Lies: Fähe statt Rüden getötet

Niedersachsen, Bremen, Hamburg, Schleswig-Holstein
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Nina
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Lies: Fähe statt Rüden getötet

Beitrag von Nina »

Herr Lies hat gestern im NDR verkündet, dass auf sein Geheiß der erste Wolf, eine Fähe, in Niedersachsen getötet worden ist. Die Ausnahmegenehmigung war allerdings auf den Rüden GW1111m ausgestellt, aber Umweltminister Olaf Lies ist das wurscht - auch wenn ein Jäger ein weibliches Tier nicht von einem männlichen unterscheiden kann, sieht er den Abschuss durch das Bundesnaturschutz gedeckt. "Der Rüde war es definitiv nicht." Die Identifizierung eines bestimmten einzelnen Wolfs sei in dem Gelände halt "kaum möglich". Hauptsache, es kommt endlich mal irgendein Wolf zur Strecke, könnte man meinen. Mal ehrlich: Das ist Wolfsmanagement völlig losgelöst von Sinn und Verstand.
Kritik kam von den Grünen. Der Abschuss eines Wolfes sei "kein guter Tag für den Artenschutz in Niedersachsen", sagte der Landtagsabgeordnete Christian Meyer. Ob die strengen Voraussetzungen für die Tötung eines sogenannten Problemwolfes vorlagen, habe durch die "Geheimniskrämerei" des Umweltministeriums nicht gerichtlich überprüft werden können. Meyer bezweifelt die rechtliche Grundlage. Lies begebe sich "auf sehr dünnes Eis" und bringe die Jäger in rechtliche Schwierigkeiten.

NDR, 11.02.2021: Nach Wolfsabschuss: Kritik an Umweltminister Lies https://www.ndr.de/nachrichten/niedersa ... f4438.html
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Nina
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Re: Lies: Fähe statt Rüden getötet

Beitrag von Nina »

Verhilft die erste geglückte "Drachentötung" dem Umweltminister ins begehrte Amt des Ministerpräsidenten oder zum tiefen politischen Fall? Die abschließende rechtliche Beurteilung dürfte auf jeden Fall spannend werden - und die Sache mit dem Image auch.
Ich will Ministerpräsident dieses Landes werden, darum bin ich angetreten.“ Hat Olaf Lies vor fünf Jahren gesagt. Vor dem Mitgliederentscheid über den SPD-Spitzenkandidaten für die Landtagswahl 2013. Lies verliert gegen Stephan Weil, ist bitter enttäuscht – und trotzdem bald wieder obenauf.
So war es immer in der politischen Karriere des gebürtigen Wilhelmshaveners. Ein Seiteneinsteiger, der sich von Rückschlägen nicht entmutigen lässt. Ein Hinterbänkler, der jede Chance zum Aufstieg nutzt.
[...] Zwei Wochen später sitzt Lies einsam auf der Regierungsbank im Landtag. Kein Lächeln, keine Freunde, keine guten Aussichten. Es hat gewaltig gekracht. Die Neoskop-Affäre ist öffentlich geworden, die Pannen bei der Sieben-Städte-Tour. Die Opposition ist im Jagdfieber. [...] „Wissen Sie überhaupt nicht, was in Ihrem unmittelbaren Umfeld passiert? Oder sind Sie Teil des Systems?“, fragt der frühere CDU-Innenminister Uwe Schünemann. „Jeder Vergabevorgang aus dem Umfeld des Ministers stinkt zum Himmel“, sagt der frühere FDP-Wirtschaftsminister Jörg Bode.

NWZ online, 03.06.2017: Vergabeaffären Um Olaf Lies - Schwere Stunden für einen Senkrechtstarter https://www.nwzonline.de/politik/nieder ... 11620.html
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Nina
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Re: Lies: Fähe statt Rüden getötet

Beitrag von Nina »

Ob die strengen Voraussetzungen für die Tötung eines sogenannten Problemwolfes vorlagen, konnte durch die Geheimniskrämerei des Umweltministeriums nicht vorher gerichtlich überprüft werden. Es bleibt daher unklar, ob der oder die Täter*in legal gehandelt hat, weil das OVG Lüneburg bereits zwei von Umweltminister Lies erteilte Abschussgenehmigungen nachträglich für illegal erklärt hat. Seinerzeit waren die Voraussetzungen für eine klare räumliche und zeitliche Zuordnung zu Rissen nicht gegeben. Außerdem bestehen erhebliche Zweifel an der Vereinbarkeit der neuen Wolfsverordnung von Minister Lies und der Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes mit dem EU-Recht. Dies hatte auch der Umweltausschuss des Bundesrats mehrheitlich festgestellt. Der NABU Niedersachsen hat daher Beschwerde bei der EU-Kommission eingereicht.

