Rinder und Wölfe

Die Beziehung zwischen Mensch und Wolf, Zusammenleben, Herdenschutz, Konflikte und Lösungen.
LarsD

Re: Rinder und Wölfe

Beitrag von LarsD »

Wenn man solche Konflikte entschärfen will, muss man sie zuerst mal verstehen. Um sie zu verstehen, ist es hilfreich, sich mal ernsthaft in die Position des Gegenübers zu versetzen und dann aus der Perspektive auch mal die eigenen Argumente zu prüfen. Danach hat man es dann viel leichter, tatsächlich unbegründete Sorgen von z.B. Almbauern zu entkräften. Man sieht dann aber auch die noch verbleibenden und zu lösenden Probleme mit anderen Augen. Das übliche Konfliktschema, bei dem sich zwei Seiten über einen möglichst tiefen Graben mehr oder weniger subtil alles um die Ohren hauen, was die jeweilige Position bestärkt und gleichzeitig schön polarisiert, kann man auch beim Thema Wolf sehr schön beobachten. Es bringt allerdings niemanden wirkliche Vorteile. Bei dem Maß, mit dem die Diskussion zudem emotionalisiert wird, sehe ich auch keine echte Chance für eine tatsächlich sachliche Diskussion in der Öffentlichkeit.

Viele Grüße

Lars
timber-der-wolf

Re: Rinder und Wölfe

Beitrag von timber-der-wolf »

LarsD hat geschrieben:Wenn man solche Konflikte entschärfen will, muss man sie zuerst mal verstehen. Um sie zu verstehen, ist es hilfreich, sich mal ernsthaft in die Position des Gegenübers zu versetzen und dann aus der Perspektive auch mal die eigenen Argumente zu prüfen.
Weist Du, wenn man das auf "beiden Seiten" immer so machen täte, wäre es ja gut. Leider ist doch die Realität so, das der überwiegende Teil der betroffenen der Bauern- und Jägerschaft, trotz anderem öffentlichem Bekunden, von seinen Positionen keinen Milimeter abrückt, geschweige versucht die "andere Seite" zu verstehen. Das ist die Wahrheit!
Das es bei der Rückkehr der Beutegreifer wie den Wolf, Luchs, Wildkatze und vielleicht auch den Bär Probleme geben kann, bestreitet Niemand ernsthaft. Aber die Probleme sind lösbar. Und dazu gehört auch die Bereitschaft der Betroffenen. Nur da hackt es ja bekanntlich. Und in einschlägigen Foren kann man entsprechende Kommentare sogar nachlesen - und diese oftmals schon grenzwertigen Äußerungen sind m.E. nur die "Spitze des Eisberges".
So lange bei Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft, in Arbeitgeber-, Bauern-, Jagd- und sonstigen Verbänden nur egoistische, eigene ökonomische Zielstellungen, sprich Gewinn, im Vordergrund stehen, solange wird sich nichts ändern. Natur, Tier- und Umwelt, letztendlich auch die Menschheit, wird darunter immer mehr leiden und irgendwann zu Grunde gehen - siehe mein Signum!
Dass Vorgenannte lernen und Lehren aus Geschichte und Gegenwart ziehen, diese Hoffnung habe ich schon lange aufgegeben (siehe nur Atomkraftwerke und die Diskussionen darum - nicht nur in Deutschland). Mir tun jetzt schon die nachfolgenden Generationen leid.


Auch heute noch (sinnbildlich) sehr, sehr zutreffend - ein weiser Brief bzw. Rede von Häuptling Seattle an den Gouverneur von Washington im Jahre 1854 - nimm Dir mal die Zeit, lese den Brief, und denk in Ruhe drüber nach ... vielleicht kommst auch DU dann zu neuen Einsichten 8-)
Der große Häuptling in Washington sendet Nachricht, dass er unser Land zu kaufen wünscht. Aber wie kann man die Erde kaufen oder den Himmel? Diese Vorstellung ist uns fremd. Wenn wir die Frische der Luft und das Glitzern des Wassers nicht besitzen, wie könnt ihr sie von uns kaufen?

Jeder Teil dieser Erde ist meinem Volk heilig. Jede glitzernde Tannennadel, jeder sandige Strand, jeder Nebel in den dunklen Wäldern, jede Lichtung, jedes summende Insekt ist heilig in den Gedanken und Erfahrungen meines Volkes.

