegt haben. [...] Auch bei Lüneburg waren vor einigen Jahren Hochsitze beschädigt worden. Damals hatten sich Tierschützer dazu bekannt.
Im aktuellen Fall liegen aber laut Polizei keine entsprechenden Erkenntnisse vor.
NDR, 10.03.2021: Brandstiftung? Im Landkreis Uelzen brennen drei Hochsitze https://www.ndr.de/nachrichten/niedersa ... g5314.html
Wobei die pauschale Bezeichnung "Tierschützer" schon eine Unterstellung ist, die eine riesige Bandbreite von anerkannten gemeinnützig arbeitenden Tierschutzvereinen, Naturschutzorganisationen über Anhänger einer veganen oder vegetarischen Ernährngsweise bis hin zu einem wohl eher kleinen radikalen Teil abdeckt, wobei all die vielen unterschiedlichen Menschen aus ganz unterschiedlichen Motiven heraus arbeiten, aber erstmal alle komplett in eine Ecke gestellt werden. Würde man die Pauschalstigmatisierung "Tierschützer" (i. S. v. = radikal) durch "Flüchtlinge" oder "Behinderte" ersetzen und mit einem derartigen Pauschalverdacht versehen, müsste wohl auch ein Polizeisprecher zu einer derartigen Aussage (zu Recht!) noch ein paar zusätzliche Fragen beantworten.
Für Umweltminister Olaf Lies ist ebenfalls ohne Kenntnis der Täter oder Motive klar, dass es
gegen Jäger ging:
Auf der einen Seite die Eskalation der brennenden Hochsitze, die sich
gegen die Jäger richtet - das geht überhaupt nicht und auf der anderen Seite eine, eine, Art umzugehen damit, mit dem toten Kalb, das gehört sich einfach nicht.
Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies im Filmbeitrag des NDR, Wolfsberaterin fühlt sich von Landwirt bedroht, 17.03.2021 https://www.ndr.de/nachrichten/niedersa ... f4474.html
Das eine geht gar nicht, aber eine Frau, die in ihrem privaten Zuhause gezielt von drei Männern aufgesucht und bedroht wird, "das gehört sich nicht" - als ginge es hier lediglich um den Knigge!
Bei den brennenden Hochsitzen ist die Cui bono?-Frage gar nicht mal so uninteressant. Denn wer könnte ein nicht zu unterschätzendes Interesse daran haben, dass die angeblichen "Bedrohungslagen" für die Wolfsjäger aufrechterhalten und damit sämtliche Wolfsabschüsse geheim blieben - und damit weiterhin der gerichtlichen Überprüfbarkeit entzogen würden? Zündeten Wolfsgegner selbst die maroden Hochsitze an, wie sie auch hier in unserem Landkreis zu finden sind, hätte man das leidige Entsorgungsproblem gelöst - und die Wolfsjagd durch die Hintertür könnte munter weitergehen. Nur mal so als Gedanke.
Aber wenn wir schon bei pauschalen Zuweisungen sind:
Das Auskunftsrecht der Öffentlichkeit stößt aber dann an Grenzen, wenn Ruf und Leben von Menschen bedroht sind. Hier geht es etwa um Nutztierhalter, die in ihrer Not den Abschuss eines Problemwolfes beantragen und Jäger, die den Staat uneigennützig und aus Verantwortungsbewusstsein bei der Entnahme unterstützen. Die Erfahrungen mit Mobbing und Bedrohungen Betroffener lassen aktuell leider keinen gelasseneren Umgang zu. Hier müssen sich diejenigen, die Transparenz um jeden Preis fordern, fragen lassen, wer den Preis dafür zahlen soll. Todeswünsche für Schäfer in Social Media
und Schüsse auf einen Hochsitz sind nur einige der leider zahlreichen Beispiele, was Beteiligte hier zu befürchten haben.
Niedersächsisches Ministerium für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz, PI 016/2021: Umweltministerium trennt sich von zwei Wolfsberatern - Abschussgenehmigungen für Wölfe bleiben nicht öffentlich https://www.umwelt.niedersachsen.de/sta ... 96848.html
Wer letztendlich auf die Hochsitze geschossen hat, weiß der niedersächsische Umweltminister Olf Lies allerdings nicht, wie er in der jüngsten Landtagsantwort dann auch zugeben musste:
[Frage aus der Opposition]:
11. Vor dem Hintergrund, dass Umweltminister Olaf Lies die Geheimhaltung von Wolfsentnahmegenehmigungen mit Schüssen auf einen Hochsitz begründet: Wann wurde wo auf welchen Hochsitz geschossen?
