Fehlender Kehlbiss

Themen, die den Wolf im Allgemeinen betreffen.
Lämmchen
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Fehlender Kehlbiss

Beitrag von Lämmchen »

Hallo,

man wird immer wieder und vermehrt mit Bildern noch lebender aber sehr schwer verletzter Tiere (Schafe, Rehe) konfrontiert, denen ganze Fleischpartien fehlen, die Bäuche z.T. aufgerissen sind, die vom Tierarzt erlöst werden müssen, nach einem Wolfsangriff.
Es sind wohl keine Einzelfälle, scheint eher so, als sei es das normale Procedere bei einer Wolfsmahlzeit.
Es sind auch keine Tiere, denen der Wolf kräftemäßig nicht gewachsen wäre und deshalb am lebenden Tier gefressen hat.
Es sind auch nicht nur die Hinterflanken, sondern die Bauchregion - und diese vor allem - betroffen. Es kann also nicht sein, dass der Wolf das Tier nur an der weiteren Flucht hindern wollte und deshalb die Hinterbeine beschädigte.

Wie ist das zu erklären?

Warum fressen Wölfe (neuerdings) am lebenden Tier?
Warum kein Kehlbiss? (Wenn das Tier noch lebt, wenn es gefunden wird, kann es ja keinen Kehlbiss gegeben haben)

Ist das normal oder eine unglückliche Entwicklung oder wussten wir es bislang nur nicht besser?

Für Antwort wäre ich dankbar.
Es ist eine ehrliche Frage, die mich schon lange beschäftigt.
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SammysHP
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Re: Fehlender Kehlbiss

Beitrag von SammysHP »

Wenn das Schaf auch ohne tot zu sein nicht wegläuft, ist es dem Wolf egal. Fressen kann man nur, wenn es liegen bleibt. Waren die Schafe also vorher schon geschwächt?

Ein anderes Problem ist natürlich das Überangebot an Beute. Dann kann es passieren, dass sich ein Wolf schon mit dem nächsten Tier beschäftigt, ohne mit dem ersten fertig zu sein.

Woher kommt eigentlich die Info, dass so etwas in letzter Zeit vermehrt auftritt?
Grauer Wolf

Re: Fehlender Kehlbiss

Beitrag von Grauer Wolf »

Lämmchen hat geschrieben:Hallo,

man wird immer wieder und vermehrt mit Bildern noch lebender aber sehr schwer verletzter Tiere (Schafe, Rehe) konfrontiert, denen ganze Fleischpartien fehlen, die Bäuche z.T. aufgerissen sind, die vom Tierarzt erlöst werden müssen, nach einem Wolfsangriff.
Und wer hat festgestellt, daß es ein Wolfsangriff war? Wo ist der DNA-Nachweis? Wo sind seriöse Quellen? ("Jäger" und Landwirte gehören nicht dazu, auch Tierärzte nicht, sofern sie nicht zufällig profundes Wissen über Wölfe haben (ich erinnere nur an Dr. Peter B., der vollmundig Wolf diagnostizierte, wo es ein schlichter Hundeangriff war, was auch bewiesen wurde!))

So ein Verhalten ist absolut atypisch (es tritt z.B. auf, denn Wölfe bei der Jagd massiv gestört werden und versuchen, doch noch ihre Beute/Mahlzeit zu bekommen) und die Verletzungsmuster deuten mehr auf stümperhafte Jagdversuche von wildernden Hunden, nicht auf Wölfe.

Gruß
Wolf
zaino
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Re: Fehlender Kehlbiss

Beitrag von zaino »

SammysHP hat geschrieben: Woher kommt eigentlich die Info, dass so etwas in letzter Zeit vermehrt auftritt?
Naja, aus der Presse - sex&blood sells.

