Was soll der Ziegenhalter jetzt machen?

Die Beziehung zwischen Mensch und Wolf, Zusammenleben, Herdenschutz, Konflikte und Lösungen.
balin
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Re: Was soll der Ziegenhalter jetzt machen?

Beitrag von balin »

Hier das mit der Pressekonferenz:
http://www.ledauphine.com/drome/2010/11 ... tre-regule
Zunächst zu den Tatsachen. Es sind 16 Tierhalter in den zwei Gemeinden, die Hälfte hat bis jetzt Schäden erlitten. In Boulc hat es dieses Jahr 9 Attacken gegeben, in Glandage 10. Insgesamt haben 106 Tiere das Leben verloren und zehn sind verschwunden.
Die Almbauern wissen nicht, an wenn sie sich mit ihrem Anliegen wenden sollen. Es gibt keinen kompetenten Gesprächspartner.
Sie fühlen sich alleine gelassen. Der Wolf hat zuerst auf den Alpen zugeschlagen, jetzt kommt er aber schon in die Nähe von besiedeltem Gebiet und Zäune, Hund und die Nähe des Menschen halten ihn kaum ab. Die Tierhalter weigern sich den Sicherheitswettlauf mit dem Wolf mitzumachen. Sie wollen keine hyperaggressiven Hunde und Nachtwachen kommen nicht in Frage, da sie ja ohnehin schon sieben Tage die Woche arbeiten.
Für sie ist die einzige Möglichkeit die Regulation. Eine Koexistenz halten sie nicht mehr für möglich.

Für mich ist eigntlich nicht verständlich, wieso man da nicht geholfen hat. Das mit den Nachtwachen hätte man ihnen anbieten können. Tagsüber sind sie ja sowieso vor Ort, sagt jedenfalls der Ziegenhalter. Im Mercantour haben sich ja auch Freiwillige gefunden, die das übernehmen. So habe ich das jedenfalls im französischen Fernsehen bei der Sendung über die Wölfe mitbekommen. Selber habe ich ja auch schon viele Nächte draussen verbracht. So schlimm ist das nicht und wenn man einen Hund dabei hat, verpasst man auch das wichtige nicht.
Wenn der Schaden einmal so groß ist, sind die Gemüter schwer wieder zu beruhigen. Der Wolf war im Gebiet schon seit Februar im Gespräch. Das ist alles mit Ankündigung gekommen.
Man muß vor dem Wolf dasein, hinterherlaufen nützt seiner Sache nichts!
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SammysHP
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Re: Was soll der Ziegenhalter jetzt machen?

Beitrag von SammysHP »

Die Almbauern wissen nicht, an wenn sie sich mit ihrem Anliegen wenden sollen. Es gibt keinen kompetenten Gesprächspartner.
Dieses Problem sollte man als erstes beseitigen. Es kann doch nicht so schwer sein, jemanden als offizielle Ansprechperson zu ernennen.
balin
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Re: Was soll der Ziegenhalter jetzt machen?

Beitrag von balin »

Jaja, der Sousprefect hat gemeint, sie sollen die Tiere heimholen und Nachtwachen werden keine mehr bezahlt. Das machen die Schäfer nicht gerne, weil die Schafe im Stall dreckig werden und bei dem mit seinen Kaschmirziegen ist es noch schlimmer.
Die brauchen die Kälte und Schmutz ist für das Produkt sehr schädlich. Ausserdem hat man nicht eben mal für zwei Wochen mehr Heu und Einstreu.
Sie haben also schon mit jemandem gesprochen, aber die Antwort hat ihnen nicht gefallen. ;-)
Hier noch die Original- Verlautbarung von der Pressekonferenz in Glandage
http://legrandcharnier.typepad.com/file ... andage.pdf
balin
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Re: Was soll der Ziegenhalter jetzt machen?

