Im NDR-Bericht vom 19.02.2019 zu der erstinstanzlichen Entscheidung klang ja schon an, dass man wohl kaum mit einer anderslautenden Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg rechnen würde.
Das Verwaltungsgericht Oldenburg hatte in der vergangenen Woche den Abschuss des Leitrüden des Rodewalder Wolfsrudels im Landkreis Nienburg genehmigt und einen Eilantrag des Vereins abgelehnt. Die Beschwerde bedeutet allerdings nicht, dass die Abschussgenehmigung für den Wolf nun bis zu einer Entscheidung des OVG aufgeschoben werde. "Er kann im Grunde jetzt geschossen werden", sagte die Sprecherin.
NDR, 19.02.2019: Wolf-Abschuss: Tierschützer legen Beschwerde ein https://www.ndr.de/nachrichten/niedersa ... de102.html
Die Begründung des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg klingt dann ja auch so, als sei sie aus der Abschussgenehmigung fast wörtlich übernommen worden.
Es hält die vom NLWKN getroffene Prognose, dass die Tötung des Wolfs GW717m zur Abwendung erheblicher wirtschaftlicher Schäden erforderlich sei, für gerechtfertigt. Denn es kann davon ausgegangen werden, dass dieser Wolf weiterhin Rinder mit normalerweise ausreichendem Herdenschutz reißen und seine Jagdtechnik an andere Wölfe weitergeben wird. Das begründet ein unkalkulierbares Schadensrisiko für Rinderhalter. Zumutbare Alternativen zur Tötung sind nicht ersichtlich. Es gibt ausreichende Belege dafür, dass dieser Wolf sich auf das Reißen von Rindern spezialisiert. Schutzmaßnahmen wie ausreichend hohe Elektrozäune, Behirtung oder Verbringung der Tiere in Nachtpferche sind nicht zumutbar, zumal diese flächendeckend von allen Rinderhaltern im Territorium des Rodewalder Rudels ergriffen werden müssten.
Oberverwaltungsgericht Lüneburg, 22.02.2019: Beschwerde betreffend die Abschussgenehmigung für den Rodewalder Wolfsrüden erfolglos
http://www.oberverwaltungsgericht.niede ... 74258.html
Leider ist auch hier die Erklärung dürftig, warum
1. ein "erheblicher wirtschaftlicher Schaden" und ein "unkalkulierbares Schadensrisiko für den Rinderhalter" vorliegen sollten, wenn der Betroffene seinen Schaden zu 100% ersetzt bekommt
und
2. "zumutbare Alternativen zur Tötung nicht ersichtlich" sein sollen
Der NLWKN selbst bewirbt und fördert den Herdenschutz für Rinder in den betroffenen Gebieten und hält diesen nach eigenen Angaben für wirksam und für realtiv wenig aufwendig bei den in der Rinderhaltung üblichen Festzäunen:
Höhere Zäune bieten einen besseren Schutz! [...] Flächen, auf denen Rinder gehalten werden, sind oft dauerhaft eingekoppelt. Dort kann (stellenweise mit nur wenig Mehraufwand) durch die Verwendung von höheren Zäunen insgesamt ein besserer Schutz der Tiere erreicht werden. Diese höheren Varianten werden ebenfalls gefördert.
Niedersächsischer Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz: Beantragung von Präventionsmaßnahmen zum Herdenschutz vor Wolfsübergriffen in der Rinderhaltung – Erläuterungen – (Stand Februar 2019), Praktische Erläuterungen für die Beantragung von Präventionsmaßnahmen zum Herdenschutz vor Wolfsübergriffen
in der Rinderhaltung im Rahmen der „Richtlinie Wolf“[...] im Gebiet zwischen Cuxhaven und Stade, im Raum Wietzendorf, im Raum Barnstorf und im Raum Nienburg (Rodewald), Seite 8
Dies belegen auch die Erfahrungen in der niedersächsischen Region des Wietzendorfer Rudels - sowie die Ergebnisse von Projekten in Brandenburg und Sachsen-Anhalt:
In den letzten zwei Jahren ist die Zahl der durch Wölfe getöteten oder verletzten Rinder in Niedersachsen, Brandenburg und Sachsen-Anhalt angestiegen. [...] Betroffen sind überwiegend junge Kälber. Das Verteidigungsverhalten von Mutterkühen kann je nach Rasse sehr unterschiedlich ausgeprägt sein. Durch die häufig übliche Zäunungsform von Mutterkuhherden mit nur einer Stromlitze in 60 oder 80 cm Höhe sind Kälber für Wölfe leicht erreichbar. Teilweise schlüpfen junge Kälber auch unter der Stromlitze hindurch. Sie befinden sich dann außerhalb der Koppel und des Einwirkungsbereiches der Mutterkühe und sind eine leichte Beute für Wölfe. [...] Wenn einzelne Wölfe gelernt haben, Rinder zu töten, müssen auch diese vor Wolfsübergriffen geschützt werden. Anders als für Schafe und Ziegen ist für Rinder von den Bundesländern in Wolfsgebieten nicht von vornherein ein flächendeckender Mindestschutz vorgeschrieben, um im Schadensfall Anspruch auf Entschädigung zu haben. Mehrere Bundesländer fördern jedoch Präventionsmaßnahmen bei Rindern, wenn es nachweislich zu Übergriffen durch Wölfe gekommen ist [...]. In Projekten in Brandenburg und Sachsen-Anhalt konnte demonstriert werden, dass auch Rinder erfolgreich durch Herdenschutzmaßnahmen, wie etwa elektrifizierte Zäune, geschützt werden können (Hartleb et al. 2017; LAU 2018).
DBBW Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf (2019): Wolfsverursachte Schäden, Präventions- und Ausgleichszahlungen in Deutschland 2017, Seite 6
Es ist schon sehr seltsam, dass ein SPD-geführtes Landesumweltministerium einer vom SPD-geführten Bundesumweltministerium eingerichteten Beratungsstelle zum Wolf kein Gehör zu schenken vermag und an deren fachlicher, wissenschaftlich fundierter Expertise vorbei entscheidet.
Auch die Gerichte haben die fachlichen Einschätzungen offenbar nicht berücksichtigt und die politisch motivierte Deutungsweise übernommen.
Das niedersächsische Umweltministerium sollte es besser wissen, denn nach der illegalen Tötung der Cuxhavener Fähe sind die Risszahlen auch sprunghaft angestiegen.
Wolfsabschüsse schützen keine Nutztiere [...]
Ganz im Gegenteil: getötete Wölfe führen in fast einem Drittel der untersuchten Fälle zu mehr Nutztierschäden.
vet-magazin, 19.09.2016: Wolfsabschüsse schützen keine Nutztiere https://vet-magazin.de/wissenschaft/wil ... tiere.html
Der Ausfall des Rudelführers provoziert Mehrfachwürfe [...]
Für das Management einer Wolfspopulation, z.B. eine Bejagung, ergeben sich daraus bedenkenswerte Aspekte. Der Ausfall des Stammrüden kann Mehrfachreproduktion zur Folge haben – das heißt eine vorübergehend höhere Wolfsdichte im Territorium als vorher.
Ulrich Wotschikowsky, Wolfsite - Wölfe in Deutschland, 07.02.2015: Mehrfacher Nachwuchs: Tendenz zum Riesenrudel? http://woelfeindeutschland.de/mehrfache ... esenrudel/