Rinder und Wölfe

Die Beziehung zwischen Mensch und Wolf, Zusammenleben, Herdenschutz, Konflikte und Lösungen.
timber-der-wolf

Re: Rinder und Wölfe

Beitrag von timber-der-wolf »

Ich halte die Sorgen von Lars, höflich ausgedrückt, für übertrieben. Sie entsprechen voll der Hysterie, die von den Wolfsgegnern unter Jägern und einem Teil der Landwirte (meist selbst jäger) verbreitet wird.
Ich fahre seit 5 Jahren täglich an einer Mutterkuhherde in Schweinrich vorbei. Beide Weiden, links und rechts der Straße, grenzen direkt an Wald und Heide des "Bombodroms", wo unser "Rabauke" Wolf, der letztes und anfang dieses Jahr in die Schlagzeilen kam, zu Hause ist. Es kam bisher noch zu keinem Vorkommnis, obwohl dort ständig die Kälbchen auf der Weide geboren werden.
Allerdings ist die Weide mit Weidezaun gesichert, der aus 3 Weidelitzen übereinander besteht, so dass die Möglichkeit besteht, dass der Wolf eine "gewischt" bekommt, wenn er im schumrigen oder dunklen dagegen läuft. Außerdem kann man sehr gut beobachten, wie die Kühe ihren Nachwuchs beschützen.
LarsD

Re: Rinder und Wölfe

Beitrag von LarsD »

@ jurawolf: Wir haben in Brandenburg gegenwärtig nach offizieller Lesart erst ein Rudel und ein paar Paare bzw. Einzelgänger. Das wird nicht so bleiben und mit steigender Zahl der Wölfe wird bei denen auch die Versuchung wachsen, sich an Rindern zu versuchen. Wie schon geschrieben, sehe ich dabei die unmittelbaren Schäden, also die gerissenen Kälber oder Jungrinder nicht als das große Problem. Dicke kommt es erst, wenn so eine Rinderherde dann Panik schiebt, ausbricht und auf einer Autobahn oder ICE-Strecke steht. Ich hoffe sehr, dass so eine Szene nie real wird und wir beide in zehn Jahren über die Befürchtungen lachen, die ich hier formuliert habe.

Viele Grüße

Lars
balin
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Re: Rinder und Wölfe

Beitrag von balin »

So wie ich es bis jetzt mitbekommen habe, werden die Jungwölfe durch ihre Eltern auf bestimmte Beutetiere geprägt. Der Übergang zu neuen Arten ist für den Wolf nicht selbstverständlich und wird bei so unbequemen Opfern wie Rindern sicherlich nicht ohne besonderen Anlass vonstatten gehen. Defenders hat ja seinen Ratgeber um dieser Situation aus dem Weg zu gehen.
http://www.defenders.org/resources/publ ... wolves.pdf
Ich habe das auch durchgelesen und für mich festgestellt, daß wir doch unter kleinräumigeren Bedingungen arbeiten. Wir haben Stall und Zäune und grenzen nicht unmittelbar an Wildnis an. Anregungen hat man mit diesem Ratgeber aber auf jeden Fall.
Man soll sich in den Wolf hineinversetzen, dann hat man am ehesten die Möglichkeit mit ihm auszukommen und das entsprechende zu tun.
Vieles kostet nichts zusätzlich, es ist nur vielleicht anders wie gewohnt. Man muß ja die Tiere in der Kalbe- und Lammsaison
nicht gerade in der Nähe der Wölfe stationieren oder man kann Nachgeburten oder Kadaver rechtzeitig wegräumen, ehe es
zu unliebsamen Vorfällen kommt.
timber-der-wolf

Re: Rinder und Wölfe

Beitrag von timber-der-wolf »

balin hat geschrieben:Vieles kostet nichts zusätzlich,...
Das glaubt Dir nur keiner der Herrschaften, die gegen den Wolf sind! Weil, sie müßten sich ja mit der Problematik auseinandersetzen und Schlußfolgerungen für ihre Arbeit ziehen ...
balin hat geschrieben: ... es ist nur vielleicht anders wie gewohnt.
Ja, ja, aber "wir" (die Landwirte) machen das doch schon immer so, warum denn jetzt auf einmal anders. Der Aufwand, die Kosten, ...
balin hat geschrieben:Man muß ja die Tiere in der Kalbe- und Lammsaison nicht gerade in der Nähe der Wölfe stationieren oder man kann Nachgeburten oder Kadaver rechtzeitig wegräumen, ehe es zu unliebsamen Vorfällen kommt.
Aber das macht doch alles ARBEIT ... und was das alles kostet ... heute muß sich doch schließlich alles "rechnen" ... möglichst mit NULL Aufwand nen dicken Sack voll €uros ...
LarsD

Re: Rinder und Wölfe

Beitrag von LarsD »

@ Balin: Danke für den Link. Nicht zuletzt die Telemetriedaten besenderter Wölfe in unseren Breiten zeigen, dass die sich ihren Lebensraum hier sehr keck erschließen und keinen gesteigerten Wert auf Wildnis legen. Damit sind in unserer dicht besiedelten Kulturlandschaft die Berührungspunkte zwischen Wolf und Mensch sowie Wolf und Viehhaltung wohl häufiger und intensiver, als in den Weiten der Staaten. Die nächsten Jahre werden zeigen, ob und wenn ja, welche Konsequenzen das für beide Seiten hat.

