Wolfsrückkehr und Steuergelder

Themen, die den Wolf im Allgemeinen betreffen.
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Nina
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Wolfsrückkehr und Steuergelder

Beitrag von Nina »

Mehrere Bauernverbände machen derzeit ordentlich Stimmung gegen den Wolf. Mal sieht ein Landvolkkreisverband in Niedersachsen die Weidehaltung durch Wölfe bedroht¹, mal sieht die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft die Lösung ihrer Probleme im Wolfsabschuss statt im Herdenschutz und leugnet den ökologischen Nutzen des Wolfes². Der Brandenburger Bauernbund ist der Meinung, dass flächendeckender Herdenschutz nicht bezahlbar sei und fordert stattdessen einen "aktiven Herdenschutz", der jeden Wolf, der eine Ein-Kilometer-Grenze zum Menschen unterschreitet, als "Problemwolf" deklariert.³ Der Bauernverband in Mecklenburg-Vorpommern ist der Meinung, dass der Wolf "nicht zufällig ausgestorben" sei und sich die Vorfahren "auch was dabei gedacht" hätten.⁴

Das sind nur wenige Beispiele. Man mag kaum glauben, dass sich diese "Öffentlichkeitsarbeit" rein zufällig gerade häuft.

"Wolfsmonitor"-Blogger Jürgen Vogler sieht dabei immer "dasselbe Muster":
Nicht eine Spur des Willens zur konstruktiven Zusammenarbeit ist seitens der Bauernorganisationen in deren Pressemeldungen zu finden, sondern fast immer überbordendes Selbstmitleid und pure Ablehnung.

Wolfsmonitor, 08.11.16: "Wieder einmal: Wölfe für den Untergang des Abendlandes verantwortlich…" http://wolfsmonitor.de/?p=5872
Gerade die jüngsten Übergriffe auf Rinder werden genutzt, um die Kosten für den Herdenschutz als unverhältnismäßig erscheinen zu lassen - die in den meisten Fällen ohnehin der Steuerzahler trägt. Laut niedersächsischem Register über Nutztierrisse konnte seit 2008 - also in den vergangenen 9 Jahren - lediglich in 14 Fällen von Angriffen auf Rinder/Kälber tatsächlich ein Wolf als Verursacher nachgewiesen werden. Dabei beträgt der Gesamtbestand an Rindern in Niedersachsen aktuell knapp 2,8 Mio Tiere.⁵ Den Wolf anlässlich dieser Zahlen als "Bedrohung der Weidehaltung" zu erklären, erscheint dabei arg künstlich konstruiert.

Das Niedersächsische Umweltministerium hat die Kosten für die Wolfsrückkehr für die Jahre 2016/17 mit jährlich Euro 800.000 veranschlagt, wovon Euro 510.000 für die Richtlinie Wolf erwartet werden - d. h. die in Form von Präventions- und Billigkeitsleistungen direkt an die Tierhalter ausgeschüttet werden.⁸

Kürzlich hat der Bautzener Landrat, Michael Harig (CDU), die Entnahme des kompletten Rosenthaler Rudels beim sächsischen Umweltministerium beantragt, die erwartungsgemäss abgelehnt worden ist. Ulrich Wotschikowsky stellte fest, dass eine Abschussgenehmigung in diesem Fall eine EU-Vertragsverletzung sei, die mit 900.000 Euro pro Tag geahndet werden könne, bis der rechtsgültige Zustand wieder hergestellt sei.⁶

Die gesamten Herdenschutzkosten eines Jahres in einem Bundesland werden also als "unbezahlbar" deklariert, während man quasi dieselbe Summe pro Tag als EU-Rechtsverletzung dem Steuerzahler nur zu gern aufzubürden bereit wäre? Wie passt das zusammen? Zumal der alleinige Wolfsabschuss ohne sonstige Herdenschutzmaßnahmen nicht vor Wolfsangriffen schützt, sondern deren Häufigkeit sogar noch erhöhen kann.⁷

