Werden Wölfe bereits durch das Fleisch auf Nutztiere konditioniert?

Themen, die den Wolf im Allgemeinen betreffen.
zaino
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Re: Werden Wölfe bereits durch das Fleisch auf Nutztiere konditioniert?

Beitrag von zaino »

... naja,jetzt mal meine Theorie dazu: Genau wie bei Katzen geht man auf alles, was vor einem WEGrennt und guckt, ob mans a) gefangen und b) gefressen kriegt oder ob es einem seinerseits eins auf die Zwölf gibt.
Wenn man leicht an Schaf und nur schwer an Wildsau kommt, schnuppert man vorzugsweise nach Schaf - klarer Lerneffekt, der dann leider nach Wiederholung schreit. Nicht, weils so lecker ist, sondern weils so praktisch ist wie für uns Mac Drive in.
Kriegt man beim Schaf eins verpratzelt, weil guter Zaun, macht man sich als Wolf auf die Pfoten und jagt Wildsau. Mühsamer, aber im Vergleich zum Stromschlag sind ein paar Flankenwürfe gut wegzustecken und weniger spooky für unser Wölfchen.

Die Grundidee, dass der reine Geschmack des Beutetiers den Wolf konditionieren täte, halte ich für komplett unrealistisch.
Die Kausalitätskette lautet Hunger = Nahrungssuche. Wölfe verputzen Mäuse, Weintrauben, menschliche Nahrungsabfälle, Wurst vom bekloppten Naturfotografen, Aas oder selbst erjagtes Fleisch. Je nachdem. Ganz wie es kommt. Bekanntes, Vertrautes wird dabei bevorzugt.
Eine Vorraussetzung ist auch die, dass das Gefundene als Fressen erkannt und klassifiziert wird (nur damit jetzt nicht gleich wieder die Schratzen vom Waldkindergarten als Beute vorgeführt werden.... ). Muss also irgendwie ins Beuteschema passen. Das ist beim europäischen Wolf nunmal nicht der Zweibeiner.
Wolfs-Theoretiker
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Re: Werden Wölfe bereits durch das Fleisch auf Nutztiere konditioniert?

Beitrag von Wolfs-Theoretiker »

Hallo zaino,
danke für das Feedback.
Ja der reine Geschmack allein wird es auch nicht sein für die Welpen, sondern mehr die Nährwerte und Inhaltsstoffe,
welche sogar schon in der Muttermilch eine Rolle spielen könnten und nicht nur im vorverdautem Fleischbrei.
Später dann erst das Fleisch (z.B.) vom Schaf, welches von den Altwölfen serviert wird.
Wenn es nur der Hunger wäre, dann frist ein Wolf alles was sich fressen läßt und wenn es menschliche Exkremente sind.

Nein es geht darum, wie Du es in Deinem Beitrag beschrieben hast: "Bekanntes, Vertrautes wird dabei bevorzugt".

Dabei geht es nicht allein um das Stillen des Hungers, nein hierbei geht es um ein Verlangen nach etwas Bestimmtem,
nähmlich dem Bekanntem und Vertrautem, nachzugehen, denn wenn dies erreicht wird, dann wird Dopamin als Belohnung
freigesetzt und dies ist dann der eigentliche Anreiz, warum ein Welpe die Schnauzen der von der Jagd heimkehrenden Wölfe
beleckt und dadurch sein "Bekanntes und Vertrautes" bekommt.

Der beschriebene Sachverhalt, bezieht sich nicht nur auf Nutztier, sondern alle bevorzugte Beutetiere,
denn so wie es Rudel gibt, welche Schafe bevorzugen, so gibt es auch Rudel, welche andere Beutetiere bevorzugen.

Schon das Belecken der Alttier-Lefzen und der Geschmack des Speichels erfüllt die Welpen mit Vorfreude auf die Belohnung,
wobei das Hungerstillen nebenbei mit erledigt wird.

Ach ja, noch kurz, wie meinst Du das mit dem Zweibeiner?

Sind damit Menschen gemeint, dann dürfen wir nur dem europäischem Wolf vertrauen, das er uns nicht als Beute ansieht.

So wie Du es formuliert hast, danach passen die Zweibeiner in das Beuteschema von nicht europäischen Wölfen.

Grüsse, WT
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Wolfs-Theoretiker
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Re: Werden Wölfe bereits durch das Fleisch auf Nutztiere konditioniert?

Beitrag von Wolfs-Theoretiker »

Hallo zusammen,

ja, bei den Lesern, welche es nicht verstehen können oder nicht wollen, da kommt natürlich nur Bullshit raus.

Lese hier gerade ein Paper, in dem steht:

Obwohl die Auswahl einer bestimmter Nahrung zumindest teilweise gnetisch gesteuert wird,
so basieren die meisten Entscheidungen auf Erfahrung.
Die Erfahrung aus allen Lebensphasen
(z. B. in der Gebärmutter, als Neugeborener, bei der Entwöhnung, als Jugendlicher oder als Erwachsener)
sind wichtig, damit sich ein Tier entscheiden kann, wo und wie es sich ernährt.

