Draf man sich gegen Wölfe verteidigen?

Die Beziehung zwischen Mensch und Wolf, Zusammenleben, Herdenschutz, Konflikte und Lösungen.
HaBe
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Re: Draf man sich gegen Wölfe verteidigen?

Beitrag von HaBe »

zaino hat geschrieben:... bitte nochmal für die Doofen bestätigen oder verwerfen:
Das hat mit Doof sein nichts zu tun. ;-)
Die Kringel zeigen eine Momentaufnahme, zu diesem Zeitpunkt sind dort bekannte Gebiete. Mehr nicht. Ob die da morgen oder naechstes Jahr noch so sind, ob da noch mehr oder weniger schwarze Kringel sind, kann jetzt niemand vorhersagen.

Was diese Berechnungen der 'Populationsentwicklung' angeht, handelt es sich meist um den 'Idealzustand'.
Wolfsterritorien sind aber keine stabilen Gebilde, abgenommen und abgesteckt vom Katasteramt. Diese Groessenaenderung unterliegt einigen verschiedenen Einfluessen innerhalb und ausserhalb einer Familie.

Dazu weiss man ebenfalls aus Jahrzehnten Wolfsforschung, das Woelfe Territorien temporaer oder dauerhaft verlassen/aufgeben und in anderen Regionen ansaessig werden (obwohl die Beutepopulation nicht von den Woelfen dezimiert oder gar 'vernichtet' wurde). Oft weiss man DAS sie es tun, ueber das WARUM gibt es oft aber keine abschliessende Erklaerung, vor allem war man aber eben oft ueberrascht, weil es in den Gedanken zur Population und zum Management so bisher (lokal) nicht bekannt war.

Umso dichter ein Gebiet von Infrastruktur durchzogen ist, umso hoeher ist auch die Sterblichkeitsrate der Woelfe, ist ebenso viel und lange untersucht worden. In Nordamerika in Gegenden, in denen Woelfen Zugang zu bestimmten Regionen erst durch Infrastruktur ermoeglicht werden musste. Diese Infrastrukter besteht in Deutschland bereits flaechendeckend, zusaetzlich zur natuerlichen (Fluesse, flache Regionen etc). Je mehr die Woelfe sich ausbreiten und diese menschliche Infrastruktur nutzen, umso mehr Tiere werden verletzt/getoetet. Egal ob abwandernde, noch junge oder Alttiere plattgefahren werden, diese Unfaelle haben Auswirkungen auf die Population und beeinflussen sie.

Dann wird immer von Gebieten gesprochen, die fuer den Wolf passend sind. Das sind gute und wichtige Ueberlegungen, aber oft voellig anders verstanden. Das Woelfe keine 'Wildnis' brauchen, sollte bei den vielen Bauten auf Militaergelaenden (ueberall auf der Welt) klar sein. Woelfe koennen keinen Buergerinitiative gegen Schiesslaerm starten und auch keine Mittagspause einklagen. Wer noch nie mal in der Naehe von Munster/Bergen war, wenn dort geschossen war, hat keine Vorstellung davon, was da laermtechnisch abgeht.

Woelfe nutzen, wie man jetzt auch in Deutschland sieht, Gegenden, die nicht weitab von Menschen sind, oft zwangslaeufig. Wie will man da dann festlegen oder verhersagen, was 'gutes Wolfsgebiet' ist? Wie adaptiv einzelne Familien und Tiere sind und mit einem Lebensraum klarkommen, kann niemand vorhersagen.

Natuerlich kann und darf man solche Berechnungen durchfuehren. Aber die Frage ist letztendlich, wie das Ergebnis praesentiert wird und aus welchem Grund. Welche der genannten Faktoren wurden beruecksichtigt und wie? Wissenschaftliche Arbeiten geben das an, mit Toleranzgrad, nennen oft auch namentlich Berechnungsmethoden anderer Forscher die sie nutzen. Wurden Vergleiche gezogen und welche, welche wurden beruecksichtigt und welche ausgeschlossen? Wissenschaftliche Arbeiten werden auch einer Pruefung vollzogen, bevor sie veroeffentlicht werden.