Christian Meyer, Bündnis90/Grüne, 11.02.2021: Wolfsabschuss unter Geheimhaltung wirft Fragen auf Grüne: Töten einer geschützten Art keine Alternative zu auskömmlicher Weidetierprämie https://www.christian-meyer-gruene.de/p ... aemie.html
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Nina
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Re: Lies: Fähe statt Rüden getötet

Beitrag von Nina »

Aus der Pressemitteilung des Niedersächsichen Umweltministeriums. Und ich dachte, ich hatte mich lediglich verhört und deshalb beim Zitieren ganz forsch aus dem "n" ein "m" gemacht.
Aufgrund fortgesetzter Schadensereignisse, die nunmehr genetisch überwiegend einem männlichen Wolf des Rudels (Kennung GW 1111 n) zugerechnet werden konnten, wurde wiederum vom NLWKN am 11. Sep. 2020 eine erneute Ausnahmegenehmigung erteilt. Die Ausnahmegenehmigung ist bezogen auf den Wolf GW 1111 n.

Niedersächsisches Ministerium für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz, PI 023/2021: Abschuss eines Wolfes aus dem Rudel Herzlake bei Löningen, abgerufen 12.02.2021 14:15 Uhr
https://www.umwelt.niedersachsen.de/sta ... 97198.html
Also eigentlich setzt sich die Kennung ja wie folgt zusammen:
«GW» steht für einen Grauwolf (engl.: Grey Wolf). Danach kommt die Codenummer des Senckenberg-Institutes, im Falles des Problemwolfs aus dem Norden war es 924. Das kleine «m» am Ende zeigt, dass es sich um ein männliches Tier handelt (engl.: male).

WELT, 12.02.2020: Problemwolf «GW924m» stirbt nach Autounfall in Niedersachsen https://www.welt.de/regionales/niedersa ... chsen.html
Wofür steht jetzt das "n"? Neutrum? Divers?

Dann ist es auch nicht so peinlich, wenn der Jäger Männlein und Weiblein mal wieder nicht unterscheiden konnte. Immerhin war es ein ja Wolf und keine Nutria. Oder ein Islandpferd. Oder ein Jogger, ein Kind, eine Seniorin oder der Jagdkollege.

Oder zeigt das "n" einfach nur, dass der Umweltminister ganz schlicht keine Ahnung hat, wovon er da redet?
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Nina
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Re: Lies: Fähe statt Rüden getötet

Beitrag von Nina »

Der WWF Deutschland und der NABU kritisieren das Niedersächsische Wolfsmanagement als intransparent und artenschutzrechtlich fragwürdig. Derzeit wisse niemand, wie viele und welche Wölfe auf den geheimen Abschusslisten der Landesregierung stehen. Informationen über sogenannte „Ausnahmegenehmigungen vom strengen Schutz“ werden nur unvollständig herausgegeben und Auskunft über die betroffenen Landkreise und Wolfsindividuen verweigert. Hierdurch würden die Anforderungen des Umweltinformationsgesetzes sowie des Artenschutzrechtes, so die Einschätzung von WWF und NABU, nicht pflichtgemäß umgesetzt. [...] Der WWF kündigte darüber hinaus an, juristisch prüfen zu lassen, inwieweit das Land Niedersachsen zu mehr Transparenz gezwungen werden könne. Des Weiteren hat der NABU bereits eine Beschwerde bei der EU eingereicht, in der auf die Mängel in der neuen Wolfsverordnung Niedersachsens hingewiesen wird.

WWF, 11.02.2021: Niedersachsens geheime Wolfshatz - Geheime Abschusslisten, ungenügender Herdenschutz, kaum Dialogbereitschaft: WWF und NABU kritisieren Niedersachsens Wolfsmanagement scharf https://www.wwf.de/2021/februar/nieders ... -wolfshatz
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Nina
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Re: Lies: Fähe statt Rüden getötet

Beitrag von Nina »

Der federführende Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit empfiehlt dem Bundesrat ferner, die folgende
E n t s c h l i e ß u n g zu fassen: Die Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes begegnet erheblichen Bedenken hinsichtlich seiner Konformität in Bezug auf europarechtliche Bestimmungen und dem von der Bundesregierung postulierten Ziel, die Rechtssicherheit bei der Erteilung von Ausnahmen von den artenschutzrechtlichen Zugriffsverboten zu erhöhen.