Wir sind ein Teil der Erde - und sie ist ein Teil von uns. Die duftenden Blumen sind unsere Schwestern, die Rehe, das Pferd, der große Adler - sie sind unsere Brüder. Die felsigen Höhen, die saftigen Wiesen, die Körperwärme der Ponies - und des Menschen - sie alle gehören zur gleichen Familie. Wenn also der große Häuptling in Washington uns Nachricht sendet, dass er unser Land zu kaufen wünscht, so verlangt er viel von uns.

Glänzendes Wasser, das sich in Bächen und Flüssen bewegt, ist nicht nur Wasser, sondern das Blut unserer Vorfahren. Wenn wir euch Land verkaufen, so müßt ihr wissen, dass es heilig ist und dass jede flüchtige Spiegelung im klaren Wasser der Seen von Ereignissen und Überlieferungen aus dem Leben meines Volkes erzählt. Das Murmeln des Wassers ist die Stimme meiner Vorväter und Vormütter.

Die Flüsse sind unsere Brüder. Sie stillen unseren Durst. Die Flüsse tragen unsere Kanus und nähren unsere Kinder. Wenn wir unser Land verkaufen, so müßt ihr euch daran erinnern und eure Kinder lehren. Die Flüsse sind unsere Brüder - und eure. Und ihr müßt von nun an den Flüssen eure Güte geben, so wie jedem anderen Bruder auch.

Wir wissen, dass der weiße Mann unsere Art nicht versteht. Ein Teil der Erde ist ihm gleich jedem anderen, denn er ist ein Fremder, der kommt in der Nacht und nimmt von der Erde, was immer er braucht. Der weiße Mann ist nie zufrieden, er will immer mehr. Die Erde ist sein Bruder nicht, sondern Feind, und wenn er sie erobert hat, schreitet er weiter. Er behandelt seine Mutter, die Erde und seinen Vater, den Himmel, wie Dinge zum Kaufen und Plündern, zum Verkaufen wie Schafe oder glänzende Perlen. Sein Hunger wird die Erde verschlingen und nichts zurücklassen als die Wüste.

Euer Gott ist nicht unser Gott. Wir sind zwei verschiedene Rassen mit eigenen Ursprüngen und eigenem Schicksal. Es gibt wenig Gemeinsamkeiten zwischen uns. Uns ist die Asche unserer Vorfahren heilig, und ihre Ruhestätte ist heilige Erde. Ihr geht weit fort von den Gräbern eurer Vorfahren und scheinbar ohne Bedauern.

Eure Religion wurde von dem eisernen Finger eures Gottes auf Steintafeln geschrieben, damit ihr sie nicht vergessen könnt. Der rote Mann konnte sie nie verstehen und auch nicht im Gedächtnis behalten. Unsere Religion sind die Überlieferungen unserer Vorfahren - die Träume, die unsere alten Männer in den feierlichen Stunden der Nacht von dem Großen Geist erhalten haben, und die Visionen unserer Häuptlinge, und sie ist geschrieben in den Herzen unseres Volkes.

Eure Toten hören auf, euch und das Land ihrer Herkunft zu lieben, sobald sie durch das Tor des Todes gehen und sich in der Weite jenseits der Sterne verlieren. Unsere Toten vergessen nie die schöne Welt, die ihnen das Leben schenkte.

Es gibt keine Stille in den Städten der Weißen. Keinen Ort, um das Entfalten der Blätter im Frühling zu hören oder das Summen der Insekten. Was gibt es schon im Leben, wenn man nicht den einsamen Schrei des Ziegenmelkervogels hören kann oder das Gestreite der Frösche am Teich bei Nacht. Ich bin ein roter Mann und verstehe euch nicht. Der Indianer mag das sanfte Geräusch des Windes, der über die Teichfläche streicht - und den Geruch des Windes, gereinigt vom Mittagsregen oder schwer vom Duft der Kiefern.

Die Luft ist kostbar für den roten Mann, denn alle Dinge teilen denselben Atem: das Tier, der Baum, der Mensch. Der weiße Mann scheint die Luft, die er atmet, nicht zu bemerken. Wie ein Mensch, der seit vielen Tagen stirbt, ist er abgestumpft gegen den Gestank.

