Wie "grausam" sind jagende Wölfe wirklich?

Themen, die den Wolf im Allgemeinen betreffen.
balin
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Wie "grausam" sind jagende Wölfe wirklich?

Beitrag von balin »

Heute früh habe einen Bericht über den Ulmer Schlachthof gehört und darin wurde beschrieben, was zur Zeit der Stand der Technik ist um Schweine möglichst stressarm vom Leben zum Tod zu bringen. Nun jagt der Wolf aber immer systembedingt mit Stress für die potentiellen Beutetiere, wobei er ihnen bei angemessener Reaktion auch eine Chance zum davonkommen läßt. Aus eigener Erfahrung weiss ich zufällig, daß man nichts dabei denkt, wenn man laufen muß. Für Selbstbedauern und speziell emfundene Angstgefühle hat man während des Reagierens eigentlich keine Zeit. Das kommt höchstens später. Und dann kann ich mich auch noch bei einem Zweiradunfall daran erinnern, daß der Schmerz erst sehr viel später kommt. Ich denke, wir , als doch noch recht ursprüngliche Tiere sind da nicht anders wie Rehe und Hirschen. Die Notwendigkeiten des unmittelbaren Überlebens mit seinen eindeutigen körperlichen Symptomen lassen das explizite Erleben von Schmerz überhaupt nicht zu. Und genau das würde aber nach allgemeiner Ansicht die Bedingung für den Tatbestand Grausamkeit sein.
Vielleicht gibt es ja hier Mediziner oder Rettungssanitäter, die dazu genaueres sagen können.
Für Mernschen hat man im Überlebensfalle das Wort Trauma erfunden, was wohl auch kulturbedingt ist. Tiere werden das wohl unter Erfahrung abhaken und im anderen Falle sind sie ja tot.
Im Kopf kann man ja mal die Vorgänge einer Wolfsjagd mit denen zu einer Tierfalle vergleichen. Da werden wir wohl mit dem Wort "grausam" deutlich besser liegen!
Grauer Wolf

Re: Wie "grausam" sind jagende Wölfe wirklich?

Beitrag von Grauer Wolf »

Ich kann mich jetzt nicht mehr an die Quelle erinnern, aber ich habe mal eine Untersuchung zu diesem Thema gelesen. Demnach fallen Beutetiere, wenn sie richtig gepackt werden, in einen Schockzustand, aus dem sie vor ihrem Tod nicht mehr herauskommen.
Mir sind jetzt aus dem Kopf heraus nur 2 Vorfälle bekannt, die man als "grausam" beschreiben könnte, und das nicht bei Wölfen.
Im ersten Fall hatte eine Gepardin eine Gazelle erbeutet. Normalerweise wird die Beute im Drosselgriff erstickt, bis sie tot ist. In diesem speziellen Fall wurde die Gepardin jedoch dermaßen von blutlüsternen Touristen in Fahrzeugen bedrängt, daß sie in ihrer Not nicht sauber tötete, sondern anfing, die Gazelle noch lebend zu fressen, um die Beute nicht zu verlieren (nur 1/10 der sehr anstrengenden, energieintensiven Jagdangriffe eines Geparden ist erfolgreich). Eine gefundenes "Fressen" für die sensationslüsterne Tourimeute...
Der zweite Fall geschah vor Jahren im Löwenrudel der Matriarchin Maomé im Okavango, das auf Großwildjagd spezialisiert ist (m.W. auch heute noch, auch wenn Maomé schon lange nicht mehr lebt) und auch auf Kaffernbüffel und jüngere Elefanten geht. Bei einem jungen Elefantenbullen haben sie sich aber verhoben. Auch hier war eine saubere Tötung nicht möglich (rein physisch nicht, der Elefantenhals war zu dick für den korrekten Würgegriff) und das Rudel fraß den Elefanten praktisch lebend. Dokumentiert wurde die Geschichte m.W. von der Löwenphotographin Beverly Joubert...
Grausamkeit? Mitnichten, denn Grausamkeit bedingt Vorsatz. Im ersten Fall war es die Reaktion auf eine vom Menschen rücksichtslos provozierte Notsituation, im zweiten Fall ein handwerklicher Fehler der Löwen.
Grundsätzlich töten Beutegreifer ihre Beute sauber und schnell, alleine schon aus Eigennutz, weil die Gefahr besteht, z.B. von um sich schlagenden Hufen verletzt zu werden oder daß die Beute sich losreißt und entkommt...
Im Zusammenhang mit Wölfen habe ich von Arbeitsunfällen wie beschrieben noch nicht gehört, aber das muß nicht heißen, daß es sie nicht gibt...