Die Regelungen widersprechen in weiten Teilen dem europäischen Natur- und Artenschutzrecht, was durch das jüngst ergangene Urteil des EuGH (Rechts-sache C-674/17) bestätigt wurde. Die Einführung des § 45a Absatz 2 BNatSchG, mit dem der Abschuss einzelner Mitglieder eines Rudels bis zum Ausbleiben von Schäden ermöglicht werden soll, ist aus folgenden Gründen als europarechtswidrig einzustufen:

Es besteht der Zwang zur Individualisierung eines nachgewiesenen schadensverursachenden Wolfes um das Ziel der Ausnahme, wie nach Artikel 16 der FFH-Richtlinie vorgegeben, erreichen zu können. Der EuGH hat in seinem Urteil gegen Finnland allerdings erneut die Rechtsauffassung bestätigt, wonach alle nicht zielgerichteten Formen des Fangs oder der Tötung nach Artikel 12 Ab-satz 1 Buchstaben a und b der FFH-Richtlinie verboten sind. Eine Ausnahme von Artikel 16 Absatz 1 der FFH-Richtlinie kann nur eine konkrete und punktuelle Anwendung sein, mit der konkreten Erfordernissen und besonderen Situationen begegnet wird.


B u n d e s r a t Drucksache 26/1/20, 03.02.20, E m p f e h l u n g e n der Ausschüsse zu Punkt ... der 985. Sitzung des Bundesrates am 14. Februar 2020, Zweites Gesetz zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes https://dipbt.bundestag.de/dip21/brd/2020/0026-1-20.pdf
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Nina
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Re: Lies: Fähe statt Rüden getötet

Beitrag von Nina »

DIE SACHE MIT DER GEHEIMHALTUNG UND DER DAMIT VERBUNDENEN VERHINDERUNG GERICHTLICHER ÜBERPRÜFUNGEN
Die Interessengemeinschaft Wolfsfreunde Deutschland spricht dagegen von einer "rechtswidrigen Tötung" und hat eigenen Angaben zufolge Strafanzeige gegen Lies, den zuständigen Landrat und den unbekannten Schützen gestellt. [...] Der Naturschutzbund NABU bekräftigte unterdessen seine Kritik an dem Abschuss. "Wir sind hier nicht im Wilden Westen, wo nach Gutdünken Wölfe abgeschossen werden, bis man den richtigen Wolf irgendwann trifft", sagte der Landesvorsitzende Holger Buschmann. Diesen Eindruck erwecke jedoch das Umweltministerium, indem es "geheime Abschusslisten" von Wölfen führe. Die Behörde müsse ihre Abschussgenehmigungen öffentlich machen und transparent darlegen, weshalb einzelne Wölfe entnommen werden sollen, so der NABU-Chef. [...] Das Umweltministerium will Informationen über weitere Ausnahmegenehmigungen allerdings nicht veröffentlichen, sagte ein Sprecher am Freitag. Auf diese Weise sollen die betroffenen Weidetierhalter und Jäger geschützt werden, so die Begründung.

NDR, 12.02.2021: Rudel Herzlake: Land will vorerst keine weiteren Wölfe töten https://www.ndr.de/nachrichten/niedersa ... f4446.html
Ich übernehme dazu noch einmal einen Teil des Zitats von Rechtsanwalt Peter Kremer, um zum dort angesprochenen Protect-Urteil des EuGH und damit zur Aarhus-Konvention zu kommen:
Das würde also bedeuten, dass die Behörde sich entscheiden muss zwischen der Frage, höre ich auf das nationale Gesetz oder höre ich auf das Unionsrecht?

