balin hat geschrieben:Mir geht es doch nicht um die Person Valerius Geist. Wenn er ein Unsympath ist, dann geht mich das nichts an, weil ich mit ihm nichts zu tun habe.
Um das offtopic hier nicht ewig zu fuehren, mir ist Geist auch egal.
Ich finde es nur seltsam, wie seine Thesen und er als Experte in Deutschland verkauft und wahrgenommen werden. Es ging wie gesagt um die sieben Stufen These, der in gewissen Teilen Nordamerikas und Europas Aufmerksamkeit geschenkt werden, in erster Linie um Stimmung zu machen und nicht zu informieren. Wenn er dann noch um seine Argumente viele Interviews und Vortraege groesstenteils damit verbringt zu argumentieren, wer Experte ist und wer nicht und wer nur deswegen Recht hat, finde ich das daneben. Die Leute, die er mit Dreck bewirft, widersprechen/widersprachen ihm auch auf fachlicher und nicht persoenlicher Ebene. Das hilft beim Suchen nach Informationen niemandem wirklich, egal ob Kuschler oder eher negativ eingestellten Menschen.
balin hat geschrieben:Ich gönne ihm aber den Aha-Effekt bei mir, wenn er nämlich beschreibt, wie intelligente Wesen die Welt erobern. Defensiv gesehen ergibt sich daraus die Notwendigkeit, dem Gegner frühzeitig den Schneid abzukaufen und ihn möglichst am Sammeln von Erfahrungen zu hindern, die ihn weiterbringen könnten.
Er nennt es Welt erobern, andere einfach Adaptivitaet. Und das nicht um zu 'beweisen' oder jemanden zu bekehren, dass diese Adaptivitaet irgendetwas ueber eine geringere Gefahr durch Woelfe bedeutet.
balin hat geschrieben:Umgekehrt heisst das aber, sich nicht entmutigen zu lassen und möglichst ohne eigene Gefahr Informationen einholen um dann richtig handeln zu können.
Wölfe haben auch einen inneren Schweinehund, den sie auch immer nur schrittweise besiegen.Man kann ja mal in den Spiegel schauen und sich fragen, ob das richtig ist. An den Kühen und Hunden sehe ich, daß da gewaltig viel wahres dran ist. Die werden langsam mutig, dann aber um so mehr. Am Prinzip ändert man da nichts, aber man kann die Richtung vorgeben. Bei den Kindern ist das ja auch nicht anders.
Das didaktische Problem bei freilebenden Wölfen zu lösen ist natürlich schwierig und da muß man wirklich dankbar für jede Erfahrung und jeden Fehler sein, den andere schon gemacht haben, einfach um selber halbwegs über die Runden zu kommen.
So ein Forum ist ja nicht schlecht dazu.
Das genau meine ich. Natuerlich ist es wichtig sich Gedanken ueber Wolfsverhalten zu machen und viele Menschen muessen es jeden Tag machen, weil sie nicht anders koennen. Ueberlegungen, die Geist macht, haben andere auch schon gemacht, sind aber auf Grund von Daten, Beobachtungen etc. zu anderen Schluessen gekommen.
Da liest man dann auch Geist, wenn man auf der Suche nach Info ist. Andere Ueberlegungen kann man dann schnell ausser Acht lassen, weil sie der eigenen Denkweise nicht realistisch erscheinen oder weil man sie nicht kennt und Geist einem erzaehlt, wem man zuhoeren soll und wem nicht.
Die Probleme und Gedanken die sie haben, haben zig ander Menschen wie gesagt auch. Das man da 'Probleme' bei Woelfen loesen kann, ist in manchen Faellen unmoeglich und das weiss man auch. Also versucht man Probleme anders anzugehen. Die einen sagen, Woelfe werden 'mutiger', andere sagen 'toleranter' oder 'ignoranter'.
Ich kenne hier Orte, in denen Pumas und Woelfe regelmaessig im Winter mitten im Ort Tiere gerissen haben und noch reissen. Bei solchen Stories in Deutschland wuerde der Diekmann mit einer Dauerlatte rumlaufen. Ueber die Ursachen gibt es zwei Theorien. Die Beutetiere haben Angst vor den Beutegreifern und suchen Schutz beim Menschen. Der Beutegreifer folgt und reisst dementsprechend. Die andere Theorie ist, dass der Mensch durch akkurate Gaerten, Vogelfutter und andere Dinge die Beute in die Orte lockt, weil Nahrung konzentrierter und einfacher zu finden ist, als ausserorts.
Statt die Beute in die Orte zu treiben, lockt diese die Beutegreifer innerorts. Denen ist der Mensch auch egal, bei so viel Biomasse wird zugeschlagen.
Statt sich Gedanken zu machen, wann denn eventuell mal jemand zu schaden kommen koennte, warum die Woelfe denn nun wirklich in die Orte kommen oder ob man die Woelfe mit ganz viel Knallerei verjagt, sieht man zu, dass man das moegliche Problem anders angeht.