Gruß
Wolf
aka

Re: Wie "grausam" sind jagende Wölfe wirklich?

Beitrag von aka »

Grundsätzlich töten Beutegreifer ihre Beute sauber und schnell, alleine schon aus Eigennutz, weil die Gefahr besteht, z.B. von um sich schlagenden Hufen verletzt zu werden oder daß die Beute sich losreißt und entkommt...
Also grundsätzlich sollten wir uns hüten, unsere moralische Maßstäbe anzulegen und in eine infantile Sichtweise abzugleiten.

Vor 3 - 4 Jahren hatte ich ein Anruf an einem Montagsmorgen daß in der Einzäunung einer Fa. ein Reh steckt. Es steckte immer noch als ich kam und war
tot. Von den Keulen fehlte ziemlich viel, der Rest war ok. Was auffiel war das Blut hinten. Die Sache muß sich so abgespielt haben, daß ein ausgewachsenes
Kitz irgenwann am Wochenende doofeweise eine ausgesprochen enge Stelle im Zaun gesucht hat, blieb stecken. Da kam ein Fuchs (hund schliesse ich fast 100 % aus) des Weges, bediente sich und ging weiter als er satt war. Neugirig wie ich war, habe ich dem Kitz dann die Decke vom Träger abgezogen - nix keine Bissspur, Hämatome oder so. Nur aufgerissenes A.... und viel Fleisch weg plus Blut - das Reh muß noch gelebt haben, als ein Teil von ihm verspeisst wurde.

Und ? Is halt so.....

Das ist Natur - pur und nix mehr- grausam /nicht grausam oder ähnlichen Quatsch sollten wir uns sparen. Ebenso die "Rechtefrigung", die Grauer
Wolf hier übt. Für die Leute die an Bambi - Syndrom leiden wird es einfach grrrrrausam....egal wieviel Mühe Du Dir dabei gibst um es schönzureden.
balin
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Re: Wie "grausam" sind jagende Wölfe wirklich?

Beitrag von balin »

Um aber beim Normalfall zu bleiben und auch um etwas schönzureden.....im Gegensatz zu vielen anderen war ich schon dabei, wie ein Canide ein Reh im Tiefschnee umgelegt hat. Das ging so schnell, daß ich es eigentlich überhaupt nicht glauben konnte. Das waren maximal zwei Minuten vom Erkennen bis zum Ende der Tat. Ich habe gemeint, das Reh muß doch gleich wieder aufstehen, weil von aussen nichts zu sehen war. Der hat es aber profimäßig erledigt. Zweimal Fiepen vom Reh, Hinstürzen, Packen, Abschütteln und das war es dann. Bei einer Verfolgungsjagd ohne Pappschnee ist noch der Zeitraum des Laufens dazwischen.
Jeder von uns wünscht sich und anderen einen schnellen Tod. Das war so einer!
Wir haben eine Vorstellung vom Tod, deswegen beurteilen wir das moralisch, wie man an der Schlachthofpolitik sieht. Ich habe schon eine Kuh mitten in der Herde schiessen lassen. Den Anderen war das zwar unmittelbar nicht so recht und sie haben sich gegruselt aber kurze Zeit später war wieder Alltag.
Selber habe ich einen moralischen Vorteil, weil ich die bösen Sachen andere machen lasse, nämlich die Hunde und den Metzger. Das erleichtert den Umgang zwischen Kühen und mir aber die Hinterlist bleibt.
So gesehen ist der Wolf brutal ehrlich! ;-)
Grauer Wolf

Re: Wie "grausam" sind jagende Wölfe wirklich?

Beitrag von Grauer Wolf »