Der Rest ist oft Theorie, wird aber gerne als Fakt verkauft. Und verselbststaendigt sich dann. Siehe Valerius Geist 7 Stufen Modell. Es ist eine These, eine Ueberlegung, mehr erstmal nicht. Mit der These kann man sich befassen und sie diskutieren, sie bleibt aber erstmal das, ein Gedankengang.
Wenn Sie einfach mal nach Wolf unter google news Suchen, koennen Sie zig Artikel finden, unter deren Kommentaren finden sich immer mehr, die Geist zitieren. "Laut Geist sind wir hier im Landkreis XYZ bereits in Stufe 4!".
Wobei man sagen muesste, wenn man sachlich sein will, 'Wenn Geist Recht hat/haette, waeren wir bereits bei Stufe 4!".

Das wissen auch viele der Leute, die von zigtausenden Woelfen in Deutschland erzaehlen. Der Rest weiss es nicht oder macht sich darueber keine Gedanken, weil die Zahl X.000 weitaus mehr Eindruck macht, wenn Sie ohne Fussnoten, 'langweiligem Wissenschaftsblabla', Toleranzangabe oder deutliche Kennzeichnung 'Moeglich unter folgenden Voraussetzungen:' praesentiert wird.
Grauer Wolf

Re: Draf man sich gegen Wölfe verteidigen?

Beitrag von Grauer Wolf »

HaBe hat geschrieben:Oft weiss man DAS sie es tun, ueber das WARUM gibt es oft aber keine abschliessende Erklaerung, vor allem war man aber eben oft ueberrascht, weil es in den Gedanken zur Population und zum Management so bisher (lokal) nicht bekannt war.
Und vor allen Dingen kollidiert das gerade in Deutschland mit der Sucht, alles fein säuberlich in kleine Schubladen zu packen: Der Wolf verhält sich exakt so und so... Die Wölfe machen sich ihre eigenen Gedanken, und welche Motive sie bei der Verlagerung ihres Reviers leiten, das weiß kein Mensch, das wissen nur die Grauen selber. Einen deutschen Bürokraten stellt das aber vor größte Probleme, damit ist er intellektuell schlicht überfordert. :x
HaBe hat geschrieben:Der Rest ist oft Theorie, wird aber gerne als Fakt verkauft. Und verselbststaendigt sich dann. Siehe Valerius Geist 7 Stufen Modell. Es ist eine These, eine Ueberlegung, mehr erstmal nicht. Mit der These kann man sich befassen und sie diskutieren, sie bleibt aber erstmal das, ein Gedankengang.
Wenn Sie einfach mal nach Wolf unter google news Suchen, koennen Sie zig Artikel finden, unter deren Kommentaren finden sich immer mehr, die Geist zitieren. "Laut Geist sind wir hier im Landkreis XYZ bereits in Stufe 4!".
Wobei man sagen muesste, wenn man sachlich sein will, 'Wenn Geist Recht hat/haette, waeren wir bereits bei Stufe 4!".
Ich gebe zu, den habe ich gefressen. Ad eins gehört er m.M.n. ohnehin nicht zu den Wolfsexperten (der Mann war/ist Spezialist für Schalenwild) und ad zwei hat er ein ganz gewaltiges, persönliches Problem mit Wölfen...

Gruß
Wolf
FrauFuchs
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Re: Draf man sich gegen Wölfe verteidigen?

Beitrag von FrauFuchs »

... Dem Menschen ist größtenteils die Fähigkeit abhanden gekommen flexibel und intuitiv zu agieren...
Es gibt ja auch nicht das Menschenverhalten welches katalogisierbar ist ... Auf verhalten a folgt b und wenn auf a v folgt, dann ist w die Konsequenz daraus...
Gerade und ausgerechnet der verkopfte Mensch, der sich selbst kaum noch spürt möchte alles plan- und vorhersehbar haben ...
Warum eigentlich?
HaBe
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Re: Draf man sich gegen Wölfe verteidigen?

