alte Wölfe ...

Themen, die den Wolf im Allgemeinen betreffen.
kangal2
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alte Wölfe ...

Beitrag von kangal2 »

... was passiert mit ihnen, wenn sie nicht mehr die Kraft haben, mit dem Rudel zu ziehen?
Es wird ja immer die "Wolfsfamilie" mit Eltern, Kindermädchen, fürsorglichen Membern zelebriert, wenn man vom Wolf redet.
Quasi fast die besseren Menschen.
Jeder, der Hunde hält, weiß, daß irgendwann der Zeitpunkt kommt, an dem die Tiere aufgrund körperlicher Schwäche nicht mehr mithalten können.
Der Hund bekam früher den "Platz am Ofen", wenn er Glück hatte oder wurde entsorgt.
Heute wird er wesentlich älter, dank Medizin und Wohlstand der Herrchen.
Wer entscheidet im Rudel, wann ein Wolf nicht mehr dazugehört?
Merkt es derjenige selbst und setzt sich ab?
Wird er verstoßen oder bleibt er einfach zurück?
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SammysHP
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Re: alte Wölfe ...

Beitrag von SammysHP »

Solange sich ein Wolf ernähren kann, bleibt er beim Rudel. Viel "mit dem Rudel ziehen" muss er ja nicht, zumindest nicht, wenn die Rudel standorttreu sind (wie hier in Deutschland). Kann er sich nicht mehr ernähren, wird er auch nicht mehr lange leben. Es mag vielleicht Fälle geben, wo er von Rudelmitglieder mit Nahrung versorgt wird, aber ob das häufig so ist, kann ich nicht sagen.

Die Frage, wer im Rudel darüber entscheidet, ist damit auch schon indirekt beantwortet: Es bedarf keiner großen Entscheidung. Von dem, was ich bisher (in Deutschland) mitbekommen habe, ist immer einer der älteren Wölfe gestorben und ein anderer nachgerückt oder der verbliebene Partner alleine geblieben.

Vielleicht hat jemand ein paar gute Quellen dafür.
balin
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Re: alte Wölfe ...

Beitrag von balin »

Bei meinen freiheitlichen Hunden konnte ich feststellen, daß sie die Alten bis zum Schluß fürsorglich behandelt haben. Der Große Despot war bis zu seinem letzten Tag der Chef obwohl er kaum noch laufen konnte. Die anderen haben ihn bei der Herde beschützt, wenn er sich von den Kühen bedrängt sah. Die Akustik war da eindeutig und ich denke, das ist ungefähr dasselbe, wie wenn sie mir bei der Herde helfen. Die anderen haben ihn aber nicht vermißt, wenn er nicht mehr mitgekommen ist. Wenn er dann zehn Minuten später daheim ankam, war das wieder ok. Wenn ich ihn nicht ein paarmal eingesammelt hätte, wäre er wohl schon etliche Tage vorher für immer draussen geblieben. Ich glaube die suchen sich dann ihren Platz, wenn es so weit ist .Beim Benni war das an Weihnachten so. Im letzten Halbjahr sind bei mir drei Hunde gegangen. Es waren aber nicht die anderen, die sie ausgeschieden haben.
kangal2
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Re: alte Wölfe ...

Beitrag von kangal2 »

Da gibt's auch andere Beispiele.
Nicolas Vanier, ein Abenteurer, Autor und Filmemacher hatte jahrelange eine Laika (Otchum), der souveräner Führer des Schlittenhunderudels war.

http://www.linternaute.com/nature-anima ... ne/1.shtml

Otchum wurde, als seine Zeit kam, von seinen Söhnen getötet.

Aber mich interessiert das explizit bei den Wölfen.
Aus "sammy's" Beitrag entnehme ich, daß es dann vorbei ist, wenn der Wolf sich nicht mehr aktiv an der Jagd des Rudels beteiligen kann.
Er würde dann also einfach verhungern.
Grauer Wolf

Re: alte Wölfe ...