Gabs schon vor vielen Jahren - es waren riesige Wachhunde ausgebüxt, im Pulk, hatten monatelang im Revier gewildert. Ein Kollege meines Vaters kriegte die Autotür nicht auf und musste aufs DACH flüchten.... die gingen sogar Autos an, wenn eins vorbeifuhr und sie beim Auffressen des gejagten Rehs störte. Der Besitzer bettelte förmlich um Abschluß - nur, was hatte er zuvor wohl mit den Hunden gemacht, dass er sie nimmer in seine Gewalt bekam und dass die vor allem derartig aggro waren?
Mehrere mir bekannte Jagdhunde von Möchtegernjägern, die keine Zeit hatten, sie gescheit abzuführen und auszulasten - nix wie raus und weg und wildern. Oder wahlweise im Dorf mal Leut in den Hintern beissen... .
Aus Nordafrika mitgebrachte halbwilde Hunde wurden vom neuen Besitzer draußen frei laufen gelassen (also im Stadium totaler Nicht-Abrufbarkeit, weil gar nicht wirklich auf Menschen geprägt und normal sozialisiert) - was glaubt Ihr, was die mit der nächsten verfügbaren Schafherde machten? Die gingen damals übrigens tatsächlich gezielt an die Wollbäuche!

Das alles sind Stories aus über 40 Jahren in einem komplett wolfs-losen Bayern. ;)
Nicht zu reden von den Wildschweinen, die schon mal Rehkitzen den Garaus machen, wenn sie sie abgelegt finden.
Oder die erlegtes Wild anschneiden, wenn der Jäger es nicht schnell genug bergen kann.

Nimmt man nun x-beliebige Fotos von solchen Events und kleistert eine große Überschrift vom Böööösen Wolf drüber.... kriegt man "gehäufte Meldungen". Klar, ne?

Ich sag ja gar nicht, dass die Funde IMMER ALLE nur Risse und Bisse von Hunden sind. Ich sag nur: Immer mit der Ruhe. Nicht jeden Schmarrn glauben.
Wenn ich für jedes Mal, wo ich als Kind im Wald oder sogar in unserem riesigen "Zaubergarten" wo Knochen gefunden hab, an den bösen Wolf gedacht hätte, dann hätt ich heut einen Herzkasper.
Lämmchen
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Re: Fehlender Kehlbiss

Beitrag von Lämmchen »

Danke für eure Antworten.

SammysHP hat geschrieben:Wenn das Schaf auch ohne tot zu sein nicht wegläuft, ist es dem Wolf egal. Fressen kann man nur, wenn es liegen bleibt. Waren die Schafe also vorher schon geschwächt?
Sammy, das Schaf muss nicht schon vor dem Angriff geschwächt gewesen sein.
Wenn gezielt in die Hinterbeine gebissen wird, Sehne verletzt, Fleisch rausgerissen, dann sind das so starke Schmerzen, dass das stärkste und zuvor gesündeste Schaf nicht mehr leichtfüßig und schnell davon rennt und der Wolf hinterher und immer wieder zubeißend. Es wird fallen, und der Wolf frisst am lebenden Tier.
]Ein anderes Problem ist natürlich das Überangebot an Beute. Dann kann es passieren, dass sich ein Wolf schon mit dem nächsten Tier beschäftigt, ohne mit dem ersten fertig zu sein.
Das macht Sinn, hatte ich auch schon mal so überlegt.


Streunende Hunde
streunende Hunde als Verursacher wären schlimm.
Zaino hat es gut beschrieben. So kenne ich es auch, deshalb habe ich vor einer solchen Meute mehr Angst als vor einem einzelnen Wolf.
Was aber tun gegen große wildernde Hunde?
Manche Rassen sehen Wölfen zum verwechseln ähnlich. Das ist ein großes Problem.
Wem gehören sie? Sie sind ja nicht aus dem Boden gewachsen.
Wenn man Presse/Internet und die Risse aufmerksam verfolgt, gewinnt man den Eindruck, als seien neuerdings sehr viele streunende Hunde unterwegs.
Wenn das so weiter geht, kann es ein Problem für die Wölfe werden. Die Akzeptanz wird sinken, weil Risse in einem Wolfsgebiet zunächst auf den Wolf zurück fallen, und wenn Landwirte/Schäfer vermehrt um ihre Tiere fürchten müssen, es immer mehr Risse und Verletzungen gibt, Tiere aus Herden, Weiden in Panik in die Landschaft, auf Straßen getrieben werden, kann es eigentlich nicht so weiter gehen.
zaino
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Re: Fehlender Kehlbiss

Beitrag von zaino »

Lämmchen, das Hunde-Problem gabs schon immer!!! Hab ich doch eben erklärt. Nicht erst jetzt vermehrt.
Warum? Weil noch immer manche Halter mit großen, starken und agilen Rassen schlicht überfordert sind.