Beitrag von HaBe »

Grauer Wolf hat geschrieben:Ad eins gehört er m.M.n. ohnehin nicht zu den Wolfsexperten (der Mann war/ist Spezialist für Schalenwild)
Zitat Geist:
"We asked for help in introducing Dr. Kay and received this kind paragraph from Valerius Geist of the University of Calgary. He said, “[blabla]. I am no wolf expert. [mehrblabla]”

Quelle:
http://prfamerica.org/speeches/16th/WolfRecovery.html

Wie seine Juenger so sagen wuerden: "It becomes nothing eaten as hot as it cooks becomes". Is the whole Aufregung not really worth...
balin
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Re: Draf man sich gegen Wölfe verteidigen?

Beitrag von balin »

Sagen wir es mal so, mit dem Wolf ist es wie mit dem Wetter. Da kann jeder was zu sagen, aber Fakt ist, daß der Wetterbericht in den letzten zwanzig Jahren immer besser geworden ist.
Dem Wolf als Naturereignis werden wir aufgrund häufigeren Auftretens sicherlich auch näher auf die Spur kommen. Da haben viele ihren Beitrag, auch V. Geist. ;-)
HaBe
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Re: Draf man sich gegen Wölfe verteidigen?

Beitrag von HaBe »

balin hat geschrieben:Dem Wolf als Naturereignis werden wir aufgrund häufigeren Auftretens sicherlich auch näher auf die Spur kommen. Da haben viele ihren Beitrag, auch V. Geist. ;-)
Fragt sich nur welchen...
balin
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Re: Draf man sich gegen Wölfe verteidigen?

Beitrag von balin »

Er gibt zumindest Denkanstöße. Mehr oder weniger abstrahiert jeder Mensch von dem, was er erlebt hat oder erfahren hat und überträgt das auf die Zukunft. Das gilt auch für die Wölfe. V. Geist hat das aus der Sicht der Menschen für die Wölfe versucht. Natürlich kann man das besser machen, aber der Ansatz ist richtig. Den Wölfen ist man nur voraus, wenn man ihre Gedanken vorweg nimmt und sich in sie hineinversetzt. Das ist für mich das Prinzip des Herdenschutzes.Herdenschutz äussert sich ja nicht in rituellen Handlungen, sondern man muß die "Halunken" da erwischen, wo sie sensibel und beeinflussbar sind. Das Stufenmodell ist nur ein grober Rahmen und wird natürlich gerne von interessierter Seite missbraucht. Insgeheim denken aber alle Tierhalter so. Sie machen sich Gedanken darüber, wie ausgebufft der Wolf nun wirklich ist. Das geht ungefähr so:
War jetzt der nur zufällig bei mir?
Hat der schon spitz gekriegt, daß ich nachts nicht da bin?
Hat der eigentlich Angst vor mir und meinen Hunden?
usw, usw
Die Fragen hat der Emeritus jedenfalls schon mal im voraus formuliert.
Wie man die Antworten dann in der Praxis festmacht, das gilt es noch zu lösen.
Ich behaupte, wir sind mindestens so schlau, wie die Wölfe, was allerdings noch zu beweisen ist. ;-)
HaBe
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Re: Draf man sich gegen Wölfe verteidigen?

Beitrag von HaBe »

Und das ist das Problem mit Geist. Leuten wie ihm wird (meiner Meinung nach) zu viel Beachtung geschenkt. Natuerlich steht es jedem frei sich Gedanken zu machen. Auch mir. Und wenn jemand Vortraege in den USA gibt in denen er Leuten erzaehlt, dass Woelfe schiessen dazu dient, das Recht Waffen weiterhin tragen zu duerfen, dann ist mir ziemlich schnell klar welche Interessen diese Gedanken verfolgen. Jedenfalls nicht Problemloesung im Sinne von Konsens.
Auch in Deutschland durfte nicht jeder zu seinem Vortrag beim Symposium, Ticketbestellungen und Nachfragen wurden ignoriert. Soll so ein Verhalten dem Erkenntnisgewinn dienen?
Geist hast bis zu der Bitte von privater Seite bei dem Vorfall in Saskatchewan das Thema Wolf aussen vor gelassen. Jetzt kann man damit noch schoen dazuverdienen, steht auch jedem zu.