Und so stellt Ulrich Wotschikowsky (ähnlich wie Herr Vogler) fest:
Denn nach wie vor nehmen viele Schafhalter die Wölfe nicht ernst, vertrauen offenbar auf Schadensersatz. Es ist sogar der Verdacht nicht von der Hand zu weisen, dass es manche einfach darauf ankommen lassen wollen: Hohe Verluste könnten genügend politischen Druck erzeugen, sich der Wölfe zu entledigen.

http://woelfeindeutschland.de/sachsen-l ... iminieren/
Wenn also die Bauernverbände hohe Kosten für die Steuerzahler beklagen, welche deren Mitglieder ja immerhin entschädigen/bezuschussen, könnte man ja mal einen Blick darauf werfen, in welchen Genuss von Steuergeldern die Agrarbetriebe noch so kommen:

Da wären die jährlich mehr als 5 Milliarden Euro Agrarsubventionen an den deutschen Agrarsektor erwähnenswert. Da die überbordende Milchproduktion der Milchbviehhalter zu einer Milchschwemme einschließlich des zu erwartenden Preisverfalls geführt hat, bekommen Deutschlands Milchviehhalter vom Steuerzahler ein finanzielles Rettungspaket in Höhe von 581 Millionen Euro allein für 2016/2017, welches sie dazu animieren soll, weniger Milch zu produzieren.⁹

Wegen der Überproduktion und der damit verbundenen systembedingten nicht artgerechten Fütterung (kraft- statt rauhfutterorientiert) beträgt der jährliche krankheitsbedingte "Abgang" von Deutschlands Milchkühen rund 30%.¹⁰ Diese Sterblichkeitsrate, sei es durch vorzeitige Schlachtung oder Verenden, ist enorm; im Gegensatz zu den Rissen durch Wölfe: In Niedersachsen sind das derzeit durchschnittlich weniger als 5 pro Jahr seit 2014 - bei rund 2,8 Mio Rindern!

Und der Steuerzahler wird demnächst noch um ein Vielfaches mehr für Deutschlands Landwirte zahlen dürfen, denn die EU hat gegen Deutschland nun Klage vor dem EuGH eingereicht, weil unsere Politik nichts gegen die exzessive Gülleflut unternimmt, die unser Wasser mit Nitrat verseucht. Es drohen Strafzahlunge in Milliardenhöhe, die natürlich nicht die Verursacher, die Landwirte, sondern gefälligst die Steuerzahler zu tragen haben.
Frankreichs Strafzahlungen werden z. B. zur Zeit mit 1-3 Milliarden Euro beziffert.¹¹

Spitzenreiter in der Gülleverseuchung ist übrigens das Land Niedersachsen mit mehr als 60% betroffenen Landesflächen.¹² Niedersachsens Landwirte, die sich sozusagen im Mutterland der künstlichen Wolfshysterie immer noch um Rotkäppchen sorgen, nehmen die Gefährdung besonders von Säuglingen und Kleinkindern¹¹ durch nitratverseuchtes Trinkwasser offenbar wesentlich gelassener.

Und anders als beim Wolf sind die Handlungsmöglichkeiten äußerst beschränkt, wenn sich das Nitrat erst einmal im Grundwasser befindet:
Nitrat, Rückstand von Gülle oder Kunstdünger, ist gut wasserlöslich und lässt sich kaum aus dem Wasser herausfiltern. Wenn der Düngerrückstand erst einmal das Grundwasser erreicht hat, bleibt das Wasser auf unabsehbare Zeit belastet. [...] Um den Nitrat-Grenzwert sicher einzuhalten, wird das belastete Wasser mit nitratfreiem aus anderen Quellen gemischt.

http://www1.wdr.de/nachrichten/westfale ... e-100.html
Das setzt natürlich voraus, dass immer noch genügend unbelastete Quellen vorhanden sind, aus denen man Wasser zum Mischen entnehmen kann.