Das Ansinnen, unser Land zu verkaufen, werden wir bedenken. Und wenn wir uns entschließen anzunehmen, so nur unter einer Bedingung. Der weiße Mann muß die Tiere des Landes behandeln wie seine Brüder. Was wäre der Mensch ohne die Tiere? Wären alle Tiere fort, so stürbe der Mensch an großer Einsamkeit des Geistes. Was immer den Tieren geschieht, geschieht bald auch den Menschen. Alle Dinge sind miteinander verbunden. Was die Erde befällt, befällt auch die Söhne und Töchter der Erde. Lehrt eure Kinder, was wir unsere Kinder lehrten: Die Erde ist unsere Mutter. Die Erde gehört nicht den Menschen - der Mensch gehört zur Erde. Alles ist miteinander verbunden, wie das Blut, das eine Familie vereint.

Das Ansinnen des weißen Mannes, unser Land zu kaufen, werden wir bedenken. Aber mein Volk fragt: Was denn will der weiße Mann kaufen? Wie kann man den Himmel oder die Wärme der Erde kaufen, oder die Schnelligkeit der Antilope? Wie können wir euch diese Dinge verkaufen, und wie könnt ihr sie kaufen?

Für mein Volk ist jedes Stück dieses Bodens heilig. Jeder Berg, jedes Tal, jede Ebene und jeder Wald ist heilig geworden durch ein trauriges oder glückliches Ereignis in vergangener Zeit. Sogar die Steine, die stumm und leblos erscheinen, wenn sie an der stillen Küste in der Sonne schwitzen, erinnern uns an bewegende Ereignisse, die mit unserem Volk verbunden sind. Der Boden, auf dem ihr jetzt steht, nimmt unsere Schritte liebevoller auf als eure, weil er satt ist vom Blut unserer Ahnen, und unsere bloßen Füße spüren die wohlwollende Berührung.

Wir wissen: Wenn wir nicht verkaufen, kommt der weiße Mann mit Waffen und nimmt sich unser Land. Tag und Nacht können nicht beisammen wohnen.
Der Rote Mann ist immer vor dem herannahenden Weißen Mann geflohen, wie der Morgennebel vor der Morgensonne flieht. Ich denke, dass mein Volk euren Vorschlag annehmen wird und sich in die Reservation zurückziehen wird, die ihr uns anbietet. Dann werden wir jeder für sich in Frieden leben.

Euer Volk ist zahlreich wie das Gras, das die weiten Prärien bedeckt. Unser Volk besteht aus Wenigen und gleicht den vereinzelten Bäumen auf einer sturmgepeitschten Ebene. Es spielt kaum eine Rolle, wo wir den Rest unserer Tage verbringen. Es werden nicht viele sein. Noch einige Monde, ein paar Winter - und keiner der Nachkommen der großen Scharen, die einst unter dem Schutz des Großen Geistes über dieses weite Land gezogen sind, wird noch übrig sein, um über den Tod eines Volkes zu trauern, das einmal mächtiger und hoffnungsvoller war als das eure.

Auch die Weißen werden vergehen, eher vielleicht als alle anderen Stämme. Fahret fort, euer Bett zu verseuchen, und eines Tages werdet ihr im eigenen Abfall ersticken. Aber in eurem Untergang werdet ihr hell strahlen, angefeuert von der Stärke des Gottes, der euch in dieses Land brachte und euch bestimmte, über dieses Land und den roten Menschen zu herrschen. Diese Bestimmung ist uns ein Rätsel.

Wenn die Büffel alle abgeschlachtet sind, die wilden Pferde gezähmt, die heimlichen Winkel des Waldes schwer vom Geruch vieler Menschen, und der Anblick reifer Hügel geschändet von redenden Drähten, werdet ihr fragen:

Wo ist das Dickicht?
Verschwunden!
Wo ist der Adler?
Verschwunden!
Wo das Leben aufhört, fängt das Überleben an.

Stämme und Völker gehen wie die Wellen des Meeres.
Es ist ein Gesetz der Natur und darüber zu klagen ist sinnlos.
Die Zeit des Untergangs des weißen Mannes ist vielleicht fern, aber sie wird kommen,
denn selbst der weiße Mann kann nicht von unser aller Schicksal ausgenommen bleiben.
Zuletzt geändert von SammysHP am 31. Mai 2011, 14:19, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Rinder und Wölfe

Beitrag von SammysHP »

@timber-der-wolf
Trifft den Kern zwar, aber vielleicht doch etwas zu anschwärzend und zu wenig kompromissbereit. Man darf nicht vergessen, wie viele Jäger und Landwirte es gibt, die sich für den Wolf einsetzen, da sollte man sich schon etwas neutraler ausdrücken.