Ich sehe in solchen Mechanismen keinerlei Vorteil, gerade nicht, wenn es um Wolf/Mensch-Konflikte geht. Natuerlich ist es einfach zu sagen 'Den finden alle nur doof, weil der Woelfe doof findet'. Aber wenn man sich differenziert mit dem Thema Wolf auseinandersetzt, sieht man schnell, dass er nicht der einzige ist, der das Thema differenziert diskutiert und behandelt. Ist bei den Ideologiekaempfen aber nicht von Vorteil, wenn jemand keine klare schwarz/weiss Stellung bezieht.

Auch was den Herdenschutz angeht, verstehe ich nicht, wo seine bisherigen Erguesse zum Thema irgendwem helfen koennen. Sie sagen:

"Insgeheim denken aber alle Tierhalter so. Sie machen sich Gedanken darüber, wie ausgebufft der Wolf nun wirklich ist. Das geht ungefähr so:
War jetzt der nur zufällig bei mir?
Hat der schon spitz gekriegt, daß ich nachts nicht da bin?
Hat der eigentlich Angst vor mir und meinen Hunden?
usw, usw
Die Fragen hat der Emeritus jedenfalls schon mal im voraus formuliert.
Wie man die Antworten dann in der Praxis festmacht, das gilt es noch zu lösen."

Statt sich zu viel mit den Theorien und Gedankengaengen von Geist zu befassen, um dann Gedankenspiele zur eigenen Praevention zu machen, koennte man auch mal schauen, welche Erfahrungen denn andere Menschen in gleichen Situationen machen. Fuer die stellen sich diese Fragen gar nicht mehr, weil sie manchmal seit Jahrzehnten die Antworten darauf bei ihrer taeglichen Arbeit beobachten koennen. Egal ob Woelfe oder Kojoten lernen, dass ploetzlich ein HSH da ist und welche Taktikten man entwickeln muss, um trotzdem erfolgreich Beute zu machen. Oder ob Wildtiere einfach aus Beobachtungen lernen koennen, wann Menschen in der Naehe sind und wann nicht, wann Zaeune unter Strom stehen und wann sie frei sind, ob Woelfe nur Schaeden im Sinne von Verletzungen oder Toetungen verursachen, oder weitere Probleme wie Gewichtsverlust bei staendig rumlaufenden Kuehen nicht eine viel groessere Rollen spielen (vor allem was finanzielle Schaeden angeht).

Darueber gibt es ganze Seiten mit Erfahrungsberichten von Betroffenen Tierhaltern, Vor- und Nachteile von verschiedenen Praeventionsmethoden aus jahrelanger Erfahrung, Zusammenarbeit zwischen Behoerden, Tierhalten und Wissenschaftlern, Ansprechpartner fuer Betroffene, uswusf.
Von den Menschen hat weder jemand Lust noch Zeit sich mit Theorien oder Gedanken irgendwelcher Wissenschaftler zu befassen, die bisher noch nicht einen Fuss auf ein Ranch in der Gegend gesetzt hat. Weder Wolf noch sonst ein Beutegreifer warten auf irgendwelche Erkenntnisse aus Gedankengaengen. Die machen ihr Ding und die Menschen muessen sehen, wie sie darauf reagieren oder einen Schritt voraus sind.
Die koennten Ihnen solche Fragen sicherlich besser beantworten, als jeder Aufsatz, jede These oder sonstige Ueberlegung.

Auf dieser Seite zum Beispiel gibt es Berichte ueber die Probleme von Viehhaltern und die Methoden diese Probleme anzugehen. Ich denke jeder Kontakt mit Spezialisten oder Betroffenen dort koennte weitaus mehr zu solchen Fragen und Problemen beantworten, einfach weil es nicht um Theorie fuer diese Menschen geht, sondern um Praxis, um den Lebensunterhalt ihrer Familie zu bestreiten. :)
http://www.watertonbiosphere.com/projec ... mmunities/
balin
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Re: Draf man sich gegen Wölfe verteidigen?

