Alternative Zur Hölle mit den Wölfen. "Alles über die Rückkehr der grauen Jäger

Auf ein interessantes Buch oder Internetseite über Wölfe gestolpert? Dann her damit!
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Dr_R.Goatcabin
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Re: Alternative Zur Hölle mit den Wölfen. "Alles über die Rückkehr der grauen Jäger

Beitrag von Dr_R.Goatcabin »

Ich hatte ja schon einem der Mods angeregt, die Bücherecke etwas zu sortieren, so auch hier Wildwuchs herrscht. Das ging leider so ein bisschen, etwa ... ok, komplett unter. Die Hackländer und Okarma würde ich nicht direkt wie die Höllenwölfe in die Schund-Ecke verschieben wollen, aber wenigstens die Klarstellung der jagdlichen Interessen der Autoren sollte sichtbar sein, ohne dafür erst 20+€ versenken zu müssen.
"Though this be madness, yet there is method in 't ..."
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Nina
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Registriert: 10. Feb 2016, 13:25

Re: Alternative Zur Hölle mit den Wölfen. "Alles über die Rückkehr der grauen Jäger

Beitrag von Nina »

Weil der Herr Prof. Dr. Klaus Hackländer sich ja demnächst verantwortlich für das neue Gutachten zum niedersächsischen Wolfsbestand zeigt, sind der Inhalt seines aktuellen Buches und die Reaktionen darauf natürlich interessant. Einserseits dürfte er sich darüber freuen, dass er in Deutschland demnächst verstärkt Gesprächsgegenstand werden und neben den 90.000 € Steuergeld für das Gutachten auch noch reichlich indirekte Promo für die Verkaufsankurbelung seiner Bücher erfahren dürfte. Andererseits besteht natürlich auch das Risiko für einen weiteren Imageverlust der Jagd, wenn das Gutachten zu offensichtlich wolfsjagdfreundlich ausfallen sollte.

Das aktuelle Buch und die Reaktionen dazu bieten sich als Hinweis darauf an, wohin die Richtung des Gutachtens für den niedersächsischen Wolf gehen könnte.

Das Vorwort stammt von dem bekannten Schauspieler Tobias Moretti ("Kommissar Rex"), der überraschend kritische Worte findet. Einserseits beklagt er die "drastischen Entwicklungen" in Italien, "die dazu geführt" hätten, "dass sich eine Gesellschaft völlig spaltet". Andererseits bedient er das Bild der durch den Wolf gefährderten Kinder auf dem Lande, die man "nicht mehr allein in die Schule schicken mag, weil 50m vom Schulweg entfernt ein vom Wolf gerissenes Reh gefunden wurde" und spielt die Städter-vs-Landbewohner-Karte aus, indem er vorgibt, dass sich "Bewohner eines urbanen Lebensraumes" wahrlich nur schwer darin hineinversetzen könnten, "wie es ist". Obwohl die Zahlen und Fakten in Europa eine andere Sprache sprechen, bedient Moretti das Bild vom Kind als zwangsläufiges potentielles Wolfsopfer: "Ein (weg)laufendes Kind ist für den Wolf einem fliehenden Wild nun einmal täuschend ähnlich: Was klein ist und wegläuft ist Beute."

Dann wird das Bild des Schäfers in seiner "kärglichen Existenz" gezeichnet, der sich "unter enormem Aufwand scharfe Herdenschutzhunde" zulegen muss, welche "nicht minder gefährlich" seien "als ein Wolf". Zudem würden "ganze Gegenden während der Nacht unter Flutlicht" gesetzt, was einem "ökologischen Irrsinn" entspräche. Flutlicht als Herdenschutzmaßnahme wäre mir jetzt allerdings ganz neu, und leider erklärt auch Herr Moretti nicht, welchen vergrämenden Effekt analog zu einem Stromschlag am Elektrozaun das haben sollte.

Entgegen der eingeforderten Objektivierung der "emotionalisierten Debatte" gibt sich der Schauspieler "irrtiert", "wie lapidar und überheblich über gerissene Haus- und Weidetiere geurteilt wird". Und behauptet, ohne zu konkretisieren, um wessen Tenor es sich hier genau handeln soll: "Der Tenor der öffentlichen Diskussion war aber, dass sich das doch mit Ausgleichszahlungen regeln lassen müsse, denn der Wolf brauche für seine Existenz Beute, und Schafe oder kleine Weidetiere und Lämmchen erfüllten diese Funktion, und dienten diesem Prinzip."

