Der Wolf im Wahlkampf

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Nina
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Der Wolf im Wahlkampf

Beitrag von Nina »

Die investigativen Journalisten des ZDF-Formats "Frontal 21" haben sich lobenswerter Weise die Mühe gemacht, alternative Fakten der AfD zum Wolf nachzurecherchieren. Der Film ist zwar vom 20.08.2019, aber nach der Wahl ist ja bekannterweise vor der Wahl. In dem Film geht es um die von der AfD ins Spiel gebrachte Wolfsopfer-Zahlen aus Russland, die die russische Botschaft allerdings so gar nicht bestätigen kann. Der Film beginnt mit einem Wahlkampfflyer der AfD mit dem Titel "Wölfe in Sachsen: Ohne Regulierung geht es nicht" - in einer wenig professionell anmutenden Fotomontage rast ein Wolf auf einen purzelnden Spielzeug-Teddy zu.
Silke Grimm ist in Sachsen Wolfsbeauftragte für die Partei, die sich Alternative für Deutschland nennt. Persönlich ist sie noch nie einem Wolf begegnet, doch die Partei hat eine Fotomontage drucken lassen - für den Wahlkampf.
[Reporter:] Was ist das Motiv da drauf? Da ist so'n Teddybär zu sehen.
[Silke Grimm, AfD:] Ja, das ist mehr so... das hat die Pressestelle halt so bissl... [lacht verlegen]
[Reporter:] Also man könnte ja denken, dass da suggeriert wird, dass der Wolf auch gefährlich für Kinder ist, weil der Teddybär...
[Silke Grimm, AfD:] Also man sollte es nicht unterschätzen. Es soll jetzt nun nicht heißen, dass das Kind schon weg ist oder so. Aber man sollte nie, wie es in vielen Fällen schöngeredet wird, dass ein Wolf nie einen Menschen anfällt oder... Jeder Wolf braucht pro Tag fünf bis sieben Kilogramm Fleisch, und das holt er sich an Wild oder an Nutztieren und irgendwann, je größer die Wolfspopulation wird, umso weniger Nahrung wird da sein. Und wenn hier nicht reguliert wird, dann sollte man nicht ausschließen, dass es auch mal ein Kind treffen könnte.

Frontal 21, ZDF, 20.08.2019: Der Wolf im Wahlkampf - Mit der Angst auf Stimmenfang https://www.zdf.de/politik/frontal-21/d ... f-100.html
[Karsten Hilse, AfD, im Bundestag:] Wölfe laufen immer öfter seelenruhig durch Dörfer. An Bushaltestellen vorbei, an denen nur wenige Stunden zuvor Kinder auf ihren Schulbus warteten. Wölfe haben schon lange gelernt, dass von Menschen keine Gefahr ausgeht. Der nächste logische Schritt ist, dass sich auch ihr Beuteschema ändert. Alles, was kleiner und langsamer ist, ist als potentielles Jagdopfer anzusehen.

Frontal 21, ZDF, 20.08.2019: Der Wolf im Wahlkampf - Mit der Angst auf Stimmenfang https://www.zdf.de/politik/frontal-21/d ... f-100.html
Die AfD macht sich große Sorgen um Schafe, Schäfer und die deutsche Heimat. So schreibt die Wolfsbeauftragte Grimm: "nachfolgende Generationen werden weidende Schafe in Sachsenwohl nur noch von Bildern kennen". [...] Der Ministerpräsident [Kretschmer] hat zur Bürgersprechstunde geladen. Alle dürfen Fragen stellen zu Themen, die ihnen wichtig sind. [...] Dann aber geht es zwei Stunden lang um Straßenausbau, Ärztemangel, Funklöcher und die Grundsteuer. Zum Wolf fragt niemand.

