Verhalten vom Wolf am Zaun

Die Beziehung zwischen Mensch und Wolf, Zusammenleben, Herdenschutz, Konflikte und Lösungen.
Lutra
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Re: Verhalten vom Wolf am Zaun

Beitrag von Lutra »

Ich möchte hier auch mal meine Beobachtungen aus der Lausitz kundtun, die ja nun bekanntermaßen auch schon seit fast 20 Jahren von Wölfen besiedelt ist. Wir haben hier vergleichsweise viele kleine und kleinste Schafshaltungen, die in den meisten Fällen mit einfachen E-Netzen gekoppelt sind, ohne HSH, dass z.B. auch im Gebiet des berüchtigten Rosenthaler Wolfsrudels. Beim überwiegenden Teil der Schafshalter funktioniert das auch ohne Zwischenfälle. Wölfe, die bei jeder Annäherung an Schafe einen gewischt bekommen, werden aus diesen Erfahrungen scheinbar klug. Natürlich wachsen immer wieder Jungwölfe nach, die sicher ihre eigenen Erfahrungen machen müssen und nicht jedes Verhalten von ihren Eltern lernen und übernehmen.
Es wird eine Rolle spielen, dass hier Schalenwild in hoher Dichte vorhanden ist und Wölfe in keiner Weise angewiesen sind auf Schafe als Nahrung.
Wenn man die Einzelfälle der Risse betrachtet ist festzustellen, dass erwiesenes Überspringen der Zäune extrem selten vorkommt. Sehr oft sind Herden aus der Koppel ausgebrochen. Das wird oft auf den Wolf geschoben, der Panik verursacht hätte, aber so eigentlich noch nie direkt nachweisbar war. Ich habe allerdings Fotos, wo die Herde neben der Koppel steht, ohne dass der Wolf dazu gekommen wäre und es eben auch keinen Riß gab, was natürlich bei den Medien keinerlei Interesse hervor ruft. Und dass Schafe und andere Weidetiere gelegentlich aus den Koppeln ausbrechen, warum auch immer, dürfte bekannt sein.
Noch mal zum Verhalten Wolf am Zaun. Unser Schäfer hier, der die Herde direkt im Kerngebiet eines Wolfsrudels weidet, erzählte mir mal, dass die Wölfe öfters mal die Koppel umkreisen, erkenntlich an Spuren. Solange der Zaun stand und in Ordnung war, passierte auch nichts. Einmal eben dann doch. Der Zaun lag an einer Stelle nach innen um. Weshalb war nicht mehr genau nachvollziebar, ob durch Sturm oder Schwarzwild oder durch die Wölfe selbst. Jedenfalls haben die Schafe und Ziegen dann an anderer Stelle den Zaun nach außen umgerannt und es gab den gesamtdeutsch größten Schaden bisher. Jetzt hat er drei Herdenschutzhunde in der Koppel
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Nina
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Re: Verhalten vom Wolf am Zaun

Beitrag von Nina »

Weil ich aus Respekt vor dem Threadersteller das ursprüngliche Thema "Verhalten vom Wolf am Zaun" an dieser Stellenicht weiter zerfleddern möchte, habe ich das Thema des Tierschutzaspekts im Herdenschutz in einem eigenen Thread thematisiert.

"Tierschutzaspekte Herdenschutz" viewtopic.php?f=11&t=2970

Nochmal sorry, Dr_Goatcabin! :)
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Old Trapper
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Re: Verhalten vom Wolf am Zaun

Beitrag von Old Trapper »

Lutra hat geschrieben: 20. Jan 2019, 20:15 Ich möchte hier auch mal meine Beobachtungen aus der Lausitz kundtun, die ja nun bekanntermaßen auch schon seit fast 20 Jahren von Wölfen besiedelt ist. Wir haben hier vergleichsweise viele kleine und kleinste Schafshaltungen, die in den meisten Fällen mit einfachen E-Netzen gekoppelt sind, ohne HSH, dass z.B. auch im Gebiet des berüchtigten Rosenthaler Wolfsrudels. Beim überwiegenden Teil der Schafshalter funktioniert das auch ohne Zwischenfälle. Wölfe, die bei jeder Annäherung an Schafe einen gewischt bekommen, werden aus diesen Erfahrungen scheinbar klug. Natürlich wachsen immer wieder Jungwölfe nach, die sicher ihre eigenen Erfahrungen machen müssen und nicht jedes Verhalten von ihren Eltern lernen und übernehmen.
Es wird eine Rolle spielen, dass hier Schalenwild in hoher Dichte vorhanden ist und Wölfe in keiner Weise angewiesen sind auf Schafe ......
Da hast Du sicher recht, lutra!

