Wildschweinplage und natürliche Feinde

Themen, die den Wolf im Allgemeinen betreffen.
Grauer Wolf

Re: Wildschweinplage und natürliche Feinde

Beitrag von Grauer Wolf »

LarsD hat geschrieben:An Euch sind echte Jagdexperten verloren gegangen! Einfach Klasse ... ! :mrgreen:
Lars, ich habe vielleicht keinen Jagdschein (der in erster Linie auf Paragraphenwissen, nutzlosem Brauchtum und Schmalspurbiologie besteht: Ich habe den Prüfungskatalog auf dem Rechner...), aber ich kann menschliches und wölfisches Verhalten vergleichen... Dazu gehört neben ethologischen Kenntnissen über den Wolf nur gesunder Menschenverstand und Beobachtungsgabe. Und was ich selber bisher an Treibjagden realiter (bevor ich die Flucht ergriff... :x ) und in TV-Bildern gesehen habe, so erscheint mir das keinesfalls von der Qualität zu sein, die man bei koordiniert jagenden Beutegreifern wie Wölfen, aber auch Löwen und Afrikanischen Wildhunden, beobachten kann. Das sind die wirklichen Profis, bei denen jeder haargenau weiß, was er selber und was seine Jagdgefährten machen... Da kommen allenfalls noch die letzten indigenen Völker mit, bei denen Murks bei Jagd gleichbedeutend ist mit nichts zu essen für die Familie...
Wieviele Jagdunfälle gibt's pro Jahr? Verletzte und tote Jäger, Treiber und Passanten? In der Schußhitzigkeit mit Wildschwein verwechselt, blind ins Gebüsch geschossen? Ich hab jetzt keine Lust, lange zu recherchieren, aber es sind etliche (es waren m.W. 2011 40 Tote und hunderte Verletzte...)
Ich habe aber noch nie gehört, daß ein Wolf versehentlich in seinen Jagdgefährten gebissen hat statt in den Elk, oder daß ein Löwe ein Familienmitglied mit dem Gnu verwechselt hat... :p

Gruß
Wolf
balin
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Re: Wildschweinplage und natürliche Feinde

Beitrag von balin »

http://www.sciencedaily.com/releases/20 ... 143740.htm
Danach habe ich schon lange gesucht. Es geht also Italien noch lange nicht unter, weil nämlich die Wölfe in der Toscana mengenmäßig zu zwei Dritteln Wildschwein essen. Untersucht haben die Kotproben Wissenschaftler der Durham Universität in Zusammenarbeit mit der von Sassari. Das Reh liefert so ziemlich das restliche Drittel.
Die Erklärungsversuche sind noch etwas unbeholfen. Eine davon ist, die italienischen Wildschweine wären ja etwas kleiner und von daher leichter zu jagen.
Eine Klärung der ursächlichen Umstände für dieses Jagdverhalten der erst kürzlich in die Toskana eingewanderten Wölfe wäre von Bedeutung. Woanders stehen die Wölfe ja bekanntlich nicht vorzugsweise auf Schwein, rein landschaftstechnisch wäre das aber wünschenswert. Wir kennen ja alle das Kompetenzproblem der Jäger zu diesem Thema. ;-)
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Waldschrat
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Re: Wildschweinplage und natürliche Feinde

Beitrag von Waldschrat »

@balin:
in der slowakei solles auch wölfe geben die wutzen bevorzugen. die ostpolen stehen auf rotwild, die westpolen und unsere eher auf rehwild.
selbst wenn unsere wölfe sich auf wildschwein spezialisieren sollten...bei den beständen hätten sie wohl keinen messbaren einfluss.

etwas OT:zwei schweine im wald. plötzlich kommt ein wolf. die schweine bekommen einen mächtigen schreck. der wolf läuft an ihnen vorbei und grüßt freundlich "salamaleikum". das eine schwein zum anderen:"da haben wir aber glück gehabt, das war nen moslem" (wurde mir von nem arbeitskollegen erzählt, der aus dem kosovo stammt/moslem und um mein interesse an wölfen weis)

grüße vom waldschrat
"It's not easy to be green"
____________________Kermit
Wolfsheuler
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Re: Wildschweinplage und natürliche Feinde

Beitrag von Wolfsheuler »

