Rehwildbestand durch Wölfe gefährdet?

Themen, die den Wolf im Allgemeinen betreffen.
Naturfuehrer
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Re: Rehwildbestand durch Wölfe gefährdet?

Beitrag von Naturfuehrer »

Ich denk mal, von beiden im Zweifel eher nicht in relevanter Zahl... es sei denn, Wölfe verlegen sich schwerpunktmäßig auf die Pirsch-/Ansitzjagd. Erinnere mich dunkel, neulich mal irgendwo was drüber gelesen zu haben, dass unter solchen Umständen der Luchs mit seiner Jagdstrategie die "Nase vorn" hätte (weiß aber leider nicht mehr wo).

Die Frage, wie sich die Bejagung von Rehwild durch Wölfe wo und unter welchen Umständen wie auf den Verbiss auswirkt, ist durchaus bedeutend,meine ich. Davon dürfte die Positionierung der nicht unwichtigen Waldeigentümer wesentlich abhängen. Allerdings - ich kenne da keine robusten Zahlen dazu (ist wohl auch noch ein wenig zu früh dafür, was Deutschland angeht).
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Lutra
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Re: Rehwildbestand durch Wölfe gefährdet?

Beitrag von Lutra »

Naturfuehrer hat geschrieben:Ich denk mal, von beiden im Zweifel eher nicht in relevanter Zahl...
Wobei der Wolf eher mit der Nase jagt, so dass unübersichtliches Gelände nicht die Rolle spielen dürfte.
Naturfuehrer
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Re: Rehwildbestand durch Wölfe gefährdet?

Beitrag von Naturfuehrer »

Mit der Nase - das stimmt. Und genau da liegt das Problem, denn genau darauf ist das Rehwild programmiert.

Rehe sind im Gegensatz zu Rot-, Dam- oder Schwarzwild ja nun notorische "Sich-Verdrücker", die keine lauten, weiten, schnellen Fluchten machen sondern auf kleinem bis kleinstem Raum Wiedergänge etc. einlegen. Und das heißt dann praktisch: Den Wolf, der durch's Gestrüpp anmarschiert, hat jedes Reh sofort auf dem Schirm. Und nach 5 min. stinkt die gesamte Dickung frisch nach Reh... genau dieses Verhalten macht übrigens Rehwild-Nachsuchen auch für den fitten Schweißhund zu den anspruchsvollsten überhaupt - sagen jedenfalls die Schweißhundführer (ich bin keiner).

Natürlich hat ein Rudel trotzdem Chancen - keine Frage. Aber zum Ausrotten reicht's wohl lange nicht. Wär' ja auch schade, oder?
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Lutra
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Re: Rehwildbestand durch Wölfe gefährdet?

Beitrag von Lutra »

Naturfuehrer hat geschrieben:Aber zum Ausrotten reicht's wohl lange nicht. Wär' ja auch schade, oder?
Nee, das wär ja auch ein Ding, wenn der Jäger seine Beute ausrottet, von der er lebt.

Der Tread ist wohl auch so gemeint, bzw. ich versteh ihn so, dass nicht etwa der Wolf den Rehwildbestand gefährdet, sondern gewisse Jagden, wo eine erhebliche Zahl Rehe geschossen werden.
Naturfuehrer
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Re: Rehwildbestand durch Wölfe gefährdet?

Beitrag von Naturfuehrer »

Ja, stimmt wohl. Aber auch das wird kaum je geschehen - vielleicht mal lokal, wo die Landschaft massiv verändert wurde. Da gibt's ja nun seit längerer Zeit auch Literatur drüber, dass es praktisch unmöglich ist, eine Gegend "rehrein" zu kriegen. Auch wenn mancher Förster sich das möglicherweise wünscht und hart dran arbeitet...
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jurawolf
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Re: Rehwildbestand durch Wölfe gefährdet?

Beitrag von jurawolf »

Naturfuehrer hat geschrieben:Da gibt's ja nun seit längerer Zeit auch Literatur drüber, dass es praktisch unmöglich ist, eine Gegend "rehrein" zu kriegen.
welche literatur sagt das? wie bereits oben erwähnt: wir menschen haben das in zahlreichen regionen mitteleuropas schon mal geschafft und könnten dies auch wiederholen.

beispiel schweiz: das reh war hier vor 100 jahren nahezu ganz ausgerottet, und zwar nicht nur in den alpen, wo die rehwilddichte naturgemäss klein ist, sondern auch im mittelland und weitgehend im jura, die sich durchaus mit deutschen landschaften vergleichen lassen. heute gibt es dort rehwilddichten von bis zu 50 stk pro 100 hektar. restbestände gab es aber damals nur noch vereinzelt im jura gegen das elsass zu, von wo aus sich das reh dank schutzvorschriften wieder ausbreiten konnte.
Naturfuehrer
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Re: Rehwildbestand durch Wölfe gefährdet?

Beitrag von Naturfuehrer »

Literatur - hab' jetzt mal gerade nachgeschaut:

bei Andersen (1953), zit. in Gossow (1976): Halbinsel Seeland. geschätzter Bestand: 30/100 ha. Danach versuchter Totalabschuss mit dem Ergebnis 60/100 ha. Versuch abgebrochen, da Rehe auch nach Totalabschuss vorhanden.

ebenso bei Andersen (1953), zit. in Gossow (1976): Insel Kalö, geschätzter Bestand: ca. 20/100 ha. Danach versuchter Totalabschuss mit dem Ergebnis 63/100 ha. Versuch abgebrochen, da Rehe auch nach Totalabschuss vorhanden.