aka hat geschrieben:
Grundsätzlich töten Beutegreifer ihre Beute sauber und schnell, alleine schon aus Eigennutz, weil die Gefahr besteht, z.B. von um sich schlagenden Hufen verletzt zu werden oder daß die Beute sich losreißt und entkommt...
Also grundsätzlich sollten wir uns hüten, unsere moralische Maßstäbe anzulegen und in eine infantile Sichtweise abzugleiten.
...
Das ist Natur - pur und nix mehr- grausam /nicht grausam oder ähnlichen Quatsch sollten wir uns sparen. Ebenso die "Rechtefrigung", die Grauer
Wolf hier übt. Für die Leute die an Bambi - Syndrom leiden wird es einfach grrrrrausam....egal wieviel Mühe Du Dir dabei gibst um es schönzureden.
Diesmal hast Du mich gründlich mißverstanden (das "alleine schon" war wohl der Anlaß: Blöd von mir formuliert). Ich stellte ja in Abrede, daß es in der Natur sowas wie "Grausamkeit" gibt, weil dies eine menschlich-moralische Betrachtung ist. Mit Menschen mit Bambi-Syndrom kann ich gleich gar nichts anfangen und mit Leuten, die auf Photo-Safari gehen und beim Anblick einer Leoparden-Familien-Mahlzeit (die Leopardin hatte ein lebendes Antilopenkalb als Lehrmaterial für die Jungen mitgebracht) den Safariwagen vollko**** und in Tränen ausbrechen (in der Lodge wird dann, während man das Erlebte heiß diskutiert und moralische Fragen über die Grausamkeit von Leoparden wälzt, beim Springbocksteak zugeschlagen: Woher kommt das wohl? :shocked: Bigotte Einstellung... :x ) noch weniger.
Aka, ich bin zwar ein Hardcore-Wolfsschützer/~befürworter, der sich diesen Tieren tief verbunden fühlt, was Du möglicherweise nicht nachvollziehen kannst, und die Jagd sie ablehnt, ja sich vehement dagegen auflehnt, weil ich dieses menschliche Herumgepfusche in der Natur im allgemeinen und beim Wolf im besonderen nicht mag, aber ich denke, wir sind uns in vielerlei Hinsicht sehr viel ähnlicher, als Du vielleicht glaubst, nicht zuletzt in der pragmatischen Betrachtung von Räuber-Beutebeziehungen...
Was Deine Beschreibung mit dem Fuchs angeht, der sah wohl schlicht keinen Anlaß, in diesem speziellen Fall noch Energie zu investieren, weil für ihn keine Gefahr bestand, verletzt zu werden. Beutegreifer sind intelligent und höchst effektiv und könnten jederzeit eine "Vorlesung" über Kosten/Nutzen-Bilanzen abhalten. Sie tun's im übertragenen Sinne auch, wenn man ihnen bei der Jagd zuschaut und von ihnen lernt...

Gruß
Wolf


PS.: Ich bin fest überzeugt, daß hochintelligente Beutegreifer ihre eigene "Moral" haben, aber die dürfte artgebunden völlig andere Wertmaßstäbe aufweisen und für uns sehr schwer verständlich wenn nicht gar unverständlich sein...
joswolf
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Re: Wie "grausam" sind jagende Wölfe wirklich?

Beitrag von joswolf »

Was ist Grausam? Die Muffelweiber bei der Geburt riechen gut und die Manner gehen hinterhehr. Hauen mit den Horn auch das ist Grausam. Die werden verprugelt und manschmal verletzt. Es kommt schon mal vor das einer schwer verletzt dan stirbt. Bei die Hirsche waere das noch gefaehlicher wenn die die Frauen Spiesen wurden aber zum Gluck werfen die ja gerade vor diese Zeit die Geweie ab. Vielleicht ist das auch darum von Mutter Natur geregelt weil die sonnst verletzt werden koennten. Auch bei Pruegeleien von Maenner untereinander geht mal einer drauf. Einer der verletzt ist werd vom Futter verjagt und sterbt mal den Hungerstot. Wenn's dan Woelfe gebe die wurden den finden und der erleidensweg wurde weniger Lang sein.
Jos
balin
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Re: Wie "grausam" sind jagende Wölfe wirklich?

Beitrag von balin »

Manchmal denke ich, wir sind der "Natur" eigentlich nicht gewachsen. Das kommt daher, daß wir uns in die anderen Wesen hineinversetzen.
http://www.n-tv.de/wissen/Larve-frisst- ... 51496.html
Die Geschichte mit der Wespe und der Spinne zeigt unsere Geistesverwirrung. Wir würden es nicht aushalten Wespe oder Spinne zu sein, aber den Komplott um beide zu spinnen, vorerst mal nur gedanklich, dazu reicht es. Wir nehmen uns von der "Natur"aus. Auf die Dauer ist das ein Fehler, weil die eigene Entwicklung stehen bleibt. Der Wolf hat den Vorteil, sich ständig beweisen zu müssen, egal wie. So gesehen ist er schon auf der Überholspur.
Grauer Wolf

Re: Wie "grausam" sind jagende Wölfe wirklich?

