Rinder und Wölfe

Die Beziehung zwischen Mensch und Wolf, Zusammenleben, Herdenschutz, Konflikte und Lösungen.
LarsD

Rinder und Wölfe

Beitrag von LarsD »

Hallo Nadja,
wolflüneburgerheide hat geschrieben:[...] dort unten standen 3 Herden mit Kühen und Kälber direkt am Wald mit nur 1 Litze in 105cm höhe und die Kälber lagen dicht am Zaun - das ist doch Wolfsfutter pur, oder ?
ja, das ist eigentlich Wolfsfutter pur und genau diese Baustelle wird uns in Zukunft noch reichlich beschäftigen. Was sollte so ein Bauer denn tun, um seine Kälber zu schützen? Wolfssichere Zäunung? Der dazu notwendige Aufwand für Bau und Unterhalt ist für den Landwirt nicht bezahlbar. Bliebe nur, die an sich artgerechte und auch aus Sicht des Naturschutzes wichtige Haltungsform von Rindern aufzugeben und die Tiere in den Stall zu sperren. Aber auch das wird nicht passieren. Schau mal nach, wie man auf der anderen Seite vom "großen Teich" mit Wolfsangriffen auf weidende Rinder umgeht. Das dürfte der "Vorgucker" auf das sein, was uns hier demnächst ins Haus steht.

Viele Grüße

Lars
balin
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Re: Finde nichts zu den Altengrabowern Wölfen hier

Beitrag von balin »

Unsere Landwirtschaft und Viehhaltung kann man mit den Verhältnissen in den Wolfsgebieten der USA nicht vergleichen. Gerade, weil es bei uns viel behüteter zugeht, dürfte es weniger Probleme mit den Wölfen geben. Auch halte ich uns für etwas intelligenter um mit sowas umzugehen. Die niederen Instinkte, die da drüben im Zusammenhang mit dem Wolf hochkochen, brauchen wir uns wahrhaftig nicht als Vorbild nehmen. Wir haben bestimmt ausreichend Zeit, uns auf den Wolf einzustellen.
Ich, für meinen Teil, werde sie nützen. Das, was man da vorsieht, ist ja auch für anderes von Vorteil.
LarsD

Re: Finde nichts zu den Altengrabowern Wölfen hier

Beitrag von LarsD »

Du formulierst sehr unkonkret. Obwohl es bei uns aus Deiner Sicht viel behüteter zugeht, hatten wir in 2010 bereits Risse von Kälbern und zu einem Fall in den letzten Tage laufen noch die Untersuchungen. Damit bleibt zumindest hier im Osten keine Zeit, um sich auf die Wölfe einzustellen - sie sind ja längst da. Wenn Du Ideen hast, wie man Mutterkuhherden auf der Weide mit vertretbarem Aufwand effektiv schützen kann, dann bin ganz sicher nicht nur ich gespannt, wie Deine Lösungsvorschläge sind.

Viele Grüße

Lars
wolflüneburgerheide
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Re: Finde nichts zu den Altengrabowern Wölfen hier

Beitrag von wolflüneburgerheide »

Danke Lars für deine beiden Antworten und kann da nur zustimmen ;)
Wolfige Grüße aus der Lüneburger Heide

Nadja
Miscanthus
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Re: Finde nichts zu den Altengrabowern Wölfen hier

Beitrag von Miscanthus »

Was wäre denn ein "vertretbarer Aufwand" für den Herdenschutz? Ich vermute gerade mal:
a) Es darf nichts kosten
b) Es darf keinen Arbeitsaufwand machen
c) Es sollte irgendwoher subventionierbar sein
Das hatten wir doch gerade schon mal bei den Almbauern in Bayern.
balin
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Re: Finde nichts zu den Altengrabowern Wölfen hier

Beitrag von balin »