Frontal 21, ZDF, 20.08.2019: Der Wolf im Wahlkampf - Mit der Angst auf Stimmenfang https://www.zdf.de/politik/frontal-21/d ... f-100.html
Weit weg vom Wolfsland macht die AfD das Raubtier trotzdem zur großen Gefahr, muss dafür Russland bemühen und historisch weit zurückblicken. Zitat aus einer deutschen Tageszeitung:
[Karsten Hilse, AfD, im Bundestag:] Fast 200 Tote, Jahr für Jahr, und das über viele Jahrzehnte hinweg. Im Frieden ein hoher Blutzoll. Russland hatte ihn im 19. Jahrhundert zu leisten, fast 200 Menschen fielen jährlich dem gefährlichsten Raubtier zum Opfer, das man in Europa kannte - dem Wolf.

Wir fragen die russische Botschaft: Gab es wirklich jedes Jahr 200 Tote durch den Wolf? Die Antwort:
[Textauszug Antwortschreiben der russischen Botschaft:] Ehrlich gesagt, haben wir die Aussage des deutschen Politikers mit Bewunderung wahrgenommen. Statistische Angaben über Angriffe von Wölfen im Russischen Reich haben wir nicht und zweifeln daran, dass so eine landesweite Zählung damals durchgeführt wurde.
Die erwähnte Äußerung des Politikers ist auch unwahrscheinlich, da sich die Grenzen des Landes im 19. Jahrhundert nicht einmal verändert haben und die Technologie solcher Zählungen gar nicht entwickelt war. Daher können wir die Zahl nicht bestätigen.


Frontal 21, ZDF, 20.08.2019: Der Wolf im Wahlkampf - Mit der Angst auf Stimmenfang https://www.zdf.de/politik/frontal-21/d ... f-100.html
Die Legende vom bösen Wolf - gern erzählt und benutzt für das Spiel mit der Angst.

Frontal 21, ZDF, 20.08.2019: Der Wolf im Wahlkampf - Mit der Angst auf Stimmenfang https://www.zdf.de/politik/frontal-21/d ... f-100.html
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Dr_R.Goatcabin
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Re: Der Wolf im Wahlkampf

Beitrag von Dr_R.Goatcabin »

What else is new .. das geht doch die ganze Zeit so. Als ob da was mit Fakten im Spiel wäre. Der Wolf - auch nur eine Farbe im Spektrum dessen, was die "sehr gute Partei AFD" anspielt.

https://www.endstation-rechts.de/news/a ... ndrad.html
Bild
(25.01.2017)


https://sz-magazin.sueddeutsche.de/poli ... wolf-85974
(15.08.2018)
Auch wenn man die Bilder vom Tatort nicht gesehen hat, reicht die Nachricht, um im Kopf einen Horrorfilm ablaufen zu lassen: Bestie im Rausch, arglose Schafe mit heraushängenden Zungen, rotes Blut auf weißem Fell. Man glaubte ihm sofort, als ein Schäfer sagte, so ein Wolfsangriff sei traumatisierend für Mensch und Tier und schon »die Angst davor unerträglich«. Womit man bereits beim Kern des Wolfsproblems angelangt ist: Angst.

Man kann all den Wolfsgegnern mit etlichen Statistiken kommen, die besagen, dass der Wolf in Wahrheit nicht so gefährlich ist, wie sie denken. Schon gar nicht für den Menschen: In den vergangenen vier Jahrzehnten wurde in Europa ein Mensch von Wölfen getötet, eine Pflegerin in einem schwedischen Tierpark. Doch es ist wie beim Fliegen: Viele Menschen haben riesige Angst, dass ausgerechnet ihr Flugzeug abstürzt, und sei es noch so unwahrscheinlich.

https://taz.de/Psychologin-Eva-Walther- ... r/!5632214
Interviewer: Und das Bedürfnis nach Sicherheit?

Walther: Das ist aufgeteilt. Zum einen geht es um materielle Sicherheit, die gehört in die erste Linie, und um Vertrauen in die Politik, das in die dritte gehört. In dieser geht es darum, enttäuschte, ängstliche und wütende Menschen anzusprechen. Da bietet die AfD vermeintliche Kontrolle an, etwa dadurch, die Flüchtlinge draußen zu lassen. Bei allen Heterogenitäten gilt: Das Ausgrenzende eint alle in der Partei. Das ist der Kern, die anderen Dinge werden für unterschiedliche Wählergruppen drumherum gruppiert.