Da hat nun der EuGH in der "Protect"-Entscheidung vor etwa zweieinhalb Jahren ja relativ klare Anweisungen gegeben. Nämlich, dass, wenn Unionsrecht dem nationalen Recht vorgeht, dass das nationale Recht schlicht unangewendet bleiben braucht. Also im Gegensatz zu dem reinen klassisch nationalen Recht, nicht das Bundesverfassungsgericht anzurufen, um die Unanwendbarkeit oder Nichtigkeit eines Gesetzes festzustellen. Aber, es führt dazu, dass jede einzelne Behörde, jeder einzelne Mitarbeiter in der Unteren Naturschutzbehörde künftig Gesetzesexegese betreiben muss, hinsichtlich der Frage: Ist das, was der Bundesgesetzgeber hier vorgegeben hat, mit Unionsrecht noch zu vereinbaren? Und der EuGH sagt ständig, dass jede Behörde - und nicht nur Juristen - jeder Mitarbeiter in einer Behörde ständig verpflichtet ist, die Übereinstimmung des nationalen Rechts mit dem Unionsrecht zu überprüfen und im Zweifelsfall das nationale Recht unangewendet zu lassen. Da kann man sich natürlich vorstellen, in welchen Konflikt jemand gerät, der in einem Landkreis,
[...] in einen Konflikt kommt, in einer Unteren Naturschutzbehörde dann die unterschiedlichen Interessen auszutarieren, wenn es keine rechtlichen Vorgaben gibt dafür.

Rechtsanwalt Peter Kremer auf eine Frage der Abgeordneten Steffi Lemke, (ca. 1:06:35 - 1:09:50), Deutscher Bundestag, Mediathek, 09.12.2019: Ausnahmeregelungen zum Abschuss von Wölfen kontrovers bewertet https://www.bundestag.de/mediathek?vide ... =mediathek
Wie wir ja nun wissen, lässt der niedersächsische Umweltminister heimlich Wölfe auf einer Grundlage abschiessen, die zum einen rechtlich nicht abschließend geklärt ist und sich zum anderen durch die Geheimhaltung einer gerichtlichen Überprüfung entzieht. Selbst der Umweltausschuss im Bundesrat hat auf die Unvereinbarkeit der Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes hinsichtlich der Ausnahmegenehmigungen zum Abschuss von Wölfen mit geltendem EU-Recht hingewiesen, z. B. Wölfe so lange "in einem engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhang" zu schiessen, bis Risse ausbleiben. In bereits zwei Gerichtsurteilen wurde z. B. der fehlende räumliche und zeitliche Zusammenhang als rechtswidrig moniert.

In dem von Rechtsanwalt Peter Kremer genannten "Protect"-Urteil des EuGH wurde die Position von NGO's gestärkt, behördliche Entscheidungen mit negativen Auswirkungen auf die Umwelt gerichtlich zu hinterfragen. Dabei ging es um die Umsetzung der Aarhus-Konventionen:
1. Die drei Säulen der Aarhus-Konvention

Wirksamer Umweltschutz bedarf der aktiven Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger. Erfahrungen haben gezeigt, dass Beschwerden aus der Bevölkerung dazu beitragen, die mangelnde Umsetzung von Gesetzen oder europäischen Richtlinien aufzudecken. Grundvoraussetzung für eine solche aktive Rolle ist, dass jede und jeder Möglichkeiten hat, sich über die Umwelt zu informieren und sich in Entscheidungsprozesse einzubringen.

Um die Beteiligungsrechte der Zivilgesellschaft zu stärken, haben die Staaten der europäischen Region im Juni 1998 die Aarhus-Konvention beschlossen. Diese legt wichtige Rechte für eine Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger im Umweltschutz fest. Die Bürgerbeteiligungsrechte der Aarhus-Konvention stützen sich auf drei Säulen:

Zugang zu Umweltinformationen
Erst das Wissen über den Zustand unserer Umwelt macht die Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern an Entscheidungsprozessen möglich. Behörden müssen nach der Aarhus-Konvention deshalb der Öffentlichkeit auf Antrag Umweltinformationen zur Verfügung stellen.
Öffentlichkeitsbeteiligung im Umweltschutz
Die Beteiligung der Öffentlichkeit an Entscheidungsverfahren kann dazu beitragen, dass Umwelt und Naturschutz gebührend berücksichtigt werden. Einer Öffentlichkeitsbeteiligung bedarf nach der Aarhus-Konvention vor allem die Zulassung bestimmter Vorhaben mit erheblichen Umweltauswirkungen (insbesondere Industrieanlagen und Infrastrukturmaßnahmen).
Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten
Damit jeder Einzelne seine Rechte auf Zugang zu Umweltinformationen und auf Verfahrensbeteiligung auch effektiv durchsetzen kann, sieht die Aarhus-Konvention Rechtsschutzmöglichkeiten für Einzelpersonen und Umweltverbände vor (siehe hierzu auch Handbook on Access to Justice). Ausdrückliches Ziel der Konvention ist es, der betroffenen Öffentlichkeit einen möglichst weiten Gerichtszugang zu gewähren.