Beitrag von balin »

Natonaler Aktionsplan für den Wolf von 2008 bis 2012 in Frankreich.
http://www.loup.developpement-durable.g ... 8_2012.pdf
Innerhalb dieses Rahmns bewegt sich der Französische Staat, wenn er in Sachen Wolf agiert.
Wäre vielleicht nicht schlecht, wenn die Schafhalter, Ziegenhalter etc das auch lesen würden. Auf sie wird zwar Rücksicht genommen aber es wird eben gleichermaßen etwas verlangt!
Wolfsheuler
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Re: Was soll der Ziegenhalter jetzt machen?

Beitrag von Wolfsheuler »

balin hat geschrieben:
Sie haben also schon mit jemandem gesprochen, aber die Antwort hat ihnen nicht gefallen.
Hier noch die Original- Verlautbarung von der Pressekonferenz in Glandage
http://legrandcharnier.typepad.com/file ... andage.pdf
Legrandcharnier ist übrigens eine sehr zweifelhafte Internetseite. Vergleichbar mit dem deutschen "Sicherheit und Artenschutz" Verein, nur noch viel krasser.
balin
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Re: Was soll der Ziegenhalter jetzt machen?

Beitrag von balin »

In dem Fall ist das aber egal! Ich wollte wissen, was die Kollegen zu ihren Problemen sagen. Interessant ist zb die Ablehnung des nächtlichen Pferchens auch aus Umweltschutzgründen. Die machen das mit Parzellen von 200 mal 200 meter. Sie sagen, die Tiere bleiben drin, der Wolf kommt aber von aussen rein. Natürlich ist es für die Schafe angenehmer, wenn sie unter Büschen schlafen können und sich Wind und Wetter geschütze Örtlichkeiten aussuchen können. Von den Herdenschutzhunden halten sie nichts. Sie haben schon welche rumlaufen, das funktioniert aber nach ihrer Meinung nur, wenn sie gegenüber den Wölfen in der Überzahl sind. Gegenüber sonstigen Wolfsgebieten wäre bei ihnen der Arbeitskräftebesatz zu gering um von daher an effektiven Herdenschutz denken zu können.
Insgesamt gehen sie nicht offensiv mit dem Wolf um. Der nächste Wolf kommt bestimmt, so daß sie um geeignete Maßnahmen nicht herumkommen werden. Das sagt ihnen jeder. Etwas Hilfe würde das aber bestimmt erleichtern und die Motivation befördern. Der Mensch vom schweizer Herdenschutz hat da Grundsätze formuliert, nach denen man das menschlich korrekt rüberbringen kann. Ich werde das mal raussuchen.
balin
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Re: Was soll der Ziegenhalter jetzt machen?

Beitrag von balin »

Er spricht aus Erfahrung:
http://www.swissinfo.ch/ger/politik_sch ... d=28454694
Der Ansatz, wie er ihn im letzten Abschnitt formuliert, ist nach meiner Auffassung der richtige.
Das erfordert von den Wolfsbefürwortern eine konzentrierte Vorbereitung auf den Wolf und am Anfang auch viel Einsatz. Auf die Dauer ist es aber der einzige erfolgversprechende Weg.Der Wolf soll ja eine Bereicherung sein und kein Joch.
In Österreich haben sie in dieser Hinsicht schon zuviel versäumt, obwohl dort, so wie es sich abzeichnet, der Zusammenschluß
der verschiedenen Wolfspopulationen stattfinden wird. Sie haben noch keinen Plan für das ganze Geschehen!
balin
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Re: Was soll der Ziegenhalter jetzt machen?