Beitrag von Grauer Wolf »

Ich weiß definitiv von einem Fall, bei dem sich ein alterndes Paar, das nicht mehr reproduzierte, auf's Altenteil zurückzog und nur noch "beratend" agierte. Sie wurden vom Familienverband mitversorgt. Wenn ich die Quelle wiederfinde (in irgendeinem meiner Fachbücher) resp. beim Lesen über sie stolpere, werde ich sie nachreichen. Kann aber was dauern...
Ähnliches passiert bei schwer verletzten Wölfen, die nicht mehr jagen können. Sie werden gesund gepflegt und vom Familienverband mitversorgt. Entweder können sie dann wieder jagen oder sie übernehmen andere Aufgaben. Eine 3-beinige Wölfin im Fish Trap Rudel in B.C., deren Bein nach schwerer Verletzung völlig atrophierte, übernahm für viele Jahre die Welpenpflege (Ian McAllister). L. D. Mech beschreibt in "Der weiße Wolf" den Fund eines Schädels, in dessen Kiefer eine Hornspitze eines Moschusochsen steckte, völlig abgekapselt und verheilt und mehrere Jahre alt. Auch dieser Wolf wurde offensichtlich vom Rudel gepflegt und ernährt, denn selber jagen ist mit einer Hornspitze im Kiefer nicht drin... Auch der 3-beinige Wolfsrüde in Deutschland muß ja von Familienmitgliedern mitversorgt worden sein, denn mit einer solchen Wunde jagt man auf Wochen, vielleicht Monate nicht... Solche Fälle finden sich immer wieder...
Übrigens tritt dieses Verhalten noch ausgeprägter bei Afrikanischen Wildhunden (Lycaon pictus) auf, bei dem es buchstäblich heißt: Alte; Kranke, Verletzte und Welpen werden zuerst versorgt, dann bekommt der Rest...

Der Mensch unterstellt, um sich selber auf einen Thron zu stellen, Tieren zwar sehr gerne, daß sie verletzte/alte Mitglieder des Rudels einfach verstoßen oder gar töten, aber so simpel, wie die Krone der Schöpfung das gerne hätte, ist das nicht. Altruisimus (also Mitgefühl ohne expliziten Nutzen für sich selber) ist kein Alleinstellungsmerkmal des Menschen ( kommt nach neueren Forschungen sogar bei Ratten vor ) und hier geht es nicht mal um Altruismus, sondern um einen dezidierten Nutzen für den Familienverband, weil die Erfahrung der Alten eben genutzt wird...

Übrigens, unsere alte Hündin hat nach wie vor ihre Töchter fest im Griff, obgleich die deutlich jünger und stärker sind. Aber Führung hat nicht zwingend was mit Körperkraft zu tun, sondern primär mit Persönlichkeit und Charisma... Daß Tiere ihre Alten hochschätzen, auch wenn sie körperlich kaum noch können, ist also keine Seltenheit. Bei hochentwickelten, intelligenten, sozialen Tieren gehe ich persönlich eher davon aus, daß es die Regel ist. Auch Elefanten sind übrigens diesbezüglich ein gutes Beispiel...

Die Verhaltensforschung täte gut daran, auch Tieren bestimmte Eigenschaften zuzugestehen, die man lieber für den Menschen reserviert sehen möchte: Emotionen, Empathie, Mitgefühl, Selbstlosigkeit... Es gab auch mal Zeiten, da gestand man Tieren gerademal reine Instinktstuerung zu, aber weder Freude noch Trauer noch die Möglichkeit, Schmerz zu empfinden (man hat eiskalt viviseziert... :x )... Und wo sind diese "großartigen" Erkenntnisse der wissenschaftlichen Halbgötter geblieben? Auf dem Müllhaufen der Ethologie/Zoologie, obsolet, vergessen (zum Glück)... Und selbst heute noch wollen viele Wissenschaftler in Tieren nur laufende, triebgesteuerte Wesen sehen, die weit unter dem Menschen stehen und mit denen man ergo machen kann, was man will. Einfach unfassbar... :(

Gruß
Wolf
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HOWL
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Re: alte Wölfe ...