Die Wahrscheinlichkeit, dass sich Hund und Wolf irgendwie vermischen, ist sehr sehr gering. Dazu gibts Belege und bislang nur einen Fall, bei dem die Mischlinge dann entnommen wurden oder umkamen (ich glaube es gibt hier sogar noch irgendwo eine Box dazu).
Und ich kann mir erklären, wieso das auf einmal mehr zu sein scheint:
1. Anti-Wolfs-Hype: Alles, was man draußen angenagt findet, war der Wolf, nech? Dazu zählt auch, wenn Bauer Hömpel ein paar Sau-Knochen und Sau-Köpfe draußen im Wald entsorgt. Huuuch - gruselig!
3. ...oder der Jäger Zampel danebenschießt, das so bleigeladene Tier unentdeckt in einen Busch kriecht und dort stirbt. Natürlich freut sowas den Fuchs!!! und die Wildsau, und sie werden sich an diesem Fund gütlich tun. Jetzt schreit halt alles "Wolf" - bei Dingen, die absolut und immer auch ohne Wolf so stattfinden.
4. Bekloppte, unfähige Hundehalter haben auf einmal einen, dem sie ihre eigene Unfähigkeit in die Schuhe schieben können.
Wenn ich z. B. einen einzelnen Husky Tag um Tag unausgelastet in einen Zwinger sperre, wird der einen Weg da raus finden. Und jagen gehen. Und rate, wo der hingeht, wenn er beim Heimkommen verdroschen wird... ?

Und ja, wir hatten hier auch das Thema "Surplus-Kill", wenn Schafe eingezäunt und alleine draußen sind und da ein Wolf in die Hürde höppt. Der wird vor Begeisterung um sich beissen, und nicht mehr unbedingt "sauber töten". Ebenso wenig, wenn er gestört wird.
Kräftig geladene tickende E-Zäune und Radau machende Hunde helfen dagegen, und das ganze Programm, das wir hier schon durch hatten.

Das heisst aber alles nicht, dass der Wolf wie wild durch deutsche Wälder spackt und blutdürstend alles killt, was quer läuft.
Lämmchen
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Re: Fehlender Kehlbiss

Beitrag von Lämmchen »

Zaino, ich weiß, dass wir das hier schon mal hatten.

Es erschien mir nur, als würden sich solche Vorfälle extrem mehren, und ich kann mir nicht vorstellen, dass das alles wirklich nur streunende Hunde sind.
Mir drängte sich die Frage auf, ob Wölfe in einer Kulturlandschaft ohne Jagddruck und einem Überangebot an Nahrung ihr Fressverhalten ändern.
Ich finde diese Frage spannend.
zaino
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Re: Fehlender Kehlbiss

Beitrag von zaino »

1.Ja, kann durchaus sein, dass, wie xmal durchgesprochen, Wölfe in Wolfsgebieten gelegentlich mal was reißen.... Dass eine massive Häufung dramatischer Vorfälle stattfindet, glaube ich NICHT, s. meine Ausführungen weiter oben.
*michingeduldfass*
2. Ohne Jagddruck und ein Überangebot an Nahrung: Definiere Überangebot, bitte. Wenn Du große Haufen mit Fleischereiabfällen oder verendete Nutztiere draußen deponierst, ist das ein Überangebot. Wenn Du gut zugängliche Mülltonnen rumstehen hast, ist das ein Überangebot.
Wenn Du viel Wild hast, ist das ein Überangebot. Wenn Du tausende von SChafen draußen unbeschützt rumwuzeln lässt, ist das auch ein Überangebot.

Ein Revier, in dem genug Schalenwild rumläuft, ist natürlich schön für den Wolf: Er wird seinen Wurf Junge gut groß kriegen, Verluste (evt. durch Überfahren oder illegale Abschüsse) ausgleichen können, oder kranke/schwache Rudelmitglieder ersetzen. Er wird das tun, was Amarok der Wolf in der alten Eskimo-Legende bestimmungsgemäß tut: Die schwachen kranken Wildtiere wegfangen, die gesunden, starken schonen. So wars von Anbeginn gedacht.

So, und was von all dem stellt hier bei uns in D den Tatbestand eines "Überangebotes" dar?