Fakt ist, dass viele Jäger und Landwirte in der Öffentlichkeit gegen den Wolf vorgehen und Fakt ist, dass man von der anderen Orientierung der Parteien so gut wie nichts hört. Das verfälscht das Bild extrem und sollte ein Anstoß für diese sein, sich stärker in der Öffentlichkeit zu zeigen und sich intensiver mit ihren Kollegen auszutauschen.

Fakt ist auch, dass wir die Viehhaltung bzw. den Umgang damit überdenken müssen, wenn der Wolf zurückkommt. Wir können uns nicht mehr ausruhen und darauf warten, dass das Vieh uns Geld bringt. Ich bin kein Landwirt, denke aber, dass viele nebenbei noch anderen Tätigkeiten nachgehen (nicht nur in der Landwirtschaft), um an ausreichend Geld zu kommen.

Wie LarsD schon richtig sagte, sind die Preise, die man heute für ein Stück Fleisch zahlt, viel zu gering. Die Discounter tragen auch dazu bei. Ist wohl ein allgemeines Problem unserer Gesellschaft, Löhne zu gering, mehr sparen, Finanzwelt wackelt, weniger Renten, Inflation... Geld ist eine doofe Erfindung, wie es mir scheint. Dort ein Gleichgewicht zu erzielen, ist eine Unmöglichkeit und ich halte es nicht für unwahrscheinlich, dass früher oder später alles zusammenbricht. Aber das ist ein anderes Thema.


Die Frage ist: Was können wir nun im Bezug auf den Wolf und die Landwirtschaft tun? Etwas teurer direkt vom Bauern/Schlachter kaufen? Sie finanziell oder durch ehrenamtliche Hilfe unterstützen? Was genau wird denn gebraucht? Geld? Zaun? Arbeitskräfte? Hirten? Schutzhunde? Einfach nur sagen "Das geht nicht, wenn der Wolf kommt" bringt nichts. Es muss doch an irgendwelchen konkreten Punkten scheitern. Die Wölfe fressen das Vieh auf? Dann muss es geschützt werden. Wo hakt es da?

In flachen Gebieten sollte ein ordentlicher Zaun und ggf. ein Herdenschutzhund ausreichend sein, ggf. muss man geringe Verluste einkalkulieren. Und in bergigen Regionen? Von meinen Urlauben in solchen Gebieten (Bayern, Frankreich, Italien, Österreich, Schweiz) weiß ich, dass ein Zaun nicht in jeder Situation geht. Herdenschutzhunde haben den Nachteil, dass sich Wanderer fern halten müssen. In der Tat eine schwierige Situation. Ständige Behirtung und doch ein Herdenschutzhund ist die traditionelle Art, welche wohl auch die einzige geeignete ist (oder man setzt Hightech wie elektronische Überwachungssysteme ein). Klar ist, dass dies einige Kosten verursacht, die man nicht vernachlässigen kann.

Aber wir dürfen auch die ethischen Faktoren nicht außer Acht lassen: Haben wir das Recht dazu, zu unserem eigenen, kommerziellen Vorteil eine ganze Population anderer Lebewesen zu vertreiben oder zu töten? Der Wolf hat meiner Meinung nach ein Anspruch auf Leben - und das ist jetzt kein emotionales Gerede, wie es einige vielleicht nennen würden - und zwar nicht nur da, wo es uns gefällt, sondern da, wo er von sich aus prädestiniert ist. Sicherlich ein Thema, bei dem Philosophen ihre Freude hätten.
timber-der-wolf

Re: Rinder und Wölfe

Beitrag von timber-der-wolf »