[...]

Interviewer: Wie kann man dem beikommen – mit Fakten vermutlich nicht?

Walther: In einer Podiumsdiskussion auf keinen Fall. Die AfD versucht nicht durch Argumente zu überzeugen, sondern durch gezielte Normüberschreitungen Stimmung zu machen und negative Emotionen zu legitimieren. Sie versuchen, sich als Opfer oder Helden zu stilisieren. Das sind Narrative, die psychologisch sehr wirksam sind. Da kann man mit sachlichen Gegennarrativen wenig ausrichten..
Verklärung von Gegenwart und Vergangenheit, für Ängstliche, Überforderte, Enttäuschte und Fremdenhasser. Nur, dass Früher nicht einfach früher war, sondern besser. - Hoppla; Thread rutscht gleich wieder ab. ;)
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zaino
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Re: Der Wolf im Wahlkampf

Beitrag von zaino »

Hm, und woran erinnern uns diese Art von "Argumentationsketten" noch? *flööööt*
maxa67

Re: Der Wolf im Wahlkampf

Beitrag von maxa67 »

Und woran erinnert mich die Art der Fragestellung samt Unterstellungen und des Ausblendens gleichlautender "Argumente" durch eine der Regierungsparteien.
Ja die Verklärung der etwas jüngeren Gegenwart erfolgt leider meist von denen, die sie nicht selbst so erlebt haben.

ZDF, TAZ und Süddeutsche als "Quellen" und Transportmittel. Die Kommunisten hatten sich auch immer auf Neues Deutschland und Prawada berufen.
Ganz großes Kino Dr. und Nina...
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SammysHP
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Re: Der Wolf im Wahlkampf

Beitrag von SammysHP »

Ich denke auch, dass man das etwas parteineutraler betrachten sollte, denn bei vielen anderen Parteien ist es auch nicht besser.
Lutra
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Re: Der Wolf im Wahlkampf

Beitrag von Lutra »

Ich sehe es so, dass Parteien, die entweder an die Macht kommen wollen oder ihre Felle davon schwimmen sehen, den Wolf als Vehikel oder Strohhalm für ihre Anliegen benutzen, meistens ohne jegliche Sach-, geschweige denn Fachkenntnis. Das trifft in meiner Region z.B. auf Hilse, Harig und Kretschmer zu. Es soll so aussehen, als ob man sich um seine Bürger oder die armen Unterdrückten kümmert. Das ist mit ein paar flotten Sprüchen zum Wolf recht einfach. Wenn es um etwas wirklich Konkretes geht, z.B. Weidetierhalter zu unterstützen, tut man sich schon wesentlich schwerer.
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Dr_R.Goatcabin
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Re: Der Wolf im Wahlkampf

Beitrag von Dr_R.Goatcabin »

SammysHP hat geschrieben: 21. Okt 2019, 06:59 Ich denke auch, dass man das etwas parteineutraler betrachten sollte, denn bei vielen anderen Parteien ist es auch nicht besser.
Weil wir erstens ja auch so "viele" (andere) Parteien haben, die dem Wolf genauso kreischig die Flinte vor die Nase halten wollen, und zweitens diesselbe Intention (Angstmacherei) dahinterstünde? Stell´doch mal einen Vergleich zwischen all den Altparteien an, oder mindestens denen, die irgendwas zu sagen haben. Dass hier CDU/CSU nur knapp dahinterstehen, ist mir auch klar, aber besagte sehr gute Partei hier hat sich ein "Dagegen!" selbst zum Thema gemacht.
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zaino
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Re: Der Wolf im Wahlkampf

Beitrag von zaino »