Mutterkuhherden beschützen sich im wesentlichen selber. Wenn ich mal von mir ausgehe, dann hat sich das Belassen der Hörner gelohnt. Meine Hunde wissen sehr wohl, daß die Kühe mit den Kleinen dabei recht gefährlich sind. Bei meinem Fleckvieh ist das Mutterverhalten ausreichend ausgeprägt. Aus der Diskussion in den USA kommt dann auch rüber, daß Rassen wie Herford sich zur Verteidigung noch etwas besser organisieren wie unsere Milchviehrassen. Es kostet bestimmt nichts und ist sicher im Interesse des Mutterkuhhalters, wenn er auf Leichtkalbigkeit achtet. Je schneller Kuh und Kalb auf die Beine kommen und je schneller sie beide wieder bei der Herde sind, desto geringer ist die Verwundbarkeit gegenüber Wölfen. Wenn man weiss, welche Kuh wann kalbt, dann kann man sie ja in einer sicheren Koppel unterbringen. Da hätte man auch selber die bessere Kontrolle.
Seitdem ich die Herde mit mehreren Hunden umtreibe, habe ich einen besseren Zusammenhalt der Herde festgestellt. Die Tiere gehen nicht gerne das Risiko ein, ausserhalb von den Hunden hochgenommen zu werden. Dieses Verhalten käme ihnen sicherlich auch bei den Wölfen zugute. Sie wissen bei mir auch, wohin sie zu fliehen haben. In meiner Gegenwart sind sie vor den "Mistkerlen" sicher und in ihrer Halle, wohin sie sich ja bei Regen oder Mückenplage auch hin zurückziehen.
Soweit entstehen noch keine Sonderkosten für den Wolf, das sind allgemein nützliche Sachen. Bei den Arbeiten auf der Weide nehme ich die Hunde mit. Für einen einzelnen Hund oder wahrscheinlich auch Wolf ist es bei dieser Überzahl nicht vorteilhaft
sich auf dem Weidearreal herumzutreiben. Ich habe noch keinen Hund erlebt, der nicht schleunigst Reissaus genommen hat, wenn die dunklen Schatten auf ihn zustürmen. Soweit habe ich das auch noch umsonst.
Die Nachtkoppel werde ich am Wald und am Weg mit Hunde- dichtem Zaun abtrennen. Das mache ich auch freiwillig und nicht nur wegen der Hunde und vielleicht mal Wölfe. Zweibeiner richten manchmal mehr Schaden an wie Tiere und ein hoher undurchdringlicher Zaun ist doch eine recht wirksame Hemmschwelle.
Mit dem Restrisiko muß man leben. Beim Wolf ist für manche nur das schöne, daß man jemanden hat der schuld ist.
Man kann es auch positiv sehen. Wenn der Wolf da ist, muß ich öfter mal nach den Tieren sehen. Das kommt den Tieren auch zugute und trägt so sicherlich mit zum Betriebsergebnis bei.
jurawolf
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Re: Finde nichts zu den Altengrabowern Wölfen hier

Beitrag von jurawolf »

die gefahr von angriffen von wölfen auf rinderartige ist in europa sehr gering, teilweise gar vernachlässigbar. mutterkuhherden sind praktisch nicht gefährdet, weil mutterkühe ihre kälber sehr effektiv verteidigen. reine kuhherden sind ohnehin nicht gefährdet. bleiben die rinder, die nur ausnahmsweise angegriffen werden.

in der schweiz, wo rinder im alpenraum absolut omnipräsent sind (jeder wolf in der schweiz begegnet in seinem revier mehreren dutzend rinderherden!), ist es bisher gerade ein einziges mal zu angriffen gekommen (letztes jahr im wallis). dort wurde ein rind gerissen und ein weiteres verletzt. kälber wurden insgesamt 5 bis 10 stück gerissen - allesamt auf reinen kälberweiden oder dort, wo den zaun überwunden und sich damit von der mutterkuh entfernt haben.

bilanz von inzwischen 16 jahren wolfspräsenz:
ein getötetes rind und ein verletztes, etwa 10 getötete kälber.

das finde ich absolut im rahmen und rechtfertigt keine panik.
LarsD

Re: Finde nichts zu den Altengrabowern Wölfen hier

Beitrag von LarsD »

Bis zum letzten Frühjahr war sich mindestens ein Wolfsexperten in Brandenburg ganz sicher, dass Wölfe Rinder generell nicht angreifen würden. Die Begründungen dazu klangen ähnlich wie Eure Ausführungen. Nach den ersten toten Kälbern war dann zu hören, dass das nur passieren könne, wenn sich das kalb außerhalb der Koppel aufhält. Ungeachtet dessen kam vom gleichen Experten der Vorschlag, Rinderweiden doch in Zukunft mit Baustahlmatten (hochkant aufgestellt und einen halben Meter in den Boden eingegraben) sichern sollte. Die anwesenden Landwirte trauten ihren Ohren nicht ... Einige Monate später versicherte die Umweltministerin des Landes Brandenburg in einer Beratung mit Landwirten, dass es im Gegensatz zu Rissen von Schafen, Ziegen und Gatterwild bei Rindern auch weiterhin Schadenersatz für Wolfsrisse geben wird, ohne nach ergriffenen Schutzmaßnahmen zu fragen. Begründung: der Effekt von Schutzmaßnahmen würde hier in keinen Verhältnis zum notwendigen Aufwand stehen. Damit ist dann aber die "Kuh" nicht vom Eis. Denn neben dem Problem von Rissen einzelner Rinder steht das Problem der Schäden, die eine in Panik geratene Rinderherde verursachen kann. Die dürften hier zwischen zahlreichen Bahnstrecken, Straßen und Autobahnen schwerer wiegen, als ein gerissenes Kalb. Unsere Landwirte hier fürchten deshalb, dass deren Versicherer ihnen spätestens nach dem ersten solchen Vorfall die Verträge kündigen werden.

