Wolfsschutz – Sinn oder Unsinn?

Die Beziehung zwischen Mensch und Wolf, Zusammenleben, Herdenschutz, Konflikte und Lösungen.
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SammysHP
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Wolfsschutz – Sinn oder Unsinn?

Beitrag von SammysHP »

Wir unterhalten uns ständig über "Wolfsschutz", aber was genau verstehen wir darunter?

Das momentane Ziel ist es offensichtlich, die Art "Wolf" in ihrer Vielfalt und Verbreitung zu bewahren. Es reicht also nicht, dass die Art ansich gesichert ist (z.B. über Populationen in Russland etc.), sondern dass ihre jetzige Ausbreitung erhalten bleibt bzw. ehemalige Gebiete neu erschlossen werden. Die Rückkehr soll dabei von selbst geschehen, lediglich Rahmenbedingungen sollen durch den Menschen angepasst werden um die Rückkehr zu begünstigen.

Die "Art Wolf" – was genau ist das eigentlich? Die Individuen dieser Art weisen viele Unterschiede zueinander auf, sodass es etliche Unterarten gibt, wobei die Grenzen teilweise so fließend sind, dass eine genaue Einteilung regelmäßig umstritten ist (siehe anderer Thread über Größe und Gewicht der Unerarten). Diese Vielfalt wollen wir also erhalten? Konzentrieren wir uns auf Deutschland. Was genau sind "unsere Wölfe" eigentlich?

Worauf ich hinaus will: Hybriden. Nicht zum ersten Mal habe ich darüber nachgedacht, doch heute wurde ich wieder darauf aufmerksam gemacht. Es geht darum, ob Wolf-Hund-Hybriden aus der Natur "entnommen" werden sollen oder nicht. Die einen sehen Hybriden als menschliche Beeinflussung, welche der "Art Wolf" schadet, indem sie den Genpool verändert. Das ist sicher wahr. In ein paar hundert Jahren würde es Wölfe, wie wir sie jetzt haben, vielleicht nicht mehr geben. Einige sind auch der Meinung, dass Hybriden ein anderes Verhalten gegenüber Menschen hätten – das kann ich nicht beurteilen.

Ich gehe aber stark davon aus, dass in "unseren Wölfen" bereits ein gewisser Teil Hund drin ist. Es gibt Leute, die nun genaue Prozentangaben hören möchten. Tut mir Leid, darüber möchte ich nicht spekulieren. Genau werden wir das eh nicht sagen können (jetzt treten sicherlich wieder die Genetiker hervor und meinen, das absolut sicher angeben zu können). Wie viel "Wolf" steckt in "unserem Wolf" also noch drin bzw. anders formuliert: Was genau wollen wir erhalten? Ist das Evolution?

In der Archäologie gab es in den letzten hundert Jahren diverse Meinungen. Früher wurde viel Rekonstruiert mit dem Ziel, alles wie "original" erscheinen zu lassen. Dann kam ein Gesinnungswechsel und die Mehrheit vertrat die Meinung, gefundene Objekte in ihrem momentanen Zustand zu erhalten. Ähnlich ist es auch beim Wolf. Wollen wir die Evolution nun beschränken? Oder ist ein gewisser Teil von Hybriden vielleicht tragbar? Was passiert mit diesen Tieren, wenn sie "entnommen" werden? Für sie selbst ist es sicher unerfreulich, aber im Sinne der gesamten Population? Letztendlich kommt man wieder bei der Frage an, welchen Teil der Mensch in der Evolution aller Lebeweisen einnimmt (worüber man vermutlich endlos philosophieren kann).

Ich möchte hier weder eine Empfehlung aussprechen noch mich überhaupt auf eine Entscheidung festlegen. Es geht mir nur darum, meine Gedanken zu teilen und zur Diskussion zu stellen. Was meint ihr? Wie soll "Wolfsschutz" aussehen?
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Caronna
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Re: Wolfsschutz – Sinn oder Unsinn?

Beitrag von Caronna »

Hybriden also Wolf/Hund Mischlinge könnten für den Menschen gefährlich werden. Hunde haben sich genetisch an den Menschen angschlossen, haben die Scheu abgelegt. Das war meines wissens auch die Begründung die Hybriden einzufangen.