Beitrag von HOWL »

Ich denke, das ist gerade das schöne an solch sozialen Tieren wie dem Canis Lupus, das ist sein großer Gewinn. ^^
Von ,,selbstlos" würde ich trotzdem nicht gern reden wollen. Natürlich ist das von Individuum zu Individuum relativ, es sind auch nicht alle Wölfe gleich. Ich glaube aber nicht, dass diese Selbstlosigkeit so weit führt, dass sich das Rudel (also als Gesamtes, als Gruppe) Nachteile aufschultert, nur um Kranke und Verletzte durchzubringen. So übertrieben, wie wir es von Menschen kennen, die hoffnungslos verlorene Artgenossen an Kabel und Schläuche hängen, so weit geht die Natur der Wölfe sicherlich nicht. Letztlich zählt trotzdem immer das Überleben des Rudels und damit einhergehend das Überleben des Nachwuchses. Tierarten wie Wölfe sind durch die Evolution deswegen so unschlagbar geworden, weil die Fähigsten und Überlebensstärksten das Rennen machen, nicht, weil jeder noch so hoffnungslose Fall auf Teufel komm raus mit durchgezogen wurde.
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Grauer Wolf

Re: alte Wölfe ...

Beitrag von Grauer Wolf »

HOWL hat geschrieben:So übertrieben, wie wir es von Menschen kennen, die hoffnungslos verlorene Artgenossen an Kabel und Schläuche hängen, so weit geht die Natur der Wölfe sicherlich nicht.
Wenn ein Tier weiß, daß es Zeit zu gehen ist, zieht es sich zurück. Es gab auch mal Zeiten, wo Menschen dieses Recht zugestanden wurde. Heute wirst du, wenn du Pech hast, nicht mal gefragt, ob du überhaupt weiterleben willst, da wird einfach gemacht... :( Aber das ist ein anderes Thema...

Was ich mit meinem Beitrag einfach sagen wollte, ist, daß Tiere eben nicht Kranke, Verletzte und Alte einfach aussortieren, verstoßen oder gar töten, sondern sich ggf. um sie kümmern. Auch wenn das nicht ins Weltbild vieler Zeitgenossen von der blutrünstigen Bestie paßt...

Gruß
Wolf
kangal2
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Re: alte Wölfe ...

Beitrag von kangal2 »

Na ja, so richtig zufrieden bin ich mit dem Ergebnis noch nicht.
Auch wenn hier und da mal Fälle von Füttern der Kranken / Schwachen vorgekommen sein mögen, stellt sich dennoch die Frage, ob das nicht eher Ausnahmen sind?
Wenn Wölfe wandern, nun nicht gerade in den 3 Quadratmetern der Lausitz, dann kommen schon recht viele Kilometer zusammen.
Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, daß dann noch Rücksicht auf schwache Rudelmitglieder genommen wird.
Ebenso in Zeiten, in denen Futter rar ist, man hat ja nicht überall reich gedeckte Tische wie bei uns.
Ein paar zuverlässige Quellen wären schon nicht schlecht.
Grauer Wolf

Re: alte Wölfe ...

