Im Land, das von den deutschen Wolfsjagdbefürwortern doch so gern als Idealfall und Vorbild in Sachen Wolfs(abschuss)politik bemüht wird, sind die Jäger und Landwirte gar nicht glücklich. Trotz ausgedehnter Lizenz- und Schutzjagden auf Wölfe und andere große Beutegreifer leben sie weiter in ständiger Angst vor den großen Carnivoren. Und vor deren Befürwortern.
Finanziert vom schwedischen Jagdverband Svenska Jägareförbundet, dem Landwirtschaftsverband Landbrukarnas Riksförbund und der Naturschutzbehörde Naturvårdsverket, befasst sich eine aktuelle Studie der Universität Göteborg mit den persönlichen Befindlichkeiten von Jägern und Landwirten in Regionen mit Vorkommen großer Beutegreifer.
Wes Brot ich ess', des Lied ich sing...Sorge und Stress unter Landwirten und Jägern in Regionen mit hohen Beutegreiferdichten
Sorge, Stress und wirtschaftliche Unsicherheit. Forscher an der Universität Göteborg haben den Einfluss der Anwesenheit großer Beutegreifer, insbesondere Wölfe, auf das Leben und die Arbeit von Landwirten und Jägern untersucht. Das Resultat belegt, dass sich viele mit großen Veränderungen konfrontiert sehen und das Vertrauen in die Wildverwaltung bei einer Mehrheit am Schwinden ist.
"Das ist ein Thema, das die Landwirte und Jäger wirklich beeinträchtigt. Sie müssen sich konstant mit diesen Fragen befassen und mit der Situation umgehen, wenn etwa ein Angriff enorme Folgen nach sich zieht", sagt die Wissenschaftlerin und Leiterin des Projekts, Annelie Sjölander-Lindqvist.
Die Frage um den Umgang mit den großen Beutegreifern in der schwedischen Natur wird seit langem diskutiert. Für Menschen, die in unmittelbarer Nähe großer Beutegreifer leben, kann dies Konsequenzen nach sich ziehen. Das belegt ein Report, der nun von der Naturschutzbehörde vorgestellt wurde, die diesen zusammen mit dem Landwirtschaftsverband Landbrukarnas Riksförbund und dem schwedischen Jagdverband Svenska Jägareförbundet finanziert hat.
Dazu haben die Wissenschaftler in Interviews Landwirte, Jäger und Verwaltungsbeamte der Bezirksverwaltungen Örebro, Värmland och Dalarna befragt, ob und inwieweit die Anwesenheit von Wölfen, Luchsen und Bären das Befinden, das Stressniveau und die Sorgen der Menschen beeinträchtigen.
"In unserer Arbeit bei der Erstellung von Verwaltungsplänen für große Beutegreifer kommt der Koexistenz zwischen Menschen und Raubtieren eine Schlüsselfrage zu. Diese Studie dient uns als wertvolle Grundlage und zeigt uns, dass wir unsere Anstrengungen für ein nachhaltiges Beutegreifermanagement fortlaufend optimieren müssen", sagt Carl-Johan Lindström, Leiter der Naturvårdsverkets Wildverwaltungsabteilung.
Vorherrschende Sorge um Haustiere und Angehörige
Die Studie zeigt, dass sich die Menschen vornehmlich um Gesundheit und Wohlergehen der Angehörigen und der Haus- und Weidetiere sowie der ökonomischen Folgen von Angriffen durch Beutegreifer sorgen. Sieben von zehn der am Telefon Befragten äußerten Angst um ihre Tiere.
Sowohl die Landwirte als auch die Jäger haben gemäß der Studie Tierproduktion und Jagd auf verschiedene Weise der Anwesenheit der Großraubtiere anpassen müssen. Darüber hinaus kommt es zu wirtschaftlichen Beeinträchtigungen infolge der Durchführung von Schutzmaßnahmen sowie nach erfolgten Angriffen. Ein Folgeproblem sei der längerfristige posttraumatische Stress bei angegriffenen Tieren, der z. B. Milchleistung und Fruchtbarkeit negativ beeinflussen könne.
Dabei würden die finanziellen Hilfen nicht sämtliche Ausgaben hinsichtlich Prävention und Schadenserstattung decken, was mit weiteren Sorgen und Stress verbunden wäre.
"Für unseren Landwirtschaftsverband ist mit den deutlichen Ergebnissen der Studie wissenschaftlch bewiesen, worüber unsere Mitglieder seit langem berichtet und worunter sie gelitten haben - ein wichtiges Signal Richtung Regierung und Behörden. Dazu kommt noch die Angst vor Handlungen der Tierrechtsaktivisten in Form von anonymen Telefonanrufen oder Protestaktionen auf den Höfen, die sich sowohl gegen Landwirte als auch gegen Jäger richten", sagt Palle Borgström, Sprecher des Landwirtschaftsverbands Lantbrukarnas Riksförbund.
Schwindendes Vertrauen in das Beutegreifermanagement der Verwaltungen
Aufgabe des schwedischen Raubtiermanagements sind das Erreichen und der Erhalt eines günstigen Erhaltungszustands der großen Beutegreifer, die Förderung der Koexistenz zwischen Mensch und Raubtier sowie Vorbeugung und Begrenzung von Angriffen. Der Studie zufolge schwindet jedoch das Vertrauen in die damit betrauten Behörden. Sechs von zehn der Befragten vergaben diesbezüglich die zwei niedrigsten Bewertungen auf einer Skala von fünf möglichen Punkten.
Als mögliche Lösungen schlagen die Wissenschaftler vor, die von den Landwirten und Jäger erlebten Sorgen und ökonomischen Unsicherheiten stärker in den Fokus zu rücken. Dabei könnten Maßnahmen eruiert werden, mit denen in anderen Verwaltungsbereichen Unsicherheit, Konflikten und Misstrauen begegnet werden. Die Anonymisierung von Schutzjagdersuchen und Teilnahmeanträgen könnten zur Lösung hinsichtlich der Problematik mit den Tierrechtsaktivsten beitragen.
Universität Göteborg, Pressemitteilung, 01.09.2021: Oro och stress bland lantbrukare och jägare i rovdjurstäta områden https://news.cision.com/se/goteborgs-un ... n,c3407028
Endlich hat mal jemand wissenschaftlich aufbereitet, was sonst nur in den einschlägigen Jagd- und Agrarmagazinen zu lesen ist: Jäger und Landwirte tun sich im Gegensatz zum Rest der Bevölkerung schwer, sich mit der Natur zu arrangieren.
In der Studie wurden ausschließlich - ausschließlich! - Jäger und Landwirte (plus ein paar Verwaltungsbedienstete) dazu befragt, was sie hinsichtlich der Anwesenheit großer Beutegreifer fühlen.
Und schwupps bekommt eine gefühlte Bedrohung den Anstrich wissenschaftlicher Evidenz.Das hauptsächlich verwendete Datenmaterial besteht aus 47 Leitfadeninterviews sowie einer Telefonumfrage mit einer Antwortfrequenz von 38% aus 300 auserwählten Teilnehmern. Ferner wurde Material aus früheren Befragungen von 2006-2010 sowie Analysen von Schutzjagdanträgen einbezogen.
Universität Göteborg, Pressemitteilung, 01.09.2021: Oro och stress bland lantbrukare och jägare i rovdjurstäta områden https://news.cision.com/se/goteborgs-un ... n,c3407028