Bestimmte Pflanzen die gewisse Tiere anlocken duerfen per Gesetz nicht mehr einfach in Gaerten gepflanzt werden. Saemtliche Hirscharten werden aktiv mit Hunden, Knallern oder sonstigem Tamtam von Einwohnern vertrieben, damit sie nicht mehr staendig in den Orten rumlungern, sondern wie frueher mit Risiko ausserorts leben.
Allein dadurch lassen sich Risse in Orten zumindest verringern. Gedanken kann man sich dann immer noch ueber das Verhalten der Woelfe machen, aber bis dahin sollte man eben sehen, dass man die aktuellen Probleme erkennt und angeht. Den Rehen ist es einfacher auszutreiben Menschen fern zu bleiben, als Woelfen auszutreiben Beute zu verfolgen und zu erlegen.
Bei Landwirten ist das nicht anders. Ich geh auch zu Vortraegen, bei denen ich eventuell etwas ueber Woelfe erfahre, was nicht mit Fotografieren oder beobachten zu tun hat. Viele der Farmer die ueber ihre Erlebnisse auf der von mir verlinkten Seite berichten kann man ganz einfach besuchen und sich mit ihnen unterhalten. Auch von denen hab ich Dinge gehoert, von denen mir der NABU bevor ich nach Kanada ging erzaehlt hat, Woelfe wuerden es nicht tun.
Da ist man schon einige Schritte weiter und viele Landwirte haben erkannt, dass dieses Thema vor allem von oekonomischer Seite angegangen fuer sie mehr Sinn macht, als ideologisch. Warum und wieso Woelfe in gewissen Situationen wie reagieren, darueber macht man sich immer noch Gedanken. Aber praktisch ist man trotzdem schon mitten in der Praevention, die eben auch zeitintensiv ist und angepasst oder weiterentwickelt werden muss.
Und selbst unter den Farmern findet man Leute die sagen, wenn blosses abknallen helfen wuerde, wuerden sie es auch tun. Da ist keine grosse Liebe fuer den Wolf, genauso wenig wie fuer Baer, Puma oder Kojote. Aber so lange man sich arrangieren kann und es wirtschaftlich auch Sinn macht, tut man es.
Wenn Sie noch mehr Interesse dazu haben, gibt es noch weitere Links.
Von der Besitzerin dieser als ersten in Kanada 'predator friendly' zertifizierten Farm habe ich mal einen Vortrag besucht. Die sagt ganz klar, sie macht es nicht aus Liebe zu irgendeinem Beutegreifer, sondern weil es ihr hilft. Diese Leute sehen jeden Tag, dass es mit HSH und Zaun nicht getan ist. Nicht nur wegen Witterung wie Wind oder Schnee. Eben weil manche Tiere beobachten und ueberlegen, das Problem zu ueberwinden. Und das man ebenso beobachten und ueberlegen muss, wie man am besten damit umgeht, wenn sie eine Loesung fuer das Problem finden koennten.
Das geht schon damit los, dass sie jeden Wolf oder Kojoten sofort mit Gebruell verjagt, den sie sieht, auch beim Waesche aufhaengen oder beim Essen durchs Fenster. Einfach, damit die gleich wissen, rumhaengen und in Ruhe gucken ist hier nicht moeglich, damit sie gar nicht erst sehen, wie die Farmerin vorgeht.
http://www.grazerie.com/
Das ist die Hauptorganisation aus den USA.
http://www.predatorfriendly.org/how-to/index.html
Punkt unter den Methoden: Learning the ecology and habits of area wildlife
Dazu gibt es noch weitere Themen wie range riding, Kuhverhalten veraendern, Kosten/Nutzenrechnungen zu Zaeunen (die in der Regel nicht nur Beutegreifer wie Woelfe draussen halten sollen/muessen, sondern auch deren durch Futter angelockte Beute wie Hirsche), Erfahrungen mit Hunden und Taktiken die Beutegreifer gelernt haben usw.
Wie gesagt, nichts spricht dagegen sich mit Geist und seinen Thesen auseinanderzusetzen. Aber an vielen von ihm angesprochenen Problemen arbeitet man schon, nicht auf Grund seiner Thesen oder um die zu Widerlegen. Sollte man fairerweise auch sagen.
Gucken Sie neben Geist auch mal auf die Erfahrungen und Ueberlegungen der Leute, die sich aehnliche Gedanken machen wie sie. Einfach um Konflikte und Kosten zu vermeiden, unabhaengig davon ob man den Wolf jetzt will oder nicht. Die Gesetzeslage laesst erstmal nichts anderes zu.
Obwohl die Gesetzeslage hier anders ist, ueberzeugt die eigene Verhaltensanpassung zur Praevention immer mehr Leute. Wenn man solche Leute besucht, kann man da immer noch tote Woelfe und Baeren bei ihnen an der Wand als Trophaee sehen. Die sagen aber auch gleich, dass sie um diese zu schiessen weit von ihrer Farm fahren, weil sowas dort gleich wieder zu mehr Arbeit fuehrt, im Verteidigungsfall aber abdruecken wuerden.