Beitrag von Grauer Wolf »

kangal2 hat geschrieben:Na ja, so richtig zufrieden bin ich mit dem Ergebnis noch nicht.
Auch wenn hier und da mal Fälle von Füttern der Kranken / Schwachen vorgekommen sein mögen, stellt sich dennoch die Frage, ob das nicht eher Ausnahmen sind?
Wenn Wölfe wandern, nun nicht gerade in den 3 Quadratmetern der Lausitz, dann kommen schon recht viele Kilometer zusammen.
Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, daß dann noch Rücksicht auf schwache Rudelmitglieder genommen wird.
Ebenso in Zeiten, in denen Futter rar ist, man hat ja nicht überall reich gedeckte Tische wie bei uns.
Ein paar zuverlässige Quellen wären schon nicht schlecht.
Der Punkt ist einfach, daß Feldforschung bei weiten Wanderungen immer den Moschusochsen nach, wie sie auf Ellesmere Island (die Wolfreviere dort messen nach tausenden Quadratkilometern) üblich sind (und wo Mech besagten Fund machte) kaum noch möglich ist. Das ist geländemäßig nicht zu machen und im Winter bei -50°C erst recht nicht. Wir reden hier immerhin von einem Leben in der Nähe der Wölfe unter unwirtlichsten Bedingungen ohne Anbindung an die Zivilisation über Monate. Ergo beziehen sich solche Hinweise entweder auf Totfunde, bei denen schwere Verletzungen offensichtlich ausheilten, oder auf die wenigen Fälle, bei denen standorttreue Familien regelmäßig beobachtet werden konnten (eben z.B. McAllister). Den 3. Fall habe ich in meinen Büchern noch nicht wiedergefunden, ich meine es wäre Bloch oder Bloch/Dettling.
Bei Afrikanischen Wildhunden ist dagegen die systematische Pflege und Versorgung von Alten/Verletzten/Kranken belegt, aber das fällt ein bißchen aus der Diskussion hier, weil's eben, wenn auch Canidae, nicht Canis lupus ist... (eine kurze Anmerkung dazu findet sich in Wikipedia, aber ich hab's auch noch anderswo ausführlicher gelesen.) Auch hier ist ein Text zum Thema:
welt.de hat geschrieben:...Das Überleben der Wildhunde, das beginnt man langsam zu begreifen, hängt allein von ihrem fast zärtlichen Zusammenhalt ab. Das hinkende Weibchen mit der hochgezogenen Pfote würde ohne das Rudel wohl keine zwei Tage überleben. „Niemals würden sie einen Alten oder Kranken alleine zurücklassen!“, sagt Thuso, „sie halten bis zum Tod zusammen. Kein anderes Tier der Savanne hat solch ein ausgeprägtes Sozialverhalten“, erklärt er, „sie passen aufeinander auf.“
aus
http://www.welt.de/reise/Fern/article11 ... Delta.html

Aber zurück zu Canis lupus... Ich bin sicher, daß bei bei weiterer systematischer Feldforschung noch mehr solcher Fälle findet, denn Hilfsbereitschaft unter Tieren ist insgesamt keineswegs selten...

Gruß
Wolf
kangal2
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Re: alte Wölfe ...

Beitrag von kangal2 »

Grauer Wolf hat geschrieben: Bei Afrikanischen Wildhunden ist dagegen die systematische Pflege und Versorgung von Alten/Verletzten/Kranken belegt, aber das fällt ein bißchen aus der Diskussion hier, weil's eben, wenn auch Canidae, nicht Canis lupus ist... (eine kurze Anmerkung dazu findet sich in Wikipedia, aber ich hab's auch noch anderswo ausführlicher gelesen.) Auch hier ist ein Text zum Thema:
welt.de hat geschrieben:...Das Überleben der Wildhunde, das beginnt man langsam zu begreifen, hängt allein von ihrem fast zärtlichen Zusammenhalt ab. Das hinkende Weibchen mit der hochgezogenen Pfote würde ohne das Rudel wohl keine zwei Tage überleben. „Niemals würden sie einen Alten oder Kranken alleine zurücklassen!“, sagt Thuso, „sie halten bis zum Tod zusammen. Kein anderes Tier der Savanne hat solch ein ausgeprägtes Sozialverhalten“, erklärt er, „sie passen aufeinander auf.“
aus
http://www.welt.de/reise/Fern/article11 ... Delta.html
So weit geht das gar nicht aus der Diskussion, sehr interessant, danke.
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