Naja, ich meine eine Erklärung könnte sein, dass es lange Zeit keine Rehe mehr gab in Italien (wohl ausser Norditalien). In anderen Teilen Italiens sind die Rehe erst wieder angesiedelt worden. Zum einen wohl sicher auch für die Jagd, zum anderen um den Druck der Wölfe auf Nutztiere zu reduzieren und ein ökologisches Gleichgewicht wieder herzustellen.
balin
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Re: Wildschweinplage und natürliche Feinde

Beitrag von balin »

Wie auch immer, auf alle Fälle ist es bemerkenswert und beweist, daß Wölfe sich auch auf Sus Scrofa orientieren können.
Das Märchen von den tapferen Wildschweinen und den wölfischen Waschlappen können wir also mal ein bißchen tiefer hängen. ;-)
Vidar

Re: Wildschweinplage und natürliche Feinde

Beitrag von Vidar »

Wer jagt hier eigentlich wen :roll: :mrgreen:

Polizei rettet Autofahrer vor 30-köpfiger Wildschweinfamilie

Wer rückt hier wem auf den Leib? In Unterfranken hat die Polizei zwei Autofahrer vor einer Rotte von Wildschweinen befreien müssen. Erst waren die Männer den Schwarzkitteln gefolgt. Als ihr Auto im Matsch stecken blieb, waren es aber die Tiere, die plötzlich äußerst neugierig wurden.

http://www.spiegel.de/panorama/gesellsc ... 74713.html
aka

Re: Wildschweinplage und natürliche Feinde

Beitrag von aka »

balin hat geschrieben:Wie auch immer, auf alle Fälle ist es bemerkenswert und beweist, daß Wölfe sich auch auf Sus Scrofa orientieren können.
Das Märchen von den tapferen Wildschweinen und den wölfischen Waschlappen können wir also mal ein bißchen tiefer hängen. ;-)
Die Schwarzwildbestände im Osten Deutschlands - Ostsachsen, Brandenburg, Mc - Pom sind stark mit dem Virus der Aujeszkyschen Krankheit infiziert.
http://de.wikipedia.org/wiki/Pseudowut

Zur Zeit liegt die Infektionsrate bei:

Niedersachsen: 2% (1993), Nordrhein-Westfalen: 10% (2003), Baden-Württemberg: 7% (2009), Mecklenburg-Vorpommern: 16% (2008), Brandenburg: 29% (2008), Sachsen 22% (2008), Sachsen-Anhalt: 6% (2008) und Thüringen: 3% (2008). Für andere Regionen sind Daten nicht vorhanden oder zu lückenhaft, um Aussagen zu treffen.

http://www.hund-jagd.de/content/index_h ... docID=2841

Im Dezember gab es bei Senftenberg erneut ein Fall von AK unter den Hunden:

http://www.jagdverband-senftenberg.de/d ... kheit.html

Hier kann man auch die gegewärtige Verbreitung der AK sehen:

http://www.jagdverband-senftenberg.de/a ... 20Hund.pdf


Das erstaunliche ist, daß es so gut wie keine Nachweise für AK - Fälle unter den Füchsen/Marderhunden gibt. Zum einem scheint die Infektionsquote
relativ gering sein (SW - Fallwild, Aufbruch) , Ausmaß kann ev. nur über die Bestandrückgänge indirekt vermutet werden, zum anderen -
wenig Daten. (Totes Raubwild - Fallwild - Füchse/Marderhunde wird auf AK nicht untersucht).

Es ist eine rethorische Frage - was passiert mit einem Rudel Wölfe, welches ein "AK - Wildschwein" reisst und komplett verspeisst (nicht vorgekocht),
wenn ein Hund, welches ein Paar Hundert Gramm Fleisch von solchem Wildschwein frisst, innerhalb von einer Woche krepiert ?

Sollte in der Zukunft das Schwarzwild größere Rolle als Nahrungsquelle f. die Wölfe spielen - werden wir sicherlich erfahren. AK in dem Anfangsstadium
wird bei Hunden von Tollwutähnlichen Symptomen begleitet. (daher auch der Name "Pseudowut").

