Schalenwild und Wolf

Themen, die den Wolf im Allgemeinen betreffen.
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Old Trapper
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Re: Neues Rudel südlich der A4

Beitrag von Old Trapper »

maxa67 hat geschrieben: 14. Feb 2018, 09:42 Hier noch ein Nachtrag, vermutlich vom Cunewalder Rudel im Oberlausitzer Bergland

Wolfsriss in Streitfeld
http://www.sz-online.de/nachrichten/wol ... 77693.html

Ein Jäger, der in seinem Revier schon fast 2 Jahre kein Reh mehr gesehen hat, ich weiß nicht, was ich von dem halten soll... Ich sehe fast täglich welche mitten im Wolfsterritorium und habe nicht den Eindruck, daß die Bestände in den letzten 10 Jahren abgenommen haben.
Selbst wenn die Gesamtzahlen der Wildbestände nach Ansiedlung des Wolfes nicht geringer würden, so kann man nicht ausschließen, dass man an in machen Jagdrevieren deutlich weniger oder "gar keine Rehe mehr" zu sehen bekommt.

Erstens scheint es nach vielen Beobachtungen so, dass die Anwesenheit des Wolfs das Wild scheuer und schwerer zu beobachten macht. Es ist nicht vom Wolf weggefressen, man bekommt es jetzt einfach nur weniger häufig zu Gesicht.

Ein für Inhaber vorwiegend kleinerer Reviere gravierenderer zweiter Faktor ist, dass die Anwesenheit des Wolfs die Wahl der Einstände des Wilds beeinflusst. Es weden Bereiche gemieden, in denen der Wolf häufiger jagt. Dann passiert es zwangsläufig, dass in einem 200 - 250 qkm großen Wolfsrevier in einigen Bereichen die Wilddichte zunimmt, während sie an anderern Stellen abnimmt. Das bestätigen mir auch eigene Erfahrungen.
Die homesite eines mir bekannten Rudels habe ich unter Anderem dadurch gefunden, dass mir jahrelang bekannte Einstände von Rotwild plötzlich verwaist waren. Allein anhand der Spuren konnte ich feststellen, dass die Wilddichte im Umkreis von wenigen km um den Wurfplatz stark abgenommen hatte. Auch vom Ansitz war hier praktisch kein Rot- und Rehwild mehr zu sehen.
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maxa67

Re: Neues Rudel südlich der A4

Beitrag von maxa67 »

Bist zwar im total falschen Tread, weil es hier um die Südausbreitung der Wölfe Richtung sächsische Gebirge und CZ geht, aber die Beobachtungen des Wildverhaltens decken sich mit meinen. Das Wild wechselt keine Stunde später am selben Ort, wo gerade noch ein Wolf durchgezogen ist. Feste Standortverlagerungen des Damwildes kann ich bei "meinem Rudel" (Kollmer Revier) überhaupt nicht feststellen.
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Old Trapper
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Re: Neues Rudel südlich der A4

Beitrag von Old Trapper »

@ Nina,

Hallo Nina

die von dir geschilderten Fälle möchte ich nicht in Abrede stellen.
Bei der von mir bei Eschede gefundenen homesite hatte ich allerdings andere Beobachtungen. Hier waren mir bekannte vorher dichte Einstände unweit des Wurfsplatzes plötzlich fast wildleer. Kaum Spuren, kaum noch Sichtungen von Rot und Rehwild. Wochenlang. Warum auch immer.
Auf der anderen Seite kann ich bestätigen, dass sich Wild von der Anwesenheit des Wolfsrecht unbeeinduckt zeigen kann.
Das fand ich 2017 unweit Walle. Dort äste Rotwild friedlich in unmittelbarer Nähe des Rendevousplatzes. Auf einer Schneise, die vom Wolf regelmäßig abgelaufen und markiert wurde.
Nun bejagt ein Wolf sein Revier wahrscheinlich nicht überall gleich häufig und/oder gleich stark? Vielleicht liegt hier die Lösung.

Mit freundlichem Gruß
Old Trapper
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Nina
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Re: Neues Rudel südlich der A4

Beitrag von Nina »

@maxa67, verstehe meinen Post bitte als Beitrag zu Deinem Nachtrag vom 14. Feb 2018, 09:42:
maxa67 hat geschrieben:Ein Jäger, der in seinem Revier schon fast 2 Jahre kein Reh mehr gesehen hat, ich weiß nicht, was ich von dem halten soll... Ich sehe fast täglich welche mitten im Wolfsterritorium und habe nicht den Eindruck, daß die Bestände in den letzten 10 Jahren abgenommen haben.
Die geäußerten Bedenken des in dem von Dir verlinkten Artikels werden ja universell von Jägern aus vielen Wolfsrevieren im ganzen Bundesgebiet verbreitet und auch Old Trapper hat von ähnlichen Erfahrungen berichtet, obwohl er in seinem letzten Beitrag ganz unerwartet auch Gegenteiliges berichten kann.