Die Aarhus–Konvention ist als gesamteuropäischer Prozess auf Ebene der UNECE angesiedelt. Politiken und Maßnahmen zur Umsetzung der Konvention haben die Europäische Union wie auch die Bundesrepublik Deutschland ergriffen.

2. Stärkung der Zivilgesellschaft in der gesamteuropäischen Region

Das "Übereinkommen über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten" wurde am 25. Juni 1998 in der dänischen Stadt Aarhus verabschiedet. Die Aarhus-Konvention haben damals 35 Staaten und die Europäische Union bei der 4. Paneuropäischen Umweltministerkonferenz unterzeichnet. Ziel des völkerrechtlichen Vertrags ist es, die aktive Partizipation der Zivilgesellschaft beim Umweltschutz in der gesamteuropäischen Region zu stärken. Inzwischen gehören über 40 Staaten zu den Vertragsparteien der Aarhus-Konvention.

Die Vertragsstaaten der Aarhus-Konvention treffen sich regelmäßig, um über die Ausrichtung der Arbeit der Konvention und deren Umsetzung zu beraten. Diese Arbeit unterstützt ein Sekretariat, das bei der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen (UNECE) in Genf angesiedelt ist. Beratung bei der praktischen Umsetzung der Konvention anzubieten, vor allem für Staaten aus Osteuropa, dem Kaukasus und Zentralasien, bildet einen besonderen Schwerpunkt. Im Rahmen der Aarhus-Konvention wurden unter anderem ein Protokoll über die Freisetzung von Schadstoffen und die Verbringung von Abfällen ausgehandelt (PRTR-Protokoll) und Leitlinien zur Förderung der Anwendung der Grundsätze der Aarhus-Konvention in internationalen Foren verabschiedet.

3. Partizipationsrechte in der EU [...]
4. Bürgerbeteiligung für den Umweltschutz in Deutschland [...]
5. Nationaler Umsetzungsbericht [...]


Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Nukleare Sicherheit, 27.06.2017: Die Aarhus-Konvention https://www.bmu.de/themen/bildung-betei ... onvention/
Leider gibt es wenige Quellen, die das komplexe "Protect"-Urteil kurz und verständlich erklären. Fündig wurde ich in einem rund 3-Min-Video:

nhp-Rechtsanwälte, 3 MINUTEN UMWELTRECHT, Aarhus II EuGH "Protect" https://www.nhp.eu/de/news/3-minuten-um ... gh-zu-ngos

Die EU ruft übrigens auch Bürger dazu auf, sich in die europäische Politik aktiv einzubringen:
Sie wollen als Bürgerin oder Bürger in der EU mitreden? Dazu müssen sie nicht die nächsten Europawahlen 2024 abwarten. Jeder kann mit Initiativen, Vorschlägen und Beschwerden Einfluss nehmen. Wenn Ihnen ein bestimmtes Thema am Herzen liegt und Sie der Meinung sind, dass es dazu ein europäisches Gesetz geben sollte, können Sie eine „Europäische Bürgerinitiative“ (EBI) starten. Seit 2012 gibt es diese neue Möglichkeit, sich abseits von Wahlen und Parteien zu engagieren – und es wird rege nachgefragt. [...] Bevor die EU-Kommission große Gesetzgebungsvorschläge macht, befragt sie die Öffentlichkeit dazu in Konsultationen. Privatleute, Firmen und Verbände können dann mit ihrem Fachwissen wertvolle Hinweise geben. Auf Bürgerdialogen in der gesamten EU können die Europäer mit EU-Kommissaren diskutieren, oft auch über die sozialen Medien. Jede Bürgerin und jeder Bürger kann eine Petition an das Europäische Parlament schicken. Der Europäische Bürgerbeauftragte nimmt Beschwerden über Verwaltungsfehler oder Rechtsverstöße von EU-Institutionen an.