Grüße aus der Eifel
Steffen
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"Ich warte sehnsüchtig darauf das erste Wolfsgeheul in der Eifel zu hören"
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SammysHP
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Re: Wolfsschutz – Sinn oder Unsinn?

Beitrag von SammysHP »

Ja, das war die (ein Teil der) Begründung. Es gibt sicherlich auch Exemplare, bei denen das Zutrifft. Kennt jemand Forschungsarbeiten, die darauf genauer eingehen?
Wolfsheuler
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Re: Wolfsschutz – Sinn oder Unsinn?

Beitrag von Wolfsheuler »

Da müsste man zuerst das Basisproblem lösen, nämlich wodurch es überhaupt zu Hybriden kommt. Herrenlose Hunde, und das ist ja besonders in Südeuropa ein Problem, bei uns in Deutschland vielleicht weniger. Was aber tun mit den vielen herrenlosen Hunden, wie einfangen, an wen vermitteln? Kastrieren? Wird ja teilweise gemacht, aber reicht das? Töten? Wäre das ethisch richtig? Sehr komplizierte Problematik.
Gleiche Frage stellt sich bei der Wildkatze. Wieviel Wildkatze und wieviel Hauskatze ist in der deutschen Wildkatze? Weiss dazu einer Angaben?
Lupus
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Re: Wolfsschutz – Sinn oder Unsinn?

Beitrag von Lupus »

Der folgende Bericht war gestern in der Haz. Passt gut zu diesem Thema.
http://www.haz.de/Nachrichten/Wissen/Na ... tige-Rolle
Widukind

Re: Wolfsschutz – Sinn oder Unsinn?

Beitrag von Widukind »

Wölfe und Bären in Europa: Mensch und Raubtier rücken zusammen

Große Raubtiere breiten sich in Europa aus - sie bevölkern inzwischen die vierfache Fläche Deutschlands. Die Zahlen zeigen nach Meinung von Wissenschaftlern, dass selbst Wölfe und Braunbären in der Nähe von Menschen leben können.

http://www.spiegel.de/wissenschaft/natu ... 09516.html
balin
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Re: Wolfsschutz – Sinn oder Unsinn?

Beitrag von balin »

Wolfsschutz hat noch einen ganz anderen Aspekt, wenn die Wölfe nämlich schon vorhanden sind. In Gegenden, wo konsequenter Herdenschutz umgesetzt wird, sind die Weidehalter an angelernten und unproblematischen Wölfen interessiert. Stabile Rudelstrukturen und erfolgreicher Herdenschutz ergänzen sich, da Wölfe Traditionen weitergeben und die im Rudel erfolgreichere Jagd auf Wild den Druck auf Nutztiere vermindert und auch hungrige Wanderwölfe am Durchziehen hindert.
Hier zeichnet sich ein Interessenskonflikt mit den Jägern ab. Zerschossene Rudel führen zu mehr Nutztierkonflikten und mindern den Druck auf das Wild.
Man sollte also die Schäfer und sonstigen Freilandhalter bitte nicht für blöd halten und mit den Jägern in den selben Topf schmeissen. Die Wölfe sind sowieso da und deswegen wäre das Nichtanwenden von Herdenschutzmaßnahmen unsolidarisch gegenüber den Berufskollegen, weil so die Wölfe auf Nutztiere geprägt werden. Jagdliche Eingriffe im Wolfsbestand verstärken dann den negativen Effekt auf den Herdenschutz noch und der Unfriede unter Weidehaltern einerseits und unter Weidehaltern und Jägern und Wolfsschützern andererseits wäre perfekt.
Für den inneren Frieden ist also eine eindeutige Vorgehensweise sinnvoll - robuster Herdenschutz ohne Flinte und die Erkenntnis, daß Wild die angestammte Nahrungsgrundlage des Wolfes ist.
An unserm Nachbarland Frankreich kann man sehen, zu welcher Katastrophe eine halblebige Wolfspolitik führt. Da eskaliert einiges, vor allem zwischenmenschlich und die Sache als solche wird an die Wand gefahren. Und auf der Strecke bleibt auch die Glaubwürdigkeit der Politik.
Nochmal: Wölfe-ja, Herdenschutz-ja, Wölfe fressen Wild-ja, Wölfe schiessen- nein!
So schlecht sind unsere Wolfsmanagementpläne nicht. Unter diesen Vorraussetzungen kann Koexistenz Wolf- Mensch auch funktionieren.
Natürlich kann man sich vorstellen, daß Jäger hier an ihrem Selbstwert zweifeln. Es ist aber nicht verboten dazuzulernen. Wölfe haben auch für Jäger ihr gutes. ;-)
Alpenwolf
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Re: Wolfsschutz – Sinn oder Unsinn?