Wie schon anderenorts bemerkt, ganz wichtig sind die ersten Erfahrungen, die Wölfe mit Zäunen machen. Als sehr intelligente Tiere werden sie sicher zuverlässig auf Vermeidung ihnen derart unangenehm in Erinnerung bleibenden Umfriedungen konditioniert, wenn es möglichst schon beim ersten Kontakt mit einem Zaun einen stark schmerzhaften Stromschlag gibt. Sie meiden dann die Ihnen bekannten Zauntypen zumindest mittelfristig, auch wenn solche nicht stromführend sind. Ob das Erlernen von Überspringen eher an stromführenden oder eher an nicht stromführenden Zäunen wahrscheinlicher ist, würde mich übrigens in diesem Zusammenhang sehr interessieren.
Leider werden viele Wölfe durch die große Zahl ungesicherter Umzäunungen eher gegenläufig konditioniert. Siehe die Statistik der Nutztierrisse des NLWKN in Niedersachsen.
Stromschläge halten selbst Elefanten davon ab, Felder zu verwüsten, Straßen zu überqueren oder Reservate zu verlassen. Nicht mit Strom geschützte Umfriedungen drücken sie oft einfach nieder. Es sei denn man verbaut starke Stahlkonstruktionen.
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TheOnikra

Re: Verhalten vom Wolf am Zaun

Beitrag von TheOnikra »

Old Trapper hat geschrieben: 21. Jan 2019, 21:07 Ob das Erlernen von Überspringen eher an stromführenden oder eher an nicht stromführenden Zäunen wahrscheinlicher ist, würde mich übrigens in diesem Zusammenhang sehr interessieren.
Die Frage ist wohl eher findet das "Erlernen" von Überspringen überhaupt statt. Wenn ein Wolf z.B. schon immer Zäune überspringt und somit auch stromführende kann man das ja wohl nicht als erlernt bezeichnen.

Auch bei den deutschen Fällen von "Überspringen" wird ja davon ausgegangen das die Wölfe in die Zäune hineinspringen. Wie viele Fälle gibt es denn wo ein Wolf einen Zaun überwindet ohne ihn wenigstents zu berühren. Dafür gäbe es ja immer noch die Möglichkeit eines Plus-Minus Zaunes. Wäre auch mal Interessant ob ein solcher nicht die bessere "geeignete" Wahl eines Elektrozauns wäre.

Wie gesagt sowie bei HSH muss man auch bei E-Zäunen differenzieren.
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Old Trapper
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Re: Verhalten vom Wolf am Zaun

Beitrag von Old Trapper »

TheOnikra hat geschrieben: 21. Jan 2019, 22:45
Old Trapper hat geschrieben: 21. Jan 2019, 21:07 Ob das Erlernen von Überspringen eher an stromführenden oder eher an nicht stromführenden Zäunen wahrscheinlicher ist, würde mich übrigens in diesem Zusammenhang sehr interessieren.
Die Frage ist wohl eher findet das "Erlernen" von Überspringen überhaupt statt. Wenn ein Wolf z.B. schon immer Zäune überspringt und somit auch stromführende kann man das ja wohl nicht als erlernt bezeichnen.

Auch bei den deutschen Fällen von "Überspringen" wird ja davon ausgegangen das die Wölfe in die Zäune hineinspringen. Wie viele Fälle gibt es denn wo ein Wolf einen Zaun überwindet ohne ihn wenigstents zu berühren. Dafür gäbe es ja immer noch die Möglichkeit eines Plus-Minus Zaunes. Wäre auch mal Interessant ob ein solcher nicht die bessere "geeignete" Wahl eines Elektrozauns wäre.

Wie gesagt sowie bei HSH muss man auch bei E-Zäunen differenzieren.
"... Wenn ein Wolf schon immer überspringt..."

Dann hat er mit sehr großer Wahrscheinlichkeit bereits gelernt.
Wölfe müssen zuerst einmal lernen, dass ein Drahtzaun, anders als dichtes Geäst nicht zu durchdringen ist. Dabei kommen sie zwangsläufig mit den Maschen/Litzen in Berührung. Steht der Zaun unter Strom, weden sie abgeschreckt und negativ konditioniert. Steht der Zaun nicht unter Strom, dann werden sie versuchen, das Geflecht zu überwinden, entweder durch untergraben oder durch überspringen. Letzteres findet meinen Informationen nach zwar seltener statt, wurde aber mehrfach belegt.
Untergrabungen von Fuchs, Dachs und Wolf (sowie Hochdrücken von Zäunen von Sauen) kenne ich auch von zahlreichen nicht stromführenden Wildschutzzäunen und Gattern.
Je größer der Anteil sicherer stromführender Plus-Minus-Zäune, desto häufiger werden Wölfe durch Erfahrung auch optisch entsprechende nicht stromführende Zäune meiden. Der Rückgang von Übergriffen unter solchen Vorraussetzungen scheint das zu belegen. Solange allerdings nicht stromführende Zäune (bzw. ausreichend funktionierend aufgestellte) eher die Ausnahme sind, werden Wölfe immer wieder lernen, auch stromführende Zäune zu überwinden.