Dies ist ein kleiner Auszug, als von mir übersetztes Zitat und stammt von "Nolte et al. 1990; Nolte and Provenza 1991".

Habe es hier mal aufgeführt, weil es bringt ja nichts, wenn nur in Bullshit rumgerührt wird.

So kann unser Mitforist Dr_R.G. mal die beiden Papers ausfindig machen und im Forum veröffentlichen,
denn das kann er besonderst gut und hier zolle ich ihm auch Anerkennung.

In der Gebärmutter, dazu möchte ich noch anfügen, da müssen die Föten nehmen was die Plazenta schickt,
also da gibt es keine Möglichkeit der Nahrungsauswahl.

Grüsse, WT
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Wolfs-Theoretiker
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Re: Werden Wölfe bereits durch das Fleisch auf Nutztiere konditioniert?

Beitrag von Wolfs-Theoretiker »

Hallo zusammen,

muß noch den Titel des Papers nachreichen.

"Mechanisms of diet selection in coyotes (Canis latrans)"

Hieraus hatte ich zitiert und es läßt sich leichter nachlesen, wenn der Dr_R.G. es hier einstellt und das Schöne dabei ist,
daß es hier nicht um Kot geht und was darin enthalten ist, sondern um das Selectieren von Nahrung.

Grüsse, WT
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Re: Werden Wölfe bereits durch das Fleisch auf Nutztiere konditioniert?

Beitrag von Erklärbär »

Lutra hat geschrieben: 30. Dez 2019, 14:44
Dr_R.Goatcabin hat geschrieben: 30. Dez 2019, 14:34
Wölfe lernen durch Beobachtung und Nachahmung;
Ausgebrochene Gehegewölfe kommen ja auch recht gut in der Freiheit zurecht, ohne jemals das Beutereißen beobachtet zu haben.
Jetzt kommt hier ja doch sowas wie eine Diskussion in Gang. Das könnte noch interessant werden.

Natürlich nicht, indem man eine beliebige Literaturliste irgendwie reinkopiert, sondern indem man sich mit Erkenntnissen befasst. Ich hielt noch nie was von Autoritätsbeweisen nach dem Motto: Ich habe promoviert und deswegen bin ich der Bedeutendste.
Schmarren. Promoviert sein bedeutet heutzutage meist: Arme Sau. Ich weiß schließlich, von was ich spreche.

Zunächst jedoch zu Lutras Feststellung über ausgebrochene Gehegewölfe. Dazu möchte ich nur an den armen Jungen erinnern, der vor 42 Jahren bei Bremen von einem ausgebüxten Gehegewolf zerfleischt wurde. Nein, der Wolf kam also gut zurecht.
Und ja, vermutlich hat er Menschen eben von jeher mit Nahrung in Verbindung gebracht. Das war des Jungen Verhängnis. Er wäre heute in meinem Alter.

Quelle, der Vollständigkeit halber:
https://www.weser-kurier.de/region/nied ... 49062.html

Kann niemand Leute verstehen, denen die 90 Wölfe um Bremen herum heute Sorgen machen?
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Erklärbär
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Re: Werden Wölfe bereits durch das Fleisch auf Nutztiere konditioniert?

Beitrag von Erklärbär »

Danke WT für das interessante Paper. Werde bei Gelegenheit gerne reinschauen.
Auf die Schnelle will ich nur sagen, dass mir das Phänomen der Bildung von Nahrungspräferenzen beim Menschen in allen Lebensstadien - ist ja auch nur ein Säugetier - ein Begriff ist. Die Prägung auf Geschmack und bestimmte Aromen fängt schon im Ungeborenenalter an. Und ist beim Wolf m.E. noch viel ausgeprägter aufgrund der hervorragenden Sinnesorgane. Und übrigens, ein Schaf schmeckt anders als ein Reh. Sehr viel anders.
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Re: Werden Wölfe bereits durch das Fleisch auf Nutztiere konditioniert?

Beitrag von Lutra »

Erklärbär hat geschrieben: 31. Dez 2019, 00:12
Zunächst jedoch zu Lutras Feststellung über ausgebrochene Gehegewölfe. Dazu möchte ich nur an den armen Jungen erinnern, der vor 42 Jahren bei Bremen von einem ausgebüxten Gehegewolf zerfleischt wurde. Nein, der Wolf kam also gut zurecht.
Und ja, vermutlich hat er Menschen eben von jeher mit Nahrung in Verbindung gebracht. Das war des Jungen Verhängnis. Er wäre heute in meinem Alter.
Das ist ja nun eine ganz andere Baustelle. Es war kein wilder Wolf. Heute ist es auch so geregelt, dass ein in Hinblick auf sein Verhalten auffälliger wilder Wolf "entnommen"wird. Angriffe, die man mit dem damaligen vergleichen kann, passieren heute noch regelmäßig, allerdings von der Unterart canis lupus familaris.
Wenn Dein Einwurf in diesen Tread hier passen sollte, müßte wohl angenommen werden, dass der Wolf damals vorher als Welpe schon Mensch zu fressen bekommen hat.
Bei den ausgebrochenen Gehegewölfen habe ich an die vor kurzem im Bayrischen Wald oder an die Wölfin "Bärbel" gedacht.
Lutra
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Re: Werden Wölfe bereits durch das Fleisch auf Nutztiere konditioniert?