Beitrag von balin »

Zuerst einmal Danke für den Link! Sowas lese ich immer gerne.
Mir geht es doch nicht um die Person Valerius Geist. Wenn er ein Unsympath ist, dann geht mich das nichts an, weil ich mit ihm nichts zu tun habe.
Ich gönne ihm aber den Aha-Effekt bei mir, wenn er nämlich beschreibt, wie intelligente Wesen die Welt erobern. Defensiv gesehen ergibt sich daraus die Notwendigkeit, dem Gegner frühzeitig den Schneid abzukaufen und ihn möglichst am Sammeln von Erfahrungen zu hindern, die ihn weiterbringen könnten.
Umgekehrt heisst das aber, sich nicht entmutigen zu lassen und möglichst ohne eigene Gefahr Informationen einholen um dann richtig handeln zu können.
Wölfe haben auch einen inneren Schweinehund, den sie auch immer nur schrittweise besiegen.Man kann ja mal in den Spiegel schauen und sich fragen, ob das richtig ist. An den Kühen und Hunden sehe ich, daß da gewaltig viel wahres dran ist. Die werden langsam mutig, dann aber um so mehr. Am Prinzip ändert man da nichts, aber man kann die Richtung vorgeben. Bei den Kindern ist das ja auch nicht anders.
Das didaktische Problem bei freilebenden Wölfen zu lösen ist natürlich schwierig und da muß man wirklich dankbar für jede Erfahrung und jeden Fehler sein, den andere schon gemacht haben, einfach um selber halbwegs über die Runden zu kommen.
So ein Forum ist ja nicht schlecht dazu.
HaBe
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Re: Draf man sich gegen Wölfe verteidigen?

Beitrag von HaBe »

balin hat geschrieben:Mir geht es doch nicht um die Person Valerius Geist. Wenn er ein Unsympath ist, dann geht mich das nichts an, weil ich mit ihm nichts zu tun habe.
Um das offtopic hier nicht ewig zu fuehren, mir ist Geist auch egal. :-)
Ich finde es nur seltsam, wie seine Thesen und er als Experte in Deutschland verkauft und wahrgenommen werden. Es ging wie gesagt um die sieben Stufen These, der in gewissen Teilen Nordamerikas und Europas Aufmerksamkeit geschenkt werden, in erster Linie um Stimmung zu machen und nicht zu informieren. Wenn er dann noch um seine Argumente viele Interviews und Vortraege groesstenteils damit verbringt zu argumentieren, wer Experte ist und wer nicht und wer nur deswegen Recht hat, finde ich das daneben. Die Leute, die er mit Dreck bewirft, widersprechen/widersprachen ihm auch auf fachlicher und nicht persoenlicher Ebene. Das hilft beim Suchen nach Informationen niemandem wirklich, egal ob Kuschler oder eher negativ eingestellten Menschen.
balin hat geschrieben:Ich gönne ihm aber den Aha-Effekt bei mir, wenn er nämlich beschreibt, wie intelligente Wesen die Welt erobern. Defensiv gesehen ergibt sich daraus die Notwendigkeit, dem Gegner frühzeitig den Schneid abzukaufen und ihn möglichst am Sammeln von Erfahrungen zu hindern, die ihn weiterbringen könnten.
Er nennt es Welt erobern, andere einfach Adaptivitaet. Und das nicht um zu 'beweisen' oder jemanden zu bekehren, dass diese Adaptivitaet irgendetwas ueber eine geringere Gefahr durch Woelfe bedeutet.
balin hat geschrieben:Umgekehrt heisst das aber, sich nicht entmutigen zu lassen und möglichst ohne eigene Gefahr Informationen einholen um dann richtig handeln zu können.
Wölfe haben auch einen inneren Schweinehund, den sie auch immer nur schrittweise besiegen.Man kann ja mal in den Spiegel schauen und sich fragen, ob das richtig ist. An den Kühen und Hunden sehe ich, daß da gewaltig viel wahres dran ist. Die werden langsam mutig, dann aber um so mehr. Am Prinzip ändert man da nichts, aber man kann die Richtung vorgeben. Bei den Kindern ist das ja auch nicht anders.
Das didaktische Problem bei freilebenden Wölfen zu lösen ist natürlich schwierig und da muß man wirklich dankbar für jede Erfahrung und jeden Fehler sein, den andere schon gemacht haben, einfach um selber halbwegs über die Runden zu kommen.
So ein Forum ist ja nicht schlecht dazu.
Das genau meine ich. Natuerlich ist es wichtig sich Gedanken ueber Wolfsverhalten zu machen und viele Menschen muessen es jeden Tag machen, weil sie nicht anders koennen. Ueberlegungen, die Geist macht, haben andere auch schon gemacht, sind aber auf Grund von Daten, Beobachtungen etc. zu anderen Schluessen gekommen.
Da liest man dann auch Geist, wenn man auf der Suche nach Info ist. Andere Ueberlegungen kann man dann schnell ausser Acht lassen, weil sie der eigenen Denkweise nicht realistisch erscheinen oder weil man sie nicht kennt und Geist einem erzaehlt, wem man zuhoeren soll und wem nicht.