SammysHP hat geschrieben:@timber-der-wolf
Trifft den Kern zwar, ... Man darf nicht vergessen, wie viele Jäger und Landwirte es gibt, die sich für den Wolf einsetzen, ...
Schau Dich mal an der Basis um! Die Landwirte und Jäger, die nichts gegen die Rückkehr der Beutegreifer haben, sind einfach in der Minderheit und werden z.T. von den eigenen Berufs- / Jagdkollegen belächelt und nicht für ernst genommen.
SammysHP hat geschrieben:Ich bin kein Landwirt, denke aber, dass viele nebenbei noch anderen Tätigkeiten nachgehen (nicht nur in der Landwirtschaft), um an ausreichend Geld zu kommen.
Sicher gibt es kleine Landwirtschaftsbetriebe im Nebenerwerb, zum größten Teil aber wohl im Westteil unseres Landes. Hier im Osten, und speziell da wo der Wolf zzt. zu Hause ist, ist es sicher eine Minderheit, denn hier gibt es doch überwiegend landwirtschaftliche "Groß"betriebe und Wiedereinrichter, die mit der Arbeit auf dem Feld und im Stall ihr Einkommen erwirtschaften müssen.
Allerdings haben sehr viele Leute auf dem Lande als Hobby ein paar Tiere - Schafe, Ziegen, Rentiere, Hühner, ... - das hat aber mit den echten Landwirten und deren Probleme wenig zu tun.
SammysHP hat geschrieben:Wie LarsD schon richtig sagte, sind die Preise, die man heute für ein Stück Fleisch zahlt, viel zu gering.
Dazu hatte ich schon ausführlich etwas geschrieben. ( viewtopic.php?f=13&p=3316#p3316 )
SammysHP hat geschrieben:Aber wir dürfen auch die ethischen Faktoren nicht außer Acht lassen: Haben wir das Recht dazu, zu unserem eigenen, kommerziellen Vorteil eine ganze Population anderer Lebewesen zu vertreiben oder zu töten?
Genau das ist die richtige Frage, über die so manch einer mal ganz intensiv nachdenken sollte! Vor allem Diejenigen, die meinen GOTT spielen zu müssen, und die sich anmaßen zu entscheiden, was hier her gehört und was nicht, was lebenswert ist und was nicht.
balin
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Re: Rinder und Wölfe

Beitrag von balin »

Ein schönes Gerichtsurteil ist heute bei ntv vermerkt:
http://www.n-tv.de/auto/Bauer-haftet-ni ... 70606.html
Der Satz von Bedeutung ist der:
"Der Fahrer klagte daraufhin wegen unzureichender Sicherung der Weide auf Schadenersatz, was das Gericht jedoch mit Hinweis auf einen gesetzlichen Haftungsausschluss des Kuhbauern abwies. Diesen sieht das Bürgerliche Gesetzbuch laut der Deutschen Anwaltshotline für Haustiere vor, die aus Berufsgründen oder zu Erwerbszwecken gehalten werden. Zumindest dann, wenn der Schaden auch bei ausreichender Aufsicht entstanden wäre".
Den Rückschluß muß man dann auch bei den Wölfen ziehen, wenn er schon für eine rinderndes Jungrind gilt.
Eine in Panik versetzte Herde hält kein Zaun auf!
Die andere Frage ist, wer bezahlt dann, wenn die Wölfe gewollt sind? Den eigenen Schaden hat der Landwirt auf jeden Fall.
Im Vorfeld aktiv zu werden wird in jedem Fall besser sein. Rinder dürfen einfach für den Wolf nicht attraktiv werden.
balin
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Re: Rinder und Wölfe

Beitrag von balin »

Und weil wir uns in die Wölfe hineinversetzen müssen um mit ihnen auszukommen das hier:
http://www.allvoices.com/s/event-812927 ... 5jb20vJTIw
Wir haben solche Angst vor ihnen, weil sie uns so ähnlich sind, das ist aber auch die Chance, mit ihnen in gegenseitiger Toleranz existieren zu können. Wir wissen, was sie wollen und fühlen und wir müssen ihnen klarmachen, was wir wollen und fühlen. Das geht nicht mit Blei, sondern nur mit konsequenter Haltung und eindeutigen Maßnahmen, die die Wölfe auch verstehen. Der Lernprozess muß möglich sein und das muß das Ziel von sämtlichen Wolfsmanagementplänen sein. Die Menschen müssen eine eindeutige Haltung zu den Wölfen gewinnen und sollten vieles eigentlich aus der Allgegenwart von Hunden schon intus haben. Nicht Füttern! Nicht Vertraut machen! Distanz wahren!
Wildtiere bewahren ihre Privatsphäre eigentlich schon von sich aus. Wir haben aber den fatalen Hang uns alles zuordnen zu müssen. Bei Raubtieren ist das No Go Area und eigentlich bei allem anderen auch, das größer ist wie eine Katze.
Schließlich sind wir ja wehleidige Zweibeiner und halten den Ernstfall nicht aus. Also proaktiv tätig werden.
Verantwortung ist, weil man vorher weiss, was nachher passiert!
timber-der-wolf