Aber die Bauernverbände setzen wohl lieber auf das Thema Wolf. Ihre exzessive Düngepraxis wollen sie sich jedenfalls nicht durch eine Düngeverordnung einschränken lassen:
Darüber hinaus problematisch ist, dass die Düngeverordnung viele detaillierte Regelungen vorsieht, die zu starr und nicht praxistauglich sind.

http://www.tagesschau.de/inland/nitrat- ... r-101.html
Armer Wolf, dass ausgerechnet er immer den Kopf für alle Missstände herhalten soll...



¹ https://www.ndr.de/nachrichten/niedersa ... f2710.html
² http://www.focus.de/regional/niedersach ... =fb-shares
³ http://www.pnn.de/pm/1129919/
http://www.ndr.de/nachrichten/mecklenbu ... f2704.html
https://www.ndstsk.de/index.php?bereich ... =781&akk=1
http://woelfeindeutschland.de/sachsen-l ... iminieren/
http://www.wissenschaft-aktuell.de/arti ... 89706.html
http://www.umwelt.niedersachsen.de/aktu ... 36929.html
https://www.bundesregierung.de/Content/ ... paket.html
¹⁰ http://www.swr.de/report/billige-milch- ... index.html
¹¹ https://presse.wdr.de/plounge/wdr/progr ... F0.presse2
¹² http://www.tagesschau.de/inland/nitrat- ... r-101.html
gelöscht_1

Re: Wolfsrückkehr und Steuergelder

Beitrag von gelöscht_1 »

Hey


Na.... Gründlichkeit ist echt eine Stärke von dir ---- Nina!!! Hut ab!

Ansonsten - du hast es ausführlich auf den Punkt gebracht, n u r für die Agrarwirtschaft! Man könnte ausufern und belegen, wie in unserem glückseligen Vaterland zig Lobby-Verbände versuchen, eine Lücke zwischen freien (in meinen Augen-menschenverachtenden...!) Kapiatlismus und Marktwirtschaft zu schlagen. Jeder, der das Zeug hat kämpft mit harten Bandagen, schaut nur auf s e i n Wohl, die anderen Individuen sind ihm schurps-egal!
Ohne in Politik und Polemik abzurutschen - so macht es in diesem Ellenbogenstaat ausnahmslos jeder, Gewerkschaften ebenso wie Interessenverbände - auf der Strecke bleiben Lobby-lose und schwache Individuen - mal der Mensch oder hier ---- der Wolf!

Ich finde den Laden toll hier ........ seit der Widervereinigung (ohne e nach dem i ....!) hab ich so toll vieles gelernt und lerne jeden Tag dazu...... viel über Menschen, denn die machen den Staat aus, die sind egoistisch und denken nur an ihr eigenes Wohl.
Wer möchte kann das gern unter Philosophie nachgoogeln, so ist der Mensch halt geworden...... das Sozialverhalten unserer nahen Verwandten ist für viele ein Schimpfwort geworden, um jemand zu beleidigen. Leben, Zelebrieren tun wir es schon lange nicht mehr!
Derweil kann man an einem Wolfsrudel sehen, wie sozial sogar Tiere sind, die nur einen Bruchteil unserer Intelligenz haben!
Vielleicht hat man deswegen vor ihm Angst? Er ist ein soziales Tier .....?! Igitt - weg mit ihm!


hier noch.....die blanke Wahrheit .....so sehe ich es auch, wie E.Radinger
Zitat......
Strategie, Kommunikation, Loyalität, aber auch Neugier, Geduld, Liebe. Das sind nur einige der Lektionen, die ich von ihnen gelernt habe. Sie sind uns gar nicht so unähnlich: liebevolle Familienmitglieder, autoritäre aber gerechte Leittiere, mitfühlende Helfer, durchgeknallte Teenager und alberne Spaßvögel. Sie kümmern sich aufopfernd um ihre Kinder und versorgen alte oder verletzte Mitglieder ihrer Familie. Ich sage oft mit einem Augenzwinkern, dass Wölfe – was das Sozialverhalten angeht – eigentlich die „besseren Menschen“ sind.
Zitat Ende .....

Ist da noch irgendwo Interpretations-Spielraum ........!? Ich denke ------ N E I N

Gruß Rudi
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