Aktuell ein Fall mit ähnlicher Man-sieht-gar-keine-Rehe-mehr-Erklärung eines Hegeringleiters aus dem Nordwesten unserer Republik:
"„Darüber hinaus beobachten wir Jäger bereits seit Längerem, dass sich das Rehwild ausgesprochen scheu, geradezu übervorsichtig verhält [...] Erst spät verlässt es seine Einstände und ist häufig beim ersten Tageslicht wieder verschwunden. Sie fürchten etwas."

Kreiszeitung, 20.02.18: Lohnunternehmer berichtet von seiner Begegnung mit einem Wolf https://www.kreiszeitung.de/lokales/die ... 27747.html
Wenn ich als Nichtjäger - egal in welcher Region - das Wild regelmäßig beobachten kann, die örtlichen Jäger aber angeblich nicht - dann hat das ganz sicher nichts mit den hier lebenden Wölfen zu tun.

Die aktuellen Jagdstrecken für jedes einzelne Bundesland, z. B. für Rehwild, zeigen nirgendwo eine Abnahme der Streckenzahlen, sondern regelmäßig eine Zunahme (mit üblichen kleinen Schwankungen) oder zumindest eine prominente Stagnation auf weitaus höherem Niveau, als es z. B. 2006/2007 der Fall war - auch in Sachsen (2006/07: 32.341 und 2016/17: 36.215).

http://www.jagdverband.de/sites/default ... ehwild.pdf

Die Argumenation, dass man das Wild zum einen angeblich gar nicht mehr sieht und zum anderen trotzdem Tausende mehr erlegt, ist für mich nicht schlüssig, egal ob in Sachsen oder im Rest der Republik.
Grauer Wolf

Re: Neues Rudel südlich der A4

Beitrag von Grauer Wolf »

Old Trapper hat geschrieben: 20. Feb 2018, 15:00...Nun bejagt ein Wolf sein Revier wahrscheinlich nicht überall gleich häufig und/oder gleich stark? Vielleicht liegt hier die Lösung....
M.W. herrscht in Nähe des Rendezvous-Platzes eine Art Burgfrieden... Gelesen in irgend einem meiner Bücher, weiß aber nicht mehr, wo...
Ist aber folgerichtig, da der Trubel einer Jagd samt Blutgeruch unweigerlich z.B. Bären anziehen würde (daß es hierzulande keine Bären mehr gibt, ist in diesem Zusammenhang irrelevant), die dann auch die Welpen gefährden würden.

Gruß
Wolf
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Old Trapper
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Re: Neues Rudel südlich der A4

Beitrag von Old Trapper »

Hallo GrauerWolf,

ob es bei Wölfen eine Art "Burgfrieden" gibt, darüber habe ich keine Kenntnis. Danke aber für den Hinweis , zeigt er doch, dass auch diese Thematik nicht mit einfachen Antworten aufwartet.

Einzelbeobachtungen, ob von Naturfilmern, Jägern, Förstern oder unsere eigenen geben jedenfalls lediglich Hinweise, nicht allgemeingültige wissenschaftlich haltbare Aussagen darüber, wie die Anwesenheit von Wölfen das Verhalten und die räumliche Verteilung ihrer Beutetiere beeinflusst.
Wer nur den Beobachtungen glaubt, die sich mit seinen eigenen Vorstellungen decken und alle widersprechenden völlig negiert, dem sei u. A. folgende wissenschaftliche Arbeit zum Studium empfohlen:

https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3880296/

Mit freundlichem Gruß
Old Trapper
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Grauer Wolf

Re: Neues Rudel südlich der A4

Beitrag von Grauer Wolf »

Old Trapper hat geschrieben: 21. Feb 2018, 16:14 Hallo GrauerWolf,

ob es bei Wölfen eine Art "Burgfrieden" gibt, darüber habe ich keine Kenntnis. Danke aber für den Hinweis , zeigt er doch, dass auch diese Thematik nicht mit einfachen Antworten aufwartet.

Einzelbeobachtungen, ob von Naturfilmern, Jägern, Förstern oder unsere eigenen geben jedenfalls lediglich Hinweise, nicht allgemeingültige wissenschaftlich haltbare Aussagen darüber, wie die Anwesenheit von Wölfen das Verhalten und die räumliche Verteilung ihrer Beutetiere beeinflusst.
Das Problem ist hier, daß die Ursache für den Burgfrieden eine Tierart ist, die hierzulande schon lange (seit ~170 Jahren) ausgerottet ist. Im Verhalten der Wölfe ist deren Existenz aber noch "angelegt". Wer jetzt die hier nichtexistenten Bären nicht auf der Rechnung hat, bekommt also mit dem, was beobachtet wird, so seine Schwierigkeiten, weil es scheinbar keine vernünftige Erklärung gibt.
Ich weiß es auch nur aus einem Text über amerikanische Verhältnisse, wo der Grizzly ja immer noch mit den Grauen sein Revier teilt.