Hunderprozentigen Schutz wird man, wie schon oft gesagt, jedoch nie erreichen.
Eine wolfssichere Umzäunung aller Nutztierweideflächen, auch von Pferdekoppeln und Rinderweiden, so wie von manchen gefordet, wird es darüber hinaus aus durchaus vernünftigen Gründen nicht geben. Auch werden nicht flächendeckend Herdenschutzhunde zum Einsatz kommen können.
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Re: Verhalten vom Wolf am Zaun

Beitrag von Old Trapper »

Die Bedeutung des Zahlenverhältnisses stromführender und nicht stromführender Umzäunungen für Lernprozesse bei Wölfen kann auch am Beispiel der Evolution und den Mechanismen von Mimikry in der Natur gezeigt werden:

Es gibt viele harmlose und wohlschmeckende potentielle Beutetierarten, welche wehrhaften, gefährlichen und/oder übel schmeckenden "Vorbildern" sehr bis täuschend ähnlich sehen. Ein Beispiel von vielen ist der Schmetterling Hornissenschwärmer. Damit seine der Hornisse ähnliche "Warnfärbung" auf potentielle Fressfeinde wirkt, müssen mehrere Kriterien erfüllt sein, damit diese in individuellen Lernprozessen eine sichere und schnelle Assoziation zwischen Warnfärbung und Gefährlichkeit knüpfen können. So muss es mehr gefährliche Vorbilder als ungefährliche Nachahmer geben und beide müssen räumlich und zeitlich eng nebeneinander vorkommen.
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Re: Verhalten vom Wolf am Zaun

Beitrag von Old Trapper »

Das Lernvermögen mancher Tiere (hier Elefant) bei Überwindung von Elektrozäunen veranschaulicht dieses sehenswerte Video:

https://youtu.be/-aVIIkRqXog

Wie immer wieder gesagt: 100% Schutz gibt es nicht!
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Old Trapper
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Re: Verhalten vom Wolf am Zaun

Beitrag von Old Trapper »

Sehr informativ zum Verhalten von Prädatoren am Elektrozaun ist auch dieser Kurzbericht:

https://youtu.be/Sv2G-aRDvyY
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TheOnikra

Re: Verhalten vom Wolf am Zaun

Beitrag von TheOnikra »

Old Trapper hat geschrieben: 22. Jan 2019, 10:08 "... Wenn ein Wolf schon immer überspringt..."

Dann hat er mit sehr großer Wahrscheinlichkeit bereits gelernt.
Wölfe müssen zuerst einmal lernen, dass ein Drahtzaun, anders als dichtes Geäst nicht zu durchdringen ist. Dabei kommen sie zwangsläufig mit den Maschen/Litzen in Berührung. Steht der Zaun unter Strom, weden sie abgeschreckt und negativ konditioniert. Steht der Zaun nicht unter Strom, dann werden sie versuchen, das Geflecht zu überwinden, entweder durch untergraben oder durch überspringen. Letzteres findet meinen Informationen nach zwar seltener statt, wurde aber mehrfach belegt.
Das ist nicht ganz das was ich meine. Drücke ich es mal anders.

Ich beziehe mich da auf die Aussage dieser Studie:
Bei beiden Rudeln nahm im Verlaufe der drei Versuchstage die Frequenz der Wolfspräsenz am Zaun deutlich ab. Nur im Versuch mit dem Zaun, den die Wölfe mehrmalserfolgreich passierten (unterste Litze auf 35 Zentimeter), konnte die umgekehrte Tendenz beobachtet werden.
Dies lässt vermuten, dass die Motivation der Wölfe, den Zaun weiter zu erkunden, abnimmt, wenn keine erfolgreiche Überwindung gelingt– und dies trotz zunehmendem Hunger.
Folglich findet ein Erlernen zur Überwindung nicht (mehr) statt.
Das widerspricht nämlich den Aussagender Wolfsgegner das der Zaun nur eine Zeit lang hält und nach Tagen Monaten oder Jahren zu sehen das die Wölfe dann gelernt hätten die Zäune zu überwinden. Viel mehr kommt es mir so vor das eben nur bestimmte Wölfe die Veranlagung besitzen um zu diesen Schritt zu kommen zu lernen wie man Zäune überwindet. Und wie du sagtest es ist ja belegt das dies seltener vorkommt.

http://www.protectiondestroupeaux.ch/fi ... _final.pdf

Dazu habe ich auch eine Beobachtung von meinen zwei Hunden. Damit die Hünde nicht das Beet im Garten niedertrampeln, während sie im Garten rennen haben wir ein kleinen Zaun darum gemacht. (Nur so ca. 50cm hoch.) Der Rüde obwohl er ein 1,8o m hohes Gartentor hochhüpft um darüber zu schauen ist er nie über diesen Zaun gesprungen. Dabei hatte eine große Motivation. Die Hündin ist immer mit ihren Knochen über den Zaun gesprungen und hat ihn dort vergraben. Da konnte ich absolut kein erlernen fest stellen, aber sehr wohl der Grundlegende Charaker der Hündin der sie zum Springen bewegt.
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