[Antwort der Landesregierung]:
Die Pressemitteilung des Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz bezog sich auf einen Vorfall im Landkreis Nienburg im Oktober 2020. Bei der örtlich zuständigen Polizeidienststelle wurden Sachbeschädigungen von insgesamt drei Hochsitzen durch Beschuss angezeigt. Es konnten im Rahmen der Ermittlungen jedoch keine Täter- und/oder Zeugenhinweise erlangt werden, die zur Aufklärung der Tat führten. Ein mutmaßlicher Zusammenhang zwischen den Sachbeschädigungen und der „Wolfsschützerszene“ konnte bislang nicht nachgewiesen werden. Das Strafverfahren wurde durch die zuständige Staatsanwaltschaft eingestellt. Die Geheimhaltung der Ausnahmegenehmigungen wird nicht auf diesen Sachverhalt gestützt.
Landtagsantwort 18/8780 vom 16.03.2021 auf die Anfrage 18/8523 der Abgeordneten Christian Meyer, Imke Byl und Helge Limburg (GRÜNE): Ist Kritik an illegalen Wolftötungen unerwünscht? Warum hat das Umweltministerium ehrenamtliche Wolfsberater entlassen?, Seite 4 https://www.landtag-niedersachsen.de/Dr ... -08780.pdf
[Frage der Opposition]:
12. Welche Vorfälle bezüglich Schüssen auf einen Hochsitz im Zusammenhang mit Wolfsjagden sind polizeilich registriert, und welche Täter wurden ermittelt?
[Antwort der Landesregierung]:
Eine Auswertung auf Grundlage der Polizeilichen Kriminalstatistik kann aufgrund der angefragten Parameter „Hochsitz“ und „im Zusammenhang mit Wolfsjagden“ nicht automatisiert vorgenommen werden, da es sich bei den möglichen Eingabefeldern im polizeilichen Vorgangsbearbeitungssystem NIVADIS nicht um Pflichtfelder handelt. Demzufolge wäre eine zeit- und personalintensive händische Auswertung sämtlicher Fälle mit einem unverhältnismäßigen Aufwand verbunden.
Landtagsantwort 18/8780 vom 16.03.2021 auf die Anfrage 18/8523 der Abgeordneten Christian Meyer, Imke Byl und Helge Limburg (GRÜNE): Ist Kritik an illegalen Wolftötungen unerwünscht? Warum hat das Umweltministerium ehrenamtliche Wolfsberater entlassen?, Seite 4 https://www.landtag-niedersachsen.de/Dr ... -08780.pdf
Da es also unmöglich ist, Schüsse auf Hochsitze überhaupt irgendeinem Täterkreis zuzuordnen, bedient sich der niedersächsische Umweltminister der reinen Behauptungspraxis, um die Geheimhaltung und damit Verunmöglichung einer gerichtlichen Überprüfbarkeit von Wolfsabschüssen zu rechtfertigen.
Oh - wegen genau des Vorwurfs hat er ja die kritischen Wolfsberater entlassen:
Im Zusammenhang mit Entscheidungen des Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz von „reinen Mutmaßungen“ und einer „Behauptungspraxis“ zu sprechen, steht nicht im Einklang mit einer kooperativen Zusammenarbeit.
Landtagsantwort 18/8780 vom 16.03.2021 auf die Anfrage 18/8523 der Abgeordneten Christian Meyer, Imke Byl und Helge Limburg (GRÜNE): Ist Kritik an illegalen Wolftötungen unerwünscht? Warum hat das Umweltministerium ehrenamtliche Wolfsberater entlassen?, Vorbemerkung der Landesregierung, Seite 2 https://www.landtag-niedersachsen.de/Dr ... -08780.pdf
Bloße Behauptungen sind bloße Behauptungen bleiben bloße Behauptungen, aber wo kämen wir hin, wenn man das auch noch ansprechen und kritisieren darf?