Die Probleme und Gedanken die sie haben, haben zig ander Menschen wie gesagt auch. Das man da 'Probleme' bei Woelfen loesen kann, ist in manchen Faellen unmoeglich und das weiss man auch. Also versucht man Probleme anders anzugehen. Die einen sagen, Woelfe werden 'mutiger', andere sagen 'toleranter' oder 'ignoranter'.
Ich kenne hier Orte, in denen Pumas und Woelfe regelmaessig im Winter mitten im Ort Tiere gerissen haben und noch reissen. Bei solchen Stories in Deutschland wuerde der Diekmann mit einer Dauerlatte rumlaufen. Ueber die Ursachen gibt es zwei Theorien. Die Beutetiere haben Angst vor den Beutegreifern und suchen Schutz beim Menschen. Der Beutegreifer folgt und reisst dementsprechend. Die andere Theorie ist, dass der Mensch durch akkurate Gaerten, Vogelfutter und andere Dinge die Beute in die Orte lockt, weil Nahrung konzentrierter und einfacher zu finden ist, als ausserorts.
Statt die Beute in die Orte zu treiben, lockt diese die Beutegreifer innerorts. Denen ist der Mensch auch egal, bei so viel Biomasse wird zugeschlagen.

Statt sich Gedanken zu machen, wann denn eventuell mal jemand zu schaden kommen koennte, warum die Woelfe denn nun wirklich in die Orte kommen oder ob man die Woelfe mit ganz viel Knallerei verjagt, sieht man zu, dass man das moegliche Problem anders angeht.
Bestimmte Pflanzen die gewisse Tiere anlocken duerfen per Gesetz nicht mehr einfach in Gaerten gepflanzt werden. Saemtliche Hirscharten werden aktiv mit Hunden, Knallern oder sonstigem Tamtam von Einwohnern vertrieben, damit sie nicht mehr staendig in den Orten rumlungern, sondern wie frueher mit Risiko ausserorts leben.
Allein dadurch lassen sich Risse in Orten zumindest verringern. Gedanken kann man sich dann immer noch ueber das Verhalten der Woelfe machen, aber bis dahin sollte man eben sehen, dass man die aktuellen Probleme erkennt und angeht. Den Rehen ist es einfacher auszutreiben Menschen fern zu bleiben, als Woelfen auszutreiben Beute zu verfolgen und zu erlegen.