Europäische Kommission, Vertretung in Deutschland: Die EU ist ein Europa zum Mitmachen https://ec.europa.eu/germany/about-us/r ... ipation_de
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Nina
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Re: Lies: Fähe statt Rüden getötet

Beitrag von Nina »

Geht es nach der CDU, wollen die Jäger ja eigentlich keine Wölfe jagen, aber wenn sie schon mal gefragt werden... dann schnell ins Jagdrecht damit, und bitte mit Untergrenze! (Sprich: Quotenjagd).

Ein Taschentuch, bitte.
Es handele sich um die bundesweit erste Wolfsentnahme, die mit Nutztierrissen begründet werde. Die Jäger reißen sich Damman-Tamke zufolge nicht darum, Wölfe zu schießen. "Das ist keine Jagd, sondern eine Anordnung nach Naturschutzrecht, an der sich wenige freiwillig beteiligen."

NDR, 11.02.2021: Rudel Herzlake: Land will vorerst keine weiteren Wölfe töten https://www.ndr.de/nachrichten/niedersa ... f4446.html
Ein Tag zuvor, da klang das aber ganz anders:
Unterstützung bekam Lies vom Koalitionspartner. "Es ist gut, dass der Staat hier gezeigt hat, dass er handlungsfähig ist. Zum Schutz des Erlegers und seiner Familie hoffen wir, dass Minister Olaf Lies alles unternimmt, um dessen Anonymität sicherzustellen", sagte der stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende Martin Bäumer. "Ein Leben mit dem Wolf ist möglich, funktioniert in unserer Kulturlandschaft aber nur mit konsequentem Handeln." Bäumer forderte Lies auf, beim Bund für eine Aufnahme ins Jagdrecht mit Untergrenze zu kämpfen.

NDR, 11.02.2021: Nach Wolfsabschuss: Kritik an Umweltminister Lies https://www.ndr.de/nachrichten/niedersa ... f4438.html
Aha! Ein realistische Einschätzung, wie es denn nun steht um die Jagd und den Natur- und Artenschutzgedanken, gewährt ein Einblick in das Jagdforum des Vertrauens, wo Inhalt und Qualität der Kommentare den Verdacht nahe legen, dass die politisch korrekte Außendarstellung offenbar als überbewertet empfunden wird.
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Nina
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Re: Lies: Fähe statt Rüden getötet

Beitrag von Nina »

Der Wolf bekommt Rückenwind aus dem Bundesumweltministerium:
Umweltministerin Svenja Schulze : „Können nicht hingehen und Wölfe einfach so abschießen"

[...] "Der Wolf ist immer noch gefährdet", sagte sie der "Neuen Osnabrücker Zeitung" vom Samstag. "Ungeachtet aller Probleme können wir nicht hingehen und Wölfe einfach so abschießen." [...] "Aber darüber hinaus muss der Fokus weiter auf Schutzmaßnahmen wie beispielsweise Zäunen liegen", betonte die SPD-Politikerin. Ganz anders sieht das ihr Parteikollege, Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies: "Das gesamte Land einzuzäunen entspricht nicht meiner Vorstellung von Natur- und Artenschutz." Der Wolf sei zwar schützenswert und seine Rückkehr nach Deutschland begrüßenswert. "Aber wir können nicht jedes Weidetier meterhoch einzäunen." Lies sprach in dem Kontext von einer "Akzeptanzgrenze" für die Raubtiere: "500 Tiere in Niedersachsen sind für mich eine Grenze, bei der ich befürchte, dass es mit der Akzeptanz immer schwieriger wird." Ab dieser Grenze müsse es rechtlich leichter möglich sein, Wölfe zu töten. Er appelliere an die Bundesregierung, denn "eine Verweigerungshaltung ist hier schädlich". Lies zweifelte zudem an, dass der Wolfsbestand in Deutschland noch bedroht ist. Er habe ein entsprechendes Gutachten in Auftrag gegeben, [...].

RP online, 13.02.2021: Umweltministerin Svenja Schulze : „Können nicht hingehen und Wölfe einfach so abschießen" https://rp-online.de/politik/deutschlan ... d-56242439
Wer redet denn davon, das "gesamte Land einzuzäunen" - das nicht ohnehin schon eingezäunt wäre? Oder laufen in Niedersachsen die Weidetiere so frei in der Tundra umher wie Rentiere der Sami in Skandinavien? Es geht ja lediglich darum, die Qualität der ohnehin vorhandenen Zäune zu verbessern. Es redet auch niemand davon, "jedes Weidetier" (einzeln?) "meterhoch" einzuzäunen. Ein Politiker,der so fern jeglicher Sachlichkeit argumentiert, ist untragbar.