Re: Rinder und Wölfe

Beitrag von timber-der-wolf »

balin hat geschrieben:Wir wissen, was sie wollen und fühlen und wir müssen ihnen klarmachen, was wir wollen und fühlen. Das geht nicht mit Blei, sondern nur mit konsequenter Haltung und eindeutigen Maßnahmen, die die Wölfe auch verstehen. Der Lernprozess muß möglich sein und das muß das Ziel von sämtlichen Wolfsmanagementplänen sein.
...
Nicht Füttern! Nicht Vertraut machen! Distanz wahren! Wildtiere bewahren ihre Privatsphäre eigentlich schon von sich aus.
...
Also proaktiv tätig werden. Verantwortung ist, weil man vorher weiss, was nachher passiert!
Glüchwunsch!!! Habe lange nicht so einen guten, konstruktiven Beitrag gelesen!
Nur, ob die zunehmend verdummte, naturferne Menschheit das begreift? Insbesondere den Hinweis: "Nicht Füttern! Nicht Vertraut machen! Distanz wahren!" Ich habe da so meine berechtigten Zweifel, denn genau das Gegenteil wird aus falsch verstandener "Tierliebe" praktiziert - Abfälle auf Komposthaufen, füttern von Wildtieren in [Stadt-]Parks, an Seen und auch im Wald, ... und dann wird sich über Wildschweine, Füchse, Waschbären, Schwäne, ... irgendwann auch über Wölfe aufgeregt, wenn es zu Konflikten mit diesen Wildtieren kommt.
Grauer Wolf

Re: Rinder und Wölfe

Beitrag von Grauer Wolf »