Nun kann ich nicht beurteilen, wer da was in Österreich gesagt hat, aber die Diskussion dürfte mit der in Deutschland vergleichbar sein. Da lautet der Tenor, der hier wohl gemeint sein soll, dass nur Herdenschutz hilft, Wölfe von Schafen fernzuhalten. Die Bezeichnung von Schafen als "Wolfsfutter" dagegen wurde von den Wolfsgegnern geprägt. Herr Moretti dreht die Sache nun so, als würde der sich in der Mehrheit befindlicheTeil der Gesellschaft dem Wolf eine Art Recht auf Nutztiere als Nahrungsgrundlage zugestehen. Viel schlimmer noch, er unterstellt "problematische Muster", die "ideologisiert" zwischen "mehr oder weniger lebenswertem und lebensunwertem Leben" unterscheiden würden. Mit der Verwendung dieser geschichtsträchtigen Terminologie für die Ermordung und Zwangssterilisation Hunderttausender Menschen durch die Nazis im Dritten Reich hat sich Herr Moretti dann leider endgültig disqualifiziert und wirft einen ganz unangenehmen Schlagschatten auf Hackländers gesamtes Buch. Einem Wissenschaftler sind solche schwammigen Vergleiche, bei denen nebulös verschleiert bleibt, wer den mit rechter Terminologie behafteten "Tenor" da genau ausmachen soll, nicht würdig - billige Versuche, beliebige Menschen mit anderer Meinung durch themenfremde, unqualifizierte und geschmacklose Nazi-Vergleiche mit braunem Schmutz zu übergießen, gehören nicht in ein Buch, dass als Sachbuch mit einem Wissenschaftler als Autor ernstgenommen werden will.

Wie kritisiert doch Herr Moretti in seinen Eingangszeilen? "Lösungsansätze werden durch schlichte ideologisierte Polemik im Keim erstickt, eine sachliche, ausgewogene Analyse der Probleme ist schier unmöglich geworden." Dann gratuliere ich dem Schauspieler mal zu seinem eigenen Beitrag dazu - ganze Arbeit geleistet, würde ich da mal sagen.

Warum macht Herr Moretti das? Und warum lässt Prof.Dr. Hackländer das Vorwort - in seiner äußerst fragwürdigen Ausrichtung - von einem Schauspieler schreiben?

Vielleicht liegt hier eine mögliche Antwort:
Tobias Moretti ist nicht nur begnadeter Schauspieler, sondern lebt auch als Bergbauer im Tiroler Oberland und besitzt in Italien ein Weingut. Beiderseits ist er als leidenschaftlicher Jäger unterwegs.

Forstzeitung 04/2008: Wald & Wild: Weidblick mit Weitblick https://www.zt-weissbacher.at/wp-conten ... ck_JT2.pdf
Wer das Buch nicht kaufen will, findet weitere Hinweise in den Rezensionen bei Amazon - und da wird das Werk von Herrn Hackländer fast ausschließlich von den Wolfsgegnern und -kritikern bejubelt:

- "Wer aber dieses Buch sehr genau durchliest wird feststellen, dass der Wolf keinen wirklichen Nutzen für Mensch und Tier hat, da er einfach nur seinem Jagdtrieb nachgeht und größeren Schaden anrichtet, als gut für Flora und Fauna ist." (katikatharinenhof, 12.06.2020)

- "Die Rückkehr des Wolfes ist keine Romantik in alte Zeiten, sie stellt eine Gefahr für den Menschen dar. Spätestens dann, wenn man seine Kinder nicht mehr unbeaufsichtigt spielen lassen oder in die Schule schicken kann, weil ein Wolf in der Nähe ist. Das Buch macht diese Problemlage sehr deutlich." (Viking, 31.05.2020)