Beitrag von Grauer Wolf »

balin hat geschrieben:Wir nehmen uns von der "Natur"aus. Auf die Dauer ist das ein Fehler, weil die eigene Entwicklung stehen bleibt. Der Wolf hat den Vorteil, sich ständig beweisen zu müssen, egal wie. So gesehen ist er schon auf der Überholspur.
Da rennst Du bei mir offene Türen ein...
balin hat geschrieben:Manchmal denke ich, wir sind der "Natur" eigentlich nicht gewachsen...
Die meisten sind ihr nicht gewachsen, weil sie sich gegen sie stemmen: Ein völlig sinnloses Unterfangen! Niemand stemmt sich gegen die Natur ohne von ihr einfach weggewischt zu werden. Der Wolf (und natürlich die anderen Tiere) macht's richtig: Er ist im Gegensatz zum Großteil der Menschen ein Teil von ihr und mit ihr im steten Fluß, in steter Entwicklung und doch trotz seiner ständigen Anpassung seiner selbst bewußt... Wir heutigen Menschen sollten wieder von ihm lernen wie es unsere Urahnen vor zigtausend Jahren taten und den Gedanken abhaken, wir wären etwas besseres. Wir können dabei nur gewinnen. Vom Wolf lernen heißt leben lernen... ;)

Gruß
Wolf
balin
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Re: Wie "grausam" sind jagende Wölfe wirklich?

Beitrag von balin »

Etwas selbstkritisch möchte ich aber anmerken, daß ich dem Gedanken eines Wildlifemanagements anhänge. Für mich muß das aber ethisch einwandfrei ablaufen,
vom Respekt vor anderen Arten getragen sein und letztlich dem Grundgedanken entsprechen, daß wir ohne die anderen nichts sind.
Dem Wolf kann seine Wirkung egal sein, er beschränkt sich selber, wir in unserer Machtfülle haben aber einen moralischen Aspekt zu beachten. Und das auch aus Eigennutz, weil wir wirklich ohne die anderen nichts sind. Grausamkeit könnte man bei uns mit Hochmut oder Dummheit gleichsetzen. Die Gedankenspielchen mit der Wespe, weil uns die Spinne schaden kann, sind zwar unmittelbar intelligent, auf lange Sicht aber dumpf. Zwei Kreisläufe zu stören geht schon mal, aber das große Rad schlägt zurück, wenn man das zu oft macht. Denken wir mal an den Mais in unserer Landschaft. Gut gemeint, aber in Kombination mit den Vielschnittwiesen in unserer intensiv genutzten Landschaft eigentlich tödlich, auch für unsere Freunde, die Bienen. Wenn wir alles ausrotten, was uns schadet und auch nützt, dann schaden wir uns selbst am meißten. Ich weiss nicht, ob die Erfolgsgeschichte der Allergien hier schonmal die Runde gemacht hat. Wir sind einfach nicht für eine sterile Welt gebaut, auch nicht für eine ohne Wölfe. Der Mensch, der nicht vielseitig gefordert wird, der ist kein Mensch oder ein kranker.
Wolfstrip hat nicht nur mit Hunden was zu tun, wir sind selber auch welche, Hunde oder Wölfe, jenachdem, und das hat auch mit Grausamkeit zu tun, auch gegen uns selber.
kangal2
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Re: Wie "grausam" sind jagende Wölfe wirklich?

Beitrag von kangal2 »

Grauer Wolf hat geschrieben: Grundsätzlich töten Beutegreifer ihre Beute sauber und schnell, alleine schon aus Eigennutz, weil die Gefahr besteht, z.B. von um sich schlagenden Hufen verletzt zu werden oder daß die Beute sich losreißt und entkommt...
Im Zusammenhang mit Wölfen habe ich von Arbeitsunfällen wie beschrieben noch nicht gehört, aber das muß nicht heißen, daß es sie nicht gibt...

Gruß
Wolf
Ist klar, 2 min Suche auf youtube, aber das werden sicher die extremen Ausnahmefälle sein, für die blutgierige Touristen-Meute inszeniert:

http://www.youtube.com/watch?v=ZDKHEnM4K_c
http://www.youtube.com/watch?v=VdSWxXZ2 ... re=related

Und wenn ein Rudel in eine Schafherde eingefallen ist, liegen anschließend auch mitnichten nur "sauber und stressfrei" getötete Tiere herum.

Das Thema des Threads ist ja eigentlich schon ulkig genug, aber die "Erklärungen" toppen's noch :mrgreen:
Gesperrt