@ timber-der-wolf
Danke, daß Du den Brief von Chief Seattle herausgesucht hast. Den Worten dieses weisen Mannes ist nichts hinzuzufügen...
timber-der-wolf hat geschrieben:Glüchwunsch!!! Habe lange nicht so einen guten, konstruktiven Beitrag gelesen!
Nur, ob die zunehmend verdummte, naturferne Menschheit das begreift?
Insbesondere den Hinweis: "Nicht Füttern! Nicht Vertraut machen! Distanz wahren!" Ich habe da so meine berechtigten Zweifel, denn genau das Gegenteil wird aus falsch verstandener "Tierliebe" praktiziert - Abfälle auf Komposthaufen, füttern von Wildtieren in [Stadt-]Parks, an Seen und auch im Wald, ... und dann wird sich über Wildschweine, Füchse, Waschbären, Schwäne, ... irgendwann auch über Wölfe aufgeregt, wenn es zu Konflikten mit diesen Wildtieren kommt.
Da habe ich mächtig meine Zweifel und solche Meldungen:
http://www.otz.de/startseite/detail/-/s ... 1555147471
bestärken diese Zweifel noch. Die Leute zieht es doch nur noch in die Natur zum Freizeiten wie Joggen, Reiten, Walken, Mountainbiken, Geocaching o.ä., also Natur als bloße Kulisse für die Aktivitäten der Spaßgesellschaft, die genausogut in einem Park stattfinden könnten. Dann wird Natur noch als Bereicherung im Sinne von Unterhaltung empfunden, wenn sie grandios oder niedlich ist: Grandiose Berg- oder Seenlandschaften, gerade recht für's Fotohobby, oder niedlich in Form von Bamis oder kleinen Häschen, die das Kindchenschema ansprechen und an Disneyland gemahnen. Auch Wald (zu dem ich eine besondere Beziehung habe) wird nur als schön empfunden, wenn er ordentlich ist, mit hübsch gepflegten, für Sonntagsschuhchen und Kinderwagen geeigneten Wegen, mit Wegweisern, Ruhebänken und möglichst einem Waldcafé mittendrin... Natur wird gezähmt erlebt in "Wildparks", die "bösen" Raubtiere wie Luchs und Wolf schön hinter Gitter, für die Rehe, Hirsche, Zicklein und sonstigen Streicheltiere gibt's sogar Futterautomaten (Hat schon mal einer einen Fleischautomaten gesehen, um den Wölfen ein Leckerli zukommen zu lassen? :p ).
So wird Natur heute erlebt, immer schön unter Kontrolle, immer nur als Freizeitaktivität...
Aber wehe, die Natur zeigt ihr mal ganzes Spektrum, das eben nicht nur eitel Sonnenschein, den Bilderbuch-Märchenwald, kleine, niedliche Häschen und Rehlein sowie imposante, röhrende Hirsche umfaßt, sondern eben auch ihre harten Seiten. Angefangen bei Unwettern, die Äste aus den Bäumen brechen und zu Boden krachen lassen (huch, dat is' aber gefährlich... :shock: ) oder mal ganze Waldstriche flachlegen, weiter in der eben nicht niedlichen Welt der Tiere, in der auch gestorben wird. Da liegt'n Karnickel am Wegesrand, halb verwest, oder der Sonntagsspaziergänger stolpert über ein Reh, das den letzten Winter nicht überlebt hat: Ogottograus, das paßt aber so gar nicht in Spießbürgers heile Welt und mit was Pech und einem empfindlichen Magen kommt das gute Mittagessen hoch... Der Gedanke, mal ungeschützt außerhalb von Wohnung, Hotel oder Zeltplatz eine Nacht draußen verbringen zu müssen, verursacht regelrechte Panikanfälle...
Und dann kommt da auch noch der Wolf wieder nachhause. Ein Beutegreifer, der selber tötet, um zu leben, was der Mensch ja fein säuberlich von der Fleischtheke abgetrennt und delegiert hat, der aus den niedlichen Bambis und Häschen seine Mahlzeiten für Gefährtin und Welpen bezieht. Grausam, nicht wahr? Und schon kommen all die Schauergeschichten aus Rotkäppchen und Opas Russlandfeldzug wieder hoch und werden für bare Münze genomen, weil der Mensch keinen Draht mehr zur Natur hat, sie nicht mehr versteht. Oder der Mensch fällt ins andere Extrem und macht aus dem Wolf einen Heiligen, was auch wieder nicht stimmt. Beides hat mit der Realität wenig zu tun...
Je eher der Mensch begreift, daß auch der Wolf nur ein Tier ist wie du und ich, seine Bedürfnisse hat und seine Wünsche ans Leben, je eher er begreift, daß er einfach ein Mitlebewesen ist (und weder Killer noch Heiliger), das das gleiche Recht auf Leben hat wie alles auf der Welt, desto besser wäre es. Ich glaube, am besten für die Wölfe wäre es, wenn man die Leute drauf anspricht und die Antwort kommt "Wölfe? Jau, haben wir hier in der Gegend... So what... *achselzuck*"
Den Jägersleut geht in weiten Teilen die Naturnähe ebenfalls ab, obwohl sie sich geradezu als Hort des Naturschutzes sehen. Auf dem Hochsitz hocken und Wild schießen hat damit wenig zu tun, die Eigenwahrnehmung ist hier wohl ein wenig gestört... Wer dem Wolf seine Beute neidet und statt dessen jammert "mein Muffelwild, meine Rehe, meine Hirsche, mein... mein... mein...", der hat auch nicht verstanden, begreift das komplexe Geflecht der Natur nicht, im dem leben und sterben/getötet werden eine untrennbare Einehit sind, bekannt als Nahrungskette. Statt dessen wird immer noch einseitig Partei ergriffen, nicht etwa, weil man Reh und Has' so gut leiden kann, sondern weil man sie für sich will (trau, schau, wem...)...

Was das auf Distanz bleiben angeht, das sollte vielleicht etwas relativiert werden... Es gab und gibt immer Menschen, die eine tiefe Beziehung auch zu wilden Tieren haben resp. aufbauen können und in der Lage sind, mit ihnen in Kontakt zu treten oder gar zu kommunizieren (artübergreifende Kommunikation ist ja nun wirklich nichts neues oder weltbewegendes, auch nicht zwischen Beutegreifern wie Wolf, Bär oder eben auch Mensch)). Die sollte man nicht aus falsch verstandenem Naturschutz-Ergeiz und Paragraphen-Hörigkeit davon abhalten. Es sind ohnehin nur wenige und die reden meistens nicht drüber...
Anfüttern geht natürlich überhaupt nicht und auch das mit dem vertraut machen sollte man cum grano salis sehen. Tiere, zumal intelligente Beutegreifer, sehen m.E. nicht einfach nur "Menschen", an die sie gewöhnt werden, sondern Individuen, was impliziert, daß sie vielleicht einem vertrauen, aber der Masse gegenüber durchaus gesunde Skepsis an den Tag legen, was ja etliche Ergebnisse der Verhaltensforschung im Feld nahelegen, bei denen Forscher durchaus von der Gruppe akzeptiert ggf. sogar fast integriert wurden, während Fremde sofort mit dem üblichen, mißtrauischen Verhalten gestraft wurden...
Zuviel (geistige) Distanz ist m.E. nicht unbedingt wünschenswert, kann es nicht sein, denn die führt nur dazu, daß wir im Extremfall die Tiere um uns herum nur noch als Staffage wahrnehmen, nicht mehr als Lebewesen um ihrer selbst willen. Wohin das führt, nun, das sehen wir ja tagtäglich...
Mein Fazit daher: Distanz? Nein! Respekt? Aber ja!

