Es ist völlig absurd, die Verhältnisse in Indien auf Deutschland zu übertragen.
Prädatorische Wolfsangriffe, wie in Spanien in den 1950er und 1970er Jahren oder in den letzten Jahrzehnten in Indien (Linnell et al. 2002), sind in der Regel mit sehr speziellen Umweltbedingungen assoziiert. Dies ist in Gebieten mit stark fragmentiertem Habitat, mit extrem niedrigen Beutetierbeständen, mit Wölfen, die sich von Nutztieren und Abfall ernähren, möglich. In diesen Umständen befinden sich Kinder in einer sehr angreifbaren Situation, wenn sie etwa Vieh im Wald hüten. Im heutigen Europa ist das Risiko, dass Wölfe ein solches Verhalten erlernen, sehr gering (Linnell et al. 2002, Linnell & Alleau 2016).
Ilka Reinhardt, Petra Kaczensky, Jens Frank, Felix Knauer und Gesa Kluth: Konzept zum Umgang mit Wölfen, die sich Menschen gegenüber auffällig verhalten - Empfehlungen der DBBW - , Bundesamt für Naturschutz, BfN-Skripten 502, 2018, Seite 17 https://www.bfn.de/fileadmin/BfN/servic ... ipt502.pdf
Zunächst einmal ist Indien ein Land, in dem zwei Drittel der Bevölkerung in Armut leben. Die Kindersterblichkeit ist allein aufgrund dieser Tatsache bereits besonders hoch.
Damit zählt der indische Subkontinent zu den ärmsten Ländern der Erde. Am stärksten unter der Armut in Indien leiden Frauen und Kinder, die schwächsten Glieder der indischen Gesellschaft. [...] 1,4 Millionen Kinder sterben in Indien jedes Jahr vor ihrem fünften Geburtstag. Neben Nigeria, Pakistan, der Demokratischen Republik Kongo und China zählt Indien damit zu den Ländern mit der höchsten Kindersterblichkeit überhaupt. Krankheiten wie Lungenentzündungen, Malaria und Durchfallerkrankungen sowie die chronische Unter- bzw. Mangelernährung gelten als häufigste Todesursachen.
SOS Kinderdörfer: Armut in Indien- Zahlen und Fakten zum täglichen Kampf ums Überleben https://www.sos-kinderdoerfer.de/unsere ... -in-indien
Auch bei der Unterernährung besetzt Indien einen der traurigen Spitzenplätze: Mehr als 200 Millionen Menschen sind nicht ausreichend versorgt, davon 61 Millionen Kinder. [...]
Obwohl Kinderarbeit für unter 14-Jährige in Indien per Gesetz verboten ist, arbeiten nach offiziellen Angaben 12,5 Millionen Kinder im Alter von 5 bis 14 Jahren. Hilfsorganisationen gehen davon aus, dass es in Wirklichkeit noch viel mehr sind: 65 Millionen Kinder zwischen 6 und 14 Jahren gehen nicht zur Schule.
SOS Kinderdörfer: Armut in Indien- Zahlen und Fakten zum täglichen Kampf ums Überleben https://www.sos-kinderdoerfer.de/unsere ... -in-indien
Aufgrund der finanziell ruinösen Auswirkungen einer verbreiteten traditionellen Mitgiftpraxis hat die UN Indien zum weltweit gefährlichsten Ort für Mädchen erklärt.
Weil die Mitgift so hoch ist, werden monatlich 50000 weobliche Föten in dem Land abgetrieben. Die UN hat es zum weltweit gefährlichsten Ort für Mädchen erklärt. [...]
Dazu wird eine unbekannte Zahl neugeborener Mädchen direkt nach der Geburt ausgesetzt, brutal vernachlässigt oder gar ermordet. Unerwünschte Töchter werden wie Abfall in den Müll geworfen. Und Mütter, die nur Mädchen gebären, werden bestraft oder verstoßen.
WELT, 07.05.2012: Indiens verlorene Töchter https://www.welt.de/print/die_welt/verm ... chter.html
Über die Wolfsangriffe in Indien schreibt Elli Radinger, dass diese von einem indischen, in Amerika ausgebildeten Wolfsbiologen untersucht wurden und "zu den am besten dokumentierten Vorfällen über nicht-tollwütige Wolfsangriffe auf Menschen" gehören.
Zum Zeitpunkt ihres Todes waren die Kinder unbeaufsichtigt, vielleicht auch von ihren Eltern vernachlässigt. Weil die indische Regierung Eltern, die ihre Kinder durch wilde Tiere verloren haben, mit mehr als einem durchschnittlichen Jahresgehalt entschädigt, glauben manche indische Biologen, dass dies ein Anreiz für die Eltern gewesen sein könnte, ihre Kinder nicht so genau zu beaufsichtigen.
Elli H. Radinger: Wolfsangriffe - Fakt oder Fiktion? Seite 41, 2014 Books on Demand, Norderstedt
Zudem leben in Indien rund 25 Millionen Straßenhunde. Mehr als 68.000 Menschen sollen zwischen 2006 und 2013 gebissen worden sein. Laut WHO sterben jährlich zwischen 18.000 - 20.000 Menschen an Tollwut.
Vgl. WELT, 22.09.2014: Indiens aussichtsloser Kampf gegen die Tollwut https://www.welt.de/gesundheit/article1 ... llwut.html
Auch andere Wildtiere sind für mehr weitaus mehr Angriffe auf Menschen verantwortlich. Radinger zählt allein für den Staat Madhya Pradesh für einen Zeitraum von fünf Jahren folgende Attacken auf:
"735 Angriffe durch Bären, 138 durch Leoparden, 121 durch Tiger, 24 durch Elefanten, 29 durch Wildschweine [...]
."
Elli H. Radinger: Wolfsangriffe - Fakt oder Fiktion? Seite 42, 2014 Books on Demand, Norderstedt