Ich habe mir den Filmbeitrag der "moma-Reporter" gerade angeschaut. Leider konnte auch der Hinweis der Moderatoren, dass Wolfsangriffe auf Menschen höchst unwahrscheinlich seien, das Gleichgewicht zu dieser einseitigen Reportage nicht wieder herstellen.
Kurz zusammengefasst: Ein Reporter mit deutlichem Unwohlsein im Gesicht "wagt" sich in einem Wolfcenter in Niedersachsen zu Gehegewölfen ins Gehege, die ihn sichtlich ignorieren.
Der Betreiber des Centers zeigt sich bemüht, dem Journalisten die Bedenken zu nehmen. Hinsichtlich des Einstellens der Menschen auf das Leben mit wildlebenden Wölfen gäbe es "letztendlich keine freie Wahl", da der Wolf "streng geschützt" sei.
Dann wagt sich der Reporter ins "Wolfsland" der Lüneburger Heide - ein Wolfsberater habe ihn angerufen, dass es einen "Vorfall" gegeben hätte. Der Wolfsberater ist Theo Grüntjens, der Landkreis ist - Uelzen.
Und obwohl der Wolf als Verursacher zu diesem Zeitpunkt gat nicht feststeht, werden die toten Tiere samt ihrer Verletzungen - wie in solchen Reportagen üblich - detailliert in die Kamera gehalten.
Dazu wird eine sichtlich betroffene Schäferin interviewt, die den Tod ihres einstigen Flaschenlamms beklagt und sagt: "Das muss gesehen werden, das muss jeder sehen. Und es ist auch richtig, dass das jeder weiß und jeder mitbekommt. Und nicht, dass das totgeschwiegen wird - wie es an vielen Stellen schon passiert." Die Frage, ob sie sauer sei, bejaht sie mit den Worten "Uns hilft einfach keiner".
Dann wird der Elektrozaun gezeigt und ein großes Loch an der Stelle, die der Wolf überwunden haben soll. Von dem Schaden selbst kann sich der Leser leider kein eigenens Bild machen, da die Stelle in unbekannter Größe zuvor ausgeschnitten wurde, um sie zur DNA-Begutachten einzusenden. Der Unterschied zwischen Mindestschutz und vorbildlichem Schutz wird genauso wenig erklärt wie die Frage, ob und inwieweit das Elektronetz tatsächlich unter Spannung stand.
Theo Grüntjens formuliert dann seine Abschussforderung: "Ein Tier, was wiederholt Zäune überwindet, oder hier, eventuell, wenn es denn ein Wolf war, der Löcher beißt, und durch Elektrozäune geht, der wird's immer wieder tun. Und solche Wölfe müssen dann auch entnommen werden."*
Der einseitige Beitrag endet, wie er enden muss: Der Reporter fragt sich, ob der Wolf nach Deutschland passt. Am Ende dieses Films sei er "ratlos".
Ratlos lässt mich dagegen zurück, wie es leicht es offensichtlich immer wieder gelingt, den Zuschauern wiederholt nur die eine Seite der Medaille als "Information" zu verkaufen.
Was in dieser Reportage verschwiegen wurde:
Bei beiden befragten Experten handelt es sich um Jäger, und nicht um Wildbiologen.
Die Expertenmeinung ist also zu 100% durch Menschen mit jagdlichem Hintergrund geprägt. Abweichende Ansichten und wissenschaftliche Sichtweisen von Wildökologen werden gar nicht berücksichtigt. In der Anmoderation ist die gegenläufige Meinung lediglich den "Tierschützern" vorbehalten.
Es werden Bilder gezeigt und Abschussforderungen formuliert, obwohl der Wolf als Verursacher zu dem Zeitpunkt völlig unklar ist.
Die Aussagen der Schäferin bleiben auf sachlicher Ebene unwidersprochen, ungeprüft und unkommentiert. Dass Risse an "vielen Stellen" verschwiegen würden, gar "totgeschwiegen" und Schäfer "allein gelassen" würden, blendet komplett das Management der Bundesländer, die Informationsarbeit vom DBBW und des Bundes sowie die Steuergelder in Millionenhöhe aus, die den Tierhaltern sowohl den finanziellen Schaden als auch Präventionsmaßnahmen zum Herdenschutz in hohem Maße ausgleichen. Und dass diese Präventionsleistungen demnächst sogar auf Hobbyhalter ausgedehnt werden, wie in Niedersachsen, wird ebenfalls verschwiegen. Die Beratungsleistungen der Behörden und die Freiwilligenarbeit findet offenbar auch niemand erwähnenswert. Schäfer, die ihre Herden erfolgreich schützen können? Nicht in der Moma-Reportage!
In dieser Reportage wird dem Zuschauer suggeriert, dass all diese Fakten gar nicht existierten. Stattdessen gewinnt man immer wieder den Eindruck, dass sich der Wolf vor allem auf Flaschenlämmer als Beute konzentriert. Tiere, die für den Halter einen großen emotionalen Verlust darstellen.
Der uninformierte Zuschauer muss dabei zwangsläufig den Eindruck gewinnen, dass Schafe und Ziegen in Deutschland vorwiegend zum Knuddeln statt zur Fleischerzeugung gehalten würden. Die "Betroffenheit" der Schäfer anlässlich jährlich 1,6 Mio. zur Fleischerzeugung geschlachteter Schafe wäre dagagen ein Mehrwert an Information für den Zuschauer. Bilder der geschlachteten Tiere zeigt niemand - so wird das Bild verzerrt und Information zur Desinformation. 2016 erhöhte sich das Volumen an geschlachteten Schafen um 700 Tonnen (+ 3,6%), darunter 17.800 Tonnen Lammfleisch. Die Zahl geschlachteter Lämmer erhöhte sich um 4,8% (+ 43.500)¹. Zusätzlich werden illegale Haltungen und Schlachtungen "in größerem Ausmaß" vermutet.²
Was sich in den Schlachthäusern abspielt, bleibt im Verborgenen. Erbeutet der Wolf ein Schaf, bedient man den Voyeurismus des Zuschauers im Sinne der Interessengruppen dagegen gern.
Unabhängige Information geht anders.
¹
https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten ... ungen.html
²
http://www.ndr.de/nachrichten/mecklenbu ... en100.html
*
Von der Aussprache her ist es schwierig zu verstehen, ob der Wolfsberater sagt, dass "der Wolf Löcher beißt" oder "Löcher reißt" - ich habe ersteres verstanden - beides läuft aber ohnehin auf's gleiche Ergebnis aus.