Stimmt, denn zu sagen: "Leben mit dem Wolf GEHT, wir unterstützen Euch mit solidem Monitoring und Subvention beim Weideschutz", wäre ja mit aufwändiger anspruchsvoller Argumentation verbunden. (Die bekanntlich sogar hier im Wolf-Forum sozusagen auf heißer Platte verbrutzelt...) Stattdessen hetzen sie gegen das pöööhze Tier. Das ist dummer, einfacher und primitiver Demogismus. Da muss man nicht überzeugen, das funzt sofort, schnell und mit Gebrüll am Wirthaustisch auch bei den ganz schlicht Gestrickten.. Damit sammelte man Frankreichs Volk schon Beifall brüllend um den Fuß der Guillotine und unser Dolfi später punktete ebenfalls mit effektiven, seit dem Mittelalter bewährten Feindbildern, die hinterher 6 Millionen Menschenleben kosteten... aber vorerst klappte das einwandfrei: Ein Volk, ein Reich, ein.... Ihr wisst schon. :evil:

Naja, unsere "Blauen" arbeiten mit der Methode am lautesten und offensichtlichsten. Aber hier in Bayern wird von der schwarzen ach so bürgerlichen Mischpoke mit gleicher Masche feste am rechten Rand gefischt, liebend gern "pro Landwirte" und gegen den albernen Natur- und Artenschutz, denn da klappt das gut. Mittlerweile gibts auch schon Rotkäppchen am linken Rand. So ganz hasenrein sind die alle nicht, wenn sie Wählerstimmen kriegen können. Rückgrat? Wer braucht sowas? :roll:
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Dr_R.Goatcabin
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Re: Der Wolf im Wahlkampf

Beitrag von Dr_R.Goatcabin »

Mir war so, als hätte so eine Gegenüberstellung zum Wolf im Programm schon mal früher hier wer gemacht? Ansonsten:

https://www.mdr.de/sachsen/politik/wahl ... n-100.html

https://www.petazwei.de/europawahl-2019 ... tierschutz

Gekürzte Version:
https://www.peta.de/europawahl-2019
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maxa67

Re: Der Wolf im Wahlkampf

Beitrag von maxa67 »

Die investigativen Journalisten des ZDF-Formats "Frontal 21"
In welcher Zeit steckst du denn noch fest? Investigativ war mal... Als z.B. die Herren Hauser und Kienzle das noch ausgestalteten.

Ja Dr. da du liegst mit deiner Intuition richtig.
https://www.bundestag.de/dokumente/text ... ion-538094
viewtopic.php?f=12&t=2737

Im Landtagswahlkampf vor paar Monaten spielte das Thema Wolf nur eine nebulöse Rolle. Das einzige wahrnehmbare AntiWolfsplakat stammte da übrigens von der FDP.
Im Übrigen hat die CDU diejenigen Wahlkreise, wenn auch teils nur knapp, vor der AFD für sich entscheiden können, wo es die größte Brisanz mit den Wölfen gibt. Dort haben CDU Kommunalpolitiker teilweise die AFDler noch rechts überholt.
U.a. im Wahlkreis Bautzen 2 das Rosenthaler Rudel und das in der Schwebe hängende Masseneirudel bei Lutra vor der Haustür. Dazu das Rudel Königsbrücker Heide im Wahlkreis Bautzen 3. Und der Wahlkreis Görlitz 1 ging ebenfalls an die CDU. Dort befinden sich gleich bis zu 6 Wolfsrudel inklusive dem Ur-Rudel auf dem Truppenübungsplatz Oberlausitz.

(empfindliche politische Seelen wie zaino sollten diese Wahlergebniskarte des konservativen Grauens lieber nicht anklicken :lol: )
https://wahlen.sachsen.de/LW_19.php?wahlkreis=53

Man kann sich auf die Politik einschießen. Für mich gibt es bisher von Niemandem einen homogenen Vorschlag, wie es praktisch gehen kann.
Aber reines AFD Bashing ist pure ideologische Verblendung vor allem angesichts der Praxis in Bayern, den von grünen und roten Umweltministern gezeichneten Abschußgenehmigungen und kommunalpolitischer Praxis in roten (Brandenburg) und schwarzen (Sachsen) Landkreisen.
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