Hierbei wurde ein "Zuzug" weitgehend ausgeschlossen, da es sich um eine abgesperrte Halbinsel / eine Insel handelte. Isolierter geht's kaum. Da wurde also "mit Gewalt" versucht, die Spezies in sehr überschaubaren, kleinen Gebieten komplett auszurotten, u. a. um einen Beweis der Ausrottbarkeit zu erbringen. Es ist nicht gelungen.

die Quelle: Gossow, H. (1976) Schalenwild-Wald-Problem und Öffentlichkeitsarbeit. Allg. Forst-Zeitschrift 25/76.

Dazu kommen natürlich die bekannten Daten zur "Sichtbarkeit" von Rehen von Ellenberg (Gatterdaten!).

Aufgrund solcher Ergebnisse bin ich mir ziemlich sicher: Die Beschreibung "nahezu ausgerottet" - obwohl sie eine qualitative ist - ist wohl auch für die Schweiz sehr wahrscheinlich nicht zutreffend. Um es mit Hespeler zu sagen: "Lange vor der Ausrottung steht die Unsichtbarkeit."

Anmerkung: Man muss Hespeler wohl nicht in allem wortwörtlich nehmen, und viele traditionelle Jäger mögen ihn nicht sonderlich... gerade wegen seiner Äußerungen z. Thema Rehwild. Aber er stützt diese Aussagen auf gut dokumentierte Daten.

Zusammengefasst heißt das aus meiner Sicht: Wo intensiv gejagt wird - und zwar unabhängig davon, wer da jagt - wird es mit großer Sicherheit zwar immer noch Rehwild geben. Aber es wird (weitestgehend) unsichtbar.

Gruß, NF
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jurawolf
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Re: Rehwildbestand durch Wölfe gefährdet?

Beitrag von jurawolf »

hespeler, den ich sehr mag (bin ja kein traditioneller jäger) in allen ehren, aber nur unsichtbar waren die rehe damals bestimmt nicht. dass rehe in teilen der schweiz ausgerottet waren (selbes gilt z.b. auch für italien), kann eigentlich als gesichert gelten.

dass die von dir zitierten versuche keinen erfolg brachten und historischen beispielen wiedersprechen, ist zwar überraschend, aber trotzdem erklärbar. die teilweise ausrottung von schalenwild inkl. rehwild in der schweiz geschah in der zeit zwischen franz. revolution und der ersten umfassenden jagdgesetzgebung. in dieser zeit war jedermann mehr oder weniger zur jagd berechtigt und ein guter teil der bevölkerung hat von diesem recht gebrauch gemacht. es jagte also die ganze bevölkerung ohne schonzeiten, quoten oder sonstigen vorgaben. diesem immensen jagddruck in einer gut erschlossenen kulturlandschaft wird kaum eine tierart auf dauer standhalten können, auch nicht das reh. das sind halt schon andere verhältnisse als bei einer versuchten gezielten ausrottung mittels culling durch einige spezialisten.
Lutra
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Re: Rehwildbestand durch Wölfe gefährdet?

Beitrag von Lutra »

Man kann aber am Beispiel des eingangs verlinkten Zeitungsartikels gut sehen, wie die Öffentlichkeit darauf reagiert, "die armen Rehe sollen ausgerottet werden". Die Medien haben eine ganz schöne Macht, genau so beim Wolf, da zählen dann keine Fakten mehr.
Naturfuehrer
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Re: Rehwildbestand durch Wölfe gefährdet?

Beitrag von Naturfuehrer »

Lutra hat geschrieben:Die Medien haben eine ganz schöne Macht, genau so beim Wolf, da zählen dann keine Fakten mehr.
100% Zustimmung. Das gilt allgemein - und damit halt ganz genauso in der Richtung "pro Wolf". Meine Wahrnehmung ist: 90 % der Berichterstattung läuft in Richtung Übervereinfachung und Überverharmlosung. Inzwischen kann jedes Grundschulkind runterbeten, dass der Wolf scheu ist und niemandem nie nicht was tut. Sollte sich das jemals irgendwo und irgendwie ändern - kippt die Berichterstattung sehr schnell ins Gegenteil.

Allgemein ist mein Eindruck: Die Medien scheinen an differenzierter Berichterstattung ganz überwiegend kein Interesse zu haben. Und das liegt daran, dass die Leserschaft ganz überwiegend kein Interesse dran hat. Die zahlt und die wird deshalb bedient mit dem, was ihr passt. Fertig!

@jurawolf: Jetzt wäre es dann mal an mir, nach wissenschaftlichen Publikationen zu fragen, welche die Ausrottung der Rehe in der Schweiz belegen... (ich glaub' halt nicht dran - derartige Umbrüche in der Jagdgesetzgebung gab es in Deutschland halt ebenso).

EDIT: Ich hab' selbst gerade was dazu gefunden. Stubbe (2008) vermutet (immerhin), dass das Reh um 1809 in der Schweiz fast ausgestorben war. O.k. - für mich reicht das. Es dürfte ja auch praktisch unmöglich sein, nachträglich zu beweisen, dass etwas nicht vorhanden war...
ACHTUNG: Jäger! :shock:
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