- "Almwirtschaften besitzen auch einen touristischer Anreiz, den es dann nicht mehr geben wird.
Ist der Wolf erst einmal da, dann wird es sehr schwer, ihn wieder zu vertreiben oder in seiner Vermehrung zu begrenzen. Das Einzige, was helfen würde, wäre eine intensive Bejagung.
[...] Man schafft sich ohne Not ein schwer lösbares und kostenintensives Problem. So kostet die Ohrdrufer Problemwölfin in Thüringen bereits die stattliche Summe von 170.000 € pro Jahr. Gewöhnliche Wölfe bringen es nur auf die Hälfte. Auch diese gesicherten Zahlen findet man im Buch. Immerhin gibt es auch Profiteure auf dieser Spielwiese. Und das sind die selbsternannten Naturschützer, für die es nun Planstellen zur Ausübung ihres Hobbys gibt. Was man in diesem Buch nämlich nicht findet, ist eine wirklich praktisch nachvollziehbare Begründung, wozu man den Wolf in Deutschland tatsächlich braucht. Er verändert durch permanenten Stress das Verhalten seiner Beutetiere ohne einen erkennbaren Nutzen für den Rest von Flora und Fauna und richtet ansonsten nur Schaden an." (Dr. M, 28.05.2020)

- "Bestimmte Formen der Landwirtschaft werden unrentabel, wenn man auch noch den Schutz der Nutztiere vor dem Wolf organisieren und bezahlen muss. Vor allem für die Almwirtschaft wird’s kritisch. Wenn der Wolf durch die Gegend streift, kann man die Tiere nicht längere Zeit sich selbst überlassen. Da braucht man Hirten, Hütehunde und Zäune, und das ist teuer. Werden die Almen deshalb nach und nach aufgegeben, verändert sich die Landschaft. Der Wald holt sich das Weideland zurück, was wiederum Einfluss auf die Artenvielfalt hat – und auch auf den Tourismus. So hängt alles mit allem zusammen." (Edith Nebel, 18.09.2020).

Und einer bringt es dann nüchtern auf den Punkt:

- "Insgesamt war ich aber erstaunt, dass ein Professor für Biodiversität eher den Wolfsgegnern zuneigt und die Argumente pro Wiederstellung natürlicher Biotope eher geringschätzt. So warnt er davor, dass mit dem Wolf wohl die Almen aufgegeben würden und dies einen Rückgang der Biodiversität und des Fremdenverkehrs zur Folge hätte. Daraus schließe ich, dass die Wiederherstellung der natürlichen Waldgebiete in den Alpen für diesen Biologen nicht erstrebenswert sind und das erstaunt mich dann doch sehr. Dass das Zuwachsen der Almen zu einem Schutzwald die Wasserrückhaltekapazität vermindern würde, widerspricht allem, was ich bisher zum Thema gelesen habe. Die guten Erfahrungen mit Wölfen in Nordspanien und Italien, wo der Wolf nie ausgerottet war, erwähnt der Autor eher beiläufig, ebenso unterschlägt er, dass die Wolfsansiedlung im Yellowstone Park dort die Biodiversität stark erhöht hat. [...] Insgesamt beißt sich der Autor an Einzelfakten zum Wolf fest, aus denen die Landwirte wohl jede Menge Argumente gegen den Wolf herauslesen werden. Ökologische Systemwirkungen kommen im Buch gar nicht vor oder werden als Zukunftsvermutung ins Blaue hinein heruntergespielt. Fazit: Der Wolf kann geduldet werden, aber nur solange er die Jagd- und die Forstwirtschaft nicht stört, wirtschaftliche Verluste können nicht in Kauf genommen werden, da kein ökologischer Gewinn zu erwarten ist. [...] Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass der Autor dieses Buch vor allem für die Landnutzer geschrieben hat, weil er sich unter ihnen mehr Käufer erwartet.
Dr. Rüdiger Opelt, Autor von „Gesellschaft im Gleichgewicht. Ökologie und Respekt“
(MF3118, 19.06.2020)

Um dieses Buch geht es:
Klaus Hackländer / Tobias Moretti: Der Wolf kehrt zurück. Wolfsrudel in unseren Wäldern. Im Fadenkreuz der Interessen: zwischen Gefahr für Mensch & Landwirtschaft und Erfolg des Naturschutzes. Fakten, Erfahrungen, Konzepte., Ecowin, Mai 2020. Rezensionen dazu und "Blick ins Buch" bei amazon.de
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