Gruß
Wolf
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grauer-geselle
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Re: Neues Rudel südlich der A4

Beitrag von grauer-geselle »

Mal kurz meine Meinung zum Thema Rendezvous-Platz, Burgfrieden, Beute, Bären.

In der Zeit der Geburt bis zum halbwegs selbstständig Werden der Jungen, konzentriert
sich das Rudelleben wohl "hauptsächlich" auf ein eher begrenztes Gebiet.

Thema Beute: Ziemlich sicher wird wohl sein, dass Beutetiere ihr Verhalten vorübergehend
so ändern, dass sie nicht wirklich in der Nähe der Wurfhöhle bleiben. Wölfe nutzen doch
jede Chance, die nächste verfügbare Beute zu erjagen. Besonders, wenn es gilt, Nachwuchs
aufzuziehen.

Burgfrieden/Bär: Mag es instinktiv auch noch im Wolfshirn verankert sein, dass Bären eine
Gefahr darstellen, denke ich, dass sie ihr Verhalten eher danach ausrichten, ob sie wirklich
einem Tier in ihrem Leben begegnet sind, das sie Bedrohen könnte. Solange es dieses nicht
gibt, solange leben sie im Jetzt, stellen sie ihr Verhalten auf ihre Wahrnehmungen ein.

Ist nur meine persönliche Meinung.
Widukind

Re: Neues Rudel südlich der A4

Beitrag von Widukind »

grauer-geselle hat geschrieben: 21. Feb 2018, 19:29
Burgfrieden/Bär: Mag es instinktiv auch noch im Wolfshirn verankert sein, dass Bären eine
Gefahr darstellen, denke ich, dass sie ihr Verhalten eher danach ausrichten, ob sie wirklich
einem Tier in ihrem Leben begegnet sind, das sie Bedrohen könnte. Solange es dieses nicht
gibt, solange leben sie im Jetzt, stellen sie ihr Verhalten auf ihre Wahrnehmungen ein.

Ist nur meine persönliche Meinung.
.. nee, hast Recht. Sehe ich auch so. Wer kann schon einen Wolfskopf von innen sehen... ;)
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Nina
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Schalenwild und Wolf

Beitrag von Nina »

@Old Trapper, als "Beweis" Deiner Ausführungen taugt die von Dir verlinkte Studie aber gerade nicht.

Schriebst Du doch, dass man für manche Jagdreviere nicht ausschließen könne, dass man deutlich weniger oder "gar keine Rehe mehr" zu sehen bekäme, dass "viele Beobachtungen" zeigten, dass die Anwesenheit des Wolfs das Wild scheuer und schwerer zu beobachten mache und dass das Wild Bereiche miede, in denen der Wolf häufiger jage. Du schriebst von eigenen Erfahrungen, nach denen jahrelang besuchte Einstände von Rotwild bei Wolfsanwesenheit plötzlich verwaist seien, Spuren die Abnahme der Wilddichte gezeigt hätten und "vom Ansitz praktisch kein Reh- und Rotwild mehr zu sehen gewesen" sei.

In der Studie, in denen im polnischen Bialowieza Waldgebiet Fotofallen dokumentieren sollten, ob und inwieweit Rot- und Schwarzwild durch das Vorhandensein von Wolfslosungen verändertes Verhalten zeigt, lautete ein Ergebnis:
Visitation rate and cumulative visitation time were not affected by the presence of a wolf scat in both ungulate species.

https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3880296/
Die Wolfslosung hat folglich weder die Häufigkeit der Aufenthalte noch die kumulative Aufenthaltsdauer von Rot- und Schwarzwild beeinflusst.
Lediglich die Wachsamkeit des Rotwilds zeigte sich an den Stellen mit Wolflosung erhöhter als an den Kontrollstellen (46% gegenüber 22%). Die Dauer der Nahrungsaufnahme lag im Bereich der Wolfslosung bei 12% gegenüber 32% der Kontrollstelle.

Abschließend muss man sich auch fragen, ob das Revierjagdsystem in Deutschland hinsichtlich eines funktionierenden Artenschutzes überhaupt tauglich ist, wenn eine Summe X der Revierpächter oder Eigenjagdbesitzer ihren Verdruss darüber zum Ausdruck bringt, dass das gewünschte jagdbare Wild nicht mehr zuverlässung und vorhersagbar zum Abschuss an den gewohnten Plätzen zur Verfügung steht, sei es an der künstlichen Futterstelle oder am Salzleckstein in unmittelbarer Hochsitznähe.
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