Euer Vertrauen in die Wehrhaftigkeit einer Mutterkuhherde teile ich nicht. Ein Grund dafür sind die Erfahrungen mit meinem eigenen Hund und den Herden hier auf den Weiden. Der hat so gar kein Problem damit, die Fleischmassen in Gang zu bringen, wenn ich nur einen Augenblick nicht aufpasse. Was der alleine schafft, packen zwei, drei oder mehr Wölfe ganz sicher auch. Den Lerneffekt bei Rindern durch den Kontakt mit Hütehunden will ich nicht bestreiten. Allerdings halte ich Wölfe in der Hinsicht für die clevereren und lernfähigeren Tiere. Schließlich sind auch die nicht überzüchteten Verwandten unserer Rinder trotz offener Landschaft, Hörnern und sicherlich guter Instinkte vor den Wölfen nicht sicher.

http://www.youtube.com/watch?v=eSYZJQq2 ... re=related
http://www.youtube.com/watch?v=_yAi8Krv ... re=related
http://www.youtube.com/watch?v=96YxxXEDT-s
http://www.youtube.com/watch?v=pb6Rke7j ... ature=fvwp

Wenn das Zusammenleben von Mensch und Wolf in unseren Breiten wieder funktionieren soll, braucht es Wege, wie wir Wölfe von den Rindern fern halten und verhindern, dass sich einzelne Wölfe auf das für sie recht leicht zu erbeutende Kalbsfleisch spezialisieren. Wenn ich mich hier in meinem Umfeld umsehe, weiß ich angesichts der Größe der Weideflächen beim besten Willen nicht, wie man das bewerkstelligen sollte.

Viele Grüße

Lars
balin
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Re: Rinder und Wölfe

Beitrag von balin »

Das mit den Baustahlmatten ist in der Tat zu teuer. Ich habe das nur an einer Engstelle am Haus. Für die kritischen Stellen am Wald und Gebüsch habe ich mir 1,40m hohen Wildzaun mit 2,5mm verzinktem Draht besorgt. Den kann man auch für Rinder gelten lassen und im Verbund mit T-Pfosten ist der auch für schwere Tiere kaum umzudrücken. Meine Nachtkoppel hat 2,5 ha
und im Winter werden sie da auch gefüttert. Für mich sind gute Zäune da keine Fehlinvestition.
Mein großer Vorteil ist allerdings die Melkarbeit mitten in der Herde. Das hat der normale Mutterkuhhalter nicht. Für mich erledigt sich die Anstellung einer Aufsichtsperson, da ich ohnehin relativ viel Zeit bei den Tieren verbringe.
Herdenschutzhunde bei den Kühen kann ich mir bei deren Abneigung gegen Hunde nur schwer vorstellen. Meine Treiber müssen aber in meiner Gegenwart Waffenstillstand einhalten und die Kühe auch. Wenn ich für die Nacht wegen guter Zäune gut schlafen kann, dann fühle ich mich eigentlich für den Rest des Tages gut gerüstet. Wegen meiner Hunde würde ich nicht auf die Idee kommen mich vor Wölfen zu fürchten.In der Nähe meiner Weide gibt es Bahn und eine vielbefahrene Ortsumgehung.
Einschlägige Prozesse wegen freilaufender Herde habe ich schon hinter mir. Es stimmt, daß hier im Zusammenhang mit dem Wolf ein Problem zu lösen ist. Die Stellung des Tierhalters muß da gestärkt werden. Das muß aber rechtlich geschehen und nicht auf Kosten des Wolfes. Das ist mal die Gelegenheit zu beweisen, daß Natur als solche in unserem Wertesystem wieder ihren Platz findet. Ist es nicht der Wolf, dann ist es etwas anderes, was uns im Weg steht. Irgendwo müssen wir anfangen.
Auf den Wolf bin ich übrigens gekommen, weil mir zweimal meine Hunde gefehlt haben.
Es kann nicht sein, daß man anderen die Arbeitsmittel sabotiert. Der Weg vom Hütehund zum Wolf war für mich da folgerichtig. Beide gehören geschützt!
jurawolf
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Re: Rinder und Wölfe

Beitrag von jurawolf »

Lars, es ist ja gut und recht, dass du dir gedanken machst. schlussendlich ist es aber trotzdem nur völlig übertriebene angstmacherei, weil die nackten zahlen und fakten eine ganz andere sprache sprechen als deine sorgen.

letztes jahr gab es in brandenburg gerade mal zwei tote kälber, wo wölfe als verursacher nicht ausgeschlossen werden konnten - nebenbei gesagt ist es damit nicht mal bewiesen, dass es überhaupt wölfe waren. in den anderen fällen, die schon durch die medien geisterten, konnten wölfe sogar ausgeschlossen werden. in sachsen gab es noch gar keine solchen fälle. in brandenburg zuvor auch nicht. ebenso wenig in den übrigen bundesländern. selbst wenn man die die toten kälber den wölfen grosszügig anrechnet, sind nicht mehr als eine handvoll gerissen worden.

fazit:
es gibt seit 10 jahren wieder wolfsrudel in deutschland, inzwischen gibt es einen bestand von (wenns hoch kommt) 100 wölfen, gerissen wurden in dieser ganzen zeit gerade mal ein paar wenige kälber. und du willst ob dieser zahlen allen ernstes behaupten, ein zusammenleben von wolf und grossviehhaltung sei unmöglich? das hat nichts mehr mit nüchterner betrachtung der zahlen und fakten zu tun, sondern ist eben nur noch angstmacherei.
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