Seltsamerweise hat es den Wolfsjagdbefürwortern (und Herdenschutz-Zaunkritikern) bislang wenig Empörung hervorgelockt, als der damalige Umweltminister Stefan Wenzel zur realistischen Einordnung der Dimension wolfsabweisender Zäune in einer Landtagsantwort verkündete, dass allein in Niedersachsen 15.000 km Wildzaun verbaut wären, um Verbissschäden an Forstkulturenvorzubeugen, was der Länge der EU-Außengrenze entspräche - und keinerlei Kritik hervorriefe.

Und geht es darum, wenigen Profiteuren in Deutschland tierquälerische Massentierhaltungen von Schweinen und Ausbeutung von Menschen in Schlachthäusern zu ermöglichen, obwohl der asiatische Markt, mit dem man sich zuvor eine goldene Nase verdient hatte, wegen der ASP für deutsches Schweinefleisch mittlerweile tot ist und das massive Überangebot zu "Schweinestaus" in Schlachthöfen und einem totalen Preisverfall geführt hat, zäunen wir selbstverständlich das "ganze Land" bereits ein: Auf rund 460 km zu Polen* plus der rund 70 km an der dänischen Grenze, an der die Dänen demselben Wahn verfallen sind.

Für Olaf Lies sind 500 Wölfe die Akzeptanzgrenze. Was derartige Umweltminister angeht, ist für die niedersächsischen Wähler die Akzeptanzgrenze hoffentlich mit der Zahl 1 schon weit überschritten.
Er entzieht damit quasi in toxisch-narzisstisch wirkender Weise dem demokratischen Souverän – dem Volk – das Recht, staatliches Hoheitshandeln demokratisch zu überprüfen, er verziert stattdessen seine von außen kritisierte Wolfspolitik “selbstherrlich” mit dem Siegel “Staatsgeheimnis” und verzieht sich damit in die von Wählern hinreichlich geschmähten Hinterzimmer. Ein leicht “diktatorisches Fürzchen” verpestet somit das demokratische Grundklima im Lande. Es stinkt dennoch wahrnehmbar zum Himmel! [...] Mit seinem Handeln generiert sich Lies nicht zum ersten Mal als Protagonist einer wenig wünschenswerten Cancel Culture, die Meinungsverengung protegiert, wo Meinungsfreiheit eigentlich garantiert sein sollte. Das ist problematisch! Und zwar insbesondere deshalb, weil der Verdacht im Raum steht, dass seine Wolfspolitik nicht EU-konform ist, er aber nicht abwartet, bis das abschließend geklärt ist.

Wolfsmonitor, 13.02.2021: Geschossener Wolf, Cancel Culture und staatliche Geheimniskrämerei https://wolfsmonitor.de/?p=18544

*
Wichtig sei vor allem ein durchgehender Schutzzaun entlang der Grenze zu Polen, der von Wildschweinen nicht untergraben werden könne.

NDR, 22.09.2020: Backhaus kritisiert Bund: Kein durchgängiger Schweinepest-Zaun https://www.ndr.de/nachrichten/mecklenb ... st450.html
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Dr_R.Goatcabin
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Re: Lies: Fähe statt Rüden getötet

Beitrag von Dr_R.Goatcabin »

Perspektivwechsel: der Olaf ist einfach nur "konsequent".
Am Wolf scheiden sich die rotgrünen Geister. Vor allem in Niedersachsen, wo der SPD-Umweltminister mit beispielloser Konsequenz gegen Problemwölfe vorgeht.
Wirkung zeigen solche Maßnahmen bereits: Die „Entnahme“ einer Problemwölfin im Emsland-Kreis ging diese Woche nahezu geräuschlos (bis auf den Schuss natürlich) über die Bühne. Keine Waldspaziergänge der Pro-Wolf-Szene, keine Gewaltdrohungen gegen die beteiligten Schützen – und kein juristisches Geplänkel vor dem Abschuss.

15.02.2021, natürlich-jagd.de; https://www.natuerlich-jagd.de/blog/der ... ister.html
Auch Serienkiller sind keine schlechten Menschen, sondern eben einfach .. determiniert und konsequent, sich nicht mit juristischem Geplänkel zum Richtig oder Falsch aufhalten zu lassen. :)
"Though this be madness, yet there is method in 't ..."
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