Ich muss bei der oftmals stark auf Hysterie gefärbte, diffuse Angst schürende Wolfsberichterstattung immer an das Vorwort von Frau Dr. Dorit Feddersen-Petersen im Buch "Der Wolf kehrt zurück" von Günther Bloch und Elli Radinger denken:
Aus dem Freistaat Sachsen wurde ich in der Folgezeit mehrmals von einem Jäger und Bürgermeister besucht, der mich inständig bat, ihm doch nur ein Papierstück zu unterzeichnen, auf dem vermerkt war, dass ich die Wölfe in der Lausitz für "künstlich eingebracht" aus Polen hielte. Und es solle mein Schaden nicht sein.
Günther Bloch, Elli Radinger: Der Wolf kehrt zurück, Zum Geleit von Dr. Dorit Urd Feddersen-Petersen, Seite 4, Kosmos Verlag, 2017
Man kann sich wohl ziemlich sicher sein, dass der Bürgermeister und Jäger aus Sachsen kein Einzelfall ist und die Vorgehensweise sicherlich nicht auf Wissenschaftler beschränkt bleibt. Gerade unter der Vielzahl der Journalisten gibt es bestimmt neben Menschen mit Idealen auch welche mit Einkommensfrust und dem Wunsch nach mehr.
Selten wurde irgendwo offener über die Strategie der Jagd- und Bauernlobby gesprochen, die öffentliche Meinung zum Wolf manipulieren zu wollen als bei einer Tagung im österreichischen Lienz in diesem Jahr:
„80 Prozent der Bevölkerung sind für den Schutz des Wolfes. Die müssen wir geistig umdrehen.“ Denn erst wenn Wölfe auch für Freizeitsportler, Touristen und Erholungssuchende eine Gefahr werden, könne ein Umdenken einsetzen. „Wir müssen der Bevölkerung ein Problem machen." [...]
Dafür sollten Viehhalter und Bauernstand eine PR-Maschinerie in Gang setzen. Eine Diskussionsteilehmerin schlug in die gleiche Kerbe:„Erst, wenn es den ersten Zwischenfall mit Wölfen und Spaziergängern gibt, wird ein Umdenken einsetzen.“
Tiroler Tageszeitung, 01.06.2018: Diskussion in Lienz: Den Wolf mit PR-Maschinerie bekämpfen https://www.tt.com/panorama/gesellschaf ... bekaempfen
Lobbycontrol schreibt:
Die kritische Berichterstattung nimmt ab und die einseitige Ausrichtung an Quoten und Auflagen wächst – auch im öffentlich-rechtlichen Hörfunk und Fernsehen. Medienkonzentration, Rationalisierung und die Reduzierung des eigenen Recherche-Aufwands machen die Medien durchlässiger für externes PR-Material. Finanzstarken Interessengruppen bieten sich damit gute Zugangsmöglichkeiten.
Lobbycontrol, Lobbyismus als Problem – Tendenzen und Machtverschiebungen
https://www.lobbycontrol.de/initiative/hintergrund/
Der NDR scheint sich abermals auf den Wolf eingeschworen zu haben. Bei dem angeblichen Angriff auf den Gärtner haben sich die öffentlich-rechtlichen Schreiberlinge ja schon überschlagen. Dass ihnen dieses "Spielzeug" jetzt so abrupt genommen wurde, hält sie offenbar nicht davon ab, weiter fleißig Ängste zu schüren. Schließlich gibt die Pressekonferenz von Umweltminister Olaf Lies ordentlich Stoff für die nächsten Berichte, die man mit den daraus herausfiletierten Unterthemen füllen kann.
So ganz nebenbei taucht die aktuelle repräsentative Civey-Umfrage von t-online auf, die ich im Thread "Mehrheit ohne Angst vor Wolf" verlinkt habe.
Die Kernessenz lautet: In Deutschland haben 80% der Bevölkerung keine Angst vor dem Wolf. In "dünn besiedelten Gebieten" haben zwei Drittel keine Angst vor dem Wolf, weitere rund 15% nicht einmal eine Meinung zum Wolf. Der Bevölkerungsanteil mit Angst liegt bei durchschnittlich 18%, im ländlichen Raum bei knapp 26%. AfD-Wähler und Menschen über 65 stellen den größten Anteil der Ängstlichen.
Während sich schon t-online auf die ängstliche Minderheit fokussierte und 26% für ausreichend erachtet, von
"verbreiteter Angst" zu schreiben, setzt der NDR dem noch ein Krönchen obendrauf:
Angst vor Wölfen nimmt zu
Auch in der Bevölkerung herrscht offenbar Verunsicherung. Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey im Auftrag von t-online hat in ländlichen Regionen bereits jeder vierte Bewohner Angst vor Wölfen, in dichter besiedelten Gebieten ist es immerhin jeder Siebte.
NDR, 05.12.2018: Geplante Besenderung: Wölfe tricksen Experten aus https://www.ndr.de/nachrichten/niedersa ... f3696.html
Ich kann beim besten Willen nicht erkennen, auf welchen früheren Referenzwert sich die angebliche "Zunahme" der Angst konzentrieren soll. Der t-online-Artikel gibt das jedenfalls nicht her. Und dass
"Verunsicherung herrscht", kann bei nicht einmal 26% ängstlicher Menschen auch nicht behaupten. Was
vorherrscht, ist mit 80% bzw. knapp 75% die Zahl derer, die
keine Angst vor dem Wolf hat.
t-online, 04.12.2018: Jeder Vierte auf dem Lande hat Angst vor dem Wolf https://www.t-online.de/nachrichten/pan ... -sich.html
Schaut man sich die früheren Umfragen von forsa aus den Jahren 2015 und 2018 an, so liegt die Zahl derer, die angeben, in Wolfsgebieten Angst vor Waldspaziergängen zu haben, in beiden Umfragen konstant bei 30%. Nimmt man diesen Wert als Vergleichswert für die Civey-Umfrage, haben aktuell weniger Menschen Angst vor dem Wolf als 2015 oder noch im April 2018:
https://www.nabu.de/imperia/md/content/ ... chland.pdf
https://www.nabu.de/imperia/md/content/ ... d_2018.pdf
Betrachtet man den Trend der verschiedenen Umfragen zum Wolf aus den letzten Jahren, lag die Zustimmung der Bevölkerug immer bei rund 80%.
2011: 79% (Forsa)
2014: 71% (Yougov),
2015: 80% (Forsa)
2017: 74% (Linzer Market-Institut, Österreich)
2017: 75% (gegen Abschüsse von Wölfen, haz-Umfrage)
2018: 79% (Forsa)
Die aktuelle Umfrage, nach der 80% bzw. knapp 75% der Menschen keine Angst vor dem Wolf haben, passt absolut in den seit Jahren vorherrschenden Trend und lässt nicht erkennen, dass Angst "verbreitet" wäre noch dass Angst und Verunsicherung, wie es der NDR beschreibt, zunähmen.
Die Leser werden einfach nur für dumm verkauft. Cui bono, fragt man sich da. Schade um die Gebühren.