Viele Grüße

Lars
thomasriepe
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Re: Rinder und Wölfe

Beitrag von thomasriepe »

Im Prinzip kann ich Balin und Jurawolf bei dem Thema nur zustimmen. Die Gefahr für Kühe und Kälber durch Wölfe ist in unseren Breiten überschaubar - man sollte sich sicher Gedanken dazu machen, aber keine Panik schüren...

Bei den Videos mit den Bisons sollte man einige Punkte nicht vergessen. Die Yellowstone-Wölfe jagen im Allgemeinen nur Bisons, wenn andere, leichtere Nahrungsquellen knapp werden. Es gibt sogat Rudel, die sich praktisch auf Bisons spezialisiert haben - vor allem im Winter, und in Bereichen wo es speziell im Winter auch keine Hirsche gibt. Die Bisonjagd als existentielle Notwendigkeit... Dann muss man auch den Punkt berücksichtigen, der für Schafe ein Nachteil ist, Rindern aber zugute kommt. In Yellowstone versuchen die Wölfe oft sehr lange und geduldig, Kälber oder schwache Tiere von der Herde zu separieren. Gelingt auf einer Weide nur bedingt, das hat man immer wehrhafte Alttiere auf den Pfoten... Und, was man bei einem vermeitlichen Vergleich zwischen Yellowstone-Wölfen und Bisons nicht vergessen darf, ist die Größe der Wölfe an sich. Man kann unsere Wöfe von Größe und Kraft nicht mit denen in Yellowsrtone vergleichen.
Und der Hauptgrund, warum ich die Gefahr für Rinder, aber auch Pferde bei uns als relativ gering ansehe ist die Tatsache, dass es sehr viel einfachere und ungefährlichere Beute für die Wölfe gibt - und das in großer Zahl...
balin
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Re: Rinder und Wölfe

Beitrag von balin »

Hier ein Augenzeugenbericht aus dem Yellowstone Park. Die Bison Mama ist mit ihrem Kalb von vier Wölfen umzingelt.
Sie gewinnt diesesmal die Geduldsprobe.
http://switchboard.nrdc.org/blogs/mskog ... bison.html
Mich beruhigt das nicht so ganz. Ich muß nämlich in den nächsten Tagen einige Ohrmarken einziehen. Eigentlich müßte man
dazu die Bürokratenschranzen anstellen, die sowas erfunden haben. Die gehören mal zur Horizonterweiterung für sowas aufs Land geschickt, natürlich mit 90%entiger Selbstbeteiligung bei den Krankenhauskosten. :mrgreen:
Miscanthus
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Re: Rinder und Wölfe

Beitrag von Miscanthus »

Ach ja, diese viel zitierte Sicht „wie man überm großen Teich“ mit Wolfsangriffen umgeht……Kann das wirklich als „Vorgucker“ dessen taugen, was uns hier bevorsteht? Abgesehen davon, dass das ja schon fast eine Drohung ist, meine ich, die Verhältnisse sind hier grundlegend anders. Dort, schier allmächtige, oft stark rechtsradikale Großrancher, die für kleines Geld ihr Vieh auf öffentlichem Land weiden dürfen (Welfare ranching) und sich vom Staat alles aus dem Wege räumen lassen, was irgendwie stört (Coyoten, Wölfe, Bären, Pumas, bis runter zum Präriehund – nicht zu vergessen die leidige alljährliche Yellowstone Bison Geschichte). Das Image tief in der Öffentlichkeit verwurzelt, mit starker Lobby und von Behörden und Regierungen auf allen Ebenen hofiert. Weiterhin, eine weit verbreitete Abneigung gegen Tierschutz und Naturschutz. Dazu die in Amerika vorherrschende Einstellung zur Jagd im Allgemeinen und dem Hang zu einem gewissen Waffenfetischismus. Dem ist bei uns nicht so! EU-Gesetzgebung, Gesetzgebung des Bundes, vor allem aber das in der öffentlichen Meinung negativ belastete Image von Landwirtschaft und Jagd, i.V.m. einer positiven Einstellung zum Naturschutz, stehen bei uns so einer grundsätzlich „militant/anarchistischen“ Entwicklung entgegen. Reden wir doch mal Klartext, das Image der Landwirtschaft
in der breiten Öffentlichkeit ist so schlecht, dass die Bauern besser nicht den "bewaffneten Aufstand" proben sollten. Nein, diesen typisch amerikanischen Krieg gegen Wölfe wird es bei uns sicherlich nicht geben. Davon unbenommen ist den Protagonisten natürlich das Ausweichen in den Untergrund…….
LarsD