Bei Landwirten ist das nicht anders. Ich geh auch zu Vortraegen, bei denen ich eventuell etwas ueber Woelfe erfahre, was nicht mit Fotografieren oder beobachten zu tun hat. Viele der Farmer die ueber ihre Erlebnisse auf der von mir verlinkten Seite berichten kann man ganz einfach besuchen und sich mit ihnen unterhalten. Auch von denen hab ich Dinge gehoert, von denen mir der NABU bevor ich nach Kanada ging erzaehlt hat, Woelfe wuerden es nicht tun.
Da ist man schon einige Schritte weiter und viele Landwirte haben erkannt, dass dieses Thema vor allem von oekonomischer Seite angegangen fuer sie mehr Sinn macht, als ideologisch. Warum und wieso Woelfe in gewissen Situationen wie reagieren, darueber macht man sich immer noch Gedanken. Aber praktisch ist man trotzdem schon mitten in der Praevention, die eben auch zeitintensiv ist und angepasst oder weiterentwickelt werden muss.

Und selbst unter den Farmern findet man Leute die sagen, wenn blosses abknallen helfen wuerde, wuerden sie es auch tun. Da ist keine grosse Liebe fuer den Wolf, genauso wenig wie fuer Baer, Puma oder Kojote. Aber so lange man sich arrangieren kann und es wirtschaftlich auch Sinn macht, tut man es.

Wenn Sie noch mehr Interesse dazu haben, gibt es noch weitere Links.
Von der Besitzerin dieser als ersten in Kanada 'predator friendly' zertifizierten Farm habe ich mal einen Vortrag besucht. Die sagt ganz klar, sie macht es nicht aus Liebe zu irgendeinem Beutegreifer, sondern weil es ihr hilft. Diese Leute sehen jeden Tag, dass es mit HSH und Zaun nicht getan ist. Nicht nur wegen Witterung wie Wind oder Schnee. Eben weil manche Tiere beobachten und ueberlegen, das Problem zu ueberwinden. Und das man ebenso beobachten und ueberlegen muss, wie man am besten damit umgeht, wenn sie eine Loesung fuer das Problem finden koennten.
Das geht schon damit los, dass sie jeden Wolf oder Kojoten sofort mit Gebruell verjagt, den sie sieht, auch beim Waesche aufhaengen oder beim Essen durchs Fenster. Einfach, damit die gleich wissen, rumhaengen und in Ruhe gucken ist hier nicht moeglich, damit sie gar nicht erst sehen, wie die Farmerin vorgeht.
http://www.grazerie.com/

Das ist die Hauptorganisation aus den USA.
http://www.predatorfriendly.org/how-to/index.html
Punkt unter den Methoden: Learning the ecology and habits of area wildlife

Dazu gibt es noch weitere Themen wie range riding, Kuhverhalten veraendern, Kosten/Nutzenrechnungen zu Zaeunen (die in der Regel nicht nur Beutegreifer wie Woelfe draussen halten sollen/muessen, sondern auch deren durch Futter angelockte Beute wie Hirsche), Erfahrungen mit Hunden und Taktiken die Beutegreifer gelernt haben usw.

Wie gesagt, nichts spricht dagegen sich mit Geist und seinen Thesen auseinanderzusetzen. Aber an vielen von ihm angesprochenen Problemen arbeitet man schon, nicht auf Grund seiner Thesen oder um die zu Widerlegen. Sollte man fairerweise auch sagen.
Gucken Sie neben Geist auch mal auf die Erfahrungen und Ueberlegungen der Leute, die sich aehnliche Gedanken machen wie sie. Einfach um Konflikte und Kosten zu vermeiden, unabhaengig davon ob man den Wolf jetzt will oder nicht. Die Gesetzeslage laesst erstmal nichts anderes zu.

Obwohl die Gesetzeslage hier anders ist, ueberzeugt die eigene Verhaltensanpassung zur Praevention immer mehr Leute. Wenn man solche Leute besucht, kann man da immer noch tote Woelfe und Baeren bei ihnen an der Wand als Trophaee sehen. Die sagen aber auch gleich, dass sie um diese zu schiessen weit von ihrer Farm fahren, weil sowas dort gleich wieder zu mehr Arbeit fuehrt, im Verteidigungsfall aber abdruecken wuerden.
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