Beitrag von balin »

So wie ich das bis jetzt nachgelesen habe, handelt es sich im Vercors, also der Region um Boulc und Glandage um ein fünfköpfiges Rudel. Es ist eines der wenigen ausserhalb des Mercantour. Das läßt die Aussage glaubhaft erscheinen, daß zwei Herdenschutzhunde bei der Herde überfordert sind. Sie hatten bei Glandage den Fall mit einem verletzten Herdenschutzhund
und zusätzlich gerissenen Schafen. In ihrer Stellungnahme weisen die Tierhalter des Plateaus de Vercors darauf hin, daß in Gegenden mit so massiven Wolfsvorkommen auf je 30 Schafe ein HSH vorgehalten wird. Bis jetzt galt als Faustzahl ein Herdenschutzhund auf dreihundert Schafe, im Normalfall zwei pro Herde.
Für Anfang November waren schon 30 Jäger für eine nächtliche Jagd auf diese Wölfe angesetzt.
Die Lage in diesem Teil des Departements Drome ist also eine andere wie in der Schweiz mit ihren Einzelwölfen.
Noch eines...die Tierhalter weisen in ihrer Stellungnahme auf einen Bericht von (le rapport de J.L BORELLI: « Nella
bocca del lupo …) J.L. Borelli hin, wo angeblich die Grenzen im Zusammenleben mit den Wölfen für Italien aufgezeigt werden.
Vielleicht hat ja jemand da drin schon gelesen? Bitte weitergeben! ;-)
balin
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Re: Was soll der Ziegenhalter jetzt machen?

Beitrag von balin »

Der Vollständigkeit halber....sie lassen die Tiere draussen und pfeifen auf den Sousprefekt!!
http://rhone-alpes-auvergne.france3.fr/ ... 90616.html
Für die Tierhalter ist es einerseits eine Frage des Stolzes und andererseits eine Frage des Futters und des Wohlbefindens der Tiere. Im Video wirft die Schafhalterin die Frage auf, wieso man den Junglandwirten eine Prämie bei der Übernahme zahlt und sie dann nachher so im Stich läßt?
Die Haltung finde ich respektabel. Sie werden bestimmt die Antwort auf den Wolf finden, wenn auch mit mächtigem Grollen im Bauch.
C.J.W. Handendoek
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Re: Was soll der Ziegenhalter jetzt machen?

Beitrag von C.J.W. Handendoek »

Irgendwie habe ich hier ein grundsätzliches Problem. Was haben Kashmir-Ziegen in den Alpen verloren? Ich meine, es ist nun einmal so, dass man bestimmte Berufe und/oder Hobbies nicht pflegen kann, weil das Umfeld dafür nicht (mehr) gegeben ist. Wenn ich z. B. für ein bestimmtes Unternehmen eine bestimmte Fläche benötige und dort wird eine Autobahn durchgeplant, dann hat es sich einfach gegessen. Kein Mensch interessiert sich dafür, ob ich hier Opfer anderer Interessen werde. Ich habe etwas ähnliches praktisch auch erlebt, da ist mir, nachdem ich in einen bestimmten Geschäftszweig investiert habe und es gerade losgegangen ist, erklärt worden, dass wir eine dafür maßgebliche gesetzliche Bestimmung ab heute anders auslegen. Da waren von heute auf morgen die gesamten Vorbereitungen umsonst und ein fünfstelliges Einkommen weg. Und niemand hat diskutiert, dass man den Leuten (ich war nicht der einzige auf dem Gebiet) so etwas nicht antun kann. Ich durfte mir einfach etwas anderes einfallen lassen.

Hier herrscht immer noch das alte Schema: Wenn jemand Verluste hat, weil durch sein "Revier" eine Autobahn gebaut wird, ist das in Ordnung; wenn jemand Verluste hat, weil es in seinem "Revier" Wölfe gibt, ist das böse. Die Menschen werden es einfach nie begreifen, dass ein wenistens in rudimentären Resten vorhandenes natürliches Umfeld für das Befinden und damit die Entwicklung des Menschen als Art von grundlegender Bedeutung ist. Kashmir-Pullover für wenige sind eben wichtiger.
Traurige Wahrheit: Es gibt in Deutschland keinen ernsthaften Naturschutz!
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