Beitrag von Alpenwolf »

balin hat geschrieben:

An unserm Nachbarland Frankreich kann man sehen, zu welcher Katastrophe eine halblebige Wolfspolitik führt. Da eskaliert einiges, vor allem zwischenmenschlich und die Sache als solche wird an die Wand gefahren.

Es ist aber nicht verboten dazuzulernen.
Für Frankreich gilt anscheinend, dass für die Schäfer nach 20 Jahren mit den Wölfen die Akzeptanz trotz Schutzmaßnahmen geringer ist als je zuvor:

Der Artikel ab Seite 17:

http://www1.nina.no/lcie_new/pdf/635572 ... 2015-Z.pdf

Um dazuzulernen müsste man nun die deutsche Schäferei mit den verschiedenen Ausprägungen der französischen vergleichen.
balin
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Re: Wolfsschutz – Sinn oder Unsinn?

Beitrag von balin »

Natürlich vergleiche ich und das mache ich seit über dreissig Jahren und ich habe auch berufsmäßig in Frankreich gelebt. Damals habe ich mich über den Wahlsieg Mitterands gefreut und war aber sehr schnell ernüchtert und das ist den Franzosen genauso ergangen. Die heutigen Stümper sind aber zwei Nummern schlimmer und das schließt den Hampelmann auch mit ein. Unsere murksel ist ja auch schon auf solchen Wegen. Als Jäger würde ich mich nicht auf die eigene Propaganda und die einschlägige Politik verlassen. Es kommen da Entwicklungen, die zwar vorhersehbar, aber offiziell ziemlich unwahrscheinlich sind. Wenn man keine schlüssige Politk vorzuweisen hat, kommt es zur Revolution. Politiker und auch Jäger müssen den Anspuch haben, ernst genommen werden zu wollen. Ich gehe mal davon aus, das daß grammatikalisch und auch sinnmäßig eindeutig formuliert ist.
Frankreich trägt seine Konflikte viel offensiver aus, als das bei uns der Fall ist. Da wird auch die Wolfspolitik auf ihren Kontrapunkt kommen und dann wird de Machtfrage gestellt. Wenn das so obszön geschieht, wie zur Zeit, kann ich mir nicht vorstellen, daß das zu ungunsten der Wölfe geschieht.
Alle Franzosen stammen aus der ländlichen Region, jedenfalls rudimentär und haben deswegen Verständtnis für ihre agriculteurs, aber sie sind zur gleichen Zeit ausufernde Anarchisten. Das unterscheidet sie von den kuk Psychokrüpeln der Vergangenheit und der Gegenwart(Freud). Sie, die Franzosen haben elementares Verständtnis für die Wölfe, weil die ihnen ähnlich sind. Man braucht sich da nicht nur auf die Italiener zu berufen, die Mama Roma bewundern, die Franzosen haben ähnliche Züge. Ich gehe mal davon aus, wenn die Wölfe in Frankreich wieder zu den Verfolgten gerechnet werden müssen, dann haben sie die öffentliche Meinung ziemlich sicher auf ihrer Seite. Das wird auch Jose Bove nicht verhindern können.
Österreich ist schon eine eigene Nummer in Europa, genauso wie die südlichen Altbayern auch. Schwer zu sagen, woher das wohl kommt?
Dialekt sympathisch, aber ansonsten etwas seltsam.Sage ich aus der Sicht eines Nordfranken und bei uns steht der Wolf im Wappen. ;-)
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