Soweit ein paar ungeordnete Gedanken zum Thema Naturnähe resp ~ferne und der Beziehung Mensch/Tier, die das komplexe Thema gerade mal ankratzen und nicht einmal ansatzweise vollständig sind...
balin
Beiträge: 1314
Registriert: 10. Okt 2010, 06:53

Re: Rinder und Wölfe

Beitrag von balin »

Soso, also ich stimme dir im wesentlichen zu, aber es gilt und es gilt und es gilt. Ich glaube dir gerne, daß du , wenn du eine hübsche junge Dame wärest und über ein angenehmes Lächeln verfügen würdest, in etwas über 50% der Fälle auch bei rot über die Ampel kämest. Das kann es aber nicht sein, vom Ärger für die anderen und den übrigen 45% mal abgesehen.
Wen ich Papa Wolf wäre, würde ich die Kleinen mit den leuchtenden Augen besonders vor den Zweibeinern warnen, die Kreide gefressen haben. Ich würde sie fragen, ob sie so enden wollen, wie ihre fetten Eunuchenverwandten, die da immer an einem Strick nicht weit von so einem übelriechenden seltsam laufenden Ungeheuer gehen müssen. Die Antwort kannst du dir da vorstellen. Und wir sollten es auch dabei belassen. Wir sollen Wölfe nicht psychiatrisch behandeln. Du und ich, wir haben unsere
Hunde und sollten auch dankbar dafür sein. Die handgreifliche Sympathie für die Wölfe sollten wir tief im Garten vergraben und
ihnen ansonsten ihr heimliches Leben gönnen und es auch bewahren.
Ich würde mir nicht anmaßen wollen, mit einem wilden Wolf Freundschaft halten zu können. Würde mir auch nicht gut bekommen. Da stehe ich dann eher auf platonische Liebe. ;-)
timber-der-wolf

Re: Rinder und Wölfe

Beitrag von timber-der-wolf »

Grauer Wolf hat geschrieben: ... Mein Fazit daher: Distanz? Nein! Respekt? Aber ja!...
Hallo "Grauer",

wenn wir auch fast immer einer Meinung sind, muss ich Dir hier ein wenig widersprechen.

Erstens beinhaltet Distanz vor Wildtieren für mich natürlich auch den Respekt vor ihnen!

Zweitens ist es doch so, dass immer mehr geltungsbedürftige, selbstdarstellerische Scharlatane in den Medien ihr Unwesen treiben, und den Lesern / Zuschauern vorgaukeln bzw. suggerieren, wie toll es ist, dass "Es gab und gibt immer Menschen, die eine tiefe Beziehung auch zu wilden Tieren haben resp. aufbauen können und in der Lage sind, mit ihnen in Kontakt zu treten oder gar zu kommunizieren". Natürlich gehen sie dann dabei von sich aus. Und wieviel unvernünftige Nachahmer es dann ebenfalls versuchen, und was für ein Geschrei es dann gibt, wenn was passiert, ist doch bekannt, oder?
Mußten nicht auch schon Wölfe im Yellow Stone Wölfe entfernt werden, weil trotz Verbot Wölfe (an-)gefüttert wurden, die notwendige Distanz zu ihnen aus egoistischen Gründen nicht eingehalten wurde?

Nein, für mich gilt uneingeschränkt der Grundsatz "Nicht Füttern! Nicht Vertraut machen! Distanz (Respekt vor den Wildtieren) wahren!" - genau das lehren wir auch den Kindern, Jugendlichen und erwachsenen Besuchern im Tierpark.
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