Ach ja ,und der "Jagdruck" ist z. B. nicht verantwortlich für den Rückgang der Tollwut.... das war erst die Schluckimpfung. Wildsauen werden bejagt wie blöd, sind schwer zu erwischen und wühlen wirklich VIEL um: Es gibt eine MENGE davon.
Fazit: "Jagddruck" greift ins Sozial- und sonstige Verhalten, in Rudelstrukturen und Familienverbände ein, reguliert aber nicht unbedingt die Kopfzahl, wie so gern behauptet wird.
Grauer Wolf

Re: Fehlender Kehlbiss

Beitrag von Grauer Wolf »

Lämmchen hat geschrieben:Es erschien mir nur, als würden sich solche Vorfälle extrem mehren, und ich kann mir nicht vorstellen, dass das alles wirklich nur streunende Hunde sind.
Ich schrieb doch: Was heute direkt fette Schlagzeilen macht, war vor 30 Jahren nicht mal eine Notiz auf Seite 7 links unten wert. Und wenn Schlagzeilen auftauchen "Wolf riß Reh - Spaziergänger mit Schock im Krankenhaus", dann weiß ich nicht mehr, ob ich lachen oder weinen soll. Das hat den gleichen Informationswert wie "Familie Hempel war bei "Giovannis" zum Pizzaessen"...
zaino hat geschrieben:Wenn Du gut zugängliche Mülltonnen rumstehen hast, ist das ein Überangebot.
Dazu braucht's keinen Wolf. Das besorgt bei uns der Dorffuchs... :lol:
zaino hat geschrieben:"Jagddruck" greift ins Sozial- und sonstige Verhalten, in Rudelstrukturen und Familienverbände ein, reguliert aber nicht unbedingt die Kopfzahl, wie so gern behauptet wird.
Jägerlatein eben...

Gruß
Wolf
Lämmchen
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Re: Fehlender Kehlbiss

Beitrag von Lämmchen »

zaino hat geschrieben: Er wird das tun, was Amarok der Wolf in der alten Eskimo-Legende bestimmungsgemäß tut: Die schwachen kranken Wildtiere wegfangen, die gesunden, starken schonen. So wars von Anbeginn gedacht.
Da kann ich nur lachen.
Es ist eine Legende!


Ach ja ,und der "Jagdruck" ist z. B. nicht verantwortlich für den Rückgang der Tollwut.... das war erst die Schluckimpfung.
Ich erinnere mich nicht, hier von Tollwut gesprochen zu haben und schon gar nicht in diesem Zusammenhang.
Wildsauen werden bejagt wie blöd, sind schwer zu erwischen und wühlen wirklich VIEL um: Es gibt eine MENGE davon.
Fazit: "Jagddruck" greift ins Sozial- und sonstige Verhalten, in Rudelstrukturen und Familienverbände ein, reguliert aber nicht unbedingt die Kopfzahl, wie so gern behauptet wird.
Ich erinnere mich ebenso wenig, hier Jagddruck gefordert zu haben.
Du ziehst falsche Schlüsse, interpretierst Standpunkte, die vom geschriebenen Text nicht ableitbar sind.


@Grauer Wolf,
ich weiß, dass du das so siehst, doch es ist deine persönliche und ganz private Anschauung, andere Menschen mögen das anders sehen.
Ich nehme die Angst der Menschen und ihre Fragestellungen sehr ernst und will angemessen darauf eingehen. Sie nicht der Lächerlichkeit preisgeben.
Auch unter "Wolfskennern" gibt es unterschiedliche Auffassungen über den Wolf, Auffassungen die nicht mit deiner eigenen konform gehen. Das zeigt z.B. auch die Diskussion hier im Forum über den Entnahme von "Kurti", was gerade wieder hier zur Diskussion ansteht.

Noch etwas: Nach meinem bescheidenen Wissen lebten Wölfe noch nie wie heute: in einer Kulturlandschaft, ohne Jagddruck und Feinde.
Insofern finde ich die künftige Entwicklung schon spannend, ohne das jetzt werten zu wollen.

Und nur diesen Tatbestand wollte ich hier ansprechen mit meiner Frage, ändern Wölfe ihr Fressverhalten unter diesen Begebenheiten? Heißt, verzichten sie evtl. künftig komplett auf einen Kehlbiss? Eine Spekulation, gewiss, aber spannend ist sie schon.
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