Re: Rinder und Wölfe

Beitrag von LarsD »

Miscanthus hat geschrieben:Ach ja, diese viel zitierte Sicht „wie man überm großen Teich“ mit Wolfsangriffen umgeht……Kann das wirklich als „Vorgucker“ dessen taugen, was uns hier bevorsteht? Abgesehen davon, dass das ja schon fast eine Drohung ist, meine ich, die Verhältnisse sind hier grundlegend anders.


Das stimmt. Die Besiedlungsdichte der Landschaft ist hier um ein Vielfaches dichter, was Konflikte zwischen Mensch und Wolf nur noch wahrscheinlicher macht.
Reden wir doch mal Klartext, das Image der Landwirtschaft in der breiten Öffentlichkeit ist so schlecht, dass die Bauern besser nicht den "bewaffneten Aufstand" proben sollten. Nein, diesen typisch amerikanischen Krieg gegen Wölfe wird es bei uns sicherlich nicht geben. Davon unbenommen ist den Protagonisten natürlich das Ausweichen in den Untergrund…….
Du erinnerst Dich noch an Dein eigenes Posting zu jener Umfrage im Nordkurier? viewtopic.php?f=12&t=154&start=40 Du hast die Reaktionen in Bayern zu den letzten Wolfssichtungen dort schon verdrängt? Wahrscheinlich sind die Almbauern in Deinen Augen ähnlich verbohrte Radikale, wie die Wildhüter in der Schweiz, die im letzten Jahr einen Wolf wegen seiner Schwäche für Rinder erlegten? Die inzwischen angeschobenen bzw. bereits gefällten Entscheidungen in verschiedenen politischen Gremien der Schweiz sind selbstverständlich auch kein Indiz für ein eher schlechtes Image der Wölfe ...

Du biegst Dir die Realität für meinen Geschmack etwas arg zurecht. Probleme mit Wölfen haben zuerst kleine landwirtschaftliche Unternehmen, die in aller Regel eine sehr nachhaltige Bewirtschaftung betreiben und auch deshalb bei der breiten Masse vergleichsweise viele Sympathiepunkte bekommen. Je näher die Risse am Dorf erfolgen, desto mulmiger wird nicht nur den Menschen im Dorf. Vor dem Hintergrund wird verständlich, warum die Versuche, über tatsächliche oder unterstellte illegale Abschüsse von Wölfen einen Sturm der Entrüstung gegen die Jägerschaft zu entfachen, immer weniger Resonanz finden. Vieles deutet also darauf hin, dass der Wolf gemeinsam mit Jägern und "der Landwirtschaft" ein Image-Problem hat. Selbstverständlich kann man das alles teilweise oder auch komplett ausblenden. Ob das auf Dauer hilft, wage ich zu bezweifeln.

Viele Grüße

Lars
Miscanthus
Beiträge: 1304
Registriert: 8. Okt 2010, 10:54

Re: Rinder und Wölfe

Beitrag von Miscanthus »

Ich muss zugeben, dass sich bei mir der Almbauernverband (nicht die "kleinen" Almbauern", die werden ja nur durch ihren Verband gesteuert) jegliche Sympathie verscherzt hatte, als man sich von vorne herein hartleibig und kompromislos gezeigt hat. Es wurden da von Anfang an knallharte Forderungen aufgestellt, von denen kein Meter abgewichen wurde. Irgendwelche Diskussionsbereitschaft war da nicht zu erkennen. Das darf man nicht aus den Augen verlieren, wie das gelaufen ist! So geht das natürlich nicht! Das haben auch die Leser-Kommentatoren der diversen Artikel so gesehen, da fällt vielfach die stereotype Bemerkung "als erstes die Subventionen streichen". Ob diese Bemerkung gerechtfertigt ist oder einfach nur Polemik, das ist dabei nebensächlich. Die Almbauern haben sich jedenfalls durch die ganze Aktion in der Öffentlichkeit wahrhaftig keinen Gefallen getan. Sie haben alle Klischees, die es über die Landwirtschaft gibt nur bestätigt. Sie haben auch wissentlich und mit voller Absicht so gehandelt. Und da soll man sich auf die Seite dieser Leute schlagen und Verständnis aufbringen? Gutmütige Leute wie ich tun das, aber es ist schon etwas viel verlangt, oder?
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