"Faßberg und die Angst vor dem Wolf" vom 03.09.17:
Laut Anmoderation von Moderation Antje Wöhnke sei Faßberg "ein Ort, stellvertetend für viele in Niedersachsen, die mit Wölfen zu leben haben".Für viele Menschen in Faßberg im Kreis Celle ist die Angst vor Wölfen präsent.
https://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/ ... 40368.html
Dabei war es lange nicht mehr so augenscheinlich, dass die eher unaufgeregten Aussagen der gezeigten Personen so wenig mit der Aufmachung und Ankündigung der Reportage, in der das Wort "Angst" völlig unpassend dominiert, zu tun haben.
In den eingangs gezeigten Bildern deutet nichts auf die Angst der Bürger - ausgelassene Kinder, Hund und Gassigeher in der Dorfidylle. Und so beschreibt der Sprecher die Situation: "Dass sich das Leben in Faßberg ändert, das sticht nicht unbedingt ins Auge. Aber man hört davon im Gespräch mit den Menschen hier, wenn man sie fragt nach dem Wolf".
Aha. Äußerlich ist der Alltag im Dorfleben unverändert, aber der Zuschauer beginnt sie zu spüren, die unsichtbare Gefahr...
Und so dreht sich der Hauptteil der Reportage um die Menschen in der Kita. Die erste Mutter vom Heidschnuckenhof macht sich mittlerweile Sorgen, weil ein Wolf vor drei Wochen drei Böcke 50 m neben der Sandkiste gerissen habe.
Der zweite Mutter dagegen berichtet unaufgeregt, dass der Besuch einer Informationsveranstaltung, auf der Aufklärung geleistet und Fragen beantwortet worden seien, geholfen habe.
Der interviewte Vater dagegen hat nach eigenen Angaben im Hinterkopf, beim Joggen einem Wolf begegnen zu können, "gerade in sehr abgelegenen Ecken".
Die Kitaleiterin wiederum hat nach einer Fortbildung des ganzen Kita-Teams keine Bedenken, mit ihren kleinen Schützlingen in den Wald zu gehen.
Die Natur- und Wanderführerin sagt deutlich, dass "Angst überhaupt nicht vorherrscht", "eher noch ein Stückchen weit Unwissenheit", das sie auf den Touren zumeist aufklären könne. Statt den Wolf wie vor ein paar Jahren mit ein paar Sätzen abzuhandeln, würde sie nun mindestens eine Stunde extra einplanen.
Und so zwischenkommentiert der Sprecher:
undUnd trotzdem hat der Wolf hier etwas verändert
Nach einem Beitrag über den Schäfer, der einem Wolf ein erbeutetes Schaf (lebend!) wieder abgerungen haben will und die gewohnten Abschussforderungen artikuliert, resümiert der Autor:Angst - davon kann keine Rede sein. Aber der Wolf ist da - zumindest im Hinterkopf der Menschen
Die Frage könnte nun lauten: Wie kommt der Wolf überhaupt in den Hinterkopf?Die Politik wird Antworten auf die Sorgen und Forderungen der Menschen geben müssen, denn das Leben in Fassberg ändert sich durch den Wolf - langsam, aber spürbar.
Liegt es möglicherweise an genau solchen Berichterstattungen, die in Anzahl und Intensität überhaupt nicht im Verhältnis zur Realität im Alltag stehen?
Bis auf den Schäfer hat offenbar noch keiner der "Betroffenen" überhaupt nur einen Wolf zu Gesicht bekommen. Der Wolf findet auch in den niedersächsischen Wolfsgebieten in allererster Linie in den Medien und an den Stammtischen statt - real begegnet ihm kaum irgendjemand.
Wenn die Medien, Interessenvertreter der einschlägigen Agrar- und Jagdlobby und nicht zuletzt Politiker, die sich über das Schüren irrationaler Ängste und dem Angebot vermeintlich einfacher Scheinlösungen Wählerstimmen erhoffen und ihre Klientel bedienen wollen, dem Wolf künstlich eine Präsenz verleihen, die er in der Realität nicht ansatzweise erfüllt - ja, dann sitzt er offensichtlich bei so manchem im Hinterkopf und läuft die Gefahr einer negativen Verknüpfung, wenn in real gesehen unspektakulären Reportagen ohne irgendein tatsächliches Ereignis das Wort "Angst" dominiert.
Dabei wird "einem Wolf begegnen" auch schon mal gleichgesetzt mit einer vermeintlich akuten Gefahr.
Wie unangemessen das ist, verdeutlicht das Beispiel einer ganz realen Gefahr: Der Straßenverkehr kostete 2016 in Deutschland 3.214 Menschen das Leben. 396.700 Menschen wurden verletzt. Insgesamt wurden von der Polizei 2,6 Mio. Unfälle aufgenommen.
Angesichts dieser Zahlen müssten wir vor Angst in Panik geraten, sobald wir die Grundstückseinfahrt verließen und uns auf die Straße wagten.
Dabei müsste in unserem Hinterkopf ständig die Angst spuken, einem anderen Auto zu begegnen.
Der Wolf hat bislang keinem einzigen Menschen auch nur ein Haar gekrümmt.
Ich hoffe, dass diese unlauteren Reportagen und gezielten Versuche der Stimmungsmache in Bezug auf den Wolf irgendwann neben den ollen Märchenschinken endgültig der Vergangenheit angehören - und im Hinterkopf Platz entsteht für die echten Gefahren des Alltags.