Landesjägerschaft beklagt Meldemüdigkeit

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Nina
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Landesjägerschaft beklagt Meldemüdigkeit

Beitrag von Nina »

Die Menschen in den Wolfsgebieten melden weniger Hin- und Nachweise von Wölfen.

So heißt es in der aktuellen Märzausgabe der "Lopautalnachrichten" der Samtgemeinde Amelinghausen:
Leider wurden aus unserer Samtgemeinde seit längerer Zeit nahezu keine Sichtungen mehr angezeigt, im Rat jedoch wird immer wieder
davon berichtet. Es ist jedoch unbedingt notwendig, dass Sichtungen von Wölfen immer an die zuständigen Ämter gemeldet werden, damit sich alle Verantwortlichen auch ein realistisches Bild der Situation machen können. Bitte melden Sie jede Wolfs-Sichtung am besten mit einem Foto, Datum und Uhrzeit an die Landesjägerschaft Niedersachsen.


Samtgemeinde Amelinghausen, Lopautalnachrichten 03/2017: Verwaltung und Fraktionsspitzen informieren sich über den Wolf, Seite 5
http://www.amelinghausen.de/fileadmin/P ... 17_low.pdf
Auch auf der Wildtiermanagement-Seite der Landesjägerschaft Niedersachsen wird die zunehmende "Meldemüdigkeit" beklagt - und nicht nur die.
Demnach sei diese nämlich nur ein Grund für die rückwärtige Entwicklung der Meldungen. Als weiterer Grund wird die Angst vor einem "Wolfstourismus" genannt, aufgrund derer Meldungen "zurückgehalten" würden. Von wem diese Zurückhaltung ausgeht, ist leider nicht zu entnehmen. Konkretisiert wird allerdings die Ursache für den dritten Grund: Der NLWKN würde nicht alle Meldungen an das Monitoring der Landesjägerschaft weiterleiten, was "eine der wesentlichen Ursachen für den Meldungsrückgang" sei.¹

Wenn die Landesjägerschaft aber keine Kenntnis von den Meldungen erhält, woher weiß sie dann, dass es diese Meldungen gibt?

Festhalten können wir wohl erstmal eines sicher: Das Gerangel um den Wolf geht offensichtlich in die nächste Runde.

Spannend wäre es aber zu wissen, was es mit dem Melderückgang der Bürger tatsächlich auf sich hat. Haben sie sich so sehr an den Wolf gewöhnt, dass eine Sichtung, eine Losung oder eine Spur keinen Anreiz mehr bieten, aktiv zu werden? War Kurti zu Lebzeiten hauptsächlich für einen Großteil der Meldungen verantwortlich? Haben die Bürger keine Lust mehr, der lokalen Jägerschaft in die Hände zu spielen, die nicht müde wird, ihre Bejagungsforderungen zu artikulieren? Wie erklärt sich die Diskrepanz zwischen den ausbleibenden Meldungen der Bürger und der wiederholten Thematisierung der Wölfe z. B. im Gemeinderat Amelinghausen? Wird das Thema im Rat vielleicht überbewertet - bei 9 von 15 Mandaten, die schwarz-gelber politischer Kulör sind? Oder gibt es weniger Wölfe aufgrund vermehrter illegaler Abschüsse, die unentdeckt bleiben?

Während der CDU-Samtgemeindebürgermeisterkandidat den Wolf als Wahlkampfthema nutzen wollte, warb die unabhängige Gegenkandidatin für einen sachlichen Umgang mit dem Tier, wie der NDR berichtete.² Sie gewann die Wahl überlegen mit 65,1% der Stimmen.

Wie den Lopautalnachrichten zu entnehmen ist, wurde nun ein Wolfsberater des Landkreises Lüneburg in das Rathaus eingeladen, um den Rat und die Verwaltung über den aktuellen Stand zu informieren. Dabei fällt auf, dass die Bewertung des günstigen Erhaltungszustands der Population die deutliche Handschrift der Jagdverbände trägt, die einen genetischen Austausch der deutsch-westpolnischen Population mit anderen Populationen als gesichert ansieht und sich für einen entsprechenden Handlungsbedarf ausspricht.

In den in den Lopautalnachrichten heißt es:
Nach neuestem Kenntnisstand ist inzwischen davon auszugehen, dass die niedersächsischen Wolfsrudel einer gemeinsamen deutschwestpolnischen Population angehören und diese auch mit anderen Populationen im genetischen Austausch steht! Es ist damit eine
Populationsstärke erreicht, bei der es Sinn macht, gemeinsam mit anderen Bürgermeistern und politischen Vertretern aus betroffenen Ortschaften bei EU und Land den eingruppierten Schutzstatus und den konzeptionellen Ansatz zum Umgang mit dem Thema zu hinterfragen.
Nach Abschluss der Haushaltsberatungen wird sich unsere Samtgemeindebürgermeisterin dieser Aufgabe widmen.

Samtgemeinde Amelinghausen, Lopautalnachrichten 03/2017: Verwaltung und Fraktionsspitzen informieren sich über den Wolf, Seite 5
http://www.amelinghausen.de/fileadmin/P ... 17_low.pdf
Nun ist die Frage: Handelt es sich bei dem "neuesten Kenntnisstand" um eine allgemeine Einschätzung beispielsweise des DBBW und des Bundesumweltministeriums oder lediglich um die bisherige Sicht der Jagdverbände, die diese Theorie präferieren?

Noch im Oktober 2015 stellte das Bundesumweltministerium eindeutig fest, dass
- die Einteilung der Mitteleuropäischen Flachlandpopulation als selbständige Population auch aus genetischer Sicht gerechtfertigt ist,
- der günstige Erhaltungszustand und damit das Ziel des Art. 2 der FFH-Richtlinie nicht erreicht ist,
- es daher als Konsequenz keinen Anlass gibt, den Schutzstatus des Wolfes zu verändern.

Bericht des Bundesumweltministeriums zum Wolf, 28.10.2015, Seite 24:
https://www.bundestag.de/blob/393542/5e ... b-data.pdf
Wenn das Bundesumweltministerium seine Einschätzung nicht geändert hat, fragt man sich, wie die Samtgemeindebürgermeisterin, die sich gegenüber den Bürgern für einen sachlichen Umgang mit dem Wolf ausgesprochen hat, dazu kommt, nun ebenfalls den Schutzstatus des Wolfes hinterfragen zu wollen?

Über den Wolfsberater des Landkreises, der im Rathaus Amelinghausen über den aktuellen Stand informiert hat, war im Hamburger Abendblatt 2008 zu lesen:
(...) ist beruflich für den Artenschutz im Landkreis Lüneburg zuständig - und damit auch für den Wolf. Sein Hobby ist die Jagd. Somit bringt er Beruf und Freizeit als Wolfsberater zusammen, versteht sich als Bindeglied zwischen Naturschutzbehörde, Bürgern und Jägern.

Hamburger Abendblatt: Die Wölfe sind zurück, 02.12.2008 http://www.abendblatt.de/hamburg/harbur ... rueck.html


¹ http://www.wildtiermanagement.com/wildt ... onitoring/
² Kommunalwahl: Mit dem Wolf auf Stimmenfang http://www.ndr.de/nachrichten/niedersac ... f2618.html
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