Beitrag von Lutra »

Erklärbär hat geschrieben: 31. Dez 2019, 00:28 Und übrigens, ein Schaf schmeckt anders als ein Reh. Sehr viel anders.
Das stimmt. Trotzdem würde kein Wolf ein Schaf stehen lassen, nur weil er vorher nie Schaf gefressen hat, etwa nach dem Motto, was der Bauer nicht kennt, frißt er nicht. Es gibt auch keine Wölfe, zumindest in Deutschland, die sich bevorzugt oder überwiegend von Schafen ernähren.
Wolfs-Theoretiker
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Re: Werden Wölfe bereits durch das Fleisch auf Nutztiere konditioniert?

Beitrag von Wolfs-Theoretiker »

Hallo zusammen,
@ Lutra, muß Dir voll und ganz beipflichten, dies nur mal vorweg.

Um noch mal ein paar Sätze von zaino zu zitieren, worin es heißt:
Kriegt man beim Schaf eins verpratzelt, weil guter Zaun, macht man sich als Wolf auf die Pfoten und jagt Wildsau.
Mühsamer, aber im Vergleich zum Stromschlag sind ein paar Flankenwürfe gut wegzustecken und weniger spooky für unser Wölfchen.

Dies habe ich nun mal zum Anlaß genommen und darüber nachgedacht. Also es geht um Schmerzen, welche ein Wolf bei der
Berührung eines E-Zaunes oder beim Kampf mit einem Schwarzkittel verschmerzen muß. Auch mal tritte von Großtieren etc.. .

Dabei ist nicht jeder Schmerz eines Stromschlages die Hölle, wie wir sagen würden, sondern abhängig davon wie trocken der
Boden ist und wie trocken die Laufsohlen(Ballen) der Wolfspfoten sind. Aber das nur mal nebenbei.
So ein Stromschlag kann einem Wolf, welcher sich vorsichtig/zaghaft dem E-Zaun nähert, ganz schön erschrecken
und auch davon Abhalten erneuten Kontakt zum E-Zaun zu suchen.
Dieser Wolf hat eine negative Erfahrung am E-Zaun gemacht und dadurch kein Beute erlangen können,
das heißt er war Erfolglos und deshalb gibt es auch keine Belohnung(keine Glückshormone, wie wir sagen).
Somit gibt es für diesen Wolf keinerlei Motivation für eine Jagt die hinter dem E-Zaun befindlichen Schafe.
Dieser Wolf hat seine Lexion erteilt bekommen und die hinter dem E-Zaun stehenden Schafe sind erstmal aus dem Schneider.
Ja, dieser Wolf muß sich was anderem Fressbarem umsehen und dabei wird er einem E-Zaun meiden.

Doch es gibt andere Wölfe, welche den E-Zaun zu überwinden versuchen, wenn das klappt und sie bekommen dabei ein paar
Stromschläge verpaßt, was sicherlich auch Schmerzen bedeutet, aber mit dem Ansprung über den E.Zaun hat der Wolf seine
Jagd auf die Schafe begonnen und er steht schon unter Adrealin, hat kein Gefühl mehr für Schmerz und Angst.
Er ist auf der anderen Seite des E-Zaun gelandet und stürzt sich auf die Schafe. Er verbindet die Stromschlag-Schmerzen mit
dem Erfolgserlebnis und bekommt nicht nur die Schafe, sondern auch noch eine Portion Dopamin.
Für einen solchen Wolf ist der Schmerz beim Überwinden des E-Zaunes die Herausforderung um die Belohnung zu erhalten.

Was sagt uns das? Egal ob Mensch oder Wolf(wir sind uns in Vielem ähnlich), beide nehmen Unannehmlichkeiten in Kauf um
ihre Ziele zu erreichen, was sogar in eine Sucht nach Glückshormonen enden kann.

https://www.wz.de/panorama/das-belohnun ... d-29339489

Prost Neujahr!

Grüsse, WT
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Dr_R.Goatcabin
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Re: Werden Wölfe bereits durch das Fleisch auf Nutztiere konditioniert?

Beitrag von Dr_R.Goatcabin »

Ich bin mir ziemlich sicher, dass unter den nun knapp 1.500 Literatureinträgen bisher noch nichts von Sadomaso-Wölfen zu lesen war. Das ist echt eine Erkenntnislücke, die in einem entsprechendem Journal einmal näher besprochen werden sollte.

- Wie nochmal heißen diese Heftchen, die man sich zum Kurzweil neben das Klo für längere Sessions legt? ;) Ich komme gerade nicht darauf.

Manche Wölfe brauchen es einfach, diesen Kick! Und suchen sich dann Gleichgesinnte ..

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"Though this be madness, yet there is method in 't ..."
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