Soviel zu der zukünftigen Rolle des Wolfes als Wildschweinterminator in unseren Breiten.
porcellus
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Re: Wildschweinplage und natürliche Feinde

Beitrag von porcellus »

balin hat geschrieben:http://www.sciencedaily.com/releases/20 ... 143740.htm
Danach habe ich schon lange gesucht. Es geht also Italien noch lange nicht unter, weil nämlich die Wölfe in der Toscana mengenmäßig zu zwei Dritteln Wildschwein essen. Untersucht haben die Kotproben Wissenschaftler der Durham Universität in Zusammenarbeit mit der von Sassari. Das Reh liefert so ziemlich das restliche Drittel.
Die Erklärungsversuche sind noch etwas unbeholfen. Eine davon ist, die italienischen Wildschweine wären ja etwas kleiner und von daher leichter zu jagen.
Eine Klärung der ursächlichen Umstände für dieses Jagdverhalten der erst kürzlich in die Toskana eingewanderten Wölfe wäre von Bedeutung. Woanders stehen die Wölfe ja bekanntlich nicht vorzugsweise auf Schwein, rein landschaftstechnisch wäre das aber wünschenswert. Wir kennen ja alle das Kompetenzproblem der Jäger zu diesem Thema. ;-)
Danke balin für den link!
Habe mir mal die Arbeit unter
http://www.plosone.org/article/info%3Ad ... ne.0047894
gegönnt. Da kommen Zweifel, ob das hier bei uns klappt. In Italien gibt es meist 2 x Frischlinge im Jahr, die auch hier zur bevorzugten Diät zählen (aber nur einmal im Jahr), 2 x ist hier noch die Ausnahme, bis der Klimawechsel das gerichtet hat. Bis dahin müssen die Rehe reichen. Nur da, wo BOSCOR, Staatsforst und ÖJV zum Rasen(Reh)mäher greifen, wird es für den Wolf etwas mager. In so einem Wald muss er weit laufen um satt zu werden. Schade dass man bei Senckenberg in Görlitz nur Schlagzeilen produziert und bei über 4000 Kotproben keine Relation zwischen Beutetierbestand und -anteil ermittelt.
balin
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Re: Wildschweinplage und natürliche Feinde

Beitrag von balin »

Das war mir neu. Im Nationalpark bayerischer Wald werden die Wildschweine vermittels eines "Wildschweinfangs" erlegt. Das ist ein umzäuntes Areal in dem die Wildschweine angefüttert werden. Das wird dann bei der richtigen Gelegenheit geschlossen. Die Vorgehensweise ist zwar hinterlistig aber effektiv.
Nach genauerer Beschreibung müßte man mal suchen um ein gerechtes Urteil darüber zu haben.
Der Bericht war heute früh in B5 aktuell anläßlich der Wildschweinplage in Schwaben. Die Konzepte des Ökologischen Jagdverbandes wurden vorgestellt und als Kontrapunkt die Interessenskonflikte des "normalen" Jägers im Bereich Eindämmung von Wildtierschäden dargelegt. Zu hohe Wildbestände sind ökologisch nicht zielführend, für den "Jäger" wirtschaftlich und per Hobby aber erstrebenswert.
porcellus
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Re: Wildschweinplage und natürliche Feinde

Beitrag von porcellus »

Ganz so neu ist das nicht. Frischlingsfänge hat es zu Ostzeiten in vielen Gegenden gegeben, je nach Fähigkeiten der Betreiber wohl auch mit Erfolg. So recht bestandswirksam war die Methode vor 1990 wohl auch nicht, habe dazu aber keine Belege. Sicher ist nach bisher vorliegenden Zahlen nur, dass der Wolf in DE bei Wildschweinen fast ausschließlich in die Jugendklasse (Frischlinge) eingreift, was sich aus den ermittelten Gewichten der erbeuteten Tiere (u.a. Wotschikowski) ableiten lässt. Für den Einzelwolf in der Ausbreitung ist die sichere Nahrungsgrundlage das Reh. Wo es in bereinigten Staatsforsten real nicht mehr existent ist, wird Isegrim nicht bleiben. Exakt mit deren Plänen decken sich die Vorstellungen des ÖJV. Staatsforste und ÖJV sollten mal entsprechende Papiere der LCIE zum Erhalt unserer Großprädatoren studieren, bevor sie die bei ihnen so verhassten Knospenbeißer in ihren Revieren ausradieren. Siehe hier: http://ec.europa.eu/environment/nature/ ... al2008.pdf Seite 74 ff. Da stehen klare Worte (auf englisch) zu diesem Thema auf europäischer Ebene, die